Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 1
Johann Wolfgang von Goethe

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Anhang

Aus Briefen Charlottens von Stein über Goethe

1

An Joh. Georg Zimmermann

a Weimar ce 6" Mars 1776.

D'un jour à l'autre Cher Ami j'ai voulu Vous ecrire et Vous remercier de Votre lettre du 29 Decemb: de l'année passée et me voila presque un quart d'an dans la presente sans Vous avoir payé le reste de ce que je Vous devois de l'ancienne, je serai à jamais malgré moi Votre debitrice en tout jusqu'a la fin de ma vie.

Le retour du printems j'espere Vous rendra plus content de Votre santé que Vous ne l'étiez il y a quelques mois et Vous tirera de cet abattement de l'ame qui est le pir de toute, et dont je sçais aussi chanter quelque chose avec cette difference que je n'ai rien à perdre comme Vous autres genies.

Dernierement au soir, et hier à midi, Wieland a souppé et diné chez moi et devient de bon cœur mon ami, je dois son amitié a Göthe et le tout a Vous.

Ich könte Ihn wohl mancherley politische Lieder hier singen, aber zu was? Nos souhaits pour Herder sont accomplits.

Göthe est ici un objet aimé, et haïs, Vous sentirez qu'il y a bien de grosses tetes qu'ils ne le comprennent pas. Louise augmente pour moi de jour en amitié, mais beaucoup de froideur entre les Epoux pourtant je ne desespere pas, deux ètres si raisonnables, si bons, doivent enfin s'accorder.

Au moment Göthe m'envoit Votre billet je Vous ai deja confessé mes pêchés. adieu, avant le depart de la poste je Vous dirai cher Ami encore une fois bon soir et bonjour.

Ich komme jetz Ihnen eine gute Nacht zu sagen. Ich war den Abend im concert Göthe nicht, vor einigen Stunden war er bey mir gab mir vor Sie das beygeschloßne billet und war toll über Ihren Brief den er mir auch vorlas, ich vertheitigte Sie, gestund ihm ich wünschte selbst er mögte etwas von seinen wilden Wesen darum ihn die Leute hier so schieff beurtheilen, ablegen, daß im Grund zwar nichts ist als daß er jagd, scharff reit, mit der grosen Peitsche klatscht, alles in Geselschaft des Herzogs. Gewiß sind dies seine Neigungen nicht, aber eine Weile muß ers so treiben um den Herzog zu gewinnen und dann gutes zu stifften, so denk ich davon; er gab mir den Grund nicht an, vertheitigte sich mit wunderbahren Gründen, mir bliebs als hätt er unrecht. Er war sehr gut gegen mich nennte mich im Vertrauen seines Hertzens Du, das verwies ich ihn mit den sanfftesten Ton von der Welt sichs nicht anzugewöhnen weil es nun eben niemand wie ich zu verstehn weis und er ohne dies offt gewiße Verhältniße aus den Augen setz, da springt er wild auf vom Kanape, sagt ich muß fort, läufft ein paar mahl auf und ab um seinen Stock zu suchen, find ihn nicht, rent so zur Thüre hinaus ohne Abschied ohne gute Nacht; Sehen Sie lieber Zimmermann so wars heute mit unßern Freund. Schon einige mahl habe ich bittern Verdruß um ihn gehabt das weis er nicht und sols nie wißen. nochmals gute Nacht.

d. 8ten Da haben Sie nun auch den guten Morgen, ich könte Ihnen vor Abgang der Post auch noch eine gute Nacht sagen aber ich bin nicht zu Hauß den Abend, und noch den Vormittag muß ich mich von Ihnen trennen. Ich solte gestern mit der Herzogin Mutter zum Wieland gehn, weil ich aber furchte Goethen da zu finden that ichs nicht. Ich habe erstaunlich viel auf meinen Hertzen daß ich den Unmenschen sagen muß. Es ist nicht möglich mit seinen Betragen kömt er nicht durch die Welt; Wenn unßer sanffter Sittenlehrer gekreutzget wurde, so wird dieser bittere zerhackt. Warum sein beständiges pasquilliren, es sind ja alles Geschöpffe des grosen Wesens das duldet sie ja, und nun sein unanständges betragen mit Fluchen mit pöbelhafften niedern Ausdrücken. Auf sein moralisches so bald es aufs Handeln ankomt, wirds vielleicht keinen Einfluß haben, aber er verdirbt andre; der Herzog hat sich wunderbahr geändert, gestern war er bey mir behaubtete daß alle Leute mit Anstand mit Manieren nicht den Namen eines ehrlichen Mannes tragen könten, wohl gab ich ihn zu daß mann in den rauhen Wesen offt den ehrlichen Mann fände aber doch wohl eben so offt in den gesitteten; daher er auch niemanden mehr leiden mag der nicht etwas ungeschliffnes an sich hat. Das ist nun alles von Goethen von den Menschen der von tausende Kopff, und Hertz hat, der alle Sachen so klar ohne Vorurtheile sieht so bald er nur will der über alles kan Herr werden was er will. Ich fühls Goethe und ich werden niemahls Freunde; auch seine Art mit unßern Geschlecht umzugehn gefält mir nicht er ist eigendlich was man coquet nent es ist nicht Achtung genug in seinen Umgang.

Zerreißen Sie meinen Brief, es ist mir als wenn ich eine Undankbarkeit gegen Goethen damit begangen hätte, aber um keine Falschheit zu begehn wil ichs ihm alles sagen sobald ich nur Gelegenheit finde. Leben Sie wohl lieber Zimmerman und empfelen mich unßern Freundinn

v. Stein.

2

An Zimmermann

Weimar den 10 May 76.

Lieber Zimmermann ich bin böß auf Sie; ich freue mich wie mir Goethe Ihren Brief giebt, und nun nicht ein Wort von Ihnen drinn. Auf Johanni kom ich nach Hannovre Sie zu sehn und geh alsden nach Pyrmont. Ich bitte diesen inligenden Brief an die junge Frau zu bestellen, weil ich nicht weis wo ich ihn hinschicke.

Mir gehts mit Goethen wunderbar, nach acht Tagen, wie er mich so hefftig verlaßen hat komt er mit einen Übermaas von Liebe wieder. Ich hab zu mancherley Betrachtungen durch Goethen Anlaß bekommen; jemehr ein Mensch faßen kann, daucht mir, je dunckler anstößger wird ihn das Ganze je eher fehlt mann den ruhigen Weg, gewiß hatten die gefallnen Engel mehr Verstand wie die übrigen.

Schreiben Sie mir nur ein Wort ob Sie um Johanni in Hannovre sind, oder laßen mirs durch Goethen sagen, Ich bin durch unßern lieben Goethe ins deutsch schreiben gekommen wie Sie sehen, und ich danks ihm, was wird er wohl noch mehr aus mir machen? den wen er hier, lebt er immer um mich herum: jetzt nenn ich ihn meinen Heiligen und darüber ist er mir unsichtbar worden, seit einigen Tagen verschwunden, und lebt in der Erde fünff meilen von hier in Bergwercke. Wieland ist wohl nebst seinen ganzen Hauß, vor einigen Wochen hat er aber viel wegen seiner Kinder Kranckheit gelitten es ist ein zärtlicher Vater. Ich weis nicht ob ich Ihnen schon geschrieben daß Goethe und ich haben bey ihn zu gevatter gestanden, unßer Pathgen ist ein liebes hübsches Mädgen, es sieht völlig aus wie eine Tochter die ich verlohren habe und die ich sehr liebte, ich bilde mir ein sie ist bey Wielanden wieder auf die Welt gekommen, und drüber ist mirs nicht anders als wens mein Kind war. Lenz, Goethens Freund ist hier, aber es ist kein Goethe. Goethe, und Wieland, haben sich alle beyde hier Gärdens gekauft, sind aber nicht Nachbarn sondern liegen an verschiedne Thore, in Goethens Garden hab ich schon einmahl Caffé getruncken und von seinen Spargel gegeßen den er selbst gestochen und in seinen Ziehbrunnen gewaschen Hatte, in Goethens Garden ist die schönste Aussicht die hier zu haben ist, er liegt an einen Berg und unten ist Wiese die von einen kleinen Fluß durchschlungen wird. Gute Nacht lieber Zimmerman, ich bit um vergebung wegen vielen unnützen Zeug daß ich geschwätz habe.

v. Stein geb. von Schardt.

3

An Frau v. Döring

10. Mai 1776.

..... Goethe cause içi un grand bouleversement; s'il sait y remettre ordre, tant mieux pour son génie. Il est sûr, qu'il y va de bonne intention; cependant trop de jeunesse et peu d'expérience – mais attendons la fin. Tout notre bonheur a disparu içi: notre cour n'est plus ce qu'elle était. Un seigneur, mécontent de soi et de tout le monde, hazardant tous les jours sa vie avec peu de santé pour la soutenir, son frère encore plus fluet, une mère chagrine, une épouse mécontente, tous ensemble de bonnes gens, et rien, qui s'accorde dans cette malheureuse famille...

4

An Zimmermann

17. Juni 76.

Um Ihnen, lieber Zimmermann, etwas neues zu erzehlen so wißen Sie daß Goethe endlich hier fest ist; vor einigen Tagen ist er zum Geheimen Legations Rath ernent worden, und sitz im conseil, ich habe aber doch noch einen Unglauben an seinen unstäten Sinn, wenn ich ihm gleich herzlich wünsche an irgend einen Eckgen der Welt Ruhe zu finden.

Den 25ten Reiße ich von hier ab, bin also noch einige Tage vor Sie in Pyrmont bereite Ihnen den Weg und bin nicht würdig Ihnen die Schurimen aufzulesen.

5

An Sophie v. Schardt

Kochberg 18. Sept. 1780.

Zur Antwort auf Deinen Vers; wie der Hirsch den Pfeil etc. etc. schrieb ich Dir etwas aus dem Antonin; Es kommt doch auf eines heraus ob Du diese Dinge hundert Jahre oder ob Du sie drey Jahre sehest, ob schon dieser Trost vor wenige paßlich ist, so glaub ich doch er könte es Dir seyn, ich setze Dir noch etwas zu daß mir Goethe letz aus einem alten Griechen schrieb, nichts unmögliches hoffen und doch dem Leben genug seyn.

6

An Frau v. Lengefeld

Kochberg 5. Okt. 1782.

Ich danke Ihnen, liebe beste gute Frau von Lengefeld, daß Sie mir noch Ihren Segen nach Weimar mitgeben, wohin der Weg wegen des übeln Wetters nicht sehr angenehm sein wird. Es scheint wirklich, der Himmel habe uns die einigen Tage leidlichen Sonnenschein zu unserer Zusammenkunft aufgespart gehabt...... Der Geheimerath von Goethe ist den anderen Tag unseres Rendezvous in Oberhaßel nach Weimar zurück, ich werde ihm etwas aus Ihrem Brief vorlesen, um ihm wohlzuthun.

7

An Sophie v. Schardt

2. Juni 1783

Noch etwas, das mir sehr lieb ist. Goethe hat Fritzen zu sich genommen, und benimmt sich so verständig und gütig in seiner Erziehung, daß man von ihm lernen kann. Er ist von den wenigen, der Rousseaus innern Sinn der Erziehung zu fassen weiß, und weil Fritz von Natur ein hübsches Ebenmaß in sich hat, machts Goethen selbst Freude, sich mit ihm abzugeben.

8

An Sophie v. Schardt

6. Juni 83.

Nun kann ich Dir von den Besoldungszulagen etwas umständlicher schreiben; denn ich habe mich genau darnach erkundigt, und leider erfahren, daß mein Bruder abermals durchgefallen ist, welches ihn vermuthlich sehr kränken wird ..... Ich fragte Goethen, warum es nicht bis zu meinem Bruder gelangt hätte; aber weil zwischen dem Minister und der Aufrichtigkeit der Freundschaft ein Abgrund gesetzt ist, so bekam ich Antworten, die ich nicht verstand, und sehe wohl so viel, daß es Dein Mann nicht als eine Verachtung seiner Dienste anzusehn habe, sondern daß wer weiß was? von Anforderungen anderer auf Zulage ihm die seinige erschwert haben.

9

An Sophie v. Schardt

Weimar 20. Juni 83.

Beide, der Herzog und Goethe, sind nicht hier, sondern schon seit acht Tagen nach Wilhelmsthal, dem Prinzen Konstantin, dem verlorenen Sohn, entgegen. Ich erwarte sehnlichst Antwort und wünsche nur, daß ihn der Brief nicht mag verfehlt haben; denn mündlich ist nicht mit ihm zu sprechen, ohne daß wir uns beide weh thun, wie ich Dir schon letzt etwas davon geschrieben habe, wenn Du meinen Brief erhalten hast. Mein Vater bessert sich langsam von seinem Podogra; übrigens ist hier alles ganz wohl. Bergs sind wieder fort und haben uns auf den Winter Hoffnung gemacht wieder zu kommen; es sind sehr gute Leute, und man hat ihnen hier sehr höflich begegnet. Stein ist nach Kochberg und alles, was mir lieb ist, in die weite Welt.


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