Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 1
Johann Wolfgang von Goethe

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[Mittwoch 9. Juni]

Gestern Abend hatt ich Ihnen noch eine Rose gebrochen die unterm Busch aufgeblüht war. Ich wurd aber unterweegs aufgefangen, und musste sie wieder mit nach hause nehmen. Wenns Regen giebt blühen ganze Kränze auf. Gehn Sie heut zur Militair Operation?

d. 9. Jun. 1779.

G.

331

[Sonntag 13. Juni]

Ich habe wieder die Medizin zu hülfe gerufen, so lang sie als Schlotfeger zu würcken hat hab ich immer Vertrauen auf sie. Aus Ihrer Tasse trinck ich Bouillon und schicke Ihnen in dem erwünschten Regen aufgeblühte Blumen.

d. 13. Jun. 1779.

G.

332

[Donnerstag 24. Juni]

Sie thun sehr wohl dass Sie mich durch ihre Raben speisen lassen Morgends und Abends, den es ist doch eins der sichtlichsten und gewissesten Zeichen dass man im Himmel an die Propheten denckt. Gestern Abend hab ich noch eine Scene in Egmont geschrieben die ich kaum wieder deschiffriren kann  Ade.

d. 24. Jun. 79.

G.

333

[Sonntag 4. Juli]

Gestern bin ich erst neun Uhr erwacht, und habe Sie im Webicht gesucht, auf dem Pavillon, in dem Buchenplaz und auch dem Tiefurter Weeg. Wie ich Sie nicht fand ging ich nach hause schrieb, las ging nach zwölfen noch durch den Stern, und die neuen Gänge. Ich hoffe solchen Tausch mit den Tagszeiten öffter zu machen es ist sehr schön, hier haben Sie einen Einfall und guten Morgen.

d. 4. Jul.1779.

G.

Wenn Sie heute Mittag mit mir essen mögten, und mögten noch iemand mitbringen, etwa Ihre Mutter und Steinen oder wen Sie wollen.

334

[Sonntag 4. Juli ?]

Der vierte Theil meiner Schrifften
Berlin. 1779 bey Himburg.

Langverdorrte halbverweste Blätter vorger Jahre,
Ausgekämmte, auch geweiht und abgeschnittne Haare,
Alte Wämser ausgetrettne Schuh und schwarzes Linnen,
Was sie nicht ums leidge Geld beginnen!
Haben sie für baar und gut
Neuerdings dem Publikum gegeben.
Was man andern nach dem Todte thut,
Thut man mir bey meinem Leben.
Doch ich schreibe nicht um Porzellan noch Brod
Für die Himburgs bin ich todt.

335

[Sonntag 4. Juli]

Ich weis nicht ob der 5 Jul auch in ihrem Calender mit Charlotte bezeichnet ist, in meinem stehts so und ich hatte gehofft ihnen zum Morgengrus ein Zeichen einer anhaltenden Beschäfftigung für sie zu schicken. Es wollte mir nicht gelingen, drum schick ich Ihnen das schönste von meinem Hausrath. Ich kan diesen mir so ominosen Nahmenstag nicht vorbeygehn lassen ohne Ihnen anders als alle Tage zu sagen dass ich sie liebe.

d. 4. Jul. Nachts.

G.

336

[Tiefurt, Sonntag 11. Juli]

Knebel wird Ihnen den Zettel geben bey dem ich diese Nacht geblieben bin. Wir sollten diesmal scheiden ohne Adieu gesagt zu haben. Schicken Sie mir ia irgend ein Zettelgen nach Ettersb[urg] wenn es auch nicht mehr enthält als dieses. Mir ists sehr ruhig, aber auch kommt mirs heute früh vor als wenn ich in meinem Leben nichts gethan hätte. Adieu, liebe.

d. 11. Jul. 79.

G.

Sehen Sie ob Sie machen können dass Knebel morgen nach Ettersb[urg] geht.

337

[Weimar, Sonntag 8. August]

Einen guten erquickten Morgen! Bis gegen Mittag ists sehr schön also lad ich Sie zum Essen mit Ihren Kindern und Kestnern. Denn Stein ist doch heute nicht zu haben.

d. 8. Aug 1779.

G.

338

[Mittwoch 18. August]

Ich sehne mich gar sehr nach Ihnen, und so bald es möglich ist werd ich kommen, seit Sie weg sind, bin ich überall herumgezogen, war einen Tag in Ettersburg, in Tiefurth, auf der Jagd in Troistädt, es ist wie mit einer Erbschafft, die nach dem Abgang des einigen Besizzers an viele zerfällt. Mir wirds nicht recht wohl dabey, denn ich habe keinen Ort woher ich komme und wohin ich gehe.

Die Weste sizt gar schön, es ist die erste die so passt zu meiner grosen Freude. Sie sieht gar lieblich, und ich hoffte drinn mit Ihnen einen Englischen durchzuführen.

In Ettersburg fing ich aus zufälliger Laune an nach oeserischen Zeichnungen zu krizzeln, es ging gut und nun mach ich mehr, Sie sollen ehstens etwas haben; der Herzog hat eine Zeichnung von mir für eine schöne Dame verlangt, der er wie er sagt sie versprochen hat. Hier schick ich etwas Obst. Adieu sagen Sie mir durch die Botin ein Wort und grüsen die Kinder.

W. d. 18. Aug. 1779.

G.

339

[Sonnabend 21. und Sonnabend 28. August]

Ich muss wohl aushalten, merck ich, es ist nicht anders. Heut Abend hofft ich bey Ihnen zu seyn, der Mond scheint recht schön und hätte mich gut bis in Ihre Berge gebracht, den Montag wollt ich zurück, das soll mir auch nicht werden. Denn der Herzog ist seit gestern weg, und kommt erst Morgen, und da sind Sachen wenn sie nicht Montags früh in Bewegung gehn, geschehn sie die ganze Woche nicht. Dem Fürsten wird eine Stunde nach der andern gestohlen, und dagegen ist er offt in der Noth uns ganze Tage zu rauben.

Diese Woche hat die Last die ich trage wieder stärcker gedrückt. An Orten wo die Weiber Vicktualien und andres in Körben auf dem Kopfe tragen, haben sie Kringen wie sie s nennen von Tuch mit Pferdehaar ausgestopft dass der harte Korb nicht auf den Scheitel drückt, manchmal wird mirs als wenn mir eins das Küssen wegnähme und manchmal wieder unterschöbe. Steinen seh ich wenig, er ist nie zu hause wenn ich nach ihm frage. Ihre Tauben wissen gar nicht wie ihnen geschieht dass das Fenster sich nicht öffnen will. Das Eichhörngen ist wohl. In mein Haus kommt nun gar kein Mensch, ausser dem schönen Misel, wir sind gar artig zusammen, denn wir sind in gleichem Falle, mir ist mein liebstes verreist, und ihr fürstlicher Freund hat andre Weege gefunden.

Sonst seh ich recht wie ich von allen Menschen, und alle Menschen von mir fallen. Knebeln besuch ich manchmal, von Herdern hör ich gar nichts. Indess ist ein neu Drama unterweegs, und Sie werden ia auch wieder kommen. Gute Nacht wenigstens schriftlich.

d. 21. Aug. Sonnab. 1779.

G.

d. 28. Nur mit Einem Wort kan ich für den Beutel und die Manschetten dancken. Es ist heute ein schöner Tag. Möge er Ihnen auch sehr hold seyn. Von Büchern was ich habe folgt hier! grüsen Sie alles.

G.


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