Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Letztes Capitel.

             

So vorsichtsvoll der Fuchs auch reiste,
    Und Städt' und Dörfer stets umkreiste,
Nur immer ging bis gegen Morgen
    Und Tags in Wäldern blieb verborgen,
So wollte es denn doch das Fatum –
    Dasselbe, was post Christum natum
'Nen andern Namen angenommen –
    Daß er für seine Frevel büße;
Obgleich's sonst nur an wahrhaft Frommen
    Uebt seine tückische Malice
Und Schurken lohnt mit Gut und Geld,
    Was sehr fatal in dieser Welt.

Es zogen nämlich zehn Gesellen
    Vom neuen Glauben, jenem hellen,
Der endlich, endlich es gewagt
    Und sich von Babba losgesagt,
Durch einen Wald zur nächsten Stadt
    (Die mir der Staar verschwiegen hat),
Um mit Erlaubniß der Gewalten
    Dort ihren Gottesdienst zu halten.

Die stießen nun in jenem Walde
    Auf meinen list'gen Helden balde,
Dem ich, ich schwör's bei meinem Leben!
    Obschon er mir viel Stoff gegeben,
Von Herzen 'ne Tracht Prügel gönnte,
    So stark wie man sie haben könnte
Nur irgend in dem Reich der Knut',
    Wo's sehre schöne seien thut.

Und unter diesen zehn Gesellen,
    Den überraschend glaubenshellen,
Befand sich auch ein Ziegenbock,
    Der Reineken sogleich erkannte,
Den Andern seinen Namen nannte,
    Und ihn mit starkem Bambusstock
Dermaßen an zu prügeln fing,
    Daß Reinken Seh'n und Hör'n verging.

Und dieser Bock schlug nicht allein
    So heftig auf den Fuchs, o nein!
Es schlugen auch die andern Neune
    Beinah' entzwei ihm Arm' und Beine.
Und bei den Hieben sangen sie
    (Was thut nicht solch erbittert Vieh!
Wär's Factum nicht, ich glaubt' es nie,)
Mit hellem Ton, aus voller Brust:
    »Was ist des Lebens höchste Lust?«

Sie schlugen ihn, als ging's um's Brod,
    Zum Mindesten ein Drittel todt;
Sie schlugen ihn mit Stock und Stangen:
    Er konnte gar nicht mehr verlangen!
Sie schlugen ihn auf dem Genicke
    Zehn große Aest' in kleine Stücke,
Und was ein andrer Theil erlebte,
    Wär' auch nicht Das, wonach ich strebte.
Auch müßt' ich lügen, wenn ich sagte,
    Daß es dem Reineke behagte:
Er schrie, es läßt sich nicht beschreiben,
    Und drum lass' ich es eben bleiben.

Sie schlugen ihn nach allen Takten,
    Daß ihm die Knochen alle knackten;
So ohne alles Mitgefühl,
    Als werkte eine Schneidemühl', –
Und machten keine einz'ge Pause
    Bei diesem üpp'gen Prügelschmause.
Sie schlugen ihn so wolluststöhnend,
    So ganz des Lesers Wünsche krönend,
Daß ihnen in des Eisbär's Reichen
    Geworden wär' das Ehrenzeichen.

Sie schlugen ihn erst braun und blau,
    Dann aber auch noch gelb und grau;
Sie schlugen ihn zum Regenbogen,
    Weil er die Welt so sehr betrogen,
Weil er ihr schlechtes Wetter war,
    Und's jetzo wurde etwas klar.

Sie prügelten ihn für die Beichte
    Und Das, was er durch sie erreichte;
Sie schlugen ihn für's Cölibat
    Und Das, was er daneben that,
Für alles Erd- und Seelengut
    So er geraubt und seine Brut,
Für all die heiteren Gewissen,
    So er zu grauser Angst zerbissen,
Für all' den Hader und den Zwist,
    So er geschafft durch Trug und List.
Sie prügelten ihn für den Bären,
    Deß Herz er frei nicht ließ gewähren,
Auch für den Prinz Johanniswurm
    Auf seinem hohen Tulpenthurm
Und für's Marienwürmchen hold,
    Das diesen Prinzen heiern wollt'.
Sie prügelten ihn für den Stieren,
    Den er so schnöde ließ regieren,
Auch für den letzten Bürgerkrieg
    Und manchen andern blut'gen Sieg,
Und endlich für die heil'gen Hosen:
    Und keineswegs als Dilettanten,
Die nicht für ihre Kunst entbrannten,
    Nein, als vollkommne Virtuosen!
Und um es nun in Eins zu fassen,
    Wie er sich mußte prügeln lassen:
Sie prügelten ihn hier für All's,
    So er gethan und allenfalls,
Wenn es die Dummheit ihm vergönnte,
    Wohl fernerhin noch thuen könnte.
Und gaben, um gerecht zu sein,
    Ihm noch die Zinsen obendrein.

Und als sie endlich fertig waren,
    Erschöpft von dem Real-Verfahren,
Nahm'n sie ihm noch die Schriften ab,
    Die ich schon mitgetheilet hab';
Auch fand sein Taschenbuch sich da
    Mit Daten von Utopia,
Das in der Ursprach' heißt Utopen,
    Und äußerst fern liegt von Europen.

Und gingen leichter Brust und heiter
    Auf ihrem frommen Wege weiter.

Viel Stunden lag der Ex-Gen'ral
    Im Walde da in Schmerz und Qual,
Bis daß ein anderer Fuchsit
    Von ungefähr dort hingerieth,
Ihn schleppte in die nächste Höhle,
    Dort seine Wunden wusch mit Oele
Und ihn dann lud auf einen Karren,
    Gezogen von 'nem alten Farren.

So, jammerkrank und krumm und lahm,
    Der Reineke nun wieder kam
Zurück in's feste Malpertaus.
    Gott führ' ihn niemals mehr heraus!

Und so kam noch zu rechter Zeit
    Die poetische Gerechtigkeit,
Die jedes Werk an seinem Schluß,
    Weil's die Kritik will, haben muß.
Und nun leb' wohl, geliebter Leser!
    Am Donaustrome und am Rhein,
Und an der Elbe, Spree und Weser,
    Und wo Du sonst noch solltest sein!
Und weiter hab' ich nichts gewollt,
    Daß dies Gedicht Dir sagen sollt':

Der Fuchs und das Fuchsitenkind
    Sind schlaue, schuft'ge Leute!
Und wenn sie nicht gestorben sind,
    So leben sie noch heute.


 << zurück