|
Bald war das schöne Königreich
Des Stieren elend, krank und bleich,
Und kehrte, hinkend an zween Krücken,
Der großen Gegenwart den Rücken,
Bis es, so geist- wie körperlahm,
Zurück in's Mittelalter kam.
Vom Geier bis herab zur Laus
That sich der Adel frech heraus;
Es wurde alle Wissenschaft
Von Schweinehunden angeblafft,
Und die man gnädiglichst erlaubte,
War eine polizeigeschraubte.
Die Baukunst und die Malerei
Ließ man im Lande walten frei,
Weil sie sich mehr in Formen strecken
Und nicht den Geist der Freiheit wecken;
Weil sie nicht wirken so lebendig,
Und weil vor Allem so behendig
Sie sind, den Reichthum zu beprachten,
Und meist die Gegenwart verachten;
Weil sie nicht, was der Dichtkunst Streben,
Das arme Dasein hold erheben,
Dem Kleinsten süßen Werth verleihen,
Die Sinnenlust poetisch weihen,
Erborgten Glanz und eitles Schimmern
Mit dem Gedankenblitz zertrümmern,
Und aus dem Staube goldne Früchte
Darbieten allem Erdgezüchte.
Drum war die Kunst und die der Rede
Lang' mit der Polizei in Fehde,
Bis diese und die Klosterpfaffen
Sie endlich machten ganz erschlaffen.
Der König, zwischen Fuchs und Kuh,
Regierte nun in guter Ruh',
Und hielt sein armes, dummes Vieh
Im Zügel durch Bigotterie;
Bebaute rings das ganze Land,
Und baute immer in den Sand;
Denn wo kein Geist herrscht, kann der Stein
Nichts weiter als Bedrückung sein.
Und wie viel Klöster auch entstanden:
Die Tugend und die Sitte schwanden!
Und thät er auch Canäle bauen,
Kam doch kein Schiff an mit Vertrauen!
Und baute er auch manchen Hafen,
Der Kummer wollte doch nicht schlafen!
Und baute er auch Brück' auf Brücke,
Fiel doch in's Wasser alles Glücke!
Und in den herrlichsten Fontainen,
Da sprangen nur des Volkes Thränen!
Und in der prächt'gen Größen-Truhe
Ging alle Größe auch zur Ruhe. –
Einst saß er in dem Cabinete
Allein und schmiedend an der Kette,
So über Hütte, Haus und Bogen
Nun unermüdlich ward gezogen;
Der Morgensonne milder Schein
Umspielte die Despotenstreiche:
Da flog durch's offne Fenster ein
Die Nachtigall, die liederreiche,
Und ließ sich zwischen Ros' und Flieder,
Die hier das Fenster schmückten, nieder.
Unwillig sah sie der Tyrann,
Bald aber bleich und staunend an,
Als sie mit wundervollem Klang
Aus ihrem tiefsten Herzen sang:
»Wo, König! ist der edle Prinz geblieben,
An dessen Brust und ihrem Lieben,
Erwartend ihren neuen Tag,
Die unterdrückte Thierwelt lag?
Todt ist die Brust!
Todt ihre süße Lust,
Sich königlich
Ueber Könige sich
Mit Götterschwingen zu erheben,
Und den Geächteten,
Und den Geknechteten
Freiheit, Freiheit zu geben!
Weh Dir! Schon liegt die Zeit
In ihrem Sterbekleid,
Als Du, zerbrechend alle Schranken,
Mit frühlingsseligen Gedanken
Beseligt durch den Frühling liefst,
Und aus dem liebeheißen Herzen riefst.
O selig, wem ein Gott das Loos gegeben,
Ein Gott der Erde hier zu leben,
Deß schaffend Wort durch weite Kreise dringt,
Abstreift der Thierwelt schnöde Fesseln,
In Rosen wandelt alle Nesseln
Und Segen in die kleinste Hütte bringt!
Weh Dir! Schon liegt die Zeit
In ihrem Sterbekleid,
Als Du, gekrönter Missethäter,
Das Erbe küßtest Deiner Väter
Und riefst: Ich küss' Dich, heil'ger Sand!
Ich küsse Dich, geliebtes Vaterland!
Laß Deine Adern jugendlich erglühen,
Laß Deine Blumen duftig blühen,
Laß Deine Bäume munter sprießen
Und Deine Ströme heiter fließen!
Vorüber sind all' Deine Schmerzen!
Mein Vaterland, Du liegst an meinem Herzen!
Ich segne Dich mit diesem Königskusse
Zur Freiheit und zum süßesten Genusse!
Weh Dir! Der über dem Azur,
Tyrann, er hörte Deinen Schwur!
Er wird Dich richten
Und Dich vernichten,
Wie Du vernichtest dieses Land,
So er gelegt in Deine Hand!
Weh Dir, daß Du Dich König nennst,
Und bist doch nur noch das Gespenst
Von Dem, der einst in edlem Drang
Nach jener höchsten Krone rang,
Die, eine goldne Sonne, Segen
Und Liebe ausstrahlt allerwegen!
Gespenst! nun seh' ich Dich nur weiter
Aufklimmen an der schwachen Leiter
Der Tyrannei, um zu erklettern
Die Sündenpreise Deiner Vettern.
Wahnsinniger, erschreckt Dich nicht
Das furchtbar drohende Gesicht
Der Sklaven dort zu Deinen Füßen,
Die ihren Krönungsjubel büßen?
Wie, wenn sie rütteln?
Wie, wenn sie schütteln
Und wenn sie Dich, geweihter
Vermaledeiter,
Hinunterstürzen sammt der Leiter,
Und unter Ketten Deinen Leib begraben,
Die sie sich abgerissen haben?
Sie werden Deines Kettengrabes Rücken
Durch jene Puppe draußen schmücken,
Mit der Du Dich, ein Thier
Wie wir,
Machttrunken Gott, dem Herrn der Welt
Und aller Welten, gleichgestellt!
O schau', Du trunkener Tyrann,
Mich nicht so grimm'gen Auges an!
Ich, Dichter, von edlerem Blut,
Das mit dem Himmel verwandt ist,
Ich lache Deiner Wuth,
Der Du an die Erde gebannt bist!
Uns Sänger
Soll länger
Nicht bangen,
Daß Deine Häscher uns fangen;
Wir wollen in Deine Mauern
Unser höheres Dasein nicht pferchen;
Hier wollen nicht verstummen, vertrauern
Die lieben, die glücklichen Lerchen!
Aus Deinen Auen allen
Soll nimmer wieder erschallen
Das Lied der Nachtigallen!
Das sei für Deinen Trug
Dein Fluch!
Dein weites Erbe
Verderbe!
Denn wo die Dichter ziehen,
Denn wo die Sänger fliehen,
Da ist das Glück zerschmettert,
Da ist die Hoffnung entblättert,
Da ist das Leben entgöttert!
Ich aber verlasse Dich nie!
Ich kehre immer wieder
Und singe, König Stier,
Wo Du auch weilest, Dir
In trauriger Melodie
Wie heut dieselben Lieder!
Ich bin Dein früheres Herze,
Und leihe Töne dem Schmerze,
An dem, so welk und kerkerbleich,
Darniederliegt Dein armes Reich!«
So schmetterte die Nachtigall
Herab von ihrem grünen Wall,
Indeß zu ihrem Ruhme
Am Fenster jede Blume
Ihr in die Augen blickte,
Das bunte Köpfchen nickte,
Und duft'ge Seufzer schickte.
Denn überall, allüberall
Liebt man die holde Nachtigall!
Im Menschen-, Thier- und Pflanzenreich
Hält man den Sänger engelgleich,
Der in bescheidenem Gefieder,
Kaum seines Werths bewußt,
Aus tiefster Brust
In Schmerz und Lust
Aushaucht die wundervollen Lieder!
O armer König Stier, ich wollte
Nie, daß die Nachtigall mir grollte!
Nie, daß des Dichters Zorn mich träfe,
An dessen Wiege standen
Die Götter und ihm wanden
Den Lorbeer um die süße Schläfe!
Wem Alles Liebe bringt entgegen,
Deß Liebe ist ein Sommersegen;
Doch wo er zürnt und wo er droht,
Ist schwere Noth und Wintertod. |