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Reinhard der Fuchs ließ weislich hier
Nachdenken seinen Herrn, den Stier;
Dann nahm er wieder auf das Wort
Und fuhr in seiner Fabel fort:
»»Ein andrer König, auf der Lauer
Nach dieser Insel, der war schlauer;
Der ließ – da schon sein Reich voll Schulden,
Und gegen zwei Millionen Gulden
Ein Krieg in jener fernen Stätte,
Und wohl noch mehr gekostet hätte,
Und so viel Geld aus Haitahai
Kaum wieder 'rauszuschlagen sei –
Der ließ nur einen einz'gen Pfaffen
Zu Schiff nach jener Insel schaffen,
Der frommen Auges, sanft und zahm
Zu jenem wilden Volke kam,
Der ihre Macht, nicht seine pries,
Hinauf stets nach dem Himmel wies,
Dem's nicht an Witz und Wort gebrach,
Und der in ihrer Sprache sprach,
Und dessen Kleid schon zeigte klar,
Daß er ein heil'ger Mensche war.
Dem hörten sie nun oftmals zu
Im Götterhaine Kurahu,
Wo sie zum allgemeinen Schlafen
Allabendlich zusammentrafen,
Die Cigarosos an sich steckten,
In's Gras die schlanken Glieder streckten,
Und spielten, scherzten, schabernackten,
Und Kokosnüsse auf sich knackten,
Und marinirte Schlangen aßen,
Kurz: bis zur Sonne letztem Leuchten
Froh unter ihren Datteln saßen,
Und dann noch ihre Kinder zeugten.
Anfänglich lachten sie der Dinge,
Die Der von Gott und Glauben sprach,
Geriethen aber nach und nach
Doch in des Priesters fromme Schlinge;
Denn er verstand es meisterhaft,
Geduldig, ohne Leidenschaft,
Ihr Herz und Sinnen wohl erprobend,
Und ihre Götzen immer lobend,
Dem seinigen sie zuzuwenden;
Erzählte ihnen ohne Enden
Von Wundern, so geschehen wären
Durch seinen Gott und ihm zu Ehren;
So daß zuletzt die so Betäubten
Durch Wunder nun auch Alles gläubten.
Denn man bekehrte stets durch Wunder,
Und thut's durch sie auch noch jetzunder.
Was Jedem deutlich, glaubt man schwer;
Was gar nicht glaublich, glaubt man eh'r.
Nun war das Größte schon geschehen;
Bald ließen mehr der Priester sehen
Sich auf der Insel Haitahai,
Und lehrten ihren Glauben frei;
Vernichteten den Götzenplunder
Und sagten, es geschäh' durch Wunder,
Und nannten neben Gott den König,
Wie solchem jeder Mensch sei löhnig,
Und wie ein Volk ohn' Tyrannei
Vom Himmel ausgestoßen sei;
Wie nur ein Herrscher könne geben
Das ächte Heil dem Menschenleben.
Und daß man schnell das Ziel erreichte,
Kam nun hinzu die Ohrenbeichte,
Und mit dem Ablaß aller Sünden
Thät auch das letzte Wider schwinden,
Die letzte Opposition
Der haitahaischen Nation!
Der König landete darauf
Und baute Kirch' um Kirche auf,
Und ganz besonders viele Klöster,
Durch deren heil'ge Seelentröster
Die ganze Insel rundherum
In kurzer Zeit ward ziemlich dumm:
So daß der König konnte nun
All Gutes, was er wollte, thun,
Und keine frechen Demagogen
Ihn um sein gutes Recht betrogen,
Und alle schändlichen Rebellen
Konnt' stecken in die Citadellen,
Kurz auf der Insel Blüthenfluren
Sein waren alle Creaturen,
Und alles Volk auf Haitahai
Bald nun gebildet ward und frei.««
Hier schwieg der Fuchs und ließ im Denken
Sich ganz den neuen Herrn versenken,
Bis dieser selbst sich wiederfand
Und großen Appetit empfand.
Denn über alle Herrscher groß,
An Macht und Willen beispiellos,
Von je bis zu den fernsten Tagen
Herrscht der Tyrann: der kleine Magen.
Und hat es auch die Poesie
Bisher, so wie Philosophie,
Besonders auch Theologie
Und alle Wissenschaft vergessen,
Ich sag's zuerst: wir müssen essen!
Darum in unsrer Sprache ist
Gleichklingend auch das Ist und Ißt,
Drum reduciren alle Fragen
Sich auf den Magen!
Drum reimt sich alles Klagen
Und alles Jagen,
Und alles Wagen
Und alles Zagen,
Behagen,
Ertragen,
Sagen und Schlagen,
Drum reimen sich alle Lagen
Auf den Magen!
Und alles Ermessen
Und Vergessen,
Und alles Erpressen
Aufs Essen und Fressen.
Und darum muß ich's auch erwähnen,
Vergießt die Poesie auch Thränen,
Daß Seine Majestät den König
Höchstselbest hungerte nicht wenig;
Daß mehr als Kirche, Haus und Staat,
Als Priester, Bürger und Soldat
Ihn int'ressirte jetzt Gemüse,
Frisch abgepflückt von Feld und Wiese.
Er äußerte nun dies Gefühl
Zum Fuchs. Der sprach: »Dort vor der Mühl',
Zu Fuß des Hügels, gradezu,
Da ist die Kneip' zur schönen Kuh.
Dort findet Ihr gut Blumengras,
Und, wenn Ihr wollt, auch süßen Spaß;
Die Wirthin ist ein schmuckes Weib,
Buntscheckig, spiegelglatt am Leib,
Gewitzt und heiter ohne Gleichen,
Ganz, königlicher Herr, geschaffen, –
Verzeiht die Rede einem Pfaffen! –
Trübsinn und Sorge zu verscheuchen.«
Der König sah zu Reinhard nieder
Und lächelte ob des Avises;
Seit früh'ster Jugend liebt' er Dieses
Und hatte niemals was dawider.
Sie traten in die Herberg' Beide;
Der Fürst aß zwei Portionen Weide
Und unterhielt sich mit der Kuh,
Liebäugelte und trank ihr zu,
Kniff auch zuweilen ihr die Wangen.
Sie blieb dabei ganz unbefangen,
Weil sie nicht wußte, daß der Stier,
Ihr Gast, war solch ein großes Thier,
Und dieser Reineken verstohlen
Bei'm Eintritt hatte anbefohlen,
Er sollte sich benehmen so,
Daß er blieb' ganz incognito.
So viel jedoch sah sie heraus,
Er sei aus nicht gemeinem Haus,
Es seien kleine Schelmereien
Ihm wohl für's Erste zu verzeihen;
Ein Küßchen selbst sei zu gewähren,
Dieweil er dürfte viel verzehren.
Denn so dumm ist selbst keine Kuh:
Wo Nahrung ist, da beißt sie zu.
Wie sie nun kosten Wort um Wort,
Da schlich der Fuchs sich leise fort;
Ließ sie allein im Zimmer Beide,
Und ging in seinem Priesterkleide,
Vorsichtig wegen Hund und Falle,
Zum Hofe nach dem Hühnerstalle,
Und fragte mit gar frommen Mienen,
Ob's bei der Kuh auch wohl geh' ihnen,
Ob sie auch gute Gerste gebe,
Und immer fromm und züchtig lebe.
»Mein Ehrenwort,« sprach drauf der Hahn,
»In dieses Haus kommt kein Galan!
Hier treibt man keine bösen Dinge;
Ich müßt' es wissen, denn ich singe
Bei'm Sonnenaufgang den Choral,
Das hohe Lied Kickericki;
Doch sah ich noch kein einz'ges Vieh,
Wie's doch müßt' sein bei solchen Streichen,
Aus dem Hôtel hier fort sich schleichen.
Madam, die Kuh, ist sehr solide,
Und ich bin dieses Hofs Aegide!
Sie schäkert wohl mit manchem Gast,
Doch mehr nicht als sich eben paßt;
Der Keuschheit war sie nie vergessen:
Todt schlüg' ich Den, der so vermessen,
Daß mit der Gunst der Kuh er prunkte!
Ich bin sehr streng in diesem Punkte.«
So sprach der Haushahn, zwanzigweibig.
Der Fuchs, der stellte sich ganz gläubig.
»Sagt,« frug er drauf, »des Hauses Hund,
Mein alter Freund, ist er gesund?«
»O, der ist wohl, mein guter Hector!
Ihr kennt ihn? Ich bin sein Protector.«
»Das freut mich sehr, Herr Hahn! Ich bitte,
O sagt, wie weit ist seine Hütte?
Gern möchte ich ihn wiedersehen,
Allein ich kann nicht weit mehr gehen,
Muß absolviren Eure Hühner,
Und bin ein alter Gottesdiener,
Der, wenn er dieses Amts entledigt,
Noch fert'gen muß die Morgenpredigt.
O steigt herab die wen'gen Stufen
Und geht, den Freund hieherzurufen!
Ihr müßt mir den Gefallen thun!
Derweile beichtet mir ein Huhn.«
»Das wär',« antwortete der Hahn,
»Hochwürden, gern und leicht gethan;
Doch Hector ist wohl schon zu Bette;
Auch liegt er heute an der Kette,
Weil er dem Censor Maulthier gestern,
Der sein Gebelle nannte Lästern,
Recht tüchtig in das Bein gebissen,
Und ihm . . . .«
»Das wollte ich nur wissen!«
Rief jauchzend Reinhard. »Angeschlossen
Der Schurke Hector! Frisch genossen!«
Und damit packte nun der Diener
Des Herrn zwei arme junge Hühner,
Soff ihnen Blut und Leben aus,
Und huschte eiligst dann hinaus,
Schob draußen noch den Riegel vor
Und rief hinein: »Du eitler Thor,
Der Singen heißt sein ekel Krähen,
Du willst Dich vor dem Fuchse blähen?
Die Hühner thun mir wohl im Magen!
Nun magst Du morgen Deine Klagen
Der schönen Kuh vorkrähn, Du Geck!
Heut bleibst Du drinnen im Versteck!
Du Einfaltspinsel, Du Protector
Der bissigen Canaille Hector,
Nun kannst Du Deinem Freund hintragen
Der Kinder Knochen zum Benagen!
Du Mensch! so streng im Punkt der Liebe,
Mit zwanzig Weibern seinem Triebe!
Weißt Du denn nicht, Du schuft'ger Türke,
Daß ich für unsre Kirche wirke,
Wenn ich all' Deine Hühner fasse,
Und Dir nur Eins zur Gattin lasse?
Gib Acht, gib Acht auf Dein Gebiester:
Ich bin ein äußerst frommer Priester!«
Der Hahn ward drinnen puterroth
Und ärgerte sich fast zu Tod';
Der Fuchs schlich aber ganz gemächlich –
Den Blick nur werfend oberflächlich
Hinauf noch nach dem Taubenschlag,
Wo auch manch fetter Bissen lag –
In's Haus zurücke auf den Zehen,
Zu hören, was wohl mag geschehen,
Die Flur entlang dem Zimmer zu,
Wo er gelassen Fürst und Kuh.
Denn niemals trat er in ein Zimmer,
Daß er vorher nicht horchte immer.
Ihm war's, er höre Beide lüstern
Sich Etwas in die Ohren flüstern,
Doch mocht's der Abendwind auch sein;
Er unterschied es nicht, trat ein,
Und sah den König gähnen heftig,
Die schöne Kuh beim Thee geschäftig.
Sogleich nahm ihn der Fürst bei Seite:
»Nimm, Priester, Dir ein Pferd und reite
Schnell nach der Residenz!« sprach er.
»Ich fühle mich ermattet sehr,
Und muß, um Kräfte mir zu sammeln
(Die Worte thät er etwas stammeln),
In dieser Herberg' übernachten.
Doch morgen will in allen Prachten
Ich königlichen Einzug halten,
Um königlich fortan zu schalten.
Du harrest mit dem Krönungswagen,
Mit All'n, die hohe Würden tragen,
Mit Diplomaten und Magnaten,
Lakaien, Priestern und Soldaten,
Kurz mit dem ganzen Königsschwanze
In seinem allerhöchsten Glanze
Auf mich an jener heil'gen Stelle
Der Eselsruher Hof-Capelle.
Dort hält ihr erstes Dankgebet
Des Reiches neue Majestät.
Die Herberg' soll den Herren bergen,
Bis er, ein Riese seinen Zwergen,
Sich zeigt in voller Größ' und Pracht!
Nun, Reinhard, reite! Gute Nacht!«
Der Fuchs verbeugte unterthänig
Sich so vergessend, vor dem König;
Doch sammelte er schnell sich wieder
Und bückte ganz zur Erd' sich nieder
(Er war zum Schelmen ja geboren),
So thu'nd, als hätt' er was verloren.
Drauf sprach er: »Nein, ich kann nicht bleiben!
Muß heute Nacht noch unterschreiben
Die Schenkung eines Testaments;
Drum eil' ich nach der Residenz.
Ich wünsch' Euch angenehme Ruh',
Mein werther Freund! Gut' Nacht, Frau Kuh!«
Drauf sang er sich ein frommes Lied
Und grüßte noch ein Mal und schied. |