Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Achtzehntes Capitel.

               

Von seinem hohen Tulpenthurm
    Da schaute Prinz Johanniswurm,
In dessen Aug' ein Thränchen schwamm,
    Hinüber nach dem Gotteslamm.
So oft er auch dort hingezogen
    Und um das Rosenschloß geflogen,
Nie war zur Liebsten er gelangt,
    Und hörte nur, sie sei erkrankt,
Und dürfe Niemand bei sich sehen,
    Denn balde sei's um sie geschehen,
Wenn Gott, bewegt durch die Gebete
    Der Priester, nicht ein Wunder thäte,
Weshalb in jeder Diöcese
    Man täglich heil'ge Messen läse.

Darob ward nun der Prinz ganz Kummer,
    Und hatte weder Ruh' noch Schlummer,
Versäumte seinen Staat darüber
    Und sandte Arzt um Arzt hinüber,
Als Todsfeind allerorts gepriesen;
    Doch Jeder wurde abgewiesen.

Und wie er noch so sinnend stand,
    Das Aug' zum Rosenschloß gewandt,
Und keinen Trost er aufgefunden,
    Und jede Hoffnung ihm geschwunden,
Da meldete ein Diener an
    Vom Rosenreich 'nen alten Mann,
Der balde wieder auf müßt' brechen,
    Doch Seine Durchlaucht möchte sprechen,
Um einem Unglück vorzubeugen,
    Ganz im Geheimen, ohne Zeugen.

So nun erfuhr er die Geschichte,
    Die ich noch ein Mal nicht berichte,
Der arme Prinz, und ward ganz toll
    Und des gerechtsten Zornes voll.
Denn was dem Alten dunkel war,
    Dem Prinzen wurd' es hell und klar.
Marieens Ohnmacht, der Arrest,
    Und daß man Niemand zu ihr läßt,
Und daß die Krankheit so entsetzlich,
    Gekommen mit der Spinne plötzlich,
Und diese und ihr Knecht, der flotte,
    Und der verdächt'ge Beicht'ger Motte
Nur in die Dornenkammer kommen,
    Ja, daß man keinen Arzt genommen:
Das Alles reimte sich ihm bald
    Als list'ge, teuflische Gewalt.

Er ließ dem alten Mann zum Lohn
    Auszahlen fünfzig Körner Mohn:
In jenen beiden Blumenstaaten
    Im Werthe unserer Ducaten,
Ja höher, da im vor'gen Jahr
    Der Mohn nicht recht gerathen war,
So daß jed's Körnchen in dem Land
    Drei Thaler sieben Groschen stand.

Auch gab er ihm sein Fürstenwort,
    Daß er ihn nicht verrathe dort,
Und noch sein Ehrenwort dazu,
    Und gab ihm so vollkommen Ruh';
Versprach ihm auch, wenn's übel käme,
    Daß er in seinen Dienst ihn nähme.

Kaum war der alte Mann hinaus,
    Sann einen Plan der Prinz sich aus,
Wie aus der bösen Spinne Ketten
    Er wohl Marieen könnt' erretten,
Und kam damit gar bald in's Reine,
    Und fuhr mit seinem goldnen Scheine
Zum Kleeplatz durch's Lavendelthor
    Bei seinem treuen Obrist vor.

Der hatte zwar noch keine Schlacht,
    Doch viel Paraden mitgemacht;
Denn seit dem Kriege gen die Mücken
    Wollt's keinem Cabinet mehr glücken
Zum Streit dies Ländchen zu bewegen,
    So glücklich in des Friedens Segen.
Und das Gebot: Du sollst nicht tödten!
    War hier beim Heere nicht vonnöthen.

Doch war der brave Obrist Brumme
    Als Strategetiker nicht dumme;
Er wußte, wie's im Kriege war,
    Umständlich Alles auf ein Haar,
Und hätte ganz gewiß gesiegt,
    Wär' nur einmal das Land bekriegt;
Doch weil es Keiner thät bekriegen,
    So konnte er auch niemals siegen.
Erst beim Manöver dieser Tage,
    Da war sein Feind in schlimmer Lage;
Denn wenn's einmal ging drauf und dran,
    So stand der Obrist seinem Mann!
Auch flucht' er wie der alte Blücher,
    Und war beinah' noch liederlicher.

Von Brumme hörte Prinz Johann
    Mit Ernst und vielem Geiste an.
Er blickte um sich so verwegen,
    Als wäre schon der Feind erlegen;
Sein ganzer Ausdruck war so muthig,
    Als wäre schon sein Säbel blutig;
Auch thät er seinen Schnurrbart streichen,
    Und Das war stets ein schlimmes Zeichen.
»Wir brauchen nur zweihundert Mann!«
    So sprach der Tapfre zu Johann.

»Wie?« rief der junge Prinz verwundert,
    »Zu diesem Ueberfall Zweihundert?
Obrist! Zweihundert Mann Soldaten,
    Die würden uns ja nur verrathen,
Die Residenzstadt alarmiren
    Und einen Feind signalisiren!
Wir aber wollen nur erlösen
    Das Rosenland von diesen bösen
Geschöpfen, die in schwere Nöthen
    Die Fürstin brachten und sie tödten,
Wenn wir der schönen, lieben, frommen
    Geliebten nicht zu Hülfe kommen.
Hier, Obrist, gilt es keine Schlacht!
    Zehn Mann hoch ziehn wir nächste Nacht
Hinüber nach dem Rosenschloß,
    Wo in dem obersten Geschoß,
In einer finstern Dornenkammer
    Mein Bräutchen liegt in ihrem Jammer.
Ein Diener, der mir Beistand schwor,
    Er öffnet Thüre uns und Thor
Und zeigt uns, wo die Bösen ruhn.
    Die packen die Soldaten nun,
Verstopfen schnell ihr gift'ges Maul,
    Und schleppen sie auf einen Gaul;
Sie nehmen sie in ihre Mitte,
    Drauf geht's zurück in scharfem Ritte
Hieher, und in dem Wacharrest,
    Da haltet Ihr die Sünder fest.
Ich aber bleibe und will sehen,
    Was mit Marieen muß geschehen,
Und ob ich wieder sie gewinne;
    Denn hoch in Ansehn steht die Spinne,
Und hat ihr Geist und Herz geschickt
    Gewiß nach Möglichkeit verstrickt.«

»Kreuz-Tausend-Bomben-Element!
    Verzeiht, Prinz, daß mein Muth so brennt!«
Rief jetzt der wackre Obrist Brumme:
    »Und wer sich weigert, der verstumme!
Ich bin der Mann, der davor bürgt!
    Wer mich entgegen, wird erwürgt!«
Hier strich er sich den Schnauzbart mächtig,
    Und funkelte verderbenträchtig.
»Beim Cäsar! in die nächste Nacht
    Hab' ich ein Dutzend umgebracht!«

»Ei, Obrist, Obrist, nur gelassen!
    Läßt Euch der Muth denn gar nicht fassen,«
Sprach drauf der Prinz, »des Planes Sinn?
    Nicht um zu morden will ich hin!
Ich fürchte wenig Widerstand
    Im mir ergebnen Rosenland.
Vielleicht möcht' Einer Hülfe schrei'n,
    Dem stopfen wir das Mäulchen fein;
Doch kostete es nur Ein Leben,
    Ich würde mir es nie vergeben!
Nun, gute Nacht! und morgen seid
    Mir um die eilfte Stund' bereit!
Mit zehn der besten Bursch' zu Roß
    Erwart' ich Euch vor meinem Schloß.«
Drauf reichte er ihm noch die Hand
    Und nickte gnädig und verschwand;
Stieg unten in den Tilbury
    Und seufzte drinnen: Ach, Marie!

Der Obrist Brumme aber ging
    Zum Schrank, wo Wehr und Waffe hing,
Und wo auch sehr viel Flaschen standen,
    In denen edler Wein vorhanden.
»Denn,« brummete er vor sich hin,
    »So wahr ich Chef und Obrist bin
Und ein Soldat von hohen Muth:
    Mord-Element, es kostet Blut!
Haubitzen – Mörser – Sapperlot!
    Ich scheue nicht ein Bischen Tod!
Gott's-Kreuz-Kanonen und Granaten!
    Ich sehne mir nach Heldenthaten!
Bei Bonapart'! Auf meiner Ehre!
    Ich nehme mit mich die Gewehre!«

Drauf zog der kriegerische Mann
    Sogleich sich einen Panzer an,
Den Küraß, um die Brust zu schonen,
    Und riesenmäßige Kanonen.
Drauf trank er eine Flasche aus,
    Sich schüttelnd so als wär's ihm Graus.
Auch einen Helm legt' er zurecht
    Von starkem, eisernem Geflecht,
Und thät sich aus dem Schranke holen
    Zwei gute Flinten, vier Pistolen,
Und einen großen Morgenstern,
    Ein Erbstück von dem Ahnenherrn.
Drauf trank er noch 'ne Flasche aus,
    Sich schüttelnd so als wär's ihm Graus.
Dann setzte er sich auf die Spille,
    Und auf die Nase seine Brille,
Und las die ganze lange Nacht,
    Wie's Josua, David einst gemacht,
Hannibal, Hector, Alexander
    Und Cäsar, Alle nacheinander,
Artus, des Ritterthumes Spitze,
    Karl, Bouillon und der alte Fritze,
Und Crommwell, Blücher, Bonaparte,
    Und schrie mitunter auf: »Na warte!«
Und drohte furchtbar mit der Fauste,
    So daß's ihm vor sich selber graus'te.

Und Niemand mög' es ihm verdenken,
    Daß er sich thät so sehr versenken
In seine Pflicht als Kriegesheld:
    Denn dafür war er angestellt!
Zum Spaß nicht, sondern für Courage
    Bezog er monatlich die Gage.
Und ist man nun so alt geworden
    Ohn' alles legitime Morden,
Beziehend doch als Held die Gage,
    Fühlt man zuletzt doch die Blamage
Und denkt: als Mann in süßem Frieden
    Ist Dir ein ekel Loos beschieden!
Du bist für schweres Bürgergeld
    Als bloße Puppe angestellt.


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