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Dort in Marieens Hauskapelle
Lag auf dem Knie an heil'ger Stelle
Die alte Spinne und die Motte,
Gerichtet ihren Blick zu Gotte.
Doch als nun trat herein Marie,
Da riefen sie: »Erlöse sie,
Du Herr des Himmels und der Erde!
Auf daß sie nicht verführet werde.
Erlöse ihre junge Brust
Von eitler, niedrer Sinneslust!«
Marieenwürmchen starrte hin
Und faßte nicht der Worte Sinn.
Sie riefen weiter: »Gottessohn,
O steig' herab von Deinem Thron!
Verbanne diese bösen Triebe
Und diese ketzerische Liebe!«
Marieenwürmchen stand noch da
Und wußte nicht, wie ihm geschah.
Sie riefen weiter: »Heil'ger Geist,
Den alles Werk und Wesen preist,
Treib diesem jungen, schwachen Weibe
Den Sündenteufel aus dem Leibe,
Auf daß sie sich dem Himmel wahre,
Und nicht dereinst zur Hölle fahre!«
Marieens Auge wurde feucht,
Doch athmete die Brust noch leicht,
Sie ahnte wohl ein Unglück schier,
Doch war's ihr nicht, als gält' es ihr.
Und immer lauter riefen sie:
»Und Du, Du heilige Marie,
Du Höchste, die als Jungfrau weiland
Geboren hat des Lebens Heiland,
Und deren Namen Die entweiht
Durch ihres Trieb's Fluchwürdigkeit,
Für die wir hier im Staub uns winden,
Und Gnade hoffen noch zu finden:
O Deine Himmelskraft, sie kann es,
O so verderbe Prinz Johannes!
Weil er, der Deines Fluchs kaum werth,
Dein armes, armes Kind begehrt,
Und sie für seinen Ketzerglauben
Dem heiligen Altar will rauben,
Deß Priester nur alleine führen
Die Schlüssel zu des Himmels Thüren!
O führ' sie fromm und makellos
Zurück in Deiner Kirche Schooß!«
Nun erst ward's klar dem Gotteslamme,
Daß man hier ihre Lieb' verdamme;,
Da zitterte ihr schönes Herze
In Angst und Weh und tiefem Schmerze,
Und bittre Thränen weinte sie,
Und nieder fiel sie auf das Knie,
Um an des heilgen Altars Stufen
Gott den Allmächt'gen anzurufen.
Der aber wollte sie nicht trösten,
Weil Jene noch den Fluch nicht lösten,
Der nun getroffen ihre Seele,
So rein von Schuld und jeder Fehle.
Denn Spinn' und Motte immer schrieen:
»Maria, heil'ge, hilf Marieen!«
Doch plötzlich ward es mäuschenstille;
Nur ferne sang die böse Grille.
Die Mott' warf über das Genick
Der frommen Schwester einen Blick,
Und sagte leise drauf zur Spinne:
»Verlassen haben sie die Sinne!«
Die aber hatt' es schon gesehen,
Denn nimmer konnt' ihr was entgehen:
Man sieht nicht mit zween Augen All's,
Mit achten aber jedenfalls.
Sie riefen nun die Diener her,
Und diese trugen ohn' Beschwer,
Auf jener Mächtigen Geheiß,
Die Ohnmächtige sanft und leis
Nach einer kleinen Kammer fort.
Kahl, dunkel, traurig war es dort!
Sie lag im Rosenschlosse vorn
Auf einem alten, welken Dorn.
Das Fensterchen, fast zugemauert,
War wie ein Aug', das weint und trauert;
Die Wände waren feucht und kalt,
Wohl wie die schöne Jungfrau bald;
Denn in der Ecke lag ein Brett
Schon als Marieenwürmchens Bett.
Kein Nippestisch voll Allotria,
Nicht 'mal ein Spiegelchen war da!
Kein Bild, kein Schmuck und keine Zier,
Kein Rosensopha, kein Klavier!
Ein Betstuhl war das Mobiliar,
Der schwarz wie ihre Zukunft war,
Darauf ein großes Crucifix
Und ein Gebetbuch, weiter nix!
Das Dornenloch war ein Arrest,
Der sich nicht strenger denken läßt
Selbst bei den Ebenbildern Gottes,
Wenn sie vielleicht voll witz'gen Spottes
Sich äußern über Geistes-Ferien
In stets triebsamen Ministerien,
Und Ein Mensch gar Rescripte tadelt,
Die durch die Unterschrift geadelt;
Wenn deutsche Herrn sich unterstehen
Nach Englands Parlament zu sehen,
Und unter absoluten Fürsten
Nach Denk- und Preßfreiheit zu dürsten,
Und wie die Schändlichkeit mag heißen,
Der manchmal Manche sich befleißen.
In solchem schlimmen Kerker lag
Marieenwürmchen Nacht und Tag,
Und betete und weinte sehr,
Und hoffte keine Freude mehr,
Und rang die kleinen Händchen, wann es
In Liebe dachte an Johannes. –
Dann aber fuhr sie nach der Stirne,
Als könnte sie aus dem Gehirne
Sich grade die Gedanken treiben,
Die einmal immer drinnen bleiben.
Und täglich kam die fromme Muhme
Und gab ihr aus dem Pfaffenthume
Die allerhöchsten, schönsten Lehren;
Die hießen: Beten und Entbehren,
All lieblich Irdischem entsagen,
Die Seele und den Körper plagen,
Das Herz in bittre Aengste pressen
Und seine Liebe ganz vergessen,
Sich nur des heil'gen Worts erfreuen
Und das Vergangene bereuen,
Für's Diesseit keinen Sinn mehr offen,
Nur auf das dunkle Jenseit hoffen;
Ganz Babba's Tempel hin sich geben
Zur Buße und auf Tod und Leben.
Und weil das arme, arme Kind
Von Jugend an war fromm gesinnt,
Und weil die Spinne seine Muhme,
Und so in Ansehn stand und Ruhme,
Ward's, bald nachdem das Werk begonnen,
Für die Fuchsiten schon gewonnen.
Wenn ja Marieens Herz sich regte
Und für den Liebsten sich bewegte,
So sah die Spinne finster drein
Und sprach: »Gott wird ihm nie verzeihn!
Er ist ein Ketzer gottverflucht,
Verfluchter noch, da er versucht,
Dich, von der Mutterkirche Brüsten,
Hinabzuzerr'n für sein Gelüsten.
Der Hölle hat er sich verschrieben,
Drum ist ihr Zeichen ihm geblieben:
Auf seinem Leib die Eisenringe!
Und Abends ist er guter Dinge,
Wenn Gottes schöne Dunkelheit
Ehrfurcht gebeut und Sittsamkeit;
Dann grade fliegt er auf und nieder,
Singt mit den Brüdern freche Lieder,
Derweil er vom Wachholdersect
Wohl gegen zwanzig Gläser leckt.
Und streng verbotne Bücher liest er
Und ist sich selber immer Priester;
Ja, mit dem eignen Geist, dem Gift,
Durchgrübelt er die heil'ge Schrift!
Und drum wird auch die heil'ge Nacht
Von ihm durchjubelt und verlacht;
Drum ehrt die Finsterniß er nicht,
Die eher war als alles Licht!
Der Gläub'ge muß im Dunkel wandeln,
Im Dunkel denken, wirken, handeln;
Denn dunkel ist des Lebens Sinn,
Sein Vorher, Jetzt und sein Wohin.
Im Dunkel wohnet der Verstand,
Und drum sei er auch angewandt
Nur für die fromme Dunkelheit,
In der das wahre Wohl gedeiht!
Er aber trägt des Lichtes Schein
Blaugolden in die Nacht hinein!«
So sprach die Spinn' vom weißen Kreuz;
Maria hielt's für was Gescheidts,
Und warf sich nieder auf die Erde
Und bat mit schmerzlicher Geberde
Zu Gott, daß sich ihr Herze lenke
Und nie des Buhlen mehr gedenke. |