|
Auf diesem weiten Meer zog nun,
Zu schändlichem Verrath und Thun,
Das letzte Volk zu unterdrücken,
Das letzte Land noch zu entglücken,
Der Fuchs hinüber nach Utopen,
Sehr fern gelegen von Europen.
Zu neuem Trügen, neuem Gaukeln
Ließ er sich auf dem Dämpfer schaukeln,
Und stand im schwarzen Ordensrocke
Am Bugspriet bei der großen Glocke,
Und fragte manchen Bruder Hay,
Ob bald die Fahrt vollendet sei.
Der grausen Weltmacht sich bewußt,
Hob kühn und froh sich seine Brust.
Und ihm, so bös', so sündebrünstig,
Ihm waren Wind und Wetter günstig,
Und schnell die leichten Bretter flogen
Auf spiegelhellen, sanften Wogen.
Denn in dem Wasser-Kaiserreiche,
Da wirkten auch Fuchsitenstreiche,
Und mancher Seehund, Hay und Schell
War auch solch schuftiger Gesell.
Sie protegirten All' da unten
Den General, so viel sie kunnten.
Hoch über diesem Fuchsfilou,
Dem glücklichen Utopen zu,
Entstieg des Schiffes Gluthenbauch'
Und flog und flatterte der Rauch
Wie eine lange Trauerfahne,
Als ob das Land er drüben mahne,
Daß sich der schwarzen Pest der Seele
Sein heitres Dasein nicht vermähle.
»Denn drüben war ein wonnig Leben,
Kein sel'gers kann die Erde geben!«
So ruft hier mein gelehrter Staar,
Der aber wenig royalistisch,
Noch weniger ultramontanisch,
Der, leider! etwas atheistisch,
Noch leiderer! republikanisch,
Am leid'sten! socialistisch war.
»Das Land war Eine Himmelsgüte
Und Eine große weite Blüthe,
Ein Paradies, in deß Geründe
Kein Gott verbot die süße Sünde.
Kein heuchlerisches Pfaffenthum,
Kein blut'ger, kein Tyrannen-Ruhm,
Kein Zwang, kein Vorrecht galt darin,
Und Freiheit hieß die Königin.
Es betete der heitre Glaube
Empor zu einer milden Taube
Mit einer Glorie lichten Klarheit:
Das war die Schönheit in der Wahrheit.
Auf freiem blumigem Gefild'
Stand dieser Thiere Glaubensbild,
Deß Deutung ihre Dichter lehrten,
Und das sie nur als Bild verehrten.
Kein einzig Thier galt hier als Knecht,
Sie hatten Alle gleiches Recht,
Und wählten sich aus allen Kreisen
Die Besten unter ihren Weisen,.
Den Staat zu leiten und zu richten,
Und Alles öffentlich zu schlichten,
Daß List und Trug sich nimmer schleiche
Zur Macht in ihrem Blüthenreiche,
Und nie zu handeln wie Monarchen
Verführen möcht' die Patriarchen.
Wer sich in Wissenschaft und Kunst
Erhob, dem ward des Staates Gunst,
Der nach der Prüfung hin ihn führte
In solche Macht, die ihm gebührte.
Auch regen Fleiß, Geschicklichkeit
Zu lohnen, war der Staat bereit,
Indem er, nach dem Hauptgesetze,
Dem Müßiggang nahm seine Schätze,
Und eben so dem reichen Sträfler,
Dem Heuchler, Lügner, jedem Frevler.
Die kamen Alle, Alt und Jung,
In den Bezirk der Besserung,
Wo man die Bösesten allein,
Die Andern ließ beisammen sein,
Und edle Mütter, edle Väter
Ernst leiteten die Missethäter.
Und Wer nach ihrem Ausspruch werth,
Zu scheiden nun aus dem Gezüchte,
Der war fortan nicht mehr entehrt,
Und seinem Fleiße gab man Früchte.
Doch Wer zum zweiten Male frecher,
Rechtsüberwiesener Verbrecher,
Den brachte man auf immer fort
Nach einem fernen, fernen Ort:
Da er sich selbst als Schmutz erkannt,
Und aus dem Körper sich verbannt.
Wer häßlich sprach und häßlich dachte,
Nur Häßliches zu Wege brachte;
Wer nicht gewillt zu lernen war,
Und aller Fähigkeiten bar:
Der mußt', und war's der Ersten Sohn,
Bedienen gegen guten Lohn,
Gesichert durch Gesetz und Recht,
Daß man ihn nahm nicht grob und schlecht,
Und er etwa in seiner Bürde
Noch wie ein Mensch behandelt würde!
Und war er nach bestimmter Zeit
Zu freundlicherem Loos' bereit,
Und wollt' das seinige verlassen:
Gab man ihm, was ihm möchte passen.
Der Läst'rung, böslichem Belügen,
Jedwedem geistigen Betrügen –
Wenn der an Ruh' und Ehr' Gekränkte
Dem Sünder nicht die Strafe schenkte –
Ward mehr der Beßrungszeit bestimmt
Als Diebstahl selbst und Räuberei,
Und welcher Gier es immer sei,
Die uns nur äußre Güter nimmt.
Doch gab das Volk sich nie Gesetze
Sich selbst zur Schinderei und Hetze;
Nur solche, so die Schönheit ehrten,
Und aller Thiere Freiheit wehrten,
Die dessen Unfreiheit bedingt,
Der ein Tyrannisches vollbringt.
Und in dem Staat, der selbst sich liebt, –
Wo nicht das Gift des Hofs sich siebt
Bis in die tiefsten Regionen;
Wo man das Gute sieht belohnen; –
Wo eine freie Presse lehrt
Tagtäglich, was man haßt, was ehrt; –
Wo nie der Müßiggang verderben
Die Sitte machen kann und sterben; –
Wo der Verleumdung tiefer Schmerz
Dem Recht nicht gilt als bloßer Scherz; –
Wo die Gesellschaft, ungeschieden,
Bewahrt die Achtung und den Frieden;.–
Nichts Anderes ein Amt verleiht
Als Wissen, Geist und Fähigkeit; –
Wo auch der kleinste Uebelstand
Im Augenblicke wird bekannt,
Und ihn zu mildern, ihn zu heben,
Der Weisesten Beruf und Streben;.–
Wo man den Fehlenden nicht zwingt –
Statt ihn zu führen durch die Reue
Zurück zur Staats- und Freiheits-Treue –
Daß er nach neuem Frevel ringt; –
Wo man den hochgebornen Fraß,
Das faule, parfümirte Aas,
Die Kleider von den schlimmsten Rackern
Nicht höher achtet als das Ackern; –
Wo Arbeit, Schaffen allerwegen
Gewinn und Ehre bringt und Segen; –
Wo nicht der Pfaffheit gift'ge Kröten
Vertrauen, Freud' und Wahrheit tödten; –
Wo man nur lehrt, was dieses Leben
Befruchten kann und hold erheben;
Die Kraft des Thieres nicht zersplittert,
Und es mit todtem Zeuge füttert; –
Und wo die Lehrer so gestellt,
Daß durch ihr innigstes Bemühen
Der schöne Keim der Jugendwelt
Zur einst'gen Frucht kann auferblühen; –
Wo nie das Elend und die Noth
Das Eisen bricht und das Gebot, –
Und man die abgelebten Greise
Nicht stellt an frische Lebenskreise; –
Wo man Gedanken durch Gedanken
Besiegen läßt nach klugem Zanken,
Sich nicht beweist gedankenstärker
Durch Polizeigewalt und Kerker:
Das ist ein Staat der Freiheit, Jugend,
Der Schönheit, Wahrheit und der Tugend!
Da ist der Frevel seltne That,
Kein großes, ganzes Resultat,
Kein Luftgift, so das Reich bedeckt,
In Allem steckt und Alle schreckt; –
Da macht er nur den Frevler wund;
Der Staat bleibt ruhig und gesund!«
Heil Dir im Rosenkranz, Utopen!
Sehr fern gelegen von Europen. |