John Galsworthy
Auf Englands Pharisäerinsel
John Galsworthy

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Drittes Kapitel

In der Universitätsstadt Oxford

Die letzten Sonnenstrahlen funkelten auf den Dächern, als die Wanderer jene High Street betraten, die würdevoll und erhaben für alle Engländer ist, die zu Oxford einen akademischen Grad absolvierten. Die Geistesweihe, die über den Spitztürmen der Universität schwebte, war so verschieden von dem Aussehen ihrer Mützen und Gewänder, wie der Geist Christi von dem der Kirchendogmen.

»Wollen wir zu Grinnings gehen?« fragte Schelton, als sie an dem Klub vorbeikamen.

Allein jeder sah bestürzt auf sein Gewand, als eben zwei elegante junge Männer in Flanellanzügen heraustraten.

»Geh du voraus,« sagte Crocker augenzwinkernd.

Schelton schüttelte den Kopf. Nie vorher hatte er eine solche Liebe für diese alte Stadt der englischen Gelehrsamkeit empfunden. Sie war nun längst aus seinem persönlichen Leben ausgeschaltet, aber alles in ihr schien so gut und schön zu sein. Selbst ihr exklusives Wesen war nicht unedel. Gekleidet in die Gemütsstille der Geschichte, in das goldige Gewebe glorreicher Überlieferung, erstrahlend in der Alchimie von Erinnerungen, berückte sie ihn wie das Parfüm eines Frauenkleides. Vor dem Eingangstor einer Hochschule warfen sie einen Blick hinein auf den kühlen, grauen Steinfleck, darüber hinaus auf den Purpur eines – abgeschiedenen, geheimnisvoll regungslosen – Blumenstückes auf einem Fenstervorsprung . . . Eine knappe Vision geheiligter Vergangenheit. Blaß und mit Trencherkappe bedeckt, das Gesicht voll Pusteln und mit einer ins Blaue ragenden Nase, an seiner nachlässig liegenden Studentenrobe zupfend, blickte ein Jüngling begierig auf die Anschlagtafeln. Der Pedell – ein großer, frischwangiger und kleinmündiger Mann – stand in ungezwungener und ehrerbietiger Haltung in seiner Logentür. Das Ebenbild der Routine, sah er wie ein Mensch aus, der damit beschäftigt ist, eine Menge von PeccadillosAus dem Spanischen; bedeutet leichte Sünden, geringe Fehler mit Dekorum zu betreuen. Seine blauen Augen beobachteten die Wanderer. Sie schienen zu reden: ›Meine Herren, Sie sind mir unbekannt; aber wenn Sie mich zu sprechen wünschen, wird es mir ein Vergnügen bereiten, Ihre Wahrnehmungen, falls Sie welche zu konstatieren haben, entgegenzunehmen . . .

Gegen die Wand gelehnt stand ein Zweirad, an dessen Handgriff ein Tennis-Schlagholz angeschnallt war. Abscheulich schnüffelte daran eine Bulldogge-Petze, die von einer Seite zur anderen lief und ihre Schnauze hineinzudrängen versuchte. Die ansehnliche, mit Eisennägeln beschlagene Tür, an der ihre Kette befestigt war, blieb unbeweglich. Seit Jahrhunderten hatte sich menschliches Metall in diese Mundhöhle ergossen – ergossen, war in eine Gußform gebracht und hierauf entlassen worden.

»Folge mir,« sagte Schelton.

Sie betraten nun Bishop's-Head und speisten in dem gleichen Saal, wo Schelton seinerzeit vierundzwanzig wohlerzogenen Jünglingen sein Derbydiner gegeben hatte. Hier war auch das Bild des Rennpferdes, das von jenem Weinglas, womit einer von ihnen danach warf, verfehlt ward, dafür aber den Kellner traf. Und da war auch noch derselbe Kellner; eben bediente er Crocker mit Sardellen-Sauce. Als sie fertig waren, empfand Schelton den alten Wunsch, sich nur schwerfällig vom Tische zu erheben; das alte Sehnsuchtsgefühl, mit dem Arm verschränkt in einem anderen Arm in den Straßen die Runde zu machen; die alte Eifererstimmung, alles kühn zu wagen und etwas Heroisches und Ungesetzliches begehen zu wollen; empfand er auch wieder das alte Bewußtsein, dem vornehmsten Gesellschaftsstand, der vornehmsten Universität, des vornehmsten Landes der ganzen Welt anzugehören . . . All die Straßen, gravitätisch und mild im Sonnenuntergang, schienen diesem Nachtisch-Spaziergang Beifall zu zollen. Der viereckige Rahmen um ein Basrelief im Eingang seiner alten Universität – wie war sie doch so majestätisch-geräumig, klösterlich-modern, für Jahre das Herz seines Universums, der Brennpunkt all dessen gewesen, was sich vorher in seinem Leben zugetragen und die den Schatten ihrer grauen Mauern über alles warf, was später kam! – gewährte ihm ein Gefühl der Rast vom Widerstreit, wie auch Vertrauen in seine eigene, so ungemein wichtige Selbstherrlichkeit. Das Gartengitter, dessen emporragende eiserne Spitzen er so oft durch leere Wasserflaschen gekrönt hatte, interessierte ihn nicht. Auch als sie das Treppenhaus, durchschritten, wo er einen Lammschlägel gegen einen ihm recht infam aufsässig gewesenen Professor geworfen hatte, empfand er keine Gewissensbisse. Hoch oben in jenem Treppenhaus befanden sich die Räume, in denen er sich alles für seinen akademischen Grad Nötige eingepaukt hatte, laut jenem System, wonach der Student auf den Feuern des Einpaukens zu schmoren hat, im Augenblick der Prüfung von innerer Erregung überwallt und dann auf immer erloschen ist . . . Aufs neue stieg in ihm das Antlitz seines Einpaukers empor, eines Mannes mit antreibenden Augen, der die ganze Woche den Haspel des Wissens aufwand, und an Sonntagen in die Stadt fuhr und darin untertauchte . . .

Sie gingen an der Stiege ihres Professors vorbei.

»Würde mich interessieren, ob unser kleiner Turl sich unser noch erinnert?« sprach Crocker; »möchte ihn recht gern sehen. Gehen wir, ihn aufzusuchen?«

»Den kleinen Turl?« fragte Schelton träumerisch.

Sie stiegen hinan und klopften an eine solide Tür.

»Herein,« ertönte eine Stimme wie aus dem Schlafe.

In einem Sessel, der ein wahres Muster von Vollkommenheit war, saß, als ob er an jenen angewachsen wäre, ein kleiner Mann von rosigem Aussehen, mit großen roten Ohren.

»Sie wünschen?« fragte er, mit zugekniffenen Augen die Eintretenden anblickend.

»Kennen Sie mich nicht mehr, Sir?«

»Gütiger Himmel! Crocker, nicht wahr? Mit diesem Bart hätt' ich Sie fast nicht erkannt.«

Crocker, der seit Beginn seiner Fußtour nicht rasiert worden war, kicherte matt.

»Sir, erinnern Sie sich auch noch des Schelton?« fragte er.

»Schelton? Oh gewiß! Wie geht's Ihnen, Schelton? Bitte, Platz zu nehmen; da ist eine Zigarre.« Und seine fetten, kleinen Beine kreuzend, betrachtete sie der kleine Gentleman von Kopf bis zu Füßen mit schläfrigem Interesse, wie wenn jemand sagte: »Na also, wozu seid ihr, nach allem, was ihr doch über mich wißt, gekommen und habt mich dadurch aufgeweckt?«

Schelton und Crocker zogen zwei Sessel heran. Auch sie mochten denken: »In der Tat, wozu kamen wir und rüttelten ihn auf?« Und Schelton, der sich den Grund nicht anzugeben vermochte, nahm Zuflucht zu dem Rauche seiner Zigarre. An den holzgetäfelten Wänden hingen Kupferstiche berühmter, altgriechischer Originalwerke. Der weiche, dicke Teppich auf dem Boden tat seinen müden Füßen wohl. Reich erglänzten die Rücken vieler Bücher im Lichte der Öllampen. Kultur und Tabakrauch umgaukelten seine Sinne. Nur undeutlich begriff er Crockers höfliches Gespräch, undeutlich die Antworten seines kleinen Gastgebers, dessen Gesicht, das hinter dem Kopfe seiner riesigen Meerschaumpfeife schimmernd, eine so sonderbare Ähnlichkeit mit dem Monde besaß . . . Die Tür öffnete sich und ein hochgebautes Individuum, dessen Augen groß und braun in einem rosigen und sarkastischen Gesicht leuchteten, trat mit männlich festem Schritt ein.

»Oh!« sagte er und blickte sich, das Kinn ein wenig hebend, im Kreise um, »ich störe wohl, nicht wahr, Turl?«

Mehr als je schimmernd, murmelte der kleine Gastgeber:

»Keineswegs, Berryman – nehmen Sie sich doch einen Kirchenstuhl!«

Der als Berryman Angesprochene setzte sich und blickte mit seinen glänzenden Augen auf die Wand.

Schelton erinnerte sich dunkel dieses großen Herrn und verbeugte sich. Doch der Neuankömmling lächelte auf seinem Sitz und bemerkte die Begrüßung nicht.

»Trimmer und Washer kommen herüber,« sagte er, und noch während er sprach, ging die Tür auf, um diese Herren einzulassen. Von derselben Größe, aber von verschiedener Erscheinung, waren ihre Umgangsformen etwas scherzhaft, etwas hochmütig, just als ob sie nicht über alle Maßen duldsam wären. Der eine, dessen Name Trimmer war, hatte rote Flecken auf seinen großen Backenknochen und auf den Wangen einen bläulichen Anstrich. Seine Lippen waren ziemlich wulstig, so daß er einer Spinne ähnelte. Washer seinerseits wies, mager und blaß, ein geistreiches Lächeln auf.

Der kleine dicke Gastgeber bewegte die Hand, mit der er die Meerschaumpfeife hielt.

»Crocker, Schelton,« sagte er.

Eine peinliche Stille folgte. Schelton tat sein Bestes, die kulturellen Teile seiner Geistesgaben in Bewegung zu setzen. Allein, das Gefühl, daß hier Nichts ernsthaft behandelt werden sollte, lähmte seine Begabungen. Er blieb schweigsam und starrte auf die glühende Spitze seiner Zigarre. Auch kam es ihm unaufrichtig vor, diesen Herren lästig gefallen zu sein, ohne ihnen von vornherein klar gemacht zu haben, wer und was er sei. Er erhob sich, um Abschied zu nehmen, doch soeben hatte Washer zu sprechen begonnen.

»Madame Bovary!« sagte er spöttisch, als er den Buchtitel auf dem Büchergestell des kleinen korpulenten Mannes las. Und indem er das Buch seinen wie gesotten aussehenden Augen näher brachte, wiederholte er, als ob es Spaß wäre: »Madame Bovary!«

»Wollen Sie etwa behaupten, Turl, daß Sie dieses dumme Zeug ausstehen können?« fragte Berryman. Wie zu erwarten war, hatte ihn der Name dieses berühmten Romans ins Leben zurückgalvanisiert. Er spazierte zum Bücherschrank, entnahm ihm ein Buch, öffnete es und begann, in planloser Weise im Zimmer umhergehend, darin zu lesen.

»Ha! Berryman,« sagte eine vermittelnde Stimme hinter ihm – sie kam von Trimmer, der mit seinem Rücken an den Kaminherd gelehnt stand und mit jeder seiner Hände eine Faust voll von seiner Amtskleidung festhielt – »dieses Buch ist ja klassisch!«

»Klassisch!« rief Berryman aus und durchbohrte Schelton mit seinen Augen; – »für eine solches Machwerk der Verdorbenheit hätte man den Kerl auspeitschen sollen!«

Ein feindseliges Gefühl regte sich sofort in Schelton. Er blickte auf seinen kleinen Gastgeber; dieser aber blinzelte bloß.

»Berryman meint nur,« erklärte Washer, und in seinem Lächeln lag eine gewisse Arglist, »daß der Dichter nicht zu seinen besonderen Lieblingen gehört.«

»Um Gottes willen, Sie wissen doch, helfen Sie Berryman nur nicht in den Steigbügel,« knurrte plötzlich der kleine dicke Mann.

Berryman stellte seinen Band in den Bücherschrank zurück und entnahm ihm einen anderen. In seiner sarkastischen Geistesabwesenheit lag etwas fast göttlich Erhabenes.

»Können Sie sich einen Mann vorstellen,« sagte er, »der solch dummes Gewäsch schriebe, wenn er bei uns die Eton-Universität besucht hätte? Ein Literat sollte ein Sportsman und Gentleman sein.« Und abermals blickte er über sein Kinn auf Schelton nieder, wie in Erwartung, daß dieser seine Gefühlsäußerung bestreiten würde.

»Glauben Sie . . .« fing letzterer nun an.

Aber Berrymans Aufmerksamkeit lenkte sich der Wand zu.

»Mir liegt wirklich nicht das Geringste daran,« sprach er, »zu erfahren, was für Empfindungen ein Weib dann hegt, wenn sie einmal auf den Hund gekommen ist. So etwas interessiert mich einfach nicht.«

Trimmers Stimme machte die Dinge amüsant:

»Das sind eben Fragen moralischer Wertungen, nichts anderes.«

Er hatte seine Beine zirkelförmig ausgestreckt und die Art, wie er die Ärmelflügel seiner Robe gefaßt hielt, schien ihn in ein Paar Wagschalen zu verwandeln. Sein herabsetzendes Lächeln umfing den Raum, mißbilligte ausdrücklich jegliche kräftige individuelle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit. »Schließlich und endlich,« schien er zu sagen, »sind wir ja doch Weltmänner; wissen wir, daß alles nur relativ ist. Hier handelt es sich um den modernen Geist; warum nicht auch ihm einen Blick und Augenblick schenken?«

»Verstehe ich Sie recht, Berryman, haben Sie wirklich kein Vergnügen an einem gepfefferten Buch?« fragte Washer mit feinem Lächeln. Bei dieser Frage lachte sich der kleine dicke Mann ins Fäustchen, zwinkerte ungestüm, als wollte er sagen: »An einem kalten Regentag vor einem wärmenden Kamin kann es nichts Angenehmeres geben, Sie verstehen mich doch . . .«

Berryman zollte dieser impertinenten Anfrage keine Aufmerksamkeit. Er fuhr fort, sich in seinen Band zu vertiefen und auf und ab zu schreiten.

»Mit denjenigen,« bemerkte er, blieb vor Schelton stehen und blickte auf ihn herab, als ob er seiner endlich gewahr geworden wäre, »die davon schwätzen, ihr Tun durch die Kunst zu rechtfertigen, befasse ich mich grundsätzlich nicht . . . Ich bin gewohnt, ein Ding beim rechten Namen zu nennen.

Schelton antwortete nicht, da er nicht zu sagen vermochte, ob Berrymann ihn oder den gesamten modernen Zeitgeist im allgemeinen angesprochen hatte. Und so fuhr Berryman unbeirrt fort:

»Kümmern uns etwa die Gefühle eines Weibes des englischen Mittelstandes, das eine Neigung zum Laster hat? Man sage mir doch, wozu? Kein Mensch, der an kalte Bäder gewöhnt ist, würde solch ein Thema zur künstlerischen Behandlung wählen.«

»Wenn wir nun zur Frage von – ah, hm – Themen übergehen,« summte Trimmers Stimme munter – er hatte seine universitäre Amtstracht auf dem Rücken straff angezogen – »dann, mein lieber Freund, müssen wir aber doch sagen: Die Kunst, wenn sie richtig angewandt ist, rechtfertigt alle Stoffe.«

»Kunst,« quiekte Berryman und legte seinen zweiten Band zurück, einen dritten entnehmend, »wird repräsentiert durch Homer, Cervantes, Shakespeare, Ossian, der Abschaum aber durch eine Anzahl unsauberer Gentlemen.«

Ein Gelächter erhob sich. Schelton sah sich um und blickte jeden an. Mit Ausnahme von Crocker, der fast eingeschlafen war und wie idiotisch lächelte, wiesen sie alle, der eine wie der andere, einen Gesichtsausdruck dar, als ob es keine Gewalt der Welt gäbe, sie dazu zu bewegen, einem Thema näher zu treten, das etwa tiefere Herzensregungen auslösen könnte. Als ob sie – der eine wie der andere – auf dem Ozean des Lebens so fest verankert wären, daß dessen Wellen sie nur als den ihnen schuldigen Anstand verletzend anmuten mußten. Wohl irgend ein Schimmer in Scheltons Blick mochte es sein, der Trimmer noch einmal bewog, mit seinen Kompromissen zu Hilfe zu eilen.

»Die Franzosen,« meinte er, »haben einen von dem unseren ganz verschiedenen Maßstab in der Literatur, wie sie ja auch bezüglich der Ehre einen anderen Maßstab haben. All das ist ganz und gar gekünstelte Ziererei bei ihnen . . .«

Immerhin war es Schelton nun ungemein schwierig, sich zu erklären, was er eigentlich meinte.

»Ehre,« sagte Washer, »l'honneur, honour, Duellieren, ungetreue Gattinnen . . .«

Unzweifelhaft wollte er dieser Aufzählung noch etwas hinzufügen, allein er verlor den Faden . . . Denn der kleine dicke Mann hielt zwei Zoll von seinem Kinn entfernt mit zitternden Fingern seine Meerschaumpfeife und murmelte:

»Meine Herren Kollegen, Berryman kennt keinen Spaß in Punkto Ehre . . .«

Er zwinkerte zweimal und steckte die Meerschaumpfeife wieder zwischen seine Lippen.

Ohne den dritten Band auf das Regal zurückzustellen, nahm Berryman den vierten herunter. Er hatte sich so sehr in die Brust geworfen, daß es den Anschein gewann, er wolle die Bücher als Hantel für Armübungen benützen.

»Ganz richtig,« sagte Trimmer, »die Umwälzung vom Duell bis zum Gerichtssaal ist immerhin höchst . . .«

Ob er sagen wollte »bedeutend« oder »unbedeutend«, wußte er, nach Scheltons Ermessen, wohl selbst nicht. Glücklicherweise warf Berryman zur rechten Zeit ein:

»Gerichtssaal oder nicht, wenn ein Mann mit meinem Weib davon liefe, würde ich ihm den Schädel spalten!«

»Na, na! Nur ruhig Blut!« sprach Trimmer, krampfhaft an seinen zwei Flügeln zupfend.

Wie ein Strahl göttlicher Eingebung durchfuhr's Schelton. »Wenn deine Gattin dich betrügen würde,« dachte er und sah Trimmer tief in die Augen, »du würdest es vertuschen und gegen sie ausspielen . . .«

Washer streichelte seine blassen Kinnbacken mit seiner Hand. Sein Lächeln blieb unverändert. Er sah aus, wie jemand, der beim Dichten eines Epigramms für immer seinen Geist verlor . . .

Der Theoretiker des Schädelspaltens reckte seinen Körper und hielt die Bücher in gleicher Linie mit seinen Schultern, wie um seine Zuhörer mit seinem Gesichtspunkt zu steinigen. Sein Antlitz ward blässer, seine glänzenden Augen glänzten stärker, seine Lippen verzogen sich ironisch. Fast schmerzlich berührte diese Kombination des »starken« Mannes der Faust und des Gelehrten, welch letzterer sofort in Stücke fiel, wenn man ihm einen einigermaßen kräftigen Stoß versetzte.

»Was nun das anbelangt,« sagte er, »ungetreuen Frauen zu verzeihen und derartige Dinge mehr, so bin ich kein Anhänger solcher Sentimentalität . . .«

Die Worte klangen in hoher Steigerung und sehr sarkastisch. Schelton sah sich hastig um. Die Gesichter aller erstrahlten selbstgefällig. Er errötete und warf mit weicher, klarer Stimme unvermittelt ein:

»Ich begreife!«

Er war sich vollauf bewußt, daß er nie vorher einen Eindruck dieser Art gemacht hatte und ihn auch nie wieder machen würde. Die kalte Feindseligkeit, die rings um ihn hervorschoß, wirkte höchst aufklärend. Aber sie verschwand auch gleich wieder und räumte jener höflichen, satirischen Nachsicht das Feld, die unter kulturell hochgebildeten Herren üblich ist . . . Crocker erhob sich etwas nervös. Er schien erschrocken zu sein und war augenscheinlich erleichtert, als Schelton, seinem Beispiel folgend, die Hand des kleinen dicken Mannes ergriff und dieser ihm mit einer vom Tabak erschütterten Stimme gute Nacht wünschte.

»Wie heißen denn Ihre unrasierten Freunde?« vernahm er, als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.



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