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Zehntes Kapitel

Am andern Morgen fiel starker Schnee. Ein scharfer Ostwind jagte ihn über die Heide, über die Marsch ins Meer. Wenn aber die kleinen, vom Wind gejagten Flocken einen Halt fanden, und war es auch nur ein Heidestrauch oder ein Maulwurfshaufen oder ein dürres Grashälmchen, da warfen sie sich rasch nieder, duckten sich und entgingen der schrecklichen Treibjagd. Die meisten aber wurden vom Wind erfaßt und zerissen und füllten mit ihrem Staub die Luft, so dicht, daß die Leute schwer den Weg in die Kirche fanden. Hinter größeren Erhöhungen, hinter Häusern und Wallen und am Abhang der Heide bildeten sich lange, spitzrückige Dämme, und weiße Wälle lagerten sich quer über den Kirchweg, Spielzeug für fröhliche Kinder, beschwerliche Dinge für alte Leute.

Dennoch gingen viele Leute in die Kirche. Das Kleinmädchen vom Strandigerhof war schon früh morgens, ein wandelndes Schneeweibchen, durch das Dorf gekommen und hatte Leute aufgeboten, den Kirchgang frei zu machen, und hatte rasch hinzugefügt: »Brautleute halten Kirchgang!« und hatte altklug dabei ausgesehen und war wie eine große Flocke im tollen Wirbel verschwunden. Vom Eschenwinkel kamen viele den Sandweg hinauf. Im Vorbeigehen wurden fünf Briefe in den Postkasten am Schulhaus gelegt, fünf Briefe mit steifer Aufschrift und fast demselben Inhalt. In der Kirche angekommen, standen sie im Quersteig, besprachen die Briefe und die Zurücknahme der Kündigung und sahen nach dem sogenannten Glaskasten hinüber, dem Familienstuhl der Strandiger.

Heim Heiderieter kam an, die Hände tief im Rock und ganz verschneit. Ein Schneewirbel stob hinter ihm her durch die Thür. Seine Haushälterin hatte heute morgen zu ihm gesagt: »Der Herr geht gewiß in die Kirche?« Da hatte er rasch ja gesagt. Er hatte die Absicht gehabt, an diesem Sonntagmorgen die geplante Arbeit anzufangen; aber wenn sie in diesem Ton sagte: »Der Herr geht gewiß in die Kirche?«

Er war aber doch guter Laune. Er war jetzt meist guter Laune. Er hatte das Gefühl, als käme er vorwärts.

Im Hause ging es eifrig her, in den Stuben war es gemütlich, und im Stall besserte sich das Vieh. Auch – und das war das Wichtigste – im Herzen waren neue Dinge entstanden, erst Beschämung, dann geheimer, aber starker moralischer Zwang, ernst und arbeitsam zu sein, dann Arbeitslust, danach Selbstbewußtsein.

Und nun kann niemand sagen, was noch werden mag.

Er stampfte den Schnee von den Stiefeln und trat in seiner gemütlichen Weise mitten unter die Eschenwinkler: »Was giebt's?«

Sie erzählten ihm, was sie wußten, und was sie vermuteten.

»Wir glauben, daß Maria Landt sich mit Franz Strandiger verlobt hat.« Da ward Heim still.

Dann setzten sich alle, die Frauen in der Mittelreihe, die Männer zu Süden; die Norderreihe bleibt meistens leer. Die Klingelglocke wurde gezogen. Als sie schwieg, hörte man gleich das Klappen der Pastorthür. Die Orgel setzte ein. Pastor Frisius ging gebückt und stakig quer über den Chorgang nach seinem Stuhl, öffnete sein Gesangbuch und ging singend hin und her und sah nicht auf.

Alles wie sonst.

Da ging wieder die Pastorthür. Es ist die südliche Chorthür.

Andrees Strandiger ging langsam über das Chor nach dem Strandigerstuhl. Er hatte die Augen am Boden und ging wie in tiefen Gedanken. Sein vergrämtes Gesicht sah in dem bleichen Licht des dunstigen Wintermorgens kränklich aus.

Frisius war in seiner Wanderung stehen geblieben und hatte aufgesehen und leicht den grauen Kopf geschüttelt. Die Leute in den Bankreihen sahen sich an und sahen sich um. Einige Frauen rückten dichter zusammen, als fürchteten sie, allein zu sein.

Heim Heiderieters weiches Herz wallte auf vor Mitleid; der Kopf wurde ihm heiß, und er dachte: »Ich will morgen zu ihm gehen. Vierzehn Tage lang habe ich in der Stube gehockt und habe mich nicht um ihn gekümmert. Wie elend sieht er aus.«

Wieder geht die Chorthür.

»Maria Landt! ... Da! ... Franz Strandiger! ...« Sie kommen langsam nebeneinander durch den Gang. Mitten im Chor legt Franz Strandiger ihren Arm in den seinen. So gehen sie auf den Strandigerstuhl zu.

Heim Heiderieter beugt sich weit vor und starrt mit bangen Augen auf Andrees. Die Orgel spielt; der Gesang ist verstummt. Sie sehen alle auf Andrees.

Der ist aufgestanden und steht schon in der geöffneten Thür. Wie wenn einer in jungen Jahren den Tod auf sich zukommen sieht, so sieht Andrees Strandiger auf das Paar. Dann, als wenn ihn ein Schmerz durchstößt, dreht er sich um und geht zwischen den lautlosen und steinernen Menschen mit ungleichen, stürzenden Schritten aus der Kirche. Hinter ihm setzten die lauten Kinderstimmen wieder ein:

Es sind ja Gott geringe Sachen
Und ist dem Höchsten alles gleich,
Den Großen klein und arm zu machen ...

Das übrige verweht der Wind.

In der Kirche ist es ein stilles Grübeln, Staunen, Pläne machen; keine Andacht. Nur Maria Landt versucht zu folgen. Es wird in der bekannten schlichten, eckigen und wahren Weise von dem Herrn gepredigt, wie er für seine Sache gestorben ist. Es ist ja Sonntag Estomihi, der letzte Sonntag vor der Passion.

Am Ausgang standen sie dicht gedrängt. Die einen weiten Weg hatten, knöpften die Mäntel fest, schlugen die Kragen hoch und drückten die Mützen in die Stirn. Draußen standen die Eschenwinkler auf einem Haufen. Als Maria Landt aus der Thür trat, konnte sie zuerst nichts sehen; ein Wirbel füllte die Luft mit Schnee. Dann sah sie plötzlich in all die ernsten Gesichter.

Da erschrak sie, daß ihr das Herz stand, und ihre Gedanken verwirrten sich. Sie trat aber auf die Thielsche zu, neben der Schütt stand. »Seid ihr nicht zufrieden?«

Da sagte die Thielsche: »Sie wollen doch nach Amerika.« »Fünf Briefe sind abgegangen,« sagte Schütt und schielte auf Franz Strandiger, der mit kaltem Gesicht halb abgewendet über den verschneiten Kirchhof sah.

»Warum denn? Sagt doch: warum?«

Der Wind heulte wieder auf und warf dichten Schneestaub um die Menschen. Maria Landt forschte in den Gesichtern; aber sie sahen auf den wirbelnden Schnee zu ihren Füßen, auf die verschneite Kirchenthür, auf die Vorübergehenden. Dwengers Frau beugte sich zu ihrem Kinde nieder und zog ihm die warmen Fausthandschuhe an. Und keiner sah in die Augen, aus denen immer dunkler, finstrer, stiller die Not sah.

Da berührte sie den Arm ihres Verlobten und ging still fort. Und als die Thielsche hinter ihr her sah, sagte sie: »Seht mal! Sie ist ordentlich kleiner geworden!« Und sie zog die wollenen Handwärmer an, die Maria ihr vor acht Tagen geschenkt hatte.

Sie war eine harte Frau. In einem mühseligen Leben hatte sie verlernt, Mitleid zu haben. Wenn sie Leid sah, ward ihr wohl. Sie dachte: »Das habe ich auch durchgemacht.« So hatte sie gestern abend mit Anna Witt geredet, so redete sie heute mit Maria Landt: hart und kalt. Sie ging häufig in die Kirche; aber Pastor Frisius konnte lange über Freundlichkeit und Barmherzigkeit predigen! Das lief wie Wasser über Stein. »Pastor Frisius versteht das nicht. Was hat Pastor Frisius durchgemacht?«

Unter gleichmäßigem Reden gingen sie nach dem Eschenwinkel hinunter. Als sie bei ihren Häusern auseinandergingen, rief Schütt, schon in der Thür stehend, zu Dwenger hinüber: »Kommst du nachher zu mir? Ich habe eine Flasche Kümmel im Haus. Wir fangen heute abend an, Fastnacht zu feiern. Es ist jetzt alles gleichgültig.«

 

Inzwischen war Andrees Strandiger in die Wohnstube gestürzt: »Hast du gewußt,« schrie er die alte Hobooken an, »daß Maria Landt die Frau deines saubern Sohnes werden will? Antworte!«

Lena fuhr entsetzt vom Sessel auf; das Buch fiel aus ihrer Hand und glitt blätternd auf den Teppich.

Die alte Frau blieb steif und starr: »Ja, was hast du dagegen?«

»Das sollst du sehen! Maria die Frau von Franz?! Das ist ja Unsinn.«

Als er das sagte, ward die Thür geöffnet, und Anna Witt sah von einem zum andern, fuhr zurück und schlug die Thür hinter sich zu. Draußen im Gang legte sie die geballten Hände an die Schläfen und sagte leise: »Sie wird seine Frau ... sie!«

Drinnen im Wohnzimmer war Andrees ruhiger geworden. Er lehnte an der Wand und redete wie mit sich selbst: »Sie hat es für den Eschenwinkel gethan, das ist klar! Dadurch haben sie das arme, weichherzige Kind gezwungen. Ihr ... ihr habt mir mit eurem jahrelangen Umgang die Augen geblendet; aber nun sehe ich einen Schimmer von Licht... ich sage mich los von dir ... Lena Strandiger ... Ich bin frei von dir!... Und sehen will ich« ... er hob beide Hände – »ob ich nicht sie und uns frei machen kann von euch.«

Dann ging er.

Lena Strandiger hob das Buch auf und schob es unter den Arm und ging nach der Thür zu: »Franz hat für sich gut gesorgt, aber schlecht für mich.« Dann stand sie still, atmete hoch auf und reckte die Arme, wie einer, der Müdigkeit von sich abschüttelt: »Na! ... Schluß! Zu Ende, Akt Strandigerhof! Ich reise heute abend nach Berlin!« Die alte Hobooken ging allein im Zimmer auf und ab, die Hände nach Männerweise auf dem Rücken, steif und steil wie von Holz. Der harte Zug um den Mund war noch schärfer geworden.

Maria war die Treppe hinaufgegangen, nachdem Franz sie im Hausflur verlassen hatte.

Die rastlosen Gedanken irrten schon wieder umher und suchten. Sie trat ins Wohnzimmer. Da saß Ingeborg am Fenster und sah nach dem Teich zu in das tolle Treiben des Schnees. Sie hatte heiße Wangen, und ihre Augen waren voll Glanz; sie war in Gedanken auf der Heide gewesen, und ihr junges Herz glühte und klopfte. Andrees war frei von der einen, frei von Maria ... für wen? für wen?

»Willst du mir helfen?« fragte Maria und blieb an der Thür stehen und versuchte, mit den erstarrten Händen das Jackett zu öffnen.

Da sprang Ingeborg auf und ging in ihrer leichten, hohen Weise durch das Zimmer, die feine, schlanke Gestalt biegend, wie die Birken am Wodanshügel ihre Stämme wiegen, wenn der West weht. Als sie das bange, müde Gesicht der Schwester sah, sagte sie leise: »Ich weiß nicht, warum du es gethan hast; du siehst nicht aus wie eine Braut.« Sie beugte sich nieder und nestelte an den untern Knöpfen des Jacketts; er stieg ihr heiß in die Augen: »Aber ... was du thust ... ist immer gut ... immer!« Da schloß Maria sie warm in ihre Arme: »Du bist meine liebe Schwester!« Und eine Weile hielten sie sich umfaßt, dicht aneinander.

Ingeborg fing an, bitterlich zu weinen.

 

Der Abend kam, Maria saß am Fenster und träumte in die Dämmerung hinaus. In den trüben Augen war das letzte Feuer niedergebrannt. Das Herz war müde und wollte schlafen; aber es wurde immer wieder durch ein hartes Wort aufgeschreckt: »Sie gehen doch nach Amerika!« Wenn sie an das Wort dachte, glimmte es unter der Asche. Aber das war kein Lebensfeuer. Das gab grellen, unheimlichen Schein.

Ingeborg kauerte draußen am Ende des Ganges im Schatten des Geländers auf der Treppe. Den blonden Kopf vorgeneigt, die Hände zwischen den hochgezogenen Knieen, horchte sie mit funkelnden Augen. Das ganze blasse Gesicht war Leben.

Da unten wurde gepackt und getragen. Ein Koffer nach dem andern wurde nach der Hinterthür geschafft. Man hörte Lena Strandigers Weinen; dann ihres Bruders ruhige, bestimmte, einmal kurz auflachende Weise. Ein rechtes herrisches Strandiger-Lachen. Einmal huschte Anna die Treppe hinauf. Sie war ein feines, zierliches Mädchen. Schreiend fuhr sie zurück, als sie die Gestalt da im Dunkeln kauern sah.

»Geht sie fort?« fragte Ingeborg.

Aber die hörte nichts.

Da konnte Ingeborg es nicht länger ertragen, sie lief die Treppe hinunter. Ungesehen kam sie über den dunklen Gang. Als sie in Eile durch die Hinterthür gehen wollte, stand Franz Strandiger plötzlich vor ihr. Sie drückte sich zur Seite eng gegen die Wand und ließ ihn so, indem sie ihre Augen scharf auf ihn richtete, stumm an sich vorübergehen. Er grüßte leicht und redete sie nicht an. Es lag etwas Fremdes, Abwehrendes in ihren Augen und noch mehr in der steifen Haltung, die sie plötzlich angenommen hatte.

Wie gejagt lief sie nach den Pferdeställen; da stand Hinnerk Elsen, die Uhr in der Hand.

»Spannst du an?«

»Noch nicht.« Er drehte sich um, im Licht der Laterne die Uhr zu erkennen.

»Ach, die dumme Uhr! Wissen will ich, ob du in die Stadt fährst.«

»Ja ... acht Uhr zwanzig.«

»Wen?«

»Fräulein Strandiger.«

Wie der Wind war sie fort. Nur den langen Schatten sah Hinnerk noch, den ihre Gestalt auf die Mauer warf. Er stand und wunderte sich, wie solche Wesen so geschmeidig und so neugierig sein können und so leichtfertig über den Wert der Zeit urteilen.

Als er noch stand, schlich auch Anna hinaus, atmete hörbar schwer und wollte ihm etwas sagen. Aber er kam ihr zuvor: »Du bist erkältet; mach', daß du in die Küche kommst, und gehe heute abend nicht aus! Hörst du?«

Er sagte es nicht gerade unfreundlich. Sie that ihm ein wenig leid; sie hatte in der letzten Zeit so etwas Furchtsames. Er hätte sie gern einmal in seine Arme genommen; aber die zweitausend Mark waren noch nicht voll. Und er war im Dienst. Alles zu seiner Zeit. Nach einer halben Stunde trat Ingeborg in Marias Zimmer, und als sie dort niemand fand, öffnete sie leise die Thür zu dem Zimmer, in dem Frau Strandiger schlief. Maria stand über das Bett der alten Frau gebeugt und kehrte sich um.

»Die Strandiger ist fort!« sagte Ingeborg leise.

Maria sah sie an; aber die Nachricht schien keinen Eindruck mehr auf sie zu machen. »Sie gehen doch nach Amerika. Es ist alles umsonst.« Sie legte den Finger auf den Mund und sagte im natürlichen Ton ihrer Stimme: »Du ... Tante ist krank. Sie hat etwas Fieber, wir müssen morgen nach dem Arzt schicken.«

Als sie beide im Wohnzimmer waren, strich Maria mehreremal mit der Hand über die Stirn und sagte: »Tante Strandiger weiß noch immer nichts von der Verpachtung. Und nun die Verlobung? Weißt du, Ingeborg, was Andrees vorhat; du mußt es doch wissen?«

»Nichts weiß ich.«

»Es wird ein harter Schlag für Tante.«

»Er ist an all dem Unglück schuld.«

Maria wandte sich vom Fenster ab und sah lange prüfend in die Augen der Schwester.

Da überzog sich Ingeborgs Gesicht langsam mit dunklem Rot, und sie senkte die Augen.

»Ingeborg!« sagte Maria leise, »du mußt immer, immer auf Andrees' Seite stehen und nicht heucheln, als hättest du ihn nicht lieb. Dadurch ist schon schwerer Jammer gekommen. Er nimmt alles so schwer und ist ein Grübler und kann nicht mit sich selbst zurechtkommen. Steh' ihm treu bei, Ingeborg. Sag' ihm: Ich bin dein Kamerad. Dann wird er erkennen, was an dir ist. Verlaß ihn nicht, Ingeborg!«

Ingeborg wandte sich um und ging hinaus.

 

Am andern Vormittag, am Montag, kam der Arzt. Er fand den Zustand der alten Frau durchaus nicht bedenklich, meinte, das Fenster, an dem sie gesessen, sei wohl nicht ganz dicht verschlossen gewesen, so sei eine geringe Erkältung gekommen. Er plauderte ein langes, verschrieb ein weniges und ging wieder. Die alte, blinde Frau saß aufrecht im Bett, fühlte sich in der treuen Pflege sehr behaglich, und, angeregt durch den Besuch des Arztes, auf den sie große Stücke hielt, fuhr sie fort, ein wenig zu plaudern:

»Sag' mal, Kind, wann geht denn Franz Strandiger mit den Seinen wieder weg? Das ist ja ein langer Besuch.«

Maria schwieg.

»Ich mag die Hobooken nicht leiden. Merkwürdig ist, daß Peter Strandigers beide Kinder nach ihrer Natur Hobooken sind. Die Hobooken haben harte Herzen. Ich habe immer für Ingeborg gefürchtet, daß sie Franz lieb gewönne; sie hatten früher manche Ähnlichkeit, als sie Kinder waren, und auch jetzt noch. Sie waren immer so übermütig und machten sich über dich und Andrees lustig, weißt du noch? Da habe ich sie neulich gefragt: ›Ingeborg, wie ist es mit Franz und dir? Ihr spielt doch nicht Versteck miteinander wie damals hinter den Ulmen?‹ Aber sie sagte: ›Tante! Ich mag ihn ja nicht ansehen! Er hat so etwas Wildes an sich. Den rühr' ich nicht an!‹ So sagte sie. Leider konnte ich sie nicht sehen, ob sie auch rot wurde. Sag' mal, Kind, denkt ihr beide, du und Andrees, nicht an Hochzeit?«

Da erhob sich Maria und griff mit zitternden Händen nach dem Neuen Testament: »Ich habe noch nicht vorgelesen.« Und sie begann aus dem Evangelium vorzulesen. Und indem sie las, kam wieder eine trostlose, düstere Verwirrung über sie, und ihr Gesicht wurde blaß. Von furchtbar bangem Herzklopfen gequält, wollte sie aufspringen. Wie ein Mensch in einem brennenden Hause, der keine Thür finden kann, schrie sie auf und brach am Bett zusammen.


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