Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Fünfzehntes Kapitel.

Der Morgen stieg empor. Lichte Funken warf er in Gunlaugurs Augen, wie in seine Seele, und der Jüngling sprang fröhlich in die Höhe, sich zum Kampfe rüstend, und keck nach seinem Ausfordrer umschauend.

Der kam düster aus jener nächtigen Bergschlucht emporgewandelt, langsam, zornige Blicke rechts und links hinversendend, daß Manche der Zuschauer sehr scheu davor zurückwichen. Es hatte sich nähmlich eine ganze Menge von Leuten aus der Umgegend eingefunden, von dem Gerücht herbeygerufen, der sieghafte Ringer Thordur werde mit dem heimgekehrten Gunlaugur Drachenzunge, dem weitberühmten Helden, einen Wettkampf halten.

Gunlaugur sahe seinen Gegner nicht mit der Freudigkeit herannahen, die ihn wohl sonst vor 120 beginnenden Kämpfen als ein fröhliches Feuer zu durchglühen pflegte. Die Erinnerung an Thordurs nächtlichen Götzen- oder Gespensterdienst erweckte ihm eine edle Scheue, sich mit dem düstern Wunderling so Arm in Arm und Auge dicht vor Auge zu messen. Hätte es einen Kampf mit Schwertern gegolten, oder lieber noch mit ferntreffenden Speeren! Aber es half nun einmahl nichts. Der Gegner hatte den Kampf erbothen, und auf seine vorgeschlagne Weise mußte ihm willfahret seyn.

Zwängtet Ihr schon je ein edles Roß einem unedlen Thier entgegen, vor welchem die schönere Natur des Gaules im zürnenden Abscheu erbebte?

Dann werdet Ihr wissen, was Gunlaugur in diesen Augenblicken für einen Vorkampf zu bestehen hatte, und wie das ihm schwerer fiel, als manch ernsterer Augenblick seines gesammten, an Kämpfen eben nicht armen Lebens.

Er biß die Lippen kräftig zusammen, legte die schönen Waffen ab, und sprach, sich in Ringerstellung auslegend, zu dem verabscheueten Gegner: »Du hast mein begehret. Hier bin ich. Wohlan!«

Die beyden Jünglinge rangen eine Zeitlang gewaltsam miteinander hin und her. Jeglicher 121 – das sahe man wohl – setzte seine allerbeste Kraft daran. Vorzüglich war Gunlaugur anzusehen, wie ein eilfertig kräftiger Wandrer, dem etwan ein unversehens in den Weg gerollter Baumstamm oder Klippenstein die Bahn sperre, und der nun Alles daran setze, die Hemmung rasch aus dem Wege zu werfen.

Es gelang ihm. Thordur stürzte besiegt zu Boden. Aber über ihn hin stürzte auch der Sieger Gunlaugur, und wieder emporgerichtet stand er mit ausgerenktem Knöchel da, einem Zugvogel vergleichbar, der sein aufgehobnes Bein ruhen läßt, ermüdet auf der Fahrt zu den schönen Goldfruchtbäumen des lockenden Südlandes.

Ein Jubelruf des Schiffsvolkes erscholl über den Sieg ihres Genossen, und auch die Mehrsten der Inselzuschauer jubelten mit. Denn der Besiegte hatte sich mannigfach durch frechen Übermuth verhaßt gemacht, und indem der Sieger gleichfalls ein Isländer war, verlor ja auch der sehr hochgehaltne Ruhm des Eilandes nichts bey diesem Ausgange des Kampfes.

Thordur, sich mühsam vom Boden erhebend, sahe verdrießlich auf seinen Bezwinger. Doch wie er diesen so verletzt erblickte, sprach er ihn mit höhnischem Lachen an: »Siehe Du zu, daß 122 eine andere Angelegenheit nicht schmerzhafter noch für Dich ablaufe, als diese!« »Welche meinst Du?« fragte Gunlaugur. »Ey nun,« entgegnete Thordur, »Dein Ringen gegen Rafn, den Oenundursohn, wenn er Schön-Helga nun am ersten Wintertage zu seinem Ehelieb gewinnt. Ich hörte wohl im Sommer auf der Dingstätte Wahlfeld, wie das besprochen ward. Und der erste Wintertag schauet Dir nahe, ganz nahe schon über die Schulter herein, und Thorsteins Herd zu Borga ist fern von hier, und sehr verrenkt und gelähmet ist Dir, o Gunlaugur, der Fuß, auf welchem Du wandern sollst.«

Stumm blieb Gunlaugur, die Flamme des zornigen Schmerzes in seinem Antlitz. Mit gewaltiger Anstrengung renkte er sich alsbald den Fuß wieder ein, umwand ihn dicht mit Binden, und schritt, so gut es gehen wollte, mit Hallfredur nach der ersehnten Richtung von hinnen, zwölf ihrer Schiffsgenossen ihnen nach. 123

 


 


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