Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Neuntes Kapitel.

Als Gunlaugur wieder in des Königs Halle zum Frühmahl zurückkam, fragte ihn dieser freundlich, wo er in so junger Morgenzeit schon gewesen sey, und wie ihm das Land gefalle. Gunlaugur lobte es mit hübschen Worten, wie sangbegabten Leuten, wenn sie recht von Herzen froh sind, solche wohl leicht zu Gebothe stehen. Darüber ward König Ethelred noch freundlicher, und fragte, ob er Bekanntschaft mit andern edlen Nordlandsmannen, deren es Viele hier zu Lande gebe, angeknüpft habe »O ja, mit dem Thorgrimur hab' ich Bekanntschaft gemacht!« sagte der Isländer. Da verfinsterte sich Ethelreds Königsangesicht, und er begehrte sehr ernst, Gunlaugur solle ihm Alles berichten, was er mit Jenem verhandelt habe. Gunlaugur thats. Da sahe der König noch unzufriedner aus, blickte 67 eine Zeitlang sinnend vor sich nieder, und dann den jungen Mann näher zu sich heranwinkend, sprach er mit etwas gedämpfter Stimme, so daß es Niemand Anders hören konnte:

»Du hast unbedacht gehandelt – unbedacht, wie es Deines jugendlichen Alters Art wohl meist immer zu seyn pflegt. Oder freylich – am Ende gab es hier zum Ausweichen kein andres Mittel mehr, und wir können noch Alles wieder in ein erträgliches Geleise bringen.«

»Ich verstehe Euch nicht, Herr König!« sagte der staunende Jüngling. »Ausweichen? Das wollte ich keinesweges, als der Thorgrimur mit seinen zwey trotzigen Gesellen vor mir hielt, und wär' er auch der grimme Donnergötze Thor aus unsern alten Liedern selbst gewesen.«

Mit ernstem Lächeln sprach der sanfte König: »Ein Skalde, wie Du, hätte sich doch besser auf die Bildersprache verstehen sollen, in der ich jetzt unabsichtlich zu Dir redete. Ausweichen säh' ich Dich gern dem wilden Thorgrimur auf Deiner ganzen Lebensbahn. Daß er die Goldstücke Dir ablieh, zeigt schon genugsam, daß er eigentlich Händel an Dir sucht. Ich kenne seine Weise aus mannigfachen Verdrießlichkeiten her. Und es wäre mir leid, wenn Ihr zwey aneinander 68 geriethet. Deßhalb stelle Dir vor, Du hättest ihm das Geld gar nicht geliehen, und begehr es nie von ihm zurück. Ich will es Dir gern ersetzen. Auf jedem andern Wege würde ja doch ein blutiger, wohl gar mordlicher Zweykampf daraus.«

»Wie denn?« sagte Gunlaugur staunend. »Ist Euch etwa der überkecke Thorgrimur so überaus lieb, Herr König, daß Ihr ihn auf keine Weise meinen scharfen Waffen gegenüber sehen möchtet?«

»Nein, Du bist mir lieb,« sprach der König, »und nicht Dich möchte ich gern den scharfen Waffen jenes bis jetzt noch unbezwungenen Fechters gegenüber sehen.«

Da lächelte Gunlaugur auf eine wunderliche Weise vor sich hin, wie mit leisem Kopfschütteln fast. Endlich sprach er:

»Mein edler und sehr lieber Herr König, es gibt in unsern Nordlanden ein Gericht, aus gutem Wildpret und recht schmackhaften Würzen bereitet, das nennen die Leute Süß und Sauer. Und ungefähr so kommt mir Eure jetzige Rede vor. Süß ist es mir, daß ein Fürst, wie Ihr, mein Leben lieb hat, und es sorglich hegen möchte, aber sauer kommt es mir zu ertragen an, 69 daß Ihr meint, ich müsse durchaus vor Euerm Thorgrimur erliegen. Vergönnt mir doch wenigstens die Probe. Sey er auch etwa um ein Neuntel grösser, als ich, wer weiß, ob ich nicht um Neun Fünfzehntheile besser fechte, als er! Vorausgesetzt, daß er seine Verpflichtung nicht lösen will. Denn thut er das, so bleiben wir als zwey gute Nordmannen gute Freunde mitsammen.« »Es geschehe, wie Du sagst, mein lieber Jüngling!« entgegnete König Ethelred, und faßte Gunlaugurs Hand, sie so feurig und stark drückend, daß dieser wohl merken konnte: hätte es sich um des Königs eigne Kampfesangelegenheit gehandelt, der muthige Herrscher wäre nimmer so ausnehmend friedwillig erschienen. 70

 


 


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