Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Fünfzehntes Kapitel.

Und wie aus seltsamen Traumesbildern gewoben, nahm das Gespräch beym Festmahle seinen Gang. Da handelte sich es von Elfen, die aus Bäumen den Wanderer grüßen mit flüsternden Minneliedern, wortlosen zwar, aber wenn er augenblicklich stille steht, gestaltet es sich zu bittenden Liebesworten, und wenn er sich dann darnach umsieht, schwebt der süßbethörende Reigen hervor, und umwindet ihn mit Laubgeflechten, und er wird hinfüro nicht mehr in der äussern Welt gesehen. Es seye dann, daß ein Frevler sich an dem Elfenhaine vergreifen wolle! Dann lodert der Verzauberte im herrlichen Salamanderharnisch hervor, wunderbar schön, aber wunderbar schrecklich. Denn die Salamander – die Feuergeister dieser Erde – lieben die schönen Elfen, und vernichten sie nur, wenn Eifersucht 107 gegen die gaukelnd liebkosenden Lüftegeister ihren Zorn anfacht. Und wenn dann die Armen, nur kaum noch so blühenden, reichlockigen, schlanken Elfen zerstoben sind in feindlicher Gluth Umfang, dann sinken auch die Salamander bereuend im Aschenmantel todt über die Gemordeten hin, und kein Hauch erweckt sie wieder. Was hilft aber das den zerloderten Elfen alsdann? Auch sie erweckt nicht Frühlings-Luft, nicht Frühlings-Duft aus ihrem Staube wieder! Deßhalb locken sie sich lieber menschliche Helden herein in den Wald, die den Salamandern ihre flammigen Goldwaffen abgewinnen, nachher darin auflodernd gegen den Feind, aber mit luftiger Geister süßem Seufzerhauche mildkosend die Freundinn. Die flammengezüngelten Ritterschwerter, welche man auch in der alten Nordlandssprache Flammberge zu benennen pflegt, die sollen die Erbwaffen der Salamander seyn, von menschlichen Elfenkämpfern ihnen abgerungen, und dann im Hauche der Lüftegeister gekühlt, und von dem festen Willenspruche der Rittermenschen und Elfenbräutigame gehärtet.

Diese und ähnliche seltsame Geschichten und Behauptungen wurden an des Irland-Königes Tafel hererzählt, und zwar so wie es Euerm 108 Schreiber unversehens auch hier in die Feder kam: als verhalte sich das Alles zuverlässig so, und könnten sich viele Leute an solche Erlebnisse deutlich erinnern. Wer freylich je mit Feuer und Baumesleben und Lufthauch und Waffenschmiedekunst nur irgend liebevoll zu schaffen hatte, kann sich wohl des Gedankens nicht entschlagen, daß er ungefähr ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Aber solche Berichte davon an einem königlichen Tische! Dem Gunlaugur kam Alles um ihn her ganz verhext vor.

Dann klangen wieder dazwischen so unverkennbar süße Herzenstöne hinein. Und als nun immer zartere Lieder erwachten, ward es ihm, als lausche leise, leise Schön-Helga über seine Schulter, in ganz wundersam feyerlicher Lieblichkeit, einen grünlichblinkenden Sternenkranz um ihre goldnen Locken gewunden, und sie flüstre ihm mit Nachtigallklängen zu:

»Geh zur Ruh! geh zur Ruh;
Sehnsuchtvoller Skalde du!
Laß dich fah'n in Traumesnetzen!
Laß vom Ahnungsthau dich netzen!
Hüth' dich! Welt will dräu'n und hetzen!
Sehnsuchtvoller Skalde du,
Geh' zur Ruh! geh zur Ruh!«

109 Gunlaugur dachte tief in sich selbst: »Und wäre denn wirklich hier meiner irdischen Hoffnungen Ziel schon bereitet? Und wäre vielleicht hier eine neu erwachende Zauberwelt unter dem König Sigtryggur in lieblich räthselhaften Tröstungen emporgestiegen?«

Er hatte indessen seine Harfensaiten zu schönen Gängen angeregt, und König Sigtryggur sagte freundlich: »O gewiß, mein Isländer, Du kannst uns irgend einen wunderbaren Traum verkünden, welcher unsere Geister zu einem Wettringen mit den unbekannten Mächten erwecken mag. Sprich ihn aus, Deinen Traum!«

»Es ist nicht mein Traum, was jetzt in mir emporsteigt!« sagte Gunlaugur. »Es ist eines anderen sehr edlen, viel weiseren Islandsmannes Traum! Aber wollt Ihr ihn hören, und könnt Ihr ihn deuten, wohlan!«

Und er sprach in's wechselnde Geschwirr seiner Harfensaiten:

»Ein edler Wirth am Islandstrand hat auf seines Hauses Giebel einen Schwan im Traume gesehen – gar einen schönen wunderweissen Schwan – ein Schwanenweib vielmehr!«

Und wie der Jüngling diese Worte redete, kam es ihm auf einmahl vor, als sähe er des 110 edlen Thorstein, ihm einst so gastlich vertrauete Wohnung vor seiner Seele, ja vor seinen leiblichen Augen! Und als sitze Schön-Helga weinend vor der Thür, und winke mit weißen Schleyern zu ihm herüber. Nur konnte er nicht recht unterscheiden, ob sie ihm winke: »Fleuch fern!« oder: »komm bald!« Und darüber verstummte seine Rede. Aber sein Harfenklang tönte noch immer in sehnsuchtsvollen Schwingungen fürder, und doch dröhnten bisweilen ernste Gänge, wie dumpfes Donnergeroll durchhin –

Vor denen auch versann er sich endlich wieder, und erzählte nun fürderhin deutlich Meister Thorsteins Traum, wie die beyden Adler sich zu beyden Seiten des Schwanenweibes gesetzt hatten und um sie geworben mit freundlichem Kosen, und wie sie dann, im Kampf gegeneinander entbrennend, zu des Hauses Seiten hinuntergetaumelt waren in ihr Blut! Auch wie nachher das Schwanenweib mit einem Sperber von hinnen flog!

Er schwieg, und auch sein Saitenspiel.

Da erhub sich unter den Mahlesgenossen ein heimlich eifriges Flüstern, beynahe den leisen, und doch fast ängstlich raschen Lauten vergleichbar, die bisweilen im Gewirr der Fieberträume 111 uns durch die tiefste Seele dringen. Dem Gunlaugur ward es, als verstreueten die Kerzen ein bläulicheres Licht, als begönnen einige alte Gebilde an den Mauern der Halle sich zu regen, und als sähe König Seidenbart immer bleicher drein, und mit einem Kopfschütteln, an die leise Bewegung hoher Waldeswipfel im heranziehenden Sturm erinnernd, derweil die niedrigeren Bäume und Gebüsche noch ahnungsfrey und stille sind.

Endlich sagte der alte Sigtryggur:

»Tritt ein wenig in die Vorhalle hinaus, mein edler junger Gast. Sehr Ernstliches hast Du uns zu deuten aufgegeben, und um sehr Vieles näher geht es Dich an, als Du es wohl vermeinst. Bald soll meine Stimme Dich wieder berufen. Aber diese Berathung muß frey seyn.«

Da neigte Gunlaugur sich voll ehrerbiethigen Schauders, und trat in die Vorhalle.

Knappen und Reisige sassen dort beym heitern Mahle an einzelnen Tischen; mit ihnen sein getreuer Thorkill. Als dieser seinen jungen Herrn und schützenden Anverwandten so nachdenklich aus dem Saale kommen, und sich in die Thüre 112 des Hauses lehnen sah, nach den Sternen blickend, trat er zu ihm hinan, und sagte leise:

»Mir ist, als müßten wir nun hier bleiben auf dieser Irlandsinsel, mein lieber Meister, und hätte es mit unsern weiteren Fahrten durch die Welt ein für allemahl ein Ende!«

»Du hast seltsame Gedanken!« entgegnete Gunlaugur. »Und sie kommen mir um so seltsamer vor, als sie im Grunde meine eignen sind, und mich nun so unerwartet aus Deinem Munde anreden.«

Da blieben sie Beyde voll unverstandner Ahnungen nebeneinander stehen, und wie durch die Stille der Nacht das ferne Meeresgebraus herandrang, war es ihnen, als locke sie das zur weiteren Fahrt, aber als schüttelten die Bäume ihre thauschweren Häupter dazu, und flüsterten: »Nichts, nichts! Die Zweye weilen nun hier! Die Zweye sind nun geborgen in unsern Schatten!« 113

 


 


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