Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Achtzehntes Kapitel.

Die beyden jugendlichen Gestalten huben ihren geistigen Wettkampf an. Gleich im Beginn wußte Schön-Helga einen Stein, welchen man damahls den Renner nannte, dergestalt zu gebrauchen, daß er schon auf des Spieles dritten Zug den König ihres Widersachers bedrohete, und dadurch die Bewegung der feindlichen Gestalten hemmte, ihren eig'nen Unternehmungen ein desto freyeres Feld vorbereitend.

Gunlaugur sahe sie groß an. D'rauf senkte er die Augen wieder scharf auf das Spiel, dabey fort und fort – wie die Schachspieler wohl noch bis diese Stunde ein leises Summen oder Sprechen während ihres Sinnens an der Art haben – in sich hinein singend:

»Du küre, Walküre, mir meinem Gang.
    Ob zum Tod, ob zum Siege – mir wird nicht bang!«

128 Und nach kurzem Besinnen zog er entschlossen nach und nach eine solche Masse von seltsam verketteten Gestalten ihr entgegen, daß sie endlich die schöne Hand ordentlich wie schwindelnd vor die noch schöneren Augen hielt. Gunlaugur ließ ihr volle Zeit zum Besinnen, aber eine immer wildere Gluth loderte ihm aus der Tiefe seiner dunkelkühnen Augen empor. Fast war er anzusehen, wie der Geist eines bedrohlich aus dem Meere aufsteigenden, und doch den Auen und Fluren vielen Segen verheißenden Gewitters. Es erzählen Sagen von uralten Helden, welche die schauerliche Gabe an sich trugen, solche Geister in schreckbar schöner Menschengestaltung mit ihren leiblichen Augen zu sehen. Und wie mit Gewitterkraft stürmte Gunlaugur vorwärts in seinem ahnungsvollen Spiel.

Oft für Einen der Steine, ihm gegenüber, both er Zweye der seinigen gern zum Falle hin; auch wohl mehr noch bisweilen, nur daß nichts ihn hemme auf seiner raschen Bahn.

Dann sah ihn Schön-Helga aus staunenden Augen lächelnd an, vielleicht erwartend, er solle den wunderlichen Zug als ein Bereuender zurücke thun. Aber Gunlaugur schüttelte wild seine kriegerischen Locken, und summte leise: »Wenn es 129 fällt, wer hält es? Wie es geht, so geht es! – ob Ritter, ob Knecht – die Schlacht will ihr Recht! ihr schönes verderbliches Recht!« Und diesen düstern Worten gemäß, ging es nun mit der ganzen Spielesschlacht. Seinen König schob plötzlich Gunlaugur vor den meist nur Beschirmten, ungeachtet dessen ernster Langsamkeit, in einen Angreifer umwandelnd, und dabey vollends all' die übrigen Gestalten opfernd, im wilden, unvermeidlichen Wechselgeschick. In Helga's Augen traten Zähren, als sie die schöne Ordnung des edlen Schachtafelbrettes so wild, man hätte beynahe sprechen sollen, mörderisch zerrissen sah. Und darüber ging vollends nun Alles ganz verworren her, und bevor man sich es vielleicht von beyden Theilen selbst versah, standen die beyden Könige einander vereinsamt gegenüber auf dem leergewordenen Spielesfelde.

Mit seltsam zuckendem Lächeln sahe Gunlaugur zu der Hausfrau, als zur Kampfesrichterinn, empor, und sagte:

»Ja, entscheidet nun selbst: wer von uns beyden hat nun gewonnen?«

Und fast wie Thränen stieg es unversehens in seine leuchtenden Augen herauf, ihr wunderkühnes Feuer anmuthig mildernd.

130 Da sahen ihn auch die zwey Frauen wieder ganz freundlich an, die sich erst fast erschrocken abgewendet hatten von ihm und seinem wilden Spiel. Und Schön-Helga nahm die Zither in den Arm, und sang ernstlächelnd in die Saiten:

»Niemand hat gewonnen,
    Wo ob dem Gefild
    Hekla's Gluthenbronnen
    Grausig überquillt.
D'rum, o Hekla, sprühe
    Himmelan dein Licht!
    Aber ach, durchglühe
    Blumenfelder nicht.« 131

 


 


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