Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Sieben und zwanzigstes Kapitel.

Da war ein vorzüglich edler Hengst, jung, ungebändigt, herrlich, von silbergrauer Farbe, ein Abkömmling von Sigurd Schlangentödters Grani. Und Thorstein sagte lächelnd:

»Du schaltest Deinen silbergrauen Granis-Enkel, o Gunlaugur, daß er sich damahls habe von einem Knechte bändigen lassen. Ja, Du kannst es überhaupt an dem sanften Thiere nicht leiden, daß es sich allzuleicht jedwedem Menschen unterordnet. Da findest Du an diesem Granis-Enkel hier ein weit and'res Geschöpf. Der läßt sich von Niemanden bändigen, als der ein Held ist, oder doch einer werden soll. Wollt Ihr's einmahl mit ihm versuchen?«

»Habt Ihr es schon mit ihm versucht?« fragte Gunlaugur.

Da ward der Thorstein vor Unwillen ganz roth, und sagte: »Das bedarf der Frage nicht. 193 Aber ich bin des Rosses Herr, und hab' es gepflegt von seiner Jugend auf, so daß damit für meine Heldenkraft eben gar nichts bewiesen wird. Mir leistet es lieblichen Gehorsam, wie jedes eben nicht undankbare Ding seinem Pfleger zu leisten gewohnt ist. Aber Ihr, mein kecker Jüngling, versucht einmahl Ihr Eure Kraft und Kunst an dem Granis-Enkel. Dort hängen Sattel und Gebiß und Zügel. Wer dieses Pferd zu reiten gedenkt, muß auch selbst verstehen, es zu gürten und zu zäumen.«

Gunlaugur machte sich an die edle Arbeit.

Das Roß, so wie es den Jüngling in die Koppel treten sah, Hauptgestell und Sattel in den Händen, trabte zornig wiehernd und schnaubend gegen ihn heran. Gunlaugur ließ sich dadurch nicht stören, sondern schritt geradezu vorwärts, weder langsamer, noch schneller; davor stutzte das Pferd, blieb stehen, und sah ihn aus den großen rollenden Augen verwundert an.

Jetzt trat Gunlaugur nahe hinzu, legte den Sattel einstweilen auf die Erde, und nahete sich mit Zaum und Gebiß dem Haupte des Rosses so unbefangen, als gelte es das Aufzäumen eines längstgebändigten und vollkommen rittigen Thieres. Und darüber kam es dem silbergrauen 194 Granis-Enkel so vor, als müsse es in der That so seyn. Vor streckte er den zierlichen Kopf mit den Flammenaugen und dampfenden Nüstern, und neigte den schlanken, mähnenumwalleten Hals, so daß Gunlaugur ihm bequem das Hauptgestell anlegen konnte. Aber als er nun die Kinnkette anzieh'n und einhäkeln wollte, fest und sorgsam, wie sich das für einen verständigen Reitersmann gebührt, da hub der Silbergraue zu schäumen und zu wiehern und zu hauen an, daß es darnach aussah, als wolle er sich nun für seine Unabhängigkeit sehr zornig wehren. Dennoch gelang dem Jüngling dieß Geschäft. Aber als er sich nun bückte, den Sattel aufzuheben, stieg das Roß auf den Hinterbeinen riesig hoch empor, und hieb im Wiedervorwärtssprunge gewaltig, daß es der ganzen Ringfertigkeit Gunlaugur's bedurfte, um nicht eine schwere Kopfwunde zu empfangen. Auch rief Thorstein in dem Augenblick: »Laß ihn los, mein Jüngling! Laß ihn los! Was ist an des tollen Gaules Bändigung gelegen? Ich bitte Dich, laß ihn los!« Doch daran war nicht mehr zu denken, und hätte Schön-Helga selbst es gerufen. Den Sattel warf Gunlaugur von sich, die Zügel über des Pferdes Nacken, und eh' sich das zürnende Geschöpf es versah, hatte sich 195 der Jüngling auf dessen Rücken geschwungen. Jetzt ging ein tolles Jagen und Toben los. Denn trotzend gegen Zaum und Gebiß rannte der Silbergraue mit seiner unwillkommenen Last wie rasend in der Koppel umher, und Gunlaugur, fühlend, dieser Wildheit seye für jetzt noch nicht zu widerstehen, hielt sich nur eben fest im Sitz, und bog sich bisweilen mit anmuthiger Leichtigkeit rechts oder links, um dem wüthig werdenden, oft schon halb ausgleitenden Rosse einiges Gleichgewicht zu sichern. Das gab ein so hübsches Schauspiel, daß Thorstein aller damit verbund'nen Gefahr seines jungen Freundes vergaß, und fröhlich aufmunternd in die Hände schlug.

Da wandte sich endlich der Silbergraue gegen den hohen Plankenzaun der Koppel, als wolle er mitsammt seinem Reiter hinübersetzen. Und: »Halt!« rief der erschrockene Thorstein. »Um des Himmelswillen, halt!«

Auch stand das verwilderte Thier von selber, vor der Höhe des Sprunges erschreckt und wieder zur halben Besonnenheit gebracht. Aber Gunlaugur trieb es zürnend an, und rief dazwischen: »Memme schelt' ich dich, Granis-Enkel, wenn du nicht ausführst, was du gedroht hast! Flieg hinüber, oder heiß eine Memme!«

196 Und von Ruf und Reiterkunst gestachelt, flog das Roß über das Gehäge, jenseit desselben mit seinem Reiter verschwindend. Es mochte in die Kniee gestürzt seyn. Aber bald wieder emporgerissen und emporgestachelt von Zügel und Sporn, erschien es auf's neue am Bohlenzaun, trug seinen Reiter zurück in die Koppel, und dießmahl mit vollkommen glücklichem Sprunge, so daß es, nach aller edlen Sitte gezügelt vor Thorstein Halt machte, Kraft und Gehorsam offenbarend im gleichen Maß. Gunlaugur sprang ab, und sattelte das edelbesiegte Pferd, welches sich von seinem jungen Reiter nun alles in würdiger Nachgiebigkeit gefallen ließ.

Da schlug abermahl vor großen Freuden Thorstein in die Hände, und sagte:

»Nun, so bitt' ich Dich doch aus ganzem Herzen, behalte Dir das edle Geschöpf, welches Du so trefflich gezähmt hast.«

Aber Gunlaugur, statt aller Antwort, sattelte den Silbergrauen wieder ab, und zäumte ihn auch ab, gab ihm dann einen leichten Schlag auf den Rücken, und ließ ihn in die Koppel wieder hinlaufen, wie er ihn gefunden hatte.

Ärgerlich biß Meister Thorstein die Zähne übereinander. Gunlaugur schien nichts davon 197 zu bemerken; oder wenigstens beachtete er es nicht. Ruhig ging er nach seinem eignen Pferde, welches er in der Nähe angebunden hatte, saß auf, und sprach ganz unbefangen:

»Was steht Ihr denn so in Gedanken? Ihr seyd wohl müde. Wartet, ich will Euch Euer Roß hohlen, und Euch beym Aufsitzen helfen.«

Aber Thorstein entgegnete mürrisch: »Müde. von einem so kurzen Ritt! Ich dachte gar. Und mein Roß ist mir gehorsam genug. Das braucht mir Niemand erst vorzuführen; noch minder aber braucht mir Jemand beym Aufsitzen zu helfen.«

Damit saß er schon im Sattel, und Beyde ritten in verdrießlicher Schweigsamkeit mitsammen ihres Weges.

Endlich fing dennoch Thorstein zuerst zu sprechen an. Er sagte: »Was fiel Dir ein, und warum kamest Du Dir zu vornehm vor, als daß Du den Silbergrauen aus meiner Hand zum Geschenk angenommen hättest?«

»Es ist nicht eben das!« entgegnete Gunlaugur. »Es ist nur, weil Ihr im wunderlichen Eigensinn mir immer das versagt, warum ich Euch bitte, und mir dagegen dasjenige aufdringen wollt, was ich nicht haben mag und nicht brauchen kann.«

198 Finster antwortete Thorstein: »Ich glaube wahrhaftig, Du bildest Dir noch immer ein, ich solle Dir meine Tochter Helga verloben.«

»Versteht sich!« sagte Gunlaugur. »Und das ist ein sehr hübsches Bild, was ich mir da einbilde. Wenn ein Mensch nicht solche Bilder mit sich herumführte, wäre das Leben ein ziemlich langweilig albernes Ding.«

»So!« sagte Thorstein. Aber ohne sich jetzt auf mehr einzulassen, spornte er sein Pferd zum raschen Trabe, Gunlaugur immer neben ihm her.

Wie sie an den Fluß Lango kamen, mußte Thorstein langsamer zu reiten anfangen, denn da geht der Weg sehr steinig und schmal stromnieder, so daß ein vorsichtiger Reiter nicht jagen darf, und auch nicht einmahl beym Schrittreiten von aller Gefahr entledigt ist.

Da fing Gunlaugur wieder zu sprechen an, und der Beyden Rede gestaltete sich folgendermassen:

»Wissen will ich nun, was Du, Meister Thorstein, mir auf mein gutes Wort wegen Deiner Tochter Helga zu erwiedern gedenkst.«

»Freund Gunlaugur, ich habe mehr zu thun, als auf Deine Späße zu achten.«

»Es ist aber mein voller Ernst, und ich spasse 199 gar nicht. Da mußt Du also wissen, was Du antworten willst.«

»Das weiß ich, Gunlaugur. Du aber sollst vorerst wissen lernen, was Du selber willst. Machst Dich ja fertig zur Ausfahrt in die weite Welt hinaus, und stellest Dich dennoch an, als ob Du ein Weib heimführen wolltest! Nimmer kannst Du Dich meiner Helga gleichstellen, wenn Du von so unentschlossener Art und Weise bist. Und überhaupt hat Deine ganze Werbung um eine Jungfrau, wie meine Tochter, weder Geschick noch Hoffnung.« –

»Nun, Meister Thorstein, wem denn gedenkest Du nur Deine Tochter zu verloben, wenn Du sie nicht dem Sohn Illugi des Schwarzen verloben möchtest? Gibt es wohl irgend Einen in der Gegend von Borgarfiörde, größeren Nahmens, als ihn?« –

»Ey, Gunlaugur, ich will just kein Ausstellen halten von Mann gegen Mann, um den Preis der Würde und Trefflichkeit und Kraft. Man hat das wohl oft so versucht in unseren Nordlanden, wo es entweder einen schönen Preis galt, oder sonst Verlangen nach Ansehen und Ruhm. Aber ich verspüre keine Lust in mir dazu. Nur allzuhäufig hieß es dabey:« 200

»Anfang schön und muthig,
Ende grimm und blutig.«

»Gott bescher' Euch dennoch solche Lust, Thorstein. Mir wäre nichts lieber, als auf diese Weise um Eure schöne Tochter zu werben. Weit lieber, als so, mit vielen Worten meinerseits, verdrießlichen Worten Eurerseits zu begegnen, oder einem noch verdrießlicheren Stillschweigen gar.« –

Und wirklich auch ritt Thorstein wieder ganz verdrossen und schweigsam weiter.

Da sagte Gunlaugur: »Siehe, zöge nun ein Mitbewerber um Schön-Helga neben mir her, da würde ich zu ihm sprechen: Thue mir nach, was Du mich thun siehst, wenn Du Schön-Helga's werth seyn willst!«

Und damit zwang er sein Pferd auf dem schmalen Pfade fort, durch das Steingerüll hinunter in die schäumige Flussesbahn, und tummelte es drinnen herum, bald schwimmend in der Tiefe, bald klimmend an dem glatten Klippengestein, und kam dann endlich auf einem schroffen Fußsteig, für das Tränken der Ziegenherden bestimmt, wieder zu seinem Gefährten auf den gewöhnlicheren Pfad zurück, er und sein Roß triefend von Wasser und Schweiß. »Glaubst 201 Du, Meister Thorstein,« fragte er, »daß mir viele Jünglinge diesen Ritt nachthäten zu Schön-Helga's Ehre und Preis?«

»Wer kann das wissen!« erwiederte Jener. »Hier auf dem Eilande gibt es noch viele der kühnen und trefflichen Jünglinge zur Auswahl. Da hat zum Beyspiel auf Raudamaal ein Hausvater, mit Nahmen Thorfinnur, seinen Sitz. Um den blühen sieben rühmliche Söhne her, Alle schön und gut, und wahrlich gegen keinen Jüngling zurückzustellen in aller Welt.« »Ich weiß nicht, ob ich's den sieben Jünglingen abgewönne;« sprach Gunlaugur. »Doch könnte das wohl geschehen. Das aber weiß ich gewiß, der sieben Jünglinge Vater gewinnt es dem Gunlaugur's Vater nicht ab. Denn beyde Väter hatten schon bess're Gelegenheit, als ihre Söhne, mit Spruch und That zu zeigen, wer sie sind.«

Und damit hub er folgenden Gesang an:

»Von Thaten will ich Euch singen!
    Von Illugi, dem Vater mein!
    Gern geben die Klippen ihr Klingen
    Des Wiederhalls mit darein.
Die Flusseswogen, sie rauschen,
    So frisch zu dem Sange gesellt. 202
    Die Meereswogen, sie lauschen,
    Und tragen ihn fern in die Welt.
Merk' du auch auf. Der Killiakur,
    Das war ein Kämpfer so groß.
    Und wenn er im Zorn durch die Gauen fuhr,
    So bebte der Insel Schooß.
Er hinterließ ein gewaltig Geschlecht,
    Die Killiakungen genannt,
    Und wer die jemahls bestand um Recht,
    Der fühlt ihre zornige Hand.
Ihr mächtigen Killiakungen,
    Nicht alles im Land ist Gesträuch.
    Wohl Bäume gibt's, herrlich entsprungen,
    Und droh'nd mit den Ästen nach euch.
Ihr schuldet dem wackern Illugi viel Gold,
    Und höhnt: »Das zahlen wir nicht.«
    Da sprach er: »Wenn ihr nicht wollt ihr sollt!«
    Und mahnte sie keck vor Gericht.
Die Tagfahrt sah man begonnen,
    Sah hundert Richter bereit,
    Recht spähend aus Wahrheitsbronnen,
    Nicht Menschen zu Gunst noch zu Leid.
Das merkten die Killiakungen,
    Und dachten im grimmigen Muth:
    Wird Recht nicht durch Schrecken bezwungen,
    Bezwingen wir's endlich durch Blut.
Ihr hundert Richter, ergrausend
    Bald schweigen im Blut eure Zungen! 203
    Wir führen in's Richtfeld tausend
    Geharnischte Killiakungen.
So haben sie sich's mitsammen erdacht
    In schweigender Kammern Umfange.
    So haben sie manchmahl auch prahlend gelacht –
    Und manch einem Richter ward bange.
Da sprach der Illugi, und lachte:
    »Sie prahlen mit Mannschaft viel.
    Ich dachte, sie prahlten was sachte!
    Sie sind ja noch gar nicht am Ziel.
Wohl sind ihre Richter zur Stelle,
    Doch nicht ihre Mannen zumahl.
    Dazwischen braust manche Welle,
    Und mindert vielleicht die Zahl.
Dazwischen weht mancher Sturmeswind.
    Wer kennt die Stürme so recht?
    Die sind so launig, wie Menschen sind,
    Und machen's nicht aller Welt recht.«
Da ging der Illugi zum Strand hinaus,
    Zum Strand so nächtig und fern.
    Man sagt, er hätt' mit dem Wogengebraus
    Gered't, und mit Mond und Stern.
Wer mag so genau es wissen?
    Illugi hat's keinem gesagt.
    Doch Wolkenschleier – die rissen.
    Und Wellen – die wurden gejagt.
Und Sterne – die grinzten durch's Wolkengeflecht
    Und Mond – der ward roth, wie ein Brand. – 204
    Und die Killiakungen standen zu Recht,
    Nicht stärker, als and're bemannt.
Da war all ihr Trotzen gebrochen.
    Frey hielten die Richter Gericht.
    Und frey hat Illugi gesprochen,
    Und jegliches Wort war ein Licht.
Und klar, wie in Siegesfackeln, stand
    Illugi's heiliges Recht.
    Und die Stolzen wurden zum Zahlen gebannt,
    Und zahlten, und so war's recht.
Doch als nun die Becher, geschwungen,
    Hoch kreisten am Tagefahrtmahl,
    Da waren die Stürme verklungen,
    Da trat ein Both in den Saal.
Der Bothe rief: »Killiakungen,
    Nun rüstig in jede Gefahr!
    Wir haben an's Land uns gerungen,
    Und Tausend, die zählt uns're Schar.
»Wohlauf! Wohlan denn die Tausend!«
    So rief es, das stolze Geschlecht.
    Die Richter – die standen was grausend.
    Illugi – der rief: »In's Gefecht!«
Da ward mit Ehren gestritten,
    Da ward mit Ehren gerungen.
    Illugi hat niedergeritten
    Die trotzenden Killiakungen.
Er hatte sie ganz und gar zerschellt.
    Da trat ein Priester mit ein, 205
    Und rief vermittelnd: »Halt, du Held!« –
    Da hielt der Kampfesreih'n.
Seitdem mit Adlerschwunge
    Hält Islands Recht den Sieg.
    Denn ruft wer: »Killiakunge!«
    Ruft ein Illugi: »Krieg!«

»Es ist nicht zu leugnen;« sagte Thorstein. »Euer Vater hat Großes erstritten an jener Tagefahrt! Großes für das gesammte isländische Recht, und zwar mit Zunge sowohl als mit Hand. Aber man darf doch fürwahr nicht anderer wackern und ehrbaren Leute Handelsweise darüber vergessen. – Ich will Dir auch einmahl ein Lied singen.«

Und damit stimmte er das folgende an:

»Mit Steinar's Au zusammen
    Stieß Thorstein's Wiesengrün.
    Dem Steinar schwoll in Flammen
    Sein Muth oft überkühn.
    Der sprach: »Mein Vieh soll weiden
    Auf Thorstein's grünem Grund.
    Und will es der nicht leiden,
    Wird wohl mein Schwert ihm kund.«
Der Thorstein wies erst ruhig
    Die fremden Herden fort, 206
    Und sprach: »Wohl Schlimm'res thu' ich,
    Gras't ihr nochmahl am Ort.«
    Die Herden kamen wieder.
    Da hieb mit keckem Muth
    Thorstein den Hirten nieder,
    Recht in sein Todesblut.
Da blieb es etwas stille,
    Da schien zur Ruh' gebracht
    Der wilde Steinarswille.
    Doch, Thorstein, gib gut Acht!
    Steinar nimmt einen Riesen
    Zum Hirtendienst derweil,
    Schickt ihn auf Thorsteins Wiesen,
    Schenkt ihm ein scharfes Beil.
Das sollte klar bedeuten,
    Auch wohl ward's ihm gesagt:
    »Ob wer von Thorsteins Leuten
    Dich rückzudräuen wagt,
    Hau drein, als wären's Kälber,
    Schlag todt sie allzumahl.
    Und käm' auch Thorstein selber –
    Zeig' ihm, scharf sey dein Stahl!«
Sanft ließ ihn Thorstein bitten:
    »Du Mensch mit keckem Blick
    Und überlangen Schritten –
    Die Schritte kehr zurück.«
    Der höhnt den Abgesandten.
    Thorstein läuft zum Gefecht. 207
    Die Kampfesschläge brannten.
    Todt lag der Steinarsknecht.
Da schickt durch einen Bothen
    Ihm Steinar Drohung zu,
    Um die zwey blut'gen Todten.
    Der Thorstein lacht: »Ey du!
    Sag' deinem Herrn – schickt wieder
    Auf meine Au zurück
    Er seine Hirten – nieder
    Streck' ich sie, Stück auf Stück!«
Das wollte Keiner wagen,
    Auch selbst der Steinar nicht.
    Der wollte lieber klagen
    Um Recht vor dem Gericht.
    Auch da hat überwunden
    Der Thorstein seinen Feind. –
    Sag, was zu solchen Kunden
    Dein kühner Geist wohl meint!«

Er hielt inne, vermuthlich eine bewundernde Antwort erwartend. Gunlaugur aber sagte gar nichts.

Endlich hub Thorstein wieder an:

»Nun? – Wird es? – Deine Meinung will ich wissen.«

»Euer Lied war recht regelrecht, Meister Thorstein!«

208 »Ja freylich. Viel regelrechter als Dein wilder Waldgesang.«

»Mag seyn. Aber mein wilder Waldgesang gefällt mir besser. Jeder hat nun so einmahl seine Art.«

»Gewiß, Freund Gunlaugur. Und Dein und Deinesgleichen Knabenlieder können nur noch von der Väter Thaten handeln. Mein und Meinesgleichen Gesang schallet von eigner Heldenthat.«

»Oho, Meister Thorstein, ich bitt' Euch! Heldenthat – das ist schon ein sehr großes Wort. Und dann – aber wollt Ihr mir's auch nicht übel nehmen?«

»Nein!«

»Gewiß nicht? Denn Euch möcht' ich eigentlich ungern erzürnen.«

»Ach nein doch! Nein! Aber wisse nur, das ist ein recht ungeschickter Eingang. Damit kann man seinen besten Freund verdrießlich machen. Frisch heraus, vom Herzen weg!«

»Recht gern. Ihr wißt ja auch, es ist eigentlich meine Art so. Seht, erstlich hab' ich es lieber, wenn man es andern Leuten überläßt, daß sie Lieder von unsern Thaten ersinnen und austönen. Die eig'ne Arbeit ist doch dabey nur 209 unnütze Mühe, denn die Leute glauben höchstselten, was man von sich selber absingt. Ich aber, Meister Thorstein, ey, was habt Ihr denn mit Euerm Gaul? Ihr wolltet ja nicht unwirsch werden, und wahrhaftig, nun kommt eben das Beste von meiner Rede. Ich glaub' Euch alles auf's Wort. Nur hab' ich schon sonst von der Geschichte reden und singen hören. Und da weiß ich denn wohl: Euer kühner Vater Eigill, der Skallagrimursohn, lebte damahl noch, und sein Ansehen auf der Insel hatte großen Theil daran, daß der Handel so günstig für Euch ablief. Das hättet Ihr hübsch mit erwähnen sollen im Gesange. Lieber ein Bischen minder sich selbst genannt, und ein Bischen mehr die großen Väter. Das klingt gut.«

»Willst Du mir Vorschriften geben, wie ich meinen Ruhm gestalten soll?«

»Ey, nicht eben das! Aber natürlich, da Ihr mein Schwiegervater werden sollt, liegt mir auch viel daran, daß die Leute möglichst gut von Euch sprechen. Und zudem bin ich Euch überhaupt von Herzen gut. Sagt, wollt Ihr mir denn wirklich durchaus nicht Schön-Helga zur Braut schenken?«

Zürnend wandte sich Thorstein ab und schwieg.

210 Da glüheten Gunlaugur's Augen und Wangen unwillig auf, daß man es sogar durch die Abendfinsterniß hin hätte wahrnehmen mögen, und er sagte:

»O es gibt wenig Leute, denen zu rathen wäre, daß sie die Verschwägerung mit mir so hochmüthig verwürfen!«

Thorstein aber entgegnete voll edlen Stolzes:

»Wenn Du am Drohen Lust findest, so suche Dir Wirthe, wie jenen Oedgill, dessen ungeschlachten Knecht Du erschlugest. Am Herd eines Myramannen aber mit Drohworten zu übernachten, das müßtest Du Dir vergehen lassen, obgleich Du mir sonst immer von Herzen willkommen bist.«

Gunlaugur neigte sich, und blieb stille. Er fand für dießmahl keine Lust zu seinem gewöhnlichen trotzigen Wesen in seiner Seele, denn er wollte so aus ganzem Herzen gern Schön-Helga noch an diesem Abende wiedersehen, und da ritten die zwey Gefährten ganz friedlich mitsammen in Thorstein's Gehöfte ein. 211

 


 


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