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Herr v. Fronsac war ein vornehmer junger Herr, der an dem liederlichen Hof des Regenten bei der nicht gerade sehr zurückhaltenden Damenwelt die erste Rolle spielte.
In allen Verhältnissen des Lebens erzeugt ein beständiges Glück sehr schnell Überdruß. Auch ein Don Juan braucht Befürchtungen, Sorgen, Angst und Verzweiflung; aber wenn Herr v. Fronsac nur eine leichte Neigung beginnen fühlte, dann flog ihm auch gleich das Herz der auserwählten Schönen zu, und nicht eine der reizenden Schwierigkeiten, über welche wir anderen uns oft so ungerecht beklagen, wurde ihm gemacht. Er war noch sehr jung gewesen, als dieses gefährliche Glück für ihn begann, so jung, daß die erste erfüllte Liebe eher gekommen war, wie die phantastische Sehnsucht des Jünglings sich entwickelt, aus der wir alle uns unser Bild vom Weibe schaffen; und so hatte er denn bereits mit zwanzig Jahren eine verachtende Gleichgültigkeit gegenüber dem gesamten weiblichen Geschlecht erworben. Die Stürme, welche er dadurch im Seelischen unbewußt vermißte, suchte er nun, wie so viele andere, im Sinnlichen; und so, indem er die Frauen nur noch als Werkzeug für seine Begierden auffaßte, schnitt er sich denn zuletzt auch die Möglichkeit ab, einmal aus dem endlich trotz aller Steigerung immer gleichgültiger werdenden Sinnlichen in das allein wahrhaft beglückende, weil allein immer neue, Seelische der Liebe zu gelangen.
Verachtung der Menschen, Gleichgültigkeit, Langeweile, die Unfähigkeit zur Illusion sind unsere wahren Leiden, nicht Krankheit, Armut und äußeres Unglück; sie sind deshalb doppelt gefährliche Leiden, weil sie unzertrennlich von dem sind, das wir Glück zu nennen pflegen, das wir eben nie lassen mögen, auch wenn wir seinen Unwert eingesehen haben, während wir die äußeren Leiden doch selber durch besondere Anstrengungen der Seele zu überwinden vermögen. So dürfen wir uns denn nicht wundern, wenn wir den jungen, schönen, reichen, vornehmen, von allen Frauen geliebten Fronsac in einem dauernden Zustand tiefer Verstimmung finden, den wir nur deshalb nicht Unglück nennen können, weil doch jeder voll Neid Fronsac für den glücklichsten aller Menschen halten wird. Die plastische Phantasie unserer Vorfahren hat eine Hölle mit Teufeln ausgemalt; wir können uns denken, daß sie mit Hölle ein Leben meinten, wie es Fronsac führte, und daß sie seine Hoffart, Schwermut und die Art, wie er andere Menschen behandelte, als teuflisch empfunden hätten.
Herr v. Fronsac fuhr an einem schönen Frühlingsmorgen zufällig durch eine entlegene Straße; da sah er in der Ladentür eines Tischlers eine junge Frau stehen, die einen merkwürdig starken Eindruck auf ihn machte. Ein leichter Sonnenregen sprühte vom blauen Himmel; die junge Frau streckte behend die Hand aus, um ihn zu fühlen, und wendete sich mit einer schnellen Bewegung des Halses zurück in den dunklen Hintergrund des Ladens, wohl um ihrem Mann etwas zu sagen. Wie ein Blitz war es bei der laschen Bewegung zwischen ihren und seinen Augen gewesen; der Wagen rollte schnell vorüber; und Fronsac fühlte, daß sie sich im Augenblick wieder umgedreht hätte, wenn nicht dieser Blitz ihr dunkel ins Bewußtsein gekommen wäre; er dachte sich, daß sie errötet sein müsse.
Der junge Herr hatte natürlich einen geschickten Kammerdiener, der die Techniken und Listen der Liebesabenteuer beherrschte. Er gab zu Hause dem Menschen den Auftrag, sich nach der schönen Frau zu erkundigen, und erfuhr schon am Abend, daß sie seit zwei Wochen Frau Meunier war, ihren Mann sehr liebte, der sie als ganz armes Mädchen aus Liebe geheiratet hatte, daß der Mann ein sehr geschickter und kunstfertiger Meister war, der die kostbarsten Möbel verfertigte, und daß sie jeden Morgen Punkt acht Uhr in St. Eustache zur Messe ging. Der erfahrene Kammerdiener schloß den Bericht mit ernstem Kopfschütteln und fügte hinzu: »Nichts zu machen, gnädiger Herr.« Der junge Herr klopfte ihm lächelnd auf die Schulter und sagte nur: »Frau Meunier!«
Am anderen Morgen pünktlich acht Uhr ging Fronsac langsam auf die Kirche St. Eustache zu. Da kam auch schon mit schnellen, festen und leichten Schritten, in der einen Hand das Gebetbuch, mit der anderen Hand den zierlichen Hut festhaltend gegen den übermütigen Wind, welcher ihr die Röcke nach hinten schlug, um die Ecke die junge Frau. Fronsac folgte ihr, und nachdem sie sich niedergekniet hatte, kniete er sich rechts neben sie. Sie las eifrig in ihrem Gebetbuch und achtete nicht auf den Nachbarn, der Priester erschien zwischen den weihrauchfaßschwenkenden Chorknaben, Fronsac hustete leise, und der Ton kam wohl so absichtlich heraus, daß Frau Meunier unwillkürlich aufmerksam wurde und aufsah. Jetzt erblickte sie ihn, und ein tiefes Rot ergoß sich plötzlich über ihr ganzes Gesicht, Hals und Nacken. Der kniende Fronsac machte eine leichte Verbeugung; mechanisch dankte sie mit einem Kopfnicken, eine neue Blutwelle schoß ihr ins Gesicht, sie nahm das Gebetbuch vor und betete eifrig weiter.
Am nächsten Tag erwartete Fronsac sie am Weihwasserbecken, um ihr das Weihwasser zu reichen; sie schlug die Augen nicht auf, ging still zu ihrem Platz, Fronsac folgte ihr still und kniete neben ihr.
Einige Stunden später fuhr er vor dem Laden vor; der Diener öffnete den Schlag, Fronsac sprang leichtfüßig heraus und schritt durch die Tür; aus dem Hintergrund kam Frau Meunier, wieder blutrot und vergeblich bemüht, das Zittern ihrer Hände zu verbergen. Fronsac begrüßte sie höflich und begann, daß er soviel von den Arbeiten des Herrn Meunier gehört habe und sich nun alles ansehen und Verschiedenes kaufen wolle. Die Frau erwiderte verlegen, sie werde ihren Mann rufen; Fronsac sagte schnell, es sei nicht nötig, ihn in seiner Arbeit zu stören, sie werde selber ihm schon alles zeigen können; in ihrer verlegenen Ungeschicklichkeit konnte die Frau nichts erwidern und führte den Herrn schweigend zu den aufgestellten Möbeln. Da stand ein großer Schrank mit kunstvoll eingelegten Türen; es waren auf ihnen Straßen und Häuser einer Stadt dargestellt; eine Truhe aus Nußbaum hatte eingelegte Bilder einer Wolfsjagd; auf einem großen Lehnstuhl von schönen Formen war das kostbare Leder aufgenagelt, daß die vergoldeten Nagelköpfe zierliche Muster bildeten; und so besah Herr v. Fronsac viele Sachen, die alle mit Geschmack und Geist, nützlich, tüchtig und schön gearbeitet waren. Bei jedem Stück sprach er laut und rasch seine Bewunderung aus; die Frau antwortete einsilbig und verlegen. Nachdem er alles durchgesehen, fragte er nach den Preisen für den Schrank, die Truhe und den Stuhl. Die Frau sah in einem Buch nach, rechnete zusammen, und nannte die Summe von zweitausend Livres. Herr v. Fronsac schien erstaunt und rief aus: »Wie, so billig diese prächtigen Stücke! Sie tun sich selber unrecht, ich gebe dreitausend Livres.« Hier zog er sein Portefeuille und wollte ihr die Scheine geben; indessen faßte sich Frau Meunier, die sich nicht mehr zu helfen wußte, ein Herz; sie enteilte, indem sie eine verlegene Entschuldigung murmelte, und kehrte mit ihrem Gatten zurück. Meunier war ein breitschultriger, ruhiger und gutmütiger Mann. Er begrüßte den Herrn höflich und sagte: »Die drei Stücke sind so ausgezeichnet, wie meine Frau es gesagt hat. Der Schrank scheint ja etwas teuer berechnet, aber ich habe mir meine Arbeitsstunden aufgeschrieben, und es kommt so viel heraus. Das kann nur der Fachmann verstehen. Die Türen sind nicht in Marquetterie, wie die Bärenjagd auf der Truhe, sondern sie sind in Intarsia. Ich mache eine solche Arbeit nicht wieder ...« Und so wollte der brave Mann weiter sprechen, als Herr v. Fronsac seine Rede abschnitt, indem er sagte, er finde die Stücke durchaus nicht zu teuer, und dann ihm die zwei Tausendlivrescheine reichte. Darauf nannte er seinen Namen, den die beiden natürlich kannten, die Frau faßte sich plötzlich an das pochende Herz, sie wußte von seinem Ruf und verstand nun mehr von seinem Benehmen ihr gegenüber.
Am nächsten Tage fand sie ihn wieder am Weihwasserbecken, kniete er wieder an ihrer Seite; als sie aus der Kirche schritt, schloß er sich ihr plaudernd an. Frau Meunier nahm ihren Mut zusammen und sagte ihm, es werde auffallen, daß er neben ihr gehe, und sie bitte ihn, ihren guten Namen zu schonen. Betroffen blieb Fronsac stehen, lüftete seinen Hut und verabschiedete sich mit einer Entschuldigung. Die gute Frau machte sich Vorwürfe über ihre Unfreundlichkeit, ging zu Hause in die Werkstätte zu ihrem Mann, der in seiner blauen Schürze an der Hobelbank stand und den Hobel ausklopfte. Wie sie ihm alles erzählt hatte, wurde er nachdenklich und sagte: »Einen guten Kunden soll man ja nicht vor den Kopf stoßen, aber es ist doch wohl richtig, daß du ihm das gesagt hast. Du bist eine schöne Frau, und alte Weiber, die klatschen müssen, gibt es immer. Er versteht etwas von Tischlerarbeit, das habe ich ihm angesehen. Wenn er noch etwas braucht, so wird er schon wiederkommen. Mein Lehrherr arbeitet nicht mehr und bei einem anderen findet er nicht, was er haben will.« Die Frau schüttelte den Kopf und sagte: »Er ist so unglücklich, der hübsche junge Herr, er tut mir sehr leid.« Meunier lachte, küßte sie und antwortete: »Du hast ein gutes Herz, aber wie soll solch ein Herr wohl unglücklich sein, der alles hat, was er begehrt!« Die Frau seufzte und ging fort in ihre Küche.
Am Nachmittag fuhr Herr v. Fronsac wieder vor. Er erzählte, daß er sich ein kleines Landhaus einrichten wolle, wo er mitten in einer schönen Natur seine Stunden der Erholung zu verbringen gedenke. Dieses Haus müsse mit den schönsten Möbeln ausgestattet werden; die gekauften Stücke habe er bereits aufgestellt, und nun wolle er noch Näheres mit Herrn Meunier besprechen über andere Möbel, die er noch hergestellt wünsche. Vor allem brauche er ein Bett, ein sehr breites Bett, das schön eingelegt sein solle nach einer Zeichnung, die er mitgebracht habe. Der Diener holte eine Rolle und entfaltete sie, und nun wies Herr v. Fronsac dem guten Künstler den Entwurf, welchen er sich hatte anfertigen lassen. Am Kopfende war ein Liebespaar gedacht, das sich umarmte, am Fußende das Mädchen, welches sich weinend die Hände vor die Augen hielt, indessen der Ungetreue, ihr gleichgültig den Rücken wendend, sie verließ. An den Seitenstücken hielten in gleichen Abständen aufgestellte Amoretten schwere Blumenranken in den Händen. Der Meister freute sich sehr über den Entwurf, rief seine Frau, um ihn ihr zu zeigen, und sagte mehrmals, wie glücklich er sei, durch eine so reiche Arbeit sein Können zu zeigen. Die Frau mußte eine leichte Verlegenheit bezwingen, die ohne Grund über sie kam, aber dann freute auch sie sich über den schönen Entwurf.
Indem fiel dem Mann ein, daß er Zeichnungen früherer Arbeiten seinem Kunden vorweisen wolle: er entschuldigte sich, ging eilig ins Wohnzimmer hinüber und ließ die beiden allein. Herr v. Fronsac spürte, wie eine neue Verlegenheit über die Frau kam; er ergriff ihre Hand und hielt sie fest, als sie ihm sie entziehen wollte, und sagte leise zu ihr, wie unrecht es von ihr gewesen sei, ihm das einzige Glück zu nehmen, das er sich ausgedacht, die wenigen Schritte neben ihr zu gehen; er warf ihr Grausamkeit und Hartherzigkeit vor und schilderte mit beweglichen Worten sein einsames Leben. Ihre Wangen röteten sich, ihre Augen füllten sich mit Tränen: er fühlte, daß ihr Händchen, welches er hielt, nicht mehr widerstrebte; und als nun der Gatte mit seinen Rollen und Mappen hereinkam und er sie losließ, spürte er einen leichten Druck.
Die weitere Entwicklung des Liebesverhältnisses soll hier nicht dargestellt werden. Der Meister arbeitete mit seinen Gesellen fleißig an den bestellten Möbeln, Fronsac besuchte ihn oft, und als alles fertig war, da hatte er auch die schöne und gute Frau bestimmt, ihn in seinem neuen Landhaus zu besuchen. Als sie in das Schlafzimmer trat und das eingelegte Liebespaar sah, begann sie zu weinen; dann aber sagte sie: »Nein, ich will nicht weinen, ich bin entschlossen,« umarmte und küßte ihn und fuhr fort: »Ich habe dich über alles lieb.«
Eine Weile dauerte nun das Verhältnis so, daß die Frau ihn besuchte, wenn sie unauffällig ihren Mann verlassen konnte. Häufig noch bemerkte er trübe Stimmungen bei ihr und Vorwürfe ihres Gewissens, die sie durch ihre Liebe bezwingen mußte. Da geschah es einmal, daß der Mann auf einige Tage verreiste, um einen Einkauf von edlen Hölzern zu machen. Fronsac bat sie, es ihm zu erlauben, daß nun auch er einmal sie besuchen dürfe. »Es ist meines Mannes Haus,« sagte sie zaghaft, aber dann fügte sie hinzu: »Ach, mir ist ja alles recht, was du willst, ich weiß ja jetzt nichts weiter, als daß ich dich liebe.«
So besuchte denn Fronsac nun sie am Abend, und sie empfing ihn liebevoll, und alles war, wie die beiden gewollt hatten. Gegen Mitternacht verabschiedete er sich von ihr, indem er sagte, es sei besser, wenn er nicht in der Frühe fortgehe, damit niemand von den Nachbarn etwas merke. Nachdem sie ihn aber entlassen hatte, ging er nicht die Treppe hinunter, sondern er ging treppauf. Über dem guten Tischler und seiner schönen Frau wohnte nämlich eine sehr hübsche und junge Witwe, mit welcher Fronsac bei seinen häufigen Besuchen in der Werkstatt gleichfalls eine Bekanntschaft, und, da sie weniger zurückhaltend war wie die Frau Meunier, auch schnell ein Liebesverhältnis geschlossen hatte. Diese erwartete ihn um Mitternacht; er klopfte leise, es wurde ihm geöffnet, er wurde liebevoll empfangen, und in ihren Armen verbrachte Fronsac nun den zweiten Teil der Nacht.
Das Liebespaar war spät eingeschlafen und erwachte erst am Morgen. Vor dem Bett stand mit entgeistertem Blick Frau Meunier. Die gute Frau hatte die Hausgenossin um eine kleine Gefälligkeit bitten wollen, hatte die Türen offen gefunden und war harmlos eingetreten. Fronsac sprang auf, verriegelte die Tür; Frau Meunier sank weinend auf einen Stuhl, Fronsac kniete vor ihr nieder, suchte ihre Hand zu fassen und sprach viele Entschuldigungen; sie entzog ihm die Hand hastig; er stand auf, nahm eine kalte Sprachweise an, brachte seine Kleider in Ordnung; die Witwe hielt sich beschämt im Hintergrund; die Frau warf ihm einen bekümmerten, traurigen Blick zu, ihr Groll war verschwunden bei seinen kalten Worten; er sagte ihr, daß ihre Liebe klein sei und auf bloßer Eitelkeit ruhe, wenn sie ihm als einem jungen Menschen nicht eine Unbesonnenheit verzeihen könne; er ging ans Fenster, trommelte auf die Scheibe und sagte, daß er sich Frauenliebe anders, höher gedacht habe; die gute Frau trat hinter ihn, legte die Hände um seinen Hals, drückte den Kopf auf seine Schulter und sagte: »Ich will nicht kleinlich sein, du sollst wissen, daß ich dich lieb habe.«
Nach einiger Zeit hatte Fronsac wieder eine Verabredung mit der Geliebten, daß sie ihn in seinem Landhaus besuchen sollte. Sie kam, der Diener öffnete ihr die Tür und geleitete sie; als sie in das Zimmer trat, fand sie neben Fronsac an einem Tisch stehend ihre Nebenbuhlerin. Erstarrt lehnte sie sich an die Tür, die der Diener inzwischen wieder geschlossen hatte. Fronsac eilte heiter auf sie zu, ergriff mit beiden Händen die Hände der Willenlosen und sagte: »Verzeihe mir die Überraschung; ich will euch wieder versöhnen.« »Versöhnen?« fragte fast abwesend die Frau. Nun trat auch die Witwe zu ihr, sagte, daß sie doch nicht Herrn v. Fronsac die Freude verderben solle. Sie erwiderte, daß sie nicht im Hause bleiben könne, und schritt zur Türe zurück; Fronsac stellte sich ihr in den Weg, beteuerte seine Liebe, sagte, wenn sie verlange, so solle die andere gehen, beschwor, daß er es gut gemeint habe und den Groll habe aus der Welt schaffen wollen. Sie seufzte, lächelte dann schwer und sagte: »Du bist ein Kind, daß du das denken kannst«; aber sie ließ sich von ihm zurückführen. Die drei gingen ins Eßzimmer, wo ein Tisch schön für sie gedeckt war mit kostbaren Tellern, Kristall und Silber; der Diener brachte die Speisen, die Flaschen wurden entkorkt; Herr v. Fronsac strahlte vor Frohsinn, die Witwe lachte lustig über seine Scherze, und auch das Gesicht der Frau erheiterte sich endlich; und so schien zum Beschluß des Mahles denn jeder Mißklang verschwunden. Später verließen dann die beiden Frauen gemeinsam das Haus, die eine tief beschämt, die andere fröhlich und gutmütig auf sie einsprechend und Reichtum, Geschmack, Schönheit und Vornehmheit des gemeinsamen Liebhabers preisend.
Einige Tage nach diesem Ereignis starb plötzlich der Vater des jungen Fronsac, und dieser erbte nun Titel und Vermögen eines Herzogs von Richelieu. Der Todesfall, die Leichenfeierlichkeiten, die Ordnung der Erbschaft, allerhand gesellschaftliche und politische Verpflichtungen, welche mit dem allen zusammenhingen, nahmen die Zeit des jungen Mannes in Anspruch; er bekümmerte sich längere Zeit nicht um die Geliebte; einmal erhielt er einen zärtlichen Brief von ihr und beschloß auch, ihn zu beantworten, aber dann vergaß er das wieder in dem Trubel; er wollte ja nicht mit ihr brechen, aber sein Interesse war erloschen, andere Frauen drängten sich ihm in den Vordergrund; zuweilen dachte er wohl an sie, aber die Zeit verging von selber, ohne daß er etwas von sich hören ließ.
Etwa ein Vierteljahr mochte nach der Zusammenkunft mit den beiden Frauen in seinem Landhaus vergangen sein, als er zufällig Herrn Meunier auf der Straße sah; er war in schwarzem Traueranzug und schien sehr bekümmert. Herr v. Fronsac ließ den Kutscher halten, rief dem Mann zu, nötigte ihn zum Einsteigen in den Wagen und fragte ihn, wie es ihm und seiner Gattin gehe. Der Mann antwortete: »Ach, Herr Herzog, Sie können es ja nicht wissen, wie wollen Sie etwas von uns kleinen Leuten erfahren, meine Frau ist ja vor vier Wochen gestorben.« Der junge Herzog erschrak leicht, dann fragte er weiter. Der Mann erzählte: »Kein Arzt wußte ihre Krankheit. Es war wie ein innerliches Fieber, wie eine Abzehrung. Sie sagte immer, sie habe keine Ruhe mehr. Sie war ja ein Engel, meine Frau, so gut, so sanft und hingebend; wer das nicht wußte, der hätte wirklich denken müssen, daß ihr Gewissen sie nicht ruhen ließ; so sah sie zuletzt aus, so verwirrt und unstet, namentlich, wenn sie ihre Reden führte. Sie sagte immer, der Teufel habe sich als Engel verkleidet und habe sie verführt, nur der Teufel habe sie verführen können.« Der Mann trocknete sich die Tränen; dem Herzog wurde es heiß. »Und denken Sie,« fuhr der Mann fort, »an Sie hat die Gute immer gedacht; immer hat sie von Ihnen gesprochen; wenn ihre Reden kamen, dann hat sie immer geglaubt, daß ich Böses über Sie sage, und hat Sie immer gegen mich verteidigt ... ach, Herr Herzog, Sie wissen ja, wie ich Sie immer hochgeschätzt habe, nie ist ein böses Wort gegen Sie über meine Lippen gekommen. Ja, immer hat sie Sie verteidigt und Gutes von Ihnen gesprochen.«
»Sie müssen aussteigen, Herr Meunier,« sagte der junge Herzog mit rauher Stimme. »Ach ja,« erwiderte der andere, »ich habe in meinem Kummer gar nicht darauf geachtet, daß hier meine Straße ist. Ach, ich achte ja auf nichts mehr. Mir ist das Leben gleichgültig geworden. Aber das war mir doch ein Trost, daß ich noch einmal mit dem Herrn Herzog sprechen durfte.«
Der Mann stieg aus und grüßte, der Herzog erwiderte leicht den Gruß, die Pferde zogen an, und der Wagen rollte fort.