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Der berühmte Gerbert, der spätere Papst Silvester II., auf dessen hohe kulturgeschichtliche Bedeutung wir bereits in der Einleitung dieses Buchs hingewiesen haben, hat weit mehr als Lehrer und als Politiker, wie überhaupt durch seine Thätigkeit, denn als Schriftsteller gewirkt; ja seine Werke stehen zum guten Theil nur im Dienste derselben. Oeuvres de Gerbert, collat. sur les mss., précédées de sa biographie etc. par A. Olleris. Paris 1867. – – Hock, Gerbert oder Papst Sylvester II. und sein Jahrh. Wien 1837. – Büdinger, Ueber Gerberts wissenschaftliche und politische Stellung. Marburg 1851 (Dissert.). – Werner, Gerbert von Aurillac, die Kirche und Wissenschaft seiner Zeit. 2. Ausg. Wien 1881. – Hauck, Sylvester II. in der Realencyclopädie f. evangel. Theologie. Bd. 14. Leipzig 1884. – Reuter, Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter Bd. I, S. 78 ff.
Gerbert, von geringem Herkommen, war um die Mitte des Jahrhunderts im südlichen Frankreich geboren, wohl in oder bei Aurillac. In das Benedictinerkloster dieser Stadt, dem der Abt Gerald vorstand, wurde er als Knabe aufgenommen. Dort empfing er seine erste, vornehmlich grammatische Ausbildung, namentlich durch den späteren Nachfolger Geralds, Raimund, den er in der Folgezeit in seinen Briefen als seinen Magister bezeichnet und hoch verehrt. Als Gerbert herangewachsen war, veranlasste ein Besuch des Grafen Borell von Barcelona, der das Studium der Wissenschaft in Spanien sehr rühmte, den Abt, ihm bei seiner Rückkehr den sehr begabten und eifrigen Schüler mitzugeben, der die Gelehrsamkeit der Spanier zu seinem und offenbar auch zu des Klosters Frommen sich aneignen sollte. Der Graf übergab ihn aber dem Bischof Hatto von Vich, bei welchem Gerbert vorzugsweise Mathematik, und sehr erfolgreich, studirte. Diese Wissenschaft blühte gewiss in der spanischen Mark besonders, Sicher im Vergleich mit dem südlichen Frankreich, denn so erklärt sich erst, dass sie gerade vor allem Gerbert bei Hatto studirte; wahrscheinlich aber auch im Vergleich mit Italien. und wohl in Folge der Einwirkung der, wahrscheinlich durch Juden vermittelten, benachbarten arabischen Kultur. Wie weit sich dieser Einfluss erstreckte, lässt sich freilich nicht sagen. Er mag selbst nicht weiter als auf eine blosse Weckung des Interesses für Mathematik sich erstreckt haben. Als aber ein paar Jahre 385 danach (970) der Bischof im Verein mit dem Grafen sich nach Rom begab, nahmen sie den Jüngling, den sie offenbar lieb gewonnen, dorthin mit. Sein Wissensdrang sowie seine Kenntnisse, namentlich in der Musik und Astronomie, welche Wissenschaften in Italien damals wenig gepflegt wurden, Richer Histor. l. III, c. 44 sagt selbst gar nicht ( penitus ignorabantur ). erregten selbst das Interesse des Papstes Johann XIII., der ihn eben der mathematischen Kenntnisse wegen dem Kaiser Otto I. zum Unterricht der Seinigen empfahl. Aber Gerbert liess sich nicht schon an den Hof fesseln. Er wollte sich noch in der Logik vervollkommnen. Ein Archidiaconus der Reimser Kirche, welcher in dieser Wissenschaft berühmt war, kam damals gerade als französischer Gesandter nach Rom. Gerbert wurde vom Kaiser diesem empfohlen, und begleitete ihn nach Reims, welches lange Zeit die Stätte seiner bedeutenden Wirksamkeit sein sollte.
Bald wurde er dort vom Schüler zum Lehrer und entfaltete als solcher eine so grosse und eigenthümliche Thätigkeit, dass er die Domschule zur höchsten Blüthe brachte. Sein von seinem Schüler Richer uns überlieferter Lehrplan l. l. c. 46 ff. zeigt in einer für Gerbert sehr charakteristischen Weise einmal, dass sein Unterricht nichts weniger als eine blosse Vorschule für die Theologie war, und ferner, dass er sich nicht auf rein theoretisches Wissen beschränkte, sondern auch praktische Zwecke hatte und auch in der Ausführung den Mann der Praxis bekundete. So wurden nach dem Studium der Dialektik die lateinischen Dichter Es werden von Richer l. l. c. 47 genannt: Virgil, Statius, Terenz, Juvenal, Persius, Horaz, Lucan. als Vorschule zur Rhetorik gelesen, um den Schüler den für die Beredsamkeit nöthigen Reichthum von Vocabeln und Redensarten erwerben zu lassen. Denn die Regeln der Rhetorik wurden nach Beendigung ihres Cursus auch praktisch geübt, und zwar durch einen besondern Lehrer, den Sophista. Bei dem Unterricht in der Mathematik und Astronomie aber wandte Gerbert Tabellen und von ihm selbst construirte Instrumente Ueber welche Richer l. l. c. 50 ff. ausführlich berichtet. Auch sonst verfertigte er solche, so nach Thietmar von Merseburg in Magdeburg ein Horologium. 386 an, nicht nur um das Verständniss durch Anschauung zu erleichtern, sondern auch als praktische Hülfsmittel. – Gerbert war offenbar ein vortrefflicher Lehrer, der seine Schüler zu begeistern wusste, und diese, die von allen Seiten zu ihm strömten, machten seinen Namen im ganzen Abendlande berühmt.
Doch der Ruhm erweckte Gerbert auch Neider. So in dem Sachsen Otrich, dem Magister der Magdeburger Domschule, der auch eines bedeutenden Rufs als Lehrer sich erfreute, und dessen Beredsamkeit mit der des Cicero verglichen ward. S. über ihn Büdinger a. a. O. S. 54 ff. Er hatte sich durch einen nach Reims gesandten Schüler ein Schema der Eintheilung der Philosophie, wie es Gerbert bei seinem Unterricht verwandte, verschafft und erklärte daraufhin den Nebenbuhler für einen Ignoranten in der Philosophie, und dies sogar vor dem Kaiser Otto II. Gerbert aber rechtfertigte sich und gewann gerade auf diesem Wege gewiss die besondere Gunst des letztern. Um Weihnachten 980 nämlich zog er mit dem Erzbischof Adalbero von Reims nach Italien, wo sie dem Kaiser mit seinem Gefolge, in dem sich auch Otrich befand, begegneten und ihn nach Ravenna begleiteten. Auf dieser Fahrt fand nun eine feierliche Disputation über jene wissenschaftliche Frage zwischen den beiden gelehrten Gegnern vor dem Kaiser selbst statt, in der sich Gerbert offenbar mit Ruhm bedeckte. S. den Bericht über dieselbe bei Richer l. l. c. 57 ff. Denn der Kaiser erhob ihn zum Abt von Bobbio, einem der reichsten Klöster Italiens, das, verbunden mit der Grafschaft, Gerbert zum Reichsfürsten dieses Landes machte. Aber diese hohe Würde wurde ihm nur zu bald zu einer drückenden Last: die Güter waren grossentheils dem Kloster entfremdet, er verzweifelte sie wiederzugewinnen; dazu kam die nationale Feindschaft der Italiener gegen den Fremden, der ein treuer Vasall des Kaisers war. Gerbert sehnte sich oft aus diesem sorgenvollen öffentlichen Leben in die stille Studirstube zurück; so ging er nach dem Tode des Kaisers (December 983) wieder nach Reims, obgleich er darum seiner Abtei nicht entsagte.
In Reims aber fesselte ihn eine politische Thätigkeit, im Interesse des unmündigen Otto III., der eine Hauptstütze für die Behauptung Lothringens in dem Erzbischof Adalbero fand. Dessen rechte Hand ward Gerbert, der auch sein diplomatischer 387 Secretär wurde. Denn der Ehrgeiz, eine Rolle im öffentlichen Leben zu spielen, wozu ihn seine besonderen Talente befähigten, war wieder erwacht, er war in der That niemals erstorben gewesen. Eine harte Prüfung war es deshalb für ihn, dass bei dem Tode Adalbero's (Januar 989) das Erzbisthum ihm nicht zu Theil ward, vielmehr aus politischen Gründen einem illegitimen Karolinger, Arnulf von Hugo Capet gegeben wurde. Aber die Empörung Arnulfs bald darauf führte zu seiner Absetzung durch die in dem Kloster des heiligen Basolus zu Reims gehaltenen Synode, an welcher Gerbert den grössten Antheil nahm (991). Nunmehr wurde er selbst auf diese höchste und wichtigste geistliche Stelle Frankreichs erhoben. Er konnte sich aber dieses Erfolgs kaum erfreuen, denn die Rechtmässigkeit der Absetzung eines Erzbischofs durch eine Synode – und damit die Wahl Gerberts – wurde nicht nur von der Curie, sondern auch von angesehenen Klerikern des In- wie Auslands bestritten. Gerbert musste sich einstweilen der vom Papst verhängten Suspension unterwerfen (995). Um eine günstige Entscheidung herbeizuführen, begab er sich das folgende Jahr selbst nach Rom. Dort traf er nun auch Otto III., den er durch seine frühere politische Thätigkeit sich schon verpflichtet hatte. Auf diesen von idealen Zielen erfüllten, und deshalb um so mehr nach einer hohen wissenschaftlichen Bildung begierigen Jüngling machte der durch die Universalität seines Wissens wie durch seine Weltklugheit ausgezeichnete Erzbischof einen imponirenden Eindruck. Otto fesselte ihn bald ganz an sich. Gerbert folgte ihm nach Deutschland (997), indem er an seinem Hofe eine neue Heimath fand und von grossem Einfluss auf den Kaiser wurde, der sich als seinen Schüler betrachtete. Vgl. oben S. 263. Von ihm erhielt er denn auch eine Entschädigung für das Reimser Erzbisthum in dem von Ravenna (Frühjahr 998), ja durch seinen Einfluss wurde er nach Gregors V. Tode, 999 zum Papst erwählt als Silvester II. Aber nur vier Jahre war es Gerbert vergönnt die höchste geistliche Würde zu bekleiden, 1003 starb er, ein Jahr nach seines Zöglings Otto Tode, mit dem auch alle seine hoch fliegenden Pläne zerronnen waren.
Was Gerbert als Gelehrten auszeichnete, war einmal die Universalität des wissenschaftlichen Interesses: derselbe Mann, 388 dem es eine Freude war, astronomische Instrumente zu construiren, scheute auch keine Mühe und kein Geld die Werke der lateinischen Klassiker sich zu verschaffen. Wie überhaupt eine Bibliothek. So schreibt er an den Abt Eberhard von Tours, ep. 118: Cui rei (sc. der Beredsamkeit) praeparandae bibliothecam assidue comparo, et sicut Romae dudum ac in aliis partibus Italiae, in Germania quoque et Belgica scriptores auctorumque exemplaria multitudine nummorum redemi, adiutus benevolentia ac studio amicorum comprovincialium, sic identidem apud vos fieri ac per vos sinite ut exorem. So ferner an den Mönch Rainard, ep. 18: Nosti quanto studio librorum exemplaria undique conquiram; nosti quot scriptores in urbibus ac in agris Italiae passim habeantur. Age ergo – – fac ut mihi scribantur etc. – So verlangt er von einem Andern eine Emendation des Plinius (ep. 11), von Remigius von Trier die Achilleis des Statius als Gegengabe für eine Sphäre, um welche jener bat (ep. 124), so wünscht er ein ander Mal Tulliana opuscula, et de Republica et in Verrem (ep. 138). Seine Hochschätzung des Cicero gibt er auch sonst zu erkennen, s. ep. 118 und 163, von welchen Stellen die erstere auf die Officien sich bezieht. Ferner aber dominirte in seinem Geist doch die mathematische Bildung, durch die er sich über die Zeitgenossen erhob; sie schulte ihn für die Dialektik und gab seinen Gedanken eine logische Richtung, die ihn von den theologischen Schranken, in deren Bann die Wissenschaft war, möglichst emancipirte. Endlich ist ihm eigenthümlich der praktische Sinn, die Wissenschaft für das Leben nutzbar zu machen, zugleich aber auch im eigenen Interesse zu verwerthen. Ihr allein hatte es ja der arme niedrig geborene Knabe zu danken, dass er bis zur höchsten Würde der Christenheit im Alter gelangte. Freilich ein schöpferischer Geist war Gerbert keineswegs, kein Genie, aber wohl ein grosses Talent. Hiervon abgesehen und mit Berücksichtigung des Unterschieds der Zeiten könnte man ihn wohl den Leibnitz des zehnten Jahrhunderts nennen.
Seiner gelehrten Eigenthümlichkeit entsprechen auch seine Werke. Wir begegnen hier derselben Vielseitigkeit. Einmal sind es mathematische, wie De Abaco computi, De numerorum divisione , eine Geometria , Schriften die dem Kreise unserer Darstellung ganz fern liegen: nur das sei bemerkt, dass Gerbert hier durchweg aus griechisch-römischen Quellen, insbesondere aus den Werken des Boëtius schöpft. S. über diese Werke Gerberts: Cantor, Mathematische Beiträge zum Culturleben der Völker. Halle 1863. Cap. XXII. Gerberts Mathematik. (S. 314 ff.). Ferner 389 besitzen wir von ihm theologische Arbeiten, so die Schrift De corpore et sanguine Domini , in welcher er die Auffassung des Paschasius Radbertus vertritt, S. über dieselbe Bd. II, S. 232 ff. und sie sowohl durch Aussprüche der Kirchenväter als auch mit Hülfe der Dialektik zu bekräftigen und zu erläutern sucht. Originell ist, wie er vermittelst der letztern Wissenschaft die widersprechenden Ansichten jener zu versöhnen sich bemüht, und wie auch seine mathematische Bildung in dieser dogmatischen Schrift sich nicht verleugnet, indem er das Verhältniss zwischen Christus, dem Abendmahl und der Kirche einer arithmetischen Proportion vergleicht und so auch tabellarisch veranschaulicht. Oeuvres l. l. pag. 288. – Von den amtlichen Schriften und Reden Gerberts ist hier sein Bericht über die Verhandlungen der oben erwähnten Reimser Synode ( Acta concilii Remensis ad S. Basolum ) wegen der Vortrefflichkeit der Darstellung und des Stiles hervorzuheben; Die auch Richer schon mit höchstem Lobe feiert, indem er l. IV, c. 73 von diesem liber Gerberts sagt: qui mira eloquentiae suavitate Tulliano eloquio comparatur, so zugleich das Urtheil der Zeitgenossen mittheilend. diese Schrift kann allein schon die Ueberlegenheit der Bildung Gerberts über die seiner Zeitgenossen zeigen.
Auch als Philosoph hat sich Gerbert schriftstellerisch bethätigt in der Abhandlung De rationali et ratione uti . Diese Schrift ist Otto III. gewidmet, wie sie auch durch ihn angeregt worden ist. Während sich der Kaiser in Deutschland 997 zu einem neuen Wendenkriege rüstete, fand er doch Zeit und Sinn, mit seinem gelehrten Hofstaat, dessen glänzender Mittelpunkt eben Gerbert geworden war, über dialektische Fragen sich zu unterhalten. Damals gab der Kaiser dieses Thema, über welches man ohne sicheres Resultat disputirt hatte, Gerbert zur Behandlung auf. Der aber, durch Unwohlsein gehindert, konnte dem Befehl erst in Italien, wohin er sich in der Begleitung des Kaisers begab, nachkommen. – Alles das erfahren wir aus der Widmung der Schrift. Ihr voraus gehen in einzelnen Handschriften sechs Distichen, die sich auch zwischen den Briefen Gerberts finden. Sie sind von zu geringem Belang, als dass die Frage der Autorschaft uns hier interessirte. Dass Gerbert lateinische Verse machen konnte und auch gelegentlich gemacht hat, lässt sich um so weniger bezweifeln, als auch einige Epigramme, Epitaphien und Aufschriften, ihm zugeschrieben werden. S. dieselben bei Olleris S. 293 f. Eins davon, auf ein Bild des Boëtius – wohl eine antike Statue – ist in der That von Bedeutung, und ist dies gewiss auch von Gerbert. Boëtius wird hier nicht bloss als Weiser, sondern auch als Vertreter des alten Rom gefeiert, den die Zierde des Imperium, Otto III. jetzt ehrt, indem er ihn seines Palastes für würdig hält (d. h. die Statue dort aufstellen liess).
390 Die Frage war durch eine Stelle der Introductio des Porphyrius – nach der Uebersetzung des Boëtius – hervorgerufen, worin der Zweifel behandelt wird, wie der Vernunftgebrauch als Prädicat von dem vernünftigen Wesen ausgesagt werden könne, da doch das Prädicat immer allgemeiner ( maior) als das Subject sein müsse. »Um diese Schwierigkeit zu lösen, unterscheidet Gerbert mit Aristoteles: das Vernünftige ist theils ein Ewiges und Göttliches (wozu er auch die platonischen Ideen rechnet), theils ein in der Zeit Lebendes; jenes bethätigt stets die Vernunftanlage, dieses nur mitunter.« S. Ueberweg-Heinze, Grundriss der Gesch. der Philos. 6. Aufl. Bd. II, S. 138. Am Schluss der Ausführung wird hier noch hinzugefügt: »Gerbert verflicht auf eine nicht unangemessene Weise mit der Erörterung dieses Problems die Unterscheidung des höheren Begriffs im logischen Sinne, d. h. des Begriffs mit weiterem Umfange, von dem Begriff, der auf ein dem Range nach in der Stufenreihe der Wesen höher stehendes Object geht.« – Vgl. übrigens Prantl, Gesch. der Logik Bd. II, S. 55 ff., der weit ungünstiger über Gerberts Schrift urtheilt, allerdings auch ohne Berücksichtigung der Anforderungen, die man an jene Zeit stellen darf. Die Beziehung der Schrift auf die Disputation in Ravenna bei Prantl beruht auf einem Irrthum. – Eine ausführliche Analyse der Schrift gibt Hock a. a. O. S. 169 ff. So erhält, indem Gerbert dies weiter ausführt, der Satz: rationale ratione utitur die nöthige Beschränkung. Diese Schrift Gerberts, die nicht unmittelbar dem Gebiete der Allgemeinen Literaturgeschichte angehört, und daher hier eine eingehende Darstellung und Würdigung nicht finden kann, beweist zum wenigsten, wie wohl unser Autor mit der Schulphilosophie jener Zeit vertraut war und wie er auch in ihrer Behandlung seine stilistische Begabung offenbart.
Das bedeutendste und interessanteste Werk seines Schriftthums aber sind seine Epistolae, von denen sich über 220 erhalten haben. Sie sind leider undatirt. S. über die Episteln im allgemeinen Werner a. a. O. S. 245 ff., über die Datirung im besondern Hock a. a. O. S. 189 ff. und vorzüglich Wilmanns, Jahrbücher des D. R. unter Otto III., Excurs I (S. 141 ff.). – Citirt sind die Briefe von mir nach der Zählung von Olleris. Sie sind theils Briefe im engern Sinne des 391 Worts, theils officielle Schreiben und sowohl im eigenen als im Namen andrer verfasst, so vornehmlich in dem des Erzbischofs Adalbero von Reims. Aber auch einzelne im Namen des Königs Hugo und der Königin Emma. – In der Sammlung finden sich übrigens auch einige an Gerbert gerichtete Briefe von Otto III. Sie stammen zugleich aus verschiedenen Epochen und sind an sehr verschiedene Persönlichkeiten gerichtet. So bietet diese Sammlung ein mannichfaltiges kulturgeschichtliches Bild dar, wenn man die zerstreuten Züge, in welchen sich die Zeit abspiegelt, vereinigt. Eine reiche Quelle für die Biographie Gerberts, ist sie es nicht minder für die Geschichte der Zeit, in welcher er eine so bedeutende Wirksamkeit entfaltete. Allerdings bietet sie für uns manche Dunkelheiten, ja sie enthält sogar beabsichtigte, indem Gerbert hier und da sich einer Geheimschrift, vorzüglich bei Namen bedient. Auch sind offenbar gar manche Briefe unvollständig überliefert.
Sehr viele der Briefe betreffen politische Angelegenheiten, oder auch kirchliche; manche aber rein persönliche, Briefe, in welchen nicht der Diplomat oder der Kirchenfürst, sondern nur der Mensch und der Gelehrte spricht. Diese müssen uns hier besonders interessiren. Zu ihnen gehören namentlich die Briefe, welche Gerbert an sein Stammkloster Aurillac, an dessen Abt Gerald (ep. 22, 56, 92, 199) und an seinen alten Lehrer Raimund (ep. 57, 112, 161) richtete: da schüttet er, in bedrängter Lage, oft sein Herz aus. Nicht minder aber gehören hierher auch einige an die Mitglieder der kaiserlichen Familie gerichteten Briefe, so an die Kaiserin Adelheid (ep. 195, 200 und 214), an Otto II. (ep. 13 und 18), an Otto II. (ep. 208 f.). Die Correspondenz mit ihm, da auch seine Schreiben nicht fehlen (s. vorige Anm.), ist von dem grössten Interesse für den Charakter beider. Ferner auch einzelne Briefe an den ihm getreuen Mönch Rainard von Bobbio (ep. 72, 75 und 78), an den Abt Eberhard von Tours (ep. 118), den Mönch Remigius von Trier, mit dem er besonders gern eine gelehrte Correspondenz pflog, (ep. 124 über eine arithmetische Frage und 142, 154, 160), an den Scholasticus Constantin von Fleury (ep. 138), an den Mönch Ada (ep. 155 über die Construction der Sonnenuhr), an Thietmar von Mainz (ep. 157).
Die Universalität der Naturanlage und der Bildung Gerberts tritt uns nirgends so lebendig als in dieser Briefsammlung entgegen, die andrerseits freilich auch die Schwächen seines 392 Charakters uns enthüllt. Die Bewundrung, oder mehr noch die Verwundrung, die er bei den Zeitgenossen erregte, wirkte auf die Nachwelt so, dass allmählich ein Kreis von Sagen um seine Person sich bildete, die ihn der päpstlichen Würde zum Trotz nach hundert Jahren als einen Zauberer erscheinen lassen, der mit dem Teufel im Bunde steht. Wilhelm von Malmesbury gibt von diesen Sagen, auch noch gläubig, die ausführlichste Nachricht in seinen Libri V de rebus gestis regum Anglor. l. II, c. 10. S. auch Döllinger, Papstfabeln, München 1863. S. 155 ff.
Noch ist hier auf dem Felde der didaktisch-wissenschaftlichen Literatur eines unmittelbaren Zeitgenossen und Freundes Gerberts zu gedenken, der auch ein universelles Wissen anstrebte und namentlich als Lehrer eine einflussreiche Wirksamkeit entfaltete: es ist Abbo von Fleury, der als Abt dieses berühmten Klosters auch in der Kirchengeschichte seiner Zeit eine Rolle spielt. S. Abbonis opera in Migne's Patrologia latina T. CXXXIX pag. 375 ff. – – Histoire littér. de la France. T. VII, pag. 159 ff. – Cuissard-Gaucheron, L'école de Fleury-sur-Loire à la fin du X me siècle et son influence, in: Mémoires de la société archéol. et histor. de l'Orléanais. Tome 14. (1875) pag. 551 ff.
Abbo, in dem Gau von Orleans geboren, stammte von freien, wenn auch nicht vornehmen Eltern. Als Knabe wurde er zur Zeit des Abtes Wulfald dem Kloster Fleury, in dem einer seiner Verwandten Mönch war, übergeben; in der Schule dieses Klosters erhielt er seine erste Ausbildung, in der er bei seinem Talent und Fleiss solche Fortschritte machte, dass er schon frühe selbst dort Lehrer wurde, indem er im Lesen und Singen unterrichtete. imbuendis praeficitur scholasticis, quos ille per aliquot annorum curricula lectione simul et cantilena – – erudivit. Aimoin, Vita S. Abbonis in Mabillons Acta S. S. s. Bened. (Ed. Venet.) T. V, pag. 35. Aber Abbo fühlte noch grosse Lücken in seinem Wissen. Zwar die Grammatik, Arithmetik und Dialektik hatte er sich vollkommen zu eigen machen können, nicht so die andern vier Artes. So ging er zu seiner weitern Ausbildung nach Paris und Reims, wo er namentlich auch Astronomie studirte, wennschon nicht mit dem gewünschten Erfolg. Danach fand er in Orleans die Gelegenheit, bei einem Kleriker in der Musik sich zu vervollkommnen. Dieser Privatunterricht war sehr theuer: musicae artis dulcedinem quamvis occulte propter invidos (?!), a quodam clerico non paucis redemit nummis. Aimoin a. a. O. In der Rhetorik aber 393 bildete er sich selbst aus, indem er den Lehrer des Hieronymus, Victorin zu seinem Führer nahm.
Nun eröffnete sich ihm auch ein neues Feld der Wirksamkeit, wo er den Reichthum gesammelter Kenntnisse wohl verwerthen konnte. Der Erzbischof von York Oswald, der in dem Kloster Fleury erzogen war, bat dasselbe um einen seiner Mönche als Lehrer für das von ihm neu gegründete Kloster Ramsey. Abbo wurde zu dieser Sendung erwählt. Er blieb zwei Jahre in England, und wurde von den Erzbischöfen Oswald und Dunstan (von Canterbury), mit denen er in freundschaftlichen Umgang trat, wie auch von dem König Aethelred II. sehr ausgezeichnet. Dort verfasste Abbo auch ein paar seiner ersten Werke und zwar seinen englischen Schülern und Freunden zu Gefallen. Trotzdem sehnte er sich nach der Heimath wieder und folgte gern der Rückberufung durch seinen Abt Oilbold. Als aber kurz darauf letzterer starb, wurde Abbo von der Mehrheit der Mönche zum Abt erkoren (988), die Minderheit dagegen wählte einen andern, der auch, unterstützt von der weltlichen Macht und dem Bischof von Orleans, das Regiment des Klosters usurpirte und sich trotz der Proteste der mit Fleury in einer Congregation verbundenen Klöster die kurze Zeit, die er lebte, behauptete; S. darüber Cuissard-Gaucheron a. a. O. S. 604 ff. erst nach seinem Tod kam Abbo zur Regierung. Diese zeichnet sich namentlich durch die Energie aus, mit welcher Abbo die Rechte des Klosters gegen die Anmassungen des Bischofs von Orleans vertheidigte, zu einer Zeit wo die Bischöfe Frankreichs überhaupt die Klöster bedrängten und eines Theils ihrer Einkünfte beraubten. In diesem Kampfe wusste der Abt auch die Unterstützung der Curie durch Privilegien für sein Kloster sich zu verschaffen, als er im Auftrag des Königs Robert 997 nach Rom ging in der Angelegenheit des erzbischöflichen Stuhls von Reims und der der Ehe des Königs mit seiner Verwandten Bertha. Mit dem hochgebildeten Papst Gregor V. wurde er alsbald innig befreundet, und führte, nach Frankreich zurückgekehrt, die Beschlüsse desselben durch. So thatkräftig Abbo nach aussen das Kloster vertrat, ebenso sorgte er im Inneren für die Disciplin und 394 Bildung der Mönche. Während er selbst immer eifrig den Studien oblag, lesend, schreibend und verfassend – wenn man so in der Kürze das dictare wiedergeben kann – empfahl er auch seinen Mönchen die literarischen Studien und insbesondere die Uebungen im Abfassen von Aufsätzen, zugleich als vortreffliches Mittel die fleischlichen Laster zu bekämpfen. Aber auch ausserhalb Fleury machte Abbo seinen Einfluss zur Herstellung der Disciplin und des Friedens in andern Klöstern geltend. Wovon auch seine uns erhaltenen Briefe Zeugniss ablegen. In solchem Bemühen fand er seinen Tod, als er zum Zweck der Reform eines von Fleury abhängigen, ganz verwilderten Klosters nach La Reole ( Regula ) in der Gascogne sich begeben. Bei dem Versuch einen Streit zu stillen, der zwischen seinen Begleitern und dortigen Mönchen und Laien, in Folge des regelwidrigen Betragens eines der ersteren, ausgebrochen war, wurde unser Abt durch einen Lanzenstich getödtet (1004).
Die praktische Wirksamkeit dieses einflussreichen, in seiner Zeit hoch angesehenen Mannes war viel bedeutender als seine literarische Thätigkeit, die mindestens in den uns überlieferten Schriften auch fast allein im Dienste jener Wirksamkeit erscheint. Nur eine der ältesten von diesen, die in England auf den Wunsch der Mönche von Ramsey verfasste Vita oder genauer Passio des heiligen Eadmund († 870) möchte hiervon auszunehmen sein. Wie uns die an den Erzbischof Dunstan gerichtete Praefatio lehrt, verdankte Abbo das Material demselben, welcher wie andre Heiligengeschichten, so auch diese Passion seinen Klerikern gern zu erzählen pflegte, sicut tuus mos est, fratribus (referre), quos pabulo divini verbi latina et patria lingua pascere non desinis. Dieser Satz ist auch wieder recht bezeichnend für die Stellung, welche die Muttersprache auch bei dem angelsächsischen Klerus neben der lateinischen einnahm. wie er sie selbst zur Zeit König Aethelstans (924–941) von einem hochbetagten Greis vernommen, welcher eidlich betheuerte, des Königs Schildknappe bei dessen Tode gewesen zu sein. So hat die Erzählung Abbo's den Werth einer historischen Quelle erlangt. Ihr Inhalt ist in der Kürze folgender.
Nachdem der Autor in den beiden ersten Kapiteln der Niederlassung der Sachsen, Jüten und Anglen in Britannien gedacht und von Ostanglien, dem Reiche Eadmunds, eine Beschreibung gegeben, schildert er den liebenswürdigen, humanen 395 und sanften Charakter dieses Königs. Ihn – einen zweiten Hiob – zu versuchen, erhob sich der Feind des Menschengeschlechts, indem er einen der Seinigen gegen ihn aussandte: es war der Däne Ingvar, der im Verein mit Hubba (seinem Bruder) Britannien verwüstete. Sie, die von der Kälte ihrer Bosheit erstarrten, kamen vom Nord, wo der seinen Sitz gründete, welcher durch seine Erhebung dem Höchsten ähnlich zu sein wünschte. Diese Stelle erinnert ganz an die Caedmonische Genesis. S. oben S. 16. Ob eine Reminiscenz, vermittelt durch die Erzählung Dunstans? Vor allem suchen sie, den so kriegerischen Eadmund, den sie deshalb am meisten fürchten, zu vernichten. Ingvar schickt einen Gesandten an ihn, der von ihm die Hälfte seiner Schätze fordert und verlangt, dass er unter Ingvars Oberbefehl die Regierung führe (c. 7). Eadmund beräth sich darauf in langen Reden mit einem seiner Bischöfe. Er will lieber den Tod erleiden, denn als christlicher König einem Heiden sich unterwerfen: dies erklärt er dem Gesandten. Er wird darauf gefangen und an einen Baum gefesselt, um als Zielscheibe für die Pfeile der Dänen zu dienen, sodass er dem heiligen Sebastian gleicht; dem halbtodten wird schliesslich das Haupt abgeschlagen, welches die Feinde in das dichte Gestrüpp eines Waldes werfen (c. 10 f.). Dort wird es nach ihrem Abzug gesucht und in wunderbarer Weise gefunden, indem es selbst durch den Ruf: hier, hier, den Suchenden den Weg weist. Sie finden es von einem Wolfe bewacht, der es zwischen seinen Pfoten hält (c. 12). – Abbo berichtet dann noch die Bestattung des Königs und seine spätere Translation in eine zu dem Zweck auf der königlichen Villa Bedricshof erbaute Kirche, bei welcher Gelegenheit sich der Körper des Märtyrers unverwest zeigte, was auch noch später der Fall gewesen sein soll. In Betreff dieses Wunders, das mehr als jedes andre jenem Zeitalter die Heiligkeit bezeugte, beruft sich der Verfasser schon in der Vorrede auf die Autorität des Dunstan, die was sonst niemand glauben würde, sichere. – Uebrigens ist diese Schrift Abbo's in einem leicht dahin fliessenden, in den Reden des Königs selbst sich schwungvoll erhebenden Stile geschrieben.
Eine andre in England verfasste Schrift erscheint als eine Frucht seiner Lehrthätigkeit, zur Ergänzung seines 396 Schulunterrichts geschrieben. Es sind die an seine englischen Brüder, namentlich die Mönche von Ramsey adressirten Quaestiones grammaticales , Zuerst herausgeg. von Mai in: Classicor. auctor. e Vaticanis codd. editor. Tom. V. Rom 1833, pag. 329 ff. worin Fragen, wie sie die Schüler an ihn gerichtet, eine eingehendere Behandlung finden. Sie betreffen vornehmlich die Quantität der Penultima wie die Aussprache (c. 9 ff.) des Lateinischen; bei letzterer werden auch die aus dem Griechischen in das Lateinische aufgenommenen Worte (c. 11), sowie die den »Anglen« eigenthümliche Aussprache berücksichtigt. c. 12. Hier ist der Text offenbar corrupt, und namentlich sind die angelsächsischen Buchstaben, sei es von dem Schreiber der Handschrift, oder dem Herausgeber nicht verstanden; so wenn es heisst: et qui pro Θ frequentius B scribitis, ist sicher B verlesen für das angelsächsische th, nämlich þ. Auch über manches andre wird in der Kürze noch gehandelt, so über die Construction des Zeugma (c. 18), die Bedeutung der Olympiade (c. 20), über das Wort genitus in der Athanasianischen Glaubensformel (c. 21) und das Geheimniss der Dreizahl. – Der Eingang und der Schluss der Schrift, die übrigens die Belesenheit des Autors in den alten Poeten Von christlichen Dichtungen werden die des Prudentius (Peristephanon und die Psychomachie) sowie die Ambrosianischen Hymnen citirt. und eine gewisse Kenntniss des Griechischen bekundet, haben noch ein besonderes Interesse: dort spricht der Verfasser von seiner Reise nach England, der Liebe, die er dort gefunden, während er trotzdem seinen dortigen Aufenthalt als ein Exil betrachtet. Am Schluss aber verweist er auf eine andre Schulschrift De numero, mensura et pondere , die er auf Grund des Calculus des Victorius früher herausgegeben habe. precibus fratrum coactus: offenbar sind hier die Mönche von Fleury gemeint, denn denen von Ramsey war diese Bemerkung zu machen überflüssig; auch spricht dafür das olim edidi, nicht minder die von Martène, Thesaur. I, p. 118 publicirte Vorrede. Denn dass sie zu diesem Werke gehört, zeigt der folgende Satz derselben: Impraesentiarum tamen intentio Victorii haec fuit, ut inerrato lector numerorum summas multiplicaret, divideret, seu proponeretur aliquid de artibus, quae numerorum ratione constant, ut arithmetica, geometria, musica, astrologia, seu quaestio inesset de mensura et pondere, quae omnia calculatorii sunt curae. Ist mit diesem Werk etwa die von Aimoin c. 13 erwähnte Schrift Abbo's identisch, von der er sagt: quod (scriptum) cyclos annorum incarnationis Dominicae ab incarnati Verbi initio ad sua usque tempora iuxta veracem evangeliorum fidem correxit atque ad annos postea circiter mille quingentos nonaginta quinque dilatavit? Aimoins Bemerkung über die Vorrede derselben kann die Vermuthung erwecken. Da unserer Aufgabe dies wie die in der folgenden Anmerkung erwähnten Werke zu fern liegen, verweise ich in Betreff ihrer und der Handschriften, in welchen man sie überliefert glaubt, auf die Hist. litt. a. a. O. S. 177 ff. und Cuissard-Gaucheron pag. 667 ff. und 715. – Nach einer Anmerkung Mai's zu der oben angezogenen Stelle hat derselbe diese Schrift herauszugeben beabsichtigt. Er bemerkt noch, dass in ihr der Grammatiker Virgilius, und zwar als Tolosanus, citirt werde.
397 Ausserdem hat nach Aimoin Abbo eine Schrift über Syllogismen, eine über den Computus und Disputationen über den Lauf der Sonne, des Mondes und der Planeten herausgegeben. Vita Abbonis c. 3: Denique quosdam dialecticorum nodos syllogismorum enucleatissime enodavit, compotique varias et delectabiles, saecularium in morem tabularum, texuit calculationes. De solis quoque ac lunae seu planetarum cursu a se editas disputationes scripto posterorum mandavit notitiae.
Tritt uns in diesen Werken der Magister und Gelehrte entgegen, so in zwei andern aus späterer Zeit der die Rechte der Klöster und namentlich seines eigenen kühn vertheidigende Abt, der hier seine Belesenheit in den Kirchenvätern und den Concilienbeschlüssen zeigt, wie dort in den Klassikern und Grammatikern. Die ältere der beiden Schriften stammt aus dem Jahre 996 und ist unmittelbar aus dem Kampfe Abbo's gegen die Uebergriffe der bischöflichen Macht hervorgegangen. Es ist sein an die Könige Hugo und Robert von Frankreich gerichteter Apologeticus. Abbo vertheidigt sich darin gegen die Anklagen seiner Feinde, namentlich des Bischofs von Orleans Arnulf, obschon er diesen nicht nennt, Dagegen thut dies Aimoin, wo er von der Abfassung dieser Schrift redet, c. 8. indem er betheuert, nur im Interesse des Mönchthums und des Nutzens des Staates zu handeln; das Urtheil unparteiischer Bischöfe fürchte er nicht. Er verbreitet sich dann über seinen orthodoxen Glauben und seine kirchlichen Ansichten, welche auf die Verherrlichung des Mönchthums, im Gegensatz zu dem weltlichen Klerus, abzielen. So unterscheidet er drei Stände in aufsteigender Stufenfolge unter den Männern: Laien, Kleriker und Mönche, die er den dreien der Frauen: der verheiratheten, Wittwen und Jungfrauen, gegenüberstellt. Dann bekämpft er in einem längeren Excurs die Simonie, die damals allerdings den Klerus und das Episcopat oft schändete. Est etiam alius error gravissimus, quo fertur altare esse episcopi et ecclesia alterius cuiusdam domini – – Nihil enim pene ad Ecclesiam, quae est solius Dei, pertinere videtur, quod ad pretium non largiatur, scilicet episcopatus, presbyteratus, diaconatus et reliqui minores gradus, archidiaconatus quoque, decania, praepositura, thesauri custodia, baptisterium, sepultura et si qua sunt similia. Die negotiatores dieses Handels entschuldigten sich damit, dass sie nicht die benedictio, sondern die res ecclesiarum oder possessiones episcopi kauften. Erst hiernach kommt 398 er auf die Klagen seiner Feinde im einzelnen zu reden, worauf einzugehen uns hier fern liegt.
Die andre Schrift, eine im Jahre 997 verfasste Canonensammlung, ist ein grösseres Werk von objectiverem Charakter, obgleich es auch zur Vertheidigung des Mönchthums dienen soll, wie Abbo selbst in der an die Könige Hugo und Robert gerichteten Vorrede ausspricht. Er rühmt dort die Könige als Vertheidiger und Advocaten des Mönchstandes. Er hat zugleich in dem Werk auch die »Summe ihres Amtes« ( ministerium) dargelegt, und dabei nicht verschwiegen, welche Treue ihnen die Grossen ( optimates) des Reichs schuldig sind, von denen sie, wie er im Eingang des Vorworts sagt, früher viel zu leiden gehabt hatten. So sehen wir, wie dies Werk gleichsam dem Bündniss des Königthums mit dem Mönchthum gewidmet ist.
Es besteht aus 52 Kapiteln, die Auszüge aus den Decretalen, Concilienbeschlüssen, päpstlichen Schreiben, namentlich Gregors des Grossen, aus Werken des Augustin u. s. w. als autoritative Erklärungen über das bestimmte Thema enthalten, und die zum Theil mit Erläuterungen des Autors versehen sind. Die einzelnen Kapitel handeln »von der Ehre der Kirchen und Klöster« (1), »von den Vertheidigern derselben« (2), »von dem Amt des Königs« (3), »von der dem Könige schuldigen Treue« (4), ferner u. a. von der Wahl und Ordination des Klerus und der Aebte, sowie von manchen andern Verhältnissen der Kleriker und Mönche. Aber auch hier tritt uns in einzelnen Kapiteln die feindliche Stellung des Autors zu dem Episcopat entgegen, so in Kap. 23: De insolentia episcoporum in monachos, oder in Kap. 17, wo auf Grund eines Schreibens Gregors verlangt wird, dass bei einer Klage gegen einen Abt ein Bischof nicht allein die Sache entscheide.
Auch die von Abbo überlieferten Briefe sind nicht ohne Interesse, indem sie theils Beiträge zu seiner Lebensgeschichte und Charakteristik liefern, So u. a. die Correspondenz mit dem Papste Gregor V., epp. 1–4. theils als kleine Abhandlungen 399 allgemeine theologische Fragen behandeln, wie ep. 7 über die sogenannten Canonen der Evangelienconcordanz und ep. 10 über den Eid.
Uebrigens hat sich Abbo auch als Dichter versucht, freilich sehr dilettantisch; so hat er an den Kaiser Otto (III.) ein Carmen in Hexametern gerichtet, das den ersten Vers: Otto valens Caesar nOstro tu cede cothurno als Acrostichon, Telestichon und Mesostichon zeigt. Endlich sei hier wenigstens noch ein von Abbo verfertigter Auszug aus den Gesta Romanorum pontificum erwähnt.