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Es schien wenigstens Stilichos Ende zu sein. Honorius mit seinem bösen Gewissen war froh, die Unterredung mit einem Vorwurf beginnen zu können, bei dem er unzweifelhaft im Rechte war. Ohne sich von dem Ruhebett zu erheben, auf dem er lässig ausgestreckt lag und vor sich hin träumte, sprach er mit einem Stirnrunzeln, das erschrecken sollte, aber viel zu übertrieben war, um zu wirken: »Seit wann tritt man so vor den Imperator?«
Aber Stilicho ließ sich nicht aufhalten in seinem Ansturm: »Seitdem der Imperator und – was viel mehr! – das Imperium am Abgrund steht. Laß jedes Scheingefecht, Honorius. Es gilt das Reich, das Werk meines Lebens. Antworte kurz auf meine kurzen Fragen. Ist es wahr, daß du die germanischen Söldner entlassen wirst?« – »Und . . . wenn?« – »Antworte! Ja oder nein?« – »Nun denn – ja!« zögerte er. – »Ist es wahr, daß du nach Byzanz gehen wirst?« – »Ja, jawohl!« Ganz rasch kam das heraus. – »Ist es wahr, daß du die Regentschaft des Ostreichs übernehmen, deinen Herrschaftsitz nach Byzanz verlegen wirst?« – »Ja,« rief Honorius, mit steigender Erbitterung und daher wachsendem Mut. – »Ist es wahr, daß du dort die . . .« Das Antlitz des Vaters flammte auf, er wollte jetzt . . . aber er bezwang sich noch. »Alle diese vier Dinge, bitte ich dich, Imperator, nicht zu tun.«
Diese Bitte erhöhte noch die Festigkeit des Schwächlings: »Eine Bitte!« dachte er, »die kann der Gebetene gewähren oder abschlagen.« Und lebhafter entgegnete er: »Und warum?« – »Weil jene Söldner allein das Reich schützen, weil die Reise nach Byzanz in dem Augenblick unmöglich ist, da ein Anmaßer, Constantinus, Britannien, Gallien, Spanien genommen hat und den Angriff auf Italien rüstet, weil du kaum im stande bist, das schwer gefährdete Westreich zu verwalten: und willst das Ostreich hinzu übernehmen? Deshalb bitte ich dich dringend – hörst du, ich bitte! – laß diese Gedanken fallen.« – »Weiter nichts?« lachte Honorius höhnisch. »Horch auf, ich will dir deine wahren Gründe sagen: weil nur jene Söldner dich schützen vor dem Haß der Römer in Heer und Senat und dem Fluche der heiligen Kirche, weil du diesen Constantinus jetzt verwendest wie früher jenen Alarich, als dein Werkzeug, dich als unentbehrlich hinzustellen . . .« – »Honorius!« – »Und weil du freilich nicht zum Regenten, aber zum Imperator des Ostreichs erheben willst – deinen Sohn Eucherius!«
Da fiel Stilicho grimmig lächelnd ein: »Serena, nicht wahr, wird's bezeugen? Die eigne Gattin und die eigne Mutter! Wie belastend, wie vernichtend!« – Aber er bezwang sich noch einmal – »laß das und gib nach, ich bitte.« – »Nein.« – »Wohlan denn, Sohn des Theodosius, so höre, was ich dir ersparen wollte: gib nach: ich befehl's dir.«
Da sprang der im Purpur auf und fuhr auf ihn zu: »Ah, crimen laesae! Dein Kopf . . .« Aber vor der unerschütterlichen Ruhe der hohen Heldengestalt, die, ohne eine Miene zu verziehen, vor ihm stehen blieb, verflackerte auch diese aufflackernde Flamme: feig wich er zurück. »So spricht ein Wahnwitziger,« meinte er achselzuckend. – »Nein, so spricht dein Vater, der große Theodosius. Lies! Lies dies Kodizill. Du kennst Schrift und Siegel.« Er zog aus dem Wehrgurt eine Papyrus-Rolle und reichte sie ihm.
Der überflog die ersten Zeilen: »Vermöge der erprobten Weisheit Stilichos . . .« plötzlich stockte er: »Wa . . . was steht hier? ›Und endlich gebiete ich meinem Sohn Honorius, daß er, auch nach beendeter Vormundschaft, dem Wort, dem . . . Befehl des Magister militum in allen Staatssachen unweigerlich gehorsame, wie wenn ich selbst solchen Befehl erteilt‹ . . . »ah, schändlich, schändlich! Das hast du erzwungen, erlistet, erschlichen bei dem Fiebernden, Sterbenden. Da! Dies die Antwort! Barbar!« Und er zerriß die Rolle in zwei Fetzen und warf sie ihm ins Gesicht. Der trat einen Schritt zurück mit dem Aufschrei eines getroffenen Tieres, aber sogleich faßte er sich wieder, bückte sich, hob die Stücke auf und hielt sie aneinander; tonlos sprach er dann: »Diese Tat tut mir leid – für dich.« – »Für mich?« höhnte Honorius. – »Ja. Denn du hast den Schlußsatz nicht gelesen: ›sollte aber mein Sohn Honorius, nachdem sich Stilicho für einen Befehl auf dies mein Kodizill ausdrücklich berufen irgendwie durch Wort und Tat ihm –, das heißt mir! – den Gehorsam weigern oder dies Kodizill irgendwie mißachten, so soll von Stund an die kaiserliche Gewalt übergehn auf Stilicho, meinem Sohn Honorius aber nur der kaiserliche Name und Purpur verbleiben: das ist dann Senat, Heer und Volk der Römer zu verkünden‹.« – Da sank Honorius nach rückwärts auf das Ruhebett: er ballte die Fäuste in ohnmächtiger Wut: »Dies Blatt in seinen Händen! Er darf nicht leben!« dachte er. »Vor dieser Türe harren hundert Schwerte und Dolche, die sich mit Wollust in sein Herz bohren. Also . . . Aber die Prophezeiung! Erst in Ravenna . . .«
Stilicho schien diese Mordgedanken zu erraten. Während er die durchrissene Rolle wieder in den Wehrgurt steckte, sprach er bedachtsam: »Gewalt? Sie hilft dir nicht. Beglaubigte Abschriften hüten drei meiner Freunde. Willst du jetzt nachgeben?«
Aber der Liebessieche dachte der Rotlockigen: sein Blick streifte die Elfenbeinkapsel, die ihm gegenüber auf dem Kopfpfühl seines Bettes lag. Stilicho erhaschte den Blick: er folgte ihm: er sah die Kapsel: da ward er furchtbar bleich. »Nein!« rief nun Honorius. »Tu' was du willst mit deinem Papyrus. Geh!«
»Ich gehe. – Zum Abschied nur noch eine Frage: ist es wahr, daß du meine Tochter verstoßen und deines Bruders Witwe heiraten wirst?« Er trat zwei Schritte näher: so drohend war das Antlitz des rachedurstigen Vaters, – der Erschrockene fand zuerst kein Wort: dann nur das Wort der Lüge: er versuchte aufzustehen, aber die Kniee versagten ihm: er hielt sich an den Citrustisch vor ihm: »Was?« stotterte er. »Eudoxia? Was fällt dir ein? Ich . . . Ich weiß ja nichts von ihr – gar nichts.« Da ergriff Stilicho die Kapsel, riß das Mosaikbild heraus, hielt es ihm dicht vor die Augen und schmetterte es auf den Marmorestrich, daß es in hundert Stücklein zersprang. – Grell aufkreischte Honorius: er taumelte empor. Ohne ein Wort schritt Stilicho hinaus und durch die dichten Reihen seiner Hasser. Die Türhüter stürzten nun in das Gemach: sie fanden den Imperator ohnmächtig auf dem Boden liegend.