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Die Luft, die über dem Palatium, dem Senat, dem Heer, der Kirche, den Anhängern des Heidentums und allen Feinden der Barbaren in ganz Italien brütete, war seit jenem Tage zu Rom so schwül, daß die hochgespannten Leidenschaften der Parteien sich alsbald in einem furchtbaren Gewitter entladen mußten – über dem Scheitel Stilichos. Denn so heftig sich zum Beispiel Katholiken und Heiden bekämpften, – in dem Haß gegen den »Barbaren« stimmten sie überein: rücksichtslos nur dem Staate dienend hatte er die Priester Christi wie die Jupiters herausgefordert. Die »römischen Legionen« des Carinus hielt nur die Furcht von blutigen Angriffen auf die germanischen Söldner ab, und wo sie die Überzahl hatten, brachen Haß, Eifersucht, Neid auf die Bevorzugten, besser Bezahlten in Mord und Totschlag hervor. Zumal die Familien der in Italien angesiedelten Söldner, um Bologna und Pavia, die wehrlosen Weiber und Kinder auf dem flachen Lande wurden oft von diesen »Römern« in ihren Gehöften überfallen, beraubt, mißhandelt, gemordet, während ihre Gatten, Väter, Brüder in den Kastellen dienten: es war wie Wetterleuchten, das von fernher aufsteigendes Gewitter verkündet.
Da schlug der erste Blitz ein und entfesselte eine ganze Reihe verderblicher Schläge.
Während Stilicho in Ravenna weilte, die dort neu anzulegenden Befestigungen zu ordnen, erhielt der Kaiser zu Mailand ein Schreiben seiner Schwägerin Eudoxia und des Senates von Byzanz, das ihm den plötzlichen Tod seines Bruders meldete und die Thronbesteigung von dessen Knäblein Theodosios. Olympios war es, der, als Haupt einer Art von ständiger Gesandtschaft des oströmischen Hofes stets in des Honorius Nähe, das große amtliche Schreiben feierlich überreichte. Aber darauf, als die andern Berater des Imperators abgetreten waren, zog er eine kleine runde Elfenbeinkapsel aus dem Gewand und legte sie, sich tief verneigend, in des Herrschers Hände: »Dies hier gilt nicht dem Staat, dem Reich, – mit dem man dich unablässig quält, – dies gilt dir selbst: dem Mann, dem jugendlich blühenden, den man zweimal vermählt hat – als Knaben – nicht um seinet-, nur um des Doppel-Schwiegervaters willen. Wenig Freude fandest du an den bleichen Seufzerinnen! Dies gilt dir, dem Mann.«
Honorius öffnete gespannt die Kapsel: das kleine Brustbild – Mosaik – eines wunderschönen Weibes, verhüllt nur wenig von einer Flut rotleuchtenden Haares lächelte ihn an; auf einem schmalen Papyrus-Streifen aber standen die Worte: »Komm! Nimm die Krone des Ostreichs und dieses Weib dazu. Komm rasch!« Auf sprang Honorius von seinem Thron, heiß entzündet, wie von einem Liebestrank berauscht. Er schien ganz verwandelt: die träge knabenhafte Schlaffheit war von einem einzigen Gluttrieb abgelöst: »Zu dir!« rief er, »in diese vollen Arme!«
Leichtes Spiel hatten von diesem Augenblick an die Führer der gegen den »Mann« verbündeten Parteien. Ja, verbündet durch den gemeinsamen Haß; sie gelobten jetzt feierlich, bis zur erreichten Vernichtung des Gefürchteten nicht widereinander, nur gegen ihn zu kämpfen.
Bischof Venerius von Mailand forderte unter Androhung des Kirchenbannes die Aufhebung der Kirchenbesteuerung. Symmachus verlangte in einer beredten, schwungvollen Epistel Sühne der »sibyllinischen Frevel«, der Senat von Rom drohte durch Lampadius mit einer Strafanklage wegen Gewalt und beschloß, daß kein Barbar mehr seine Versammlungen besuchen dürfe, Heraclian forderte Ausschluß der Germanen von allen Hof- und Staats-Ämtern, Carinus wies auf die Zerrüttung des »römischen Heeres« durch die Söldner hin: er lehnte jede Verantwortung für einen Racheausbruch der »Legionen« ab, falls jene nicht aus Italien entlassen würden. Alle aber stimmten zusammen in der dringenden Mahnung, der Kaiser müsse nach Byzanz eilen und dort die Vormundschaft und Regentschaft für seinen Neffen übernehmen: der Meister, der dies Konzert vielstimmiger Töne im geheimen leitete, war Olympios. Allein am wirksamsten redete das stumme Bild des halbnackten Weibes im stets verschlossenen Schlafgemach des verzückten, des liebesiechen Imperators.