Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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Zweites Buch.

I.

Eine Zeitlang hatte es nun den Anschein, als sollte der Thron des Arcadius in der Tat leer werden für einen kühneren Beschreiter. – Alarich und Ataulf, aus Italien zurückgekehrt, hatten sofort ihre Tausendschaften von Griechenland in Eilmärschen auf die große alte Straße nach Nordosten gen Byzanz geführt und die unfähigen Feldherren, die ihnen den Weg versperren wollten, zurückgeworfen: die Bahn nach der ungenügend besetzten, ausgedehnten Hauptstadt war frei. Aber plötzlich sahen sie sich zugleich von vorn und von der rechten östlichen Flanke, von der Meerseite her, bedroht – von Stilicho. Dieser hatte seine zahlreichen Schiffe geteilt, die Hälfte seiner Mannschaften auf der Straße selbst, in einer Linie mit der Küste, zwischen der Spitze des Gotenheeres und Byzanz, die andere in des Königs vorüberziehender Flanke gelandet und beide Bedrohungen mit so überlegener – römischer – Feldherrnschaft verwertet, daß den Goten nur der Rückzug nach Südwesten übrig blieb. Es kam fast gar nicht zum Gefecht. Der König war aufs schwerste gehemmt in seinen Bewegungen durch den ungeheuren Troß, den er mit sich führte: Weiber, Kinder, Greise, Kranke, unfreie Knechte und Mägde, kopfreiche Herden, Zelte, diese auf vielen mit je acht Rindern bespannten breiten Wagen und Karren, welche dazu die Fahrhabe des Wandervolkes bargen. Er konnte, wollte diese Wehrlosen, welche die Zahl seiner Krieger ganz gewaltig überstiegen, nicht den Folgen einer Niederlage: – Vernichtung oder Verknechtung – aussetzen.

Nur Ataulf, der schon vor Stilichos Landung unaufhaltsam vorwärts gedrängt hatte – »ich muß Arcadius auf seinem Thron etwas bestellen von seiner schönen Schwester!« hatte er auf des Königs staunende Frage mit Lachen geantwortet – wollte auch jetzt noch um jeden Preis den Durchbruch nach Byzanz erkämpfen. Kaum hatte er den heiß erbetnen Befehl über die Nachhut des weichenden Volksheeres erhalten, als er sofort, anstatt dem Troßzug deckend zu folgen, seine Reiter Kehrt machen ließ und in rasendem Anlauf die Vorhut der verfolgenden Kaiserlichen anfiel. Übel kam er an: es waren in fünffacher Übermacht die erlesensten Geschwader Stilichos, lauter Germanen, geführt von Sarus, aus einem andern Zweig des Baltengeschlechts, der dem um zehn Jahre jüngeren Vetter bei dessen Erhebung auf den Königschild den Tod geschworen hatte. Dazu kamen die zahlreichen, im vieljährigen Dienst für die Römer erprobten Alanen auf ihren kleinen zottigen, höchst ausdauernden Mongolen-Gäulen unter ihrem Häuptling Saul.

Ataulf brach den hoffnungslosen Kampf nicht ab, solang er das Schwert führen konnte: und als Saul seine rechte Schulter getroffen, nahm er das Schwert in die Linke, mit der Rechten den Zügel haltend. Erst als ein grimmer Streitaxthieb des Sarus ihm durch den zerschrotenen Helm ziemlich tief in den Schädel gedrungen war, mußte er es geschehen lassen, daß die Gefolgen den Weißhengst herumrissen und mit dem Wunden zurückjagten. Das war fast der einzige Zusammenstoß der Heere. Sehr geschickt führte der König quer durch ganz Griechenland, immer nach Südwesten zurückweichend, seine unbehilflich schwerfälligen Massen stets dicht vor der drohenden Umklafterung davon.

Wortreich war der Dank des geretteten Imperators in Byzanz! Und nicht nur in Worten bestand er, – auch in allerlei Zeichen, die nach viel aussahen und wenig kosteten. So sandte ihm Arcadius sein Mosaikbild, verlieh ihm den Titel »Patricius« und versprach ihm ein Reiterstandbild vor dem Haupttor des Palatiums. Ja, die Gesandten stellten den baldigen Besuch des Kaisers im Lager in Aussicht: er wolle seinem Befreier mündlich danken. Aber die ihm entgegengesandten Ehrenwachen kehrten mit der Meldung zurück, der kaiserliche Zug sei auf der Heerstraße nicht zu sehen.

 


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