Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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III.

Betroffen, ja erschrocken blieb er stehn: sogar einige Röte stieg in die wachsbleichen, fahlen Wangen: »Ih, so weit hatt' ich es nicht treiben wollen! – Aber welche Herrschsucht! Welcher Trotz! Welche Hoffart! Wie ist sie gewöhnt, jede Laune durchzusetzen! Hei, wenn ich nur jetzt noch was wüßte, was sie beißend ärgert!«

Da brachte einer der Briefsklaven auf goldner Schale ein Schreiben, überreichte es kniefällig und glitt hinaus. Mit vor Ärger noch zitternden Fingern riß er es auf: »Ah, dieselbe Bitte um geheimes Gehör. Viermal hab' ich's verweigert: – auf ihren Rat, auf ihr heftig Drängen. Denn sie hält es immer mit meinem – lieben – Doppelschwiegervater! Nun warte, stolze Placidia, warte. Jetzt laß ich die Männer vor.«

So war es gekommen, daß die Feinde Stilichos wider Erwarten ihr Begehren erfüllt sahen: wenig ahnten sie, welchen Ursachen sie diesen Erfolg verdankten. Während sie in einem goldstarrenden, ambraduftenden, schwach erleuchteten Gemach des Kaisers warteten, erörterten sie untereinander die überraschende Wendung. Der Älteste, Bischof Venerius von Mailand, ein Greis, aber von ungebrochner Kraft, mit scharf geschnittnen Zügen und funkelnden Augen, flüsterte: »Danken wir Gott dem Herrn, der den Ketzerfreund aus Palast und Stadt entfernt hat. In seiner Nähe hätte der Imperator uns nie vorgelassen.« – »Ja,« meinte Heraclian der Präfekt, »den fürchtet er mehr als Franken, Goten und Hunnen.« – »Ich hatte schon auf die Unterredung ganz verzichtet und einen schriftlichen Bericht an ihn aufgesetzt,« meinte Olympios. »Aber er liest ja nichts als Hühnerbücher.« – »Kaum Gebetbücher,« seufzte der Bischof. »Da lob' ich mir Tochter Serena.« – »Wo mag der Ketzer weilen?« – »Er mustert die Besatzungen im Osten, gen Ravenna hin,« erklärte Carinus der Legat. »Selbstverständlich lauter Barbaren.« – »Jawohl, Goten aller Stämme, und andre Germanen. Dann Alanen, Hunnen,« grollte der Präfekt. »Römern vertraut er ja römische Festen nicht mehr an. Beim Genius Roms! So geht es nicht mehr fort. Tut der Imperator auch diesmal nicht nach unsrem Willen . . .« – »So wisset ihr nun,« fiel Olympios ein, »aus meinem Munde, daß Arcadius, daß Eudoxia vor allem stets hierzu bereit ist.« – »Ja,« seufzte der Bischof, »säßen doch diese beiden auf den Thronen hier! Arcadius ist ein gehorsamer Sohn der heiligen Kirche; das zeigt die Bestrafung aller Ketzer in seinem Reich, zumal der Arianer.« – »Wohl!« sprach Heraclian, »kann der jüngere Sohn des Theodosius sein Scepter nicht gegen die Faust eines Barbaren schützen, mag es der Ältere ergreifen und . . .« – »Ich denke noch nicht an dies Letzte,« meinte der Legat. »Mag Honorius auf dem Thron bleiben, beherrscht von seiner prächtigen Schwester . . .« – »Und deren tapferem Gemahl Carinus« flüsterte ihm Heraclianus zu. – »Fallen muß nur der Vandale, der verkappte Freund des Gotenkönigs,« fuhr jener fort. »Aber still – der Imperator.«

Nachdem sich die vier Männer von der Proskynese erhoben, ließ sich Honorius auf dem mit Byssos bedeckten Elfenbein-Stuhl nieder, an dessen Rückwand er den immer müden Kopf lehnte: er schien verloren zu gehn in den weiten Falten seines Purpurgewandes. Eine Weile musterte er schweigend die Harrenden: ein häßlich höhnisch Lächeln spielte um die eingekniffnen Lippen, als er begann: »Wenn ihr vier geheim reden wollt, dann weiß ich, von wem ihr reden wollt: von ›dem Mann‹, wie die dummfrechen Leute sagen: denn offen wagt ihr nicht, ihn anzuklagen.« – »Doch, Imperator!« sprachen alle vier wie aus einem Munde. – Honorius stutzte: »Das ist was Neues. Dann gab die Furcht vor ihm euch den Mut gegen ihn.« – »Nein, in Christo geliebter Sohn,« erwiderte salbungsvoll der Bischof. »Sondern die heilige Kirche kann es nicht länger ertragen, daß die gottverhaßten Arianer, die Germanen . . .« – Aber der Augustus winkte verdrießlich mit der Linken ab: »Laß das gut sein, Venerius! Muhme Serena, dein Sprachrohr, predigt mir das täglich zur Genüge. Die Törin! Sie sägt emsig an dem Ast, auf dem ihr Gatte sitzt. Glaubst du, ich behielte diese Pelztiere, könnt' ich sie entbehren? Vielleicht kommt ein Tag . . . – Was hast du für Schmerzen, Olympios?« – »Kaiserlicher Herr, ich durfte dir die Antwort deiner hohen Schwägerin auf deine Einladung . . .« – »Still! Nicht so laut!« Honorius blickte ängstlich nach rechts –: in der Richtung von Placidias Gemächern. – »Zu einem Besuch hier bringen. Sie käme ja so gern: aber unmöglich kann sie unter einem Dache weilen mit ihrem Todfeind, dem Verräter, dem Freund des Balten, . . . dem Vandalen.« – Er lächelte spöttisch: »Meine schöne Schwägerin soll sich beruhigen: ich schicke ihn auf Reisen. Er kann dann Placidia begleiten,« kicherte er vor sich hin. – »Dank! Aber er darf nie zurückkehren in deinen Palast.« – Da zuckte der Imperator die Achseln: »Vielleicht. Auf Reisen gibt es allerlei Unfälle. Schon mancher Reisende ist nicht zurückgekehrt,« und wieder lächelte er.

Da tauschten Heraclian und Carinus bedeutungsvolle Blicke und dieser hob an: »Von solchen Zufällen darf das Geschick des Reiches nicht abhängen, oh Imperator. Du mußt Feind und Freund deinen Willen, deinen Herrscherwillen fühlen lassen.« – Das gefiel dem Männlein in Purpur: »Hm,« nickte er. »Gut gesprochen, Legat: das Wort verdient Lob und Lohn. Ich schicke dir mein Perlhuhn aus Numidia.« – Ermutigt fuhr jener nach tiefer Verneigung fort: »Mein Dank, o Herr, sei volle Offenheit. Wir dürfen dich nicht länger schonen: du mußt die ganze Wahrheit hören: du bist groß und stark genug, sie zu ertragen.« – »Ja,« fiel der Präfekt ein, »der Senat, alles was echtes Römerblut in den Adern hat, wie ich das Blut der Catonen, alles ist empört, daß dieser Barbar, wie er deine Heere befehligt, . . .« – »So,« fuhr Carinus fort, »dem zitternden Senat befiehlt,« – »Und diese deine Heere . . .« – »Das heißt alle Römer darin . . .« – »Sind reif zur Empörung gegen den barbarischen Feldherrn.« – Da erschrak Honorius auf seinem Thron. – »Der in allen Stücken seine germanischen Söldner bevorzugt.« – »Schick' ihn fort,« drängte Heraclian ungestüm, »aus deiner Nähe . . .« – »Aus dem Palast!« – »Aus dem Reich,« mahnte Olympios,

»Wir verlangen nicht sein Haupt,« beteuerte mit frommem Augenaufschlag der Bischof, »ist er doch der Gatte deiner Base, der Vater deiner Gemahlin . . .« – »Aber ein Verräter ist er, der seinen gotischen Freund mehr als einmal entwischen ließ,« schürte der Legat. – »Die Römer hassen ihn tödlich: wir können nicht einstehen für sein Leben,« warnte der Präfekt. – »Gerade um sein Leben zu sichern,« fügte der Bischof bei, »mußt du . . .«

Diese Ausrede, diese Beschönigung schien dem Herrscher einzuleuchten: er nickte vor sich hin. Carinus aber rief ungeduldig und laut: »Ach was! Fort! Fortschicken mußt du diesen Stilicho!«

Da scholl auf dem Marmor der Vorhalle ein schwer dröhnender, hastig nahender Schritt, der Vorhang des Gemaches ward aufgerissen und vor ihnen stand in vollen Waffen, den Kriegsmantel vom Staub scharfen Rittes bedeckt »der Mann«.

»Was muß man mit diesem Stilicho tun?« fragte er mit rollender Stimme, und trat dicht vor den Römer, der erschrocken zurückwich.

»Vergib, Imperator, mein rasches Eintreten. Aber Eile tut not! Ich treffe soeben ein – Tag und Nacht im Sattel von Ravenna her, – mein eigner Bote. Ich will dich sprechen: du schläfst, lügt man. Ich dringe an dein Bett: es ist leer. Ich suche dich im ganzen Palast: endlich, – dank einem Wink deiner Schwester! – find' ich dich hier versteckt! Mit diesen Verschworenen! – Mich wollt ihr verjagen, Legat? Mich ersetzen, Präfekt? Und ich bin doch der einzige, der Kaiser und Reich, Senat und Heer – ja und auch die Kirche, Bischof! – noch retten kann – vielleicht! – vor dem drohenden Verderben. In Ravenna erreichte mich die Nachricht: König Alarich steht in Italien mit hunderttausend Speeren. Hinweggefegt hat er am Timavus dein – ›römisches!‹ – Heer unter Heraclius, Heraclians Bruder, nicht mein ›germanisches‹, und Alarich – hör' es, Honorius! – zieht auf Rom. Jetzt schicke Stilicho fort!«

 


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