Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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IV.

Nachdenklich wollte er das dumpfe Gemach verlassen, draußen auf dem weiten Reitplatz vor dem Palast durch eine Schau über die neu angeworbenen germanischen Leibwachen – die »Custodes« – des Kaisers sich zu erfrischen, da traten über die Schwelle seine Gattin und sein Sohn, offenbar in Unfrieden untereinander: seufzend bemerkte das der Gemahl und Vater.

Serenas edle Züge hatten unter den Jahre hindurch fortgesetzten frommen Übungen einen allzustrengen, ja finsteren Ausdruck angenommen: sie begann: »Herr Sohn, verklage mich beim Vater wenigstens in meiner Gegenwart.«

Der Jüngling mit den traurigen Augen schüttelte die dunkeln Locken: »Mutter, ich wagte nur, zu bitten.« – »Aber als das nichts half, da wardst du . . .« – »Betrübt. Nicht meinethalben wahrlich.« – »Was ist?« fragte Stilicho ermüdet.

»Es ist, daß dein Sohn ein halber Heide ist. Ja, ja! Er verkehrt, er lebt nur mit Künstlern, Kunstforschern, Gelehrten und Poeten: man weiß aber, all' diese Menschen denken mehr an Apollo denn an Christus. Und zumal sein Busenfreund, der junge Claudian, der Versedrechsler! Man sagt, der sei ein ganzer Heide.« – »Jedenfalls ein ganzer Dichter,« sprach Stilicho ernst, »der größte seit Vergilius.« – »Unser Sohn verdirbt es mit der heiligen Kirche!« – »Die möchte am liebsten mich verderben,« lächelte der Vater bitter. – »Am letzten Sonntag soll sogar schon in der Basilika Sankt Johannis gegen ihn und gegen Claudian gepredigt worden sein.« – »Gegen was und gegen wen predigen sie nicht, diese deine Heiligen auf Erden!« – »Nicht gegen dich, da sei Gott vor,« rief sie erschrocken. »Wir dürfen nicht die Gunst der Heiligen verwirken, nicht der im Himmel, nicht der auf Erden.« – »Unter diesen sind gar sonderbare,« grollte Stilicho. »Aber euer Streit . . .?«

»Kein Streit, Vater, Ich bat nur die Mutter . . .« – »Zurückzuweichen vor dem Zorn seiner heidnischen Freunde und Götzendiener! Ich erfuhr, daß in dem längst – seit Constantius – geschlossenen Tempel der Rhea das Marmorbild der Götzin eine kostbare Halskette trage. Was braucht die Dämonin solchen Schmuck? Ich ließ mir die Cella öffnen, nahm den Schmuck . . .« – »Ei nicht doch!« zürnte der Gatte. – »Warte doch mit deiner Schelte! Nicht für mich wahrlich! Es sind herrliche Perlenschnüre. Ich schenkte sie dem Bild der heiligen Jungfrau in ihrer ärmlichen Kapelle jenseit des Tibers. Das erfuhren die Heidenfreunde – und sie toben.« – »Sie toben nicht, Mutter, sie klagen.« – »Wie erfuhren sie's?« forschte Stilicho. – »Ja, wie? Durch Rechtsbruch! Denn immer noch stehlen sich die Götzendiener, kirchlichen und weltlichen Gesetzen trotzend, durch Bestechung der Pförtner in ihre gesperrten Tempel, dort zu opfern. So fanden sie's aus. Keinesfalls darfst du der Heiligen einen Schmuck wieder nehmen, den sie einmal hat. Schwer würde sie zürnen!«

Stilicho lächelte: »Ist also wie andere Frauen!« Nun aber furchte er die Brauen: »Ich werde dem Tempel – er ist nur geschlossen, nicht eingezogen – den Wert ersetzen, obwohl ich des Geldes zur Zeit zu ganz anderem dringend bedarf. Übrigens, Eucherius, glaubst du an die Wunder der Göttin Rhea?« – »So wenig, mein Vater, wie an die der Jungfrau Maria.« – »Unseliger!« rief die Mutter und schlug ein Kreuz.

Aber Stilicho lächelte schon wieder: »Lassen wir allen Leuten ihren Glauben, Eucherius. Aber auch ihren Unglauben, Frau. – Allein, lieber Sohn, nun wirst du auch deinen Vater anklagen bei deinen Heiden. Ich brauche Gold, viel Gold: mehr noch als für Rom, für Byzanz, dem ich Söldner werde schicken müssen – gegen Freund Alarich. Zum Dank wird mich Rufinus wieder des Hochverrats beschuldigen bei beiden Kaisern. Da hab' ich denn eine kleine Anleihe gemacht bei dem Jupiter des Kapitols: ich habe die schweren Goldplatten der Wände einschmelzen lassen, Hunnen und Alanen damit zu werben.« – »Ich weiß darum, Vater: ich schelte nicht: das Imperium geht allem vor, so lehrtest du mich vom Knaben an. Aber weißt du auch, was sich auf der Rückseite der Platten eingeritzt fand? ›Fluch dem Räuber!‹ Eine Verwünschung hast du auf dich geladen, die uralt ist.« – »Doch nicht,« lachte der Vater. »Der Fluch ist geflucht in den Schriftzügen unserer Tage: nach der Abnahme eingeritzt. Priester sind Priester: man muß sich alle vom Leibe halten.« – »Du lästerst, mein Gemahl! Die Zeit kann kommen, da nur der Christenpriester Gebet dich retten mag.« – »Dann bin ich verloren. – Und nun, vertragt euch. Rom hat Raum für viele Götter nebeneinander.« – »Ja, du läßt sogar deine germanischen Söldner ihren Götzen opfern!« grollte Serena.

»Gewiß. Weh dem, der Göttern opfert, an die er nicht glaubt. – Genug! – Komm mit, Eucherius! Nicht immer bei den Büchern! Aufs Pferd! Alanische Reiter sind frisch angekommen; Saulus führt sie, ein abenteuernder Haudegen, ein wilder Heide, aber auch ein wilder Reiter. Wir wollen sehen, wie er führt und reitet! Heute hab' ich noch eine freie Stunde: – morgen gilt es wichtige Entscheidung.«

 


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