Felix Dahn
Attila
Felix Dahn

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Siebentes Kapitel.

Der Alte war schon wieder befriedigt: mit einem begeisterten Blick auf seinen Herrn rief er: »Und an dich glauben – mehr als du selbst – deine Hunnen und Chelchal. Mehr, ach! mehr als an die frommen Lehren der Väter! – Gerade das, wovon wir sprachen, weist es dar.« – »Wie meinst du das?« »Nun, du weißt ja –« hier dämpfte der Alte die Stimme, wiewohl kein Lauscher um die Wege sein konnte, »Unheil und Verderben strömen aus schon von der Leiche des vom Weibe getöteten Mannes auf alle in der Nähe: wie die Pest flieht der Hunne einen so Erschlagenen. Und du weißt auch, welcher Fluch nach unsres Volkes uraltem, felsenfestem Glauben trifft nicht nur den Mann selbst, der da stirbt von der Hand eines Weibes, – auch seine Söhne! Und doch glauben sie an dich und dein unwandelbares Glück.«

Leise zusammenschauernd, wie fröstelnd, und den weiten Mantel fester um die Schultern ziehend, sprach der Herrscher: »Den einen Sohn traf es schon! – Muß es denn auch den andern treffen? – Nein doch! – Damit ist der Fluch erfüllt, gesättigt. Die Hälfte der Erfüllung, mein' ich, ist übergenug für solch dummen Aberglauben.« – Er versuchte zu lächeln; aber es mißlang. »Hüte dich, Attila! Reize die Götter nicht! Daß sie nicht auch die zweite Hälfte erfüllen – an dir.« – »Bah! Sollte wirklich solcher Glaube gelten, so glaub' ich lieber der Weissagung, die mir erst neulich ward, als wir die gefangenen Boranenfürsten opferten. Aus ihren zuckenden Lebern las mir der Zauberpriester: ›Dich, Attila, wird nicht wunden Erz, noch Stein, noch Holz: nicht Messer, nicht Speer, nicht Pfeil, nicht Axt, nicht Keule: in deinem Schlafhaus, auf deinem Lager wirst du sterben in schönen Weibes weißen, weichen, bräutlichen Armen.‹« Behaglich die kleinen Augen schließend, die Vorstellung in sich schlürfend, sprach er die Worte langsam vor sich hin.

»Oh du kluges Haupt! Und du merkst nicht, der Zauberer – es war ja kein Hunne, ein durch die Lande fahrender Thessaler! – spendet nur solche Weissagung, die, wie er richtig rät, dir wie eitel Honig mundet? Denn immer noch unersättlich bist du der Weiber.« – »'s ist nicht bloß Lust, Chelchal. Hat tieferen Sinn. Und – verderblichere Ursach. – Nun aber vernimm von Bledas Ende. – Als wir des Vaters Reich und Schätze brüderlich geteilt hatten, das heißt ganz gleich . . .« – »Das war edel von Bleda. Er war der Ältere. Er hatte das Recht auf das Ganze. Er gönnte dir die Hälfte. Das war edel.« »Aber dumm,« grollte der Chan und zog die finstern Brauen zusammen. »Es kostete ihm das Leben. – Also: wir herrschten ein paar Jahre in Eintracht . . .« – »Denn Bleda war sehr gerecht.« »Hör' auf, ihn zu loben,« unterbrach Attila rauh. »Er ist lange verfault, – er kann dir's nicht lohnen. Wir hielten die Nachbarn in Frieden, wehrten einzelne Angriffe ab. Jedoch der Hunnen Macht schmolz dahin.« – »Nein. Sie wuchs nur nicht.« – »Das ist mir schon zerschmolzen. – Umsonst drängte ich ihn zum Kampfe gegen Byzanz, Ravenna, die Goten. Die günstigsten Gelegenheiten, Thronkriege, Bruderkriege, Empörungen in den Nachbarreichen, – er verpaßte sie. ›Zeig' mir ein Unrecht, Bruder,‹ sprach er, ›das uns zugefügt wird, und ich werd's nicht dulden. Unrecht üben aber werd' ich nicht.‹« – »Ein weiser Fürst!« – »Ein Schwächling! – Ich allein, mit der Hälfte nur der Hunnen, war nicht stark genug für meine Pläne.« – »Die Unterjochung der Welt!« – »Nur Kleinigkeiten konnt' ich unternehmen. Und oft genug fiel mir auch hierbei der Bruder, von den Bedrohten um Schutz angerufen, hemmend in den schon erhobenen Arm, wenn er mich im Unrecht wähnte. Lange trug ich's, knirschend, bis der Gott mich sein entledigte. – Wieder einmal hatte ich ihn aufgesucht, ihn fortzureißen zum Angriff auf Byzanz, wo drei Parteien sich zerfleischten: der Sieg war zweifellos. Er wies mich ab, kühl zuerst, dann, als ich heißer drängte, unwillig. ›Nun gut,‹ rief ich zornig, ›so schlag' ich allein los.‹ – ›Du bist zu schwach,‹ entgegnete er. – ›Das wollen wir sehen,‹ sprach ich und wandte mich, zu gehen. Da drohte er – und das ward sein Verderben! – ›Hüte dich, halt Ruhe!‹ gebot er. ›Längst schon reut mich, seit ich deine wilde Gier erkannt, daß ich dir das halbe Erbe gab. – Halte Friede! Sonst werd' ich deine Hunnen fragen, ob nicht noch jetzt das Recht des Erstgebornen in Geltung treten soll. Laß doch sehen, ob nicht auch deine Völker lieber unter meiner milden Hand in Frieden leben, als unter deiner Geißel gegen alle Nachbarn gehetzt werden wollen.‹ Und er ließ mich stehen und schritt stolz davon.

Zuerst erstarrte ich vor stummem Grimm.

Dann stieß ich einen gellenden Schrei aus und jagte davon aus seinem Lager in dem Donauwald. Sobald ich mein Zelt erreicht hatte an der Theiß, warf mich ein hitzig Fieber danieder. In der folgenden Nacht hatte ich ein Traumgesicht . . .« er hielt inne, holte tief Atem und sprach dann feierlich: »das entschied sein Geschick. Und das meine! Und das Geschick von tausend Völkern. –«

 


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