Felix Dahn
Attila
Felix Dahn

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Fünftes Kapitel.

»Der Übermut dieser Kuhdiebe,« grollte der Rhetor, »ist unsagbar und untragbar! Vor einigen Jahren begleitete ich eine ähnliche Jammer-Gesandtschaft aus Byzanz zu den Hunnen. Bald hinter Margus stießen wir auf die uns entgegengeschickten Gesandten Attilas. Diese schmutzstarrenden Kerle weigerten sich, uns zu begrüßen und in den Zelten mit uns zu verhandeln. ›Nur sechsfüßig verhandelt der Hunne,‹ ließen sie uns sagen. »Wir verstanden es nicht, das kentaurenhaft gedachte Rätsel, bis wir es sahen. Sie stiegen nicht ab. Um keinen Preis! Sie verlangten, nur zu Roß – vom Sattel! – mit uns zu beraten! Unmöglich konnten wir doch stehend, zu Fuß, zu den andern demütig emporblickend, verhandeln. So blieb uns nichts übrig – da jene, auf alle Vorstellungen keine Miene verziehend, ruhig sitzen blieben – als wieder aufzusteigen: und so berieten denn mit den Hunnen kaiserliche Gesandte, römische Männer, Konsularen, zu Pferd, als ob sie lediglich einer andern Horde dieses Gesindels angehörten!

Das Ergebnis war so demütigend wie die Form: wir versprachen Auslieferung aller zu uns Geflüchteten – darunter waren zwei Königssöhne eines Attila feindlichen Geschlechts, Attaca und Mamo, – – sofort ließen seine Boten sie kreuzigen vor unsern Augen! – wir versprachen, mit keiner Attila feindlichen Völkerschaft Verträge zu schließen, wir versprachen eine Jahresschatzung – vom Römerkaiser an den Hunnenhäuptling! – von siebenhundert Pfund Goldes statt der bisherigen dreihundertfünfzig. Sie verlangten, daß wir bei dem Leben des Kaisers, auf das Kreuz und die Evangelien, diese Verträge beschworen, während sie ein Pferd schlachteten, ihm den Bauch aufschlitzten, die nackten Arme bis an die Ellbogen in dessen Eingeweide tauchten und dann die roten, dampfenden Hände zum Eide in die Luft reckten, bis das Blut daran getrocknet war.«

»Mit solch wölfischem Getier müssen wir uns schlagen und vertragen!« zürnte der Präfekt. »Nun erzähle aber weiter, Patricius, von dieser deiner gegenwärtigen Reise,« mahnte Romulus. »Wie über die Donau,« fuhr Maximinus fort, »kamen wir auch über den Tigas und Tiphisas: auf Einbäumen, welche die Hunnen dann auf Wagen laden – oder auch auf mehrere zusammengekoppelte Gäule – und sie so über Land fortschleppen, bis sie derselben an einem Wasser wieder bedürfen.« »Auf Befehl unserer hunnischen Begleiter,« ergänzte Priscus, »die überallhin ihre windschnellen Reiter entsendeten, mußten uns die Leute aus weitentlegenen Dörfern und Einödhöfen Lebensmittel bringen. Die armen Bauern haben statt Weizen oder Korn hier nur noch Hirse, statt Weines nur Met, aus dem Honig der Wildbienen bereitet, und ein seltsam schäumend Getränk, das sie aus halbfauler Gerste gären lassen und ›Camus‹ nennen.«

»Die nächste Nacht erging es uns schlimm. Wir lagerten nach langer Tagereise in der Nähe eines Weihers, der den Rossen und uns Wasser geben sollte. Aber kaum hatten wir die Zelte aufgeschlagen, als ein schweres Unwetter losbrach unter Blitz und Donner und Platzregen und einem wütenden Wirbelwind. Der hob unser Zelt auf und all' unser darum her ausgepacktes Gerät, trug es in die Lüfte und warf es in den Weiher. Entsetzt stoben wir auseinander und gerieten in der Finsternis, vom Regen durchnäßt, vom Winde gepeitscht, in die sumpfigen Ufer des Weihers. Auf unser Geschrei liefen die Fischer und Bauern der nächsten Hütten zusammen, und da gerade der Regen nachließ, konnten sie die langen, markigen Schilfrohre, die ihnen als Fackeln dienen, endlich entzünden, in Brand erhalten und bei deren Schein uns auch einen Teil unseres vom Sturm vertragenen Gepäckes aus dem Morast herausholen in ihre elenden Lehmhütten, in welchen – statt des ringsum fehlenden Holzes – das trockne Schilf auch zur Feuerung dienen mußte.«

»Am Tage darauf dagegen,« fuhr Priscus fort, »sollten wir desto bessere Unterkunft finden. Wir erreichten ein Dorf, welches der Witwe Bledas gehört.« – »Wer ist das?« – »Bleda war Attilas früh verstorbener Bruder und Mitherrscher.« – »Dieselbe blieb für uns unnahbar: Attila hat verboten, daß sie mit einem Manne spreche.« »Er wird wohl wissen, weshalb!« meinte Priscus trocken. »Aber sie lud uns in eins ihrer Häuser, schickte uns reichliche und gute Nahrung und – nach Sitte hunnischer Gastfreundschaft – schöne Sklavinnen.« – »Wir nahmen die Speisen gern an, lehnten die lebendigen Geschenke dankend ab und schickten der Fürstin als Gegengabe drei silberne Schalen, rote Wolldecken, indischen Pfeffer, Datteln, byzantinisch Backwerk und andre Leckerbißlein, daran Frauen gern naschen, wünschten ihr des Himmels Segen für ihre Wirtlichkeit und zogen weiter. Einmal mußten wir die gute und nächste Heerstraße räumen und in einen elenden, pfützenreichen Heideweg einlenken, nur weil jene benutzt ward durch Gesandte eines unterworfenen Volkes. – Ich glaube, Gepiden heißen sie und sind Germanen.« »Jawohl, von der großen Gruppe der Goten,« erklärte Priscus. »Als wir Einspruch erhoben, meinten die Hunnen achselzuckend: ›Unterwirft sich euer Kaiser, dann mögen seine Boten auch Ehre gewinnen!‹ Das war vor sieben Tagen. Seitdem ist uns nichts Erwähnenswertes mehr begegnet.«

»Und was führt euch aus Ravenna und dem Westreiche zu Attila?« forschte der Patricius.

»Das alte Elend!« erwiderte Romulus. »In stets wechselnder Gestalt! Er kennt unsre Schwäche, und er kennt seine Kraft. Er wird nicht müde, seine Kraft gegen unsre Schwäche zu mißbrauchen, uns auszusaugen, zu demütigen, zu quälen.« »Keinen Anlaß,« fuhr der Präfekt von Noricum fort, »läßt er sich entgehen. Keiner ist ihm zu gering!« – »Diesmal sind es ein paar elende Schalen, um derentwillen zwei vornehme Römer, ein Comes und der Präfekt von Noricum, sich in diese Steppen und in diese Schmach begeben müssen.« – »Ein Römer, Constantius, Unterthan Attilas, hat während der Belagerung von Sirmium durch die Hunnen von dem Bischof der Stadt goldnes Kirchengerät empfangen, den Bischof und andre Bürger, wenn die Stadt fiele, aus der Gefangenschaft loszukaufen.« – »Die Stadt fiel. Der Römer aber brach sein Versprechen, ging mit den Schalen nach Rom und verpfändete sie dort an den reichen Wechsler Sylvanus.« – »Allzu kühn kehrte Constantius zu Attila zurück. Der erfuhr seine Schliche, schlug ihn ans Kreuz und fordert nun . . . –« – »Die Auslieferung des Sylvanus, der jene zur Beute von Sirmium gehörigen Schalen gestohlen oder doch ihm vorenthalten habe.«

»Wie können wir den Mann ausliefern, der ohne jede Schuld?« – »Doch Attila droht mit Krieg, wenn wir uns weigern.« »Er könnte ebensogut mit Krieg drohen, weil der Kaiser eine ihm mißfallende Nase hat,« meinte Priscus.

»Und wir müssen nun den Barbaren bitten und durch Demut besänftigen und durch Geschenke bestechen, bis er uns jene Schmach erläßt.« »So wollen wir denn,« seufzte Maximin – »nicht viel anders lautet unser Auftrag – gemeinsam diesen Weg der Schande ziehen.« – »Ja! Aber Genossen dieses Unheils zu haben, ist, trotz dem Wort des Dichters, kein Trost!« – »Ravenna und Byzanz in gleiche Schmach getaucht!« »Die Ampel ist am Erlöschen! Suchen wir den Schlaf,« mahnte Priscus, »das Vergessen und die Größe Roms – im Traum.«

 


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