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15. Kapitel.
Der Besuch in Bayreuth


Walpurgas Ferienaufenthalt daheim mußte nun etwas abgekürzt werden, da sie mit Frau Doktor nach Bayreuth reisen sollte.

Die Eltern ließen sie nur ungern früher fort, aber sie wollten ihrem Kinde doch die Freude nicht trüben.

Und Walpurga freute sich unsagbar auf den Nibelungen-Zyklus. Ihr ganzes Wesen schien überhaupt wie beschwingt, seit Richard Wagner in ihr Schicksal eingegriffen hatte.

Sie konnte nun kaum die Zeit erwarten, bis sie mit ihren Gesangsstudien beginnen konnte.

An Frau Dr. Moritz hatte sie gleich, nachdem der König und Richard Wagner ihr Elternhaus verlassen hatten, geschrieben und ihr mitgeteilt, daß sie nach Bayreuth reisen sollten.

Frau Doktor war eine große Wagnerschwärmerin und freute sich nicht wenig auf diese Aufführungen.

Als nun Walpurga im Institut eingetroffen war und Frau Doktor mit leuchtenden Augen erzählt hatte, wie der König und Richard Wagner über ihre Zukunft bestimmt hatten, da sagte diese lächelnd:

»Liebes Kind, so hat sich von selbst gefügt, was ich dem König als Bitte vortragen wollte. Dein Musiklehrer hat es mir zur Pflicht gemacht, Seine Majestät darum zu bitten, daß er Dich zur Sängerin ausbilden lassen möchte. Auch ich selbst habe mir schon oft gedacht, daß Du zur Künstlerin geboren bist. Ich kenne Dich ja nun so lange Jahre und kann mir wohl ein Urteil darüber erlauben.

Und daß sich der berühmte Richard Wagner selbst für Dich verwendet, beweist mir, daß Dir wirklich eine große Zukunft beschieden ist. Möge Dir auch eine glückliche zuteil werden. Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute, denn Du verdienst es!«

Die beiden Damen rüsteten sich nun freudig zur Reise nach Bayreuth.

Frau Dr. Moritz war nicht minder erwartungsvoll als Walpurga. Sie konnte ja noch mehr als diese ermessen, welche Auszeichnung ihnen zuteil wurde. Tausende mußten auf die Teilnahme an diesem großen künstlerischen Ereignis verzichten, weil nur der kleinste Teil aller, die sich darum bemühten, Einlaß zu diesen Vorstellungen finden konnte.

Es waren unvergeßliche Tage für Walpurga sowohl wie für alle, die diese Erstaufführung des Nibelungen-Zyklus erleben durften.

Eine glänzende Gesellschaft war in Bayreuth versammelt. Der Deutsche Kaiser, König Ludwig und viele andere Fürsten, eine Menge berühmter Leute und die Abgesandten der hervorragendsten deutschen Zeitungen waren anwesend. Und alle diese Menschen waren sich bewußt, etwas Großes zu erleben.

Walpurga saß wie im Traum, wie in eine andere Welt versetzt neben Frau Dr. Moritz im Zuschauerraum.

So erregt umklammerte sie immer wieder den Arm ihrer Begleiterin, daß diese ihr leise beruhigend die Hand streichelte, obwohl sie selbst sehr erregt war.

Walpurgas Seele schwelgte in den herrlichen Tönen, und im Geist sah sie sich schon selber da oben auf der Bühne stehen und die Idealgestalten des großen Meisters verkörpern.

Nach den Aktschlüssen saß sie stumm und regungslos und blickte mit Tränen in den Augen zu ihrem geliebten König empor. Und es tat ihr weh wie ein körperlicher Schmerz, daß er traurig und leidend aussah. –

König Ludwig hatte inzwischen sein Schloß Chiemsee zum Aufenthalt gewählt und war von Chiemsee nach Bayreuth gekommen. Er wohnte in dem Lustschloß Eremitage.

Ganz still und ohne Gefolge war er eingetroffen. Es kostete ihn große Ueberwindung, sich all den fremden Menschen zu zeigen. Aber er hatte seinem Freunde Wagner sein Wort gegeben, und das mußte er halten.

Die stürmischen Ovationen, die ihm, dem königlichen Freunde und großmütigen Förderer Wagners, von der begeisterten Menge dargebracht wurden, quälten ihn unsagbar.

Walpurga sah, wie es in seinen Zügen zuckte, sie wußte, daß er Schmerzen litt. Das füllte ihr junges Herz mit bitterem Weh.

Am liebsten wäre sie an seine Seite geeilt und hätte ihn getröstet, ihm allerlei vorgeplaudert, bis er wieder heiter wurde. Noch nie hatte ja dies Heilmittel versagt.

Aber sie durfte das natürlich nicht tun. Hier in der großen Versammlung fühlte sie erst so recht, wie hoch der König über dem schlichten Försterskind stand.

Gleich nach der letzten Vorstellung war König Ludwig still und klanglos abgereist und nach Schloß Chiemsee zurückgekehrt.

Walpurga hatte noch einen letzten Blick, einen unmerkbaren Gruß von ihm erhascht, und in ihre schwärmerische Begeisterung für das erhabene Werk, das sie hatte sehen dürfen, mischte sich eine stille Betrübnis, weil sie den geliebten König leidend und traurig wußte. Sie liebte und verehrte ihn so sehr und litt mit ihm.

Zum Glück wußte Walpurga nicht, wie ernst und schwer das Leiden des Königs war, sie hätte sonst nicht Ruhe gefunden.

Bis in das Innerste ihres Wesens erschüttert von all dem Großen und Schönen, was sie gehört und gesehen hatte, kehrte Walpurga nach München zurück. Auch Frau Dr. Moritz war noch ganz erfüllt von dem Genuß, der sich ihr geboten hatte.

Es war gut für die beiden Damen, daß die Schule sofort begann und ihre Pflichten ihnen wieder das Gleichgewicht zurückgaben. –

Gleich in den ersten Tagen, an einem Sonntag vormittag, besuchte Margarete, die jetzige Baronin Wetzlaff, ihre Freundin Walpurga.

Diese erzählte ihr mit glühender Beredsamkeit von den Bayreuther Festspielen und eröffnete ihr, welchen Wendepunkt nächstens ihr Leben nehmen werde.

Margarete hörte ihr mit ihrem lieben, alten Lächeln zu und sagte dann freundlich:

»Vielleicht ist das der rechte Weg für Dich, Walpurga. Für ein Ausnahmewesen hab' ich Dich schon immer gehalten, und wenn ich bedenke, wie Dein Gesang bei meiner Hochzeitsfeier in der Kirche auf uns alle gewirkt, wie er uns das Herz tief bewegt hat, dann glaube ich fest und bestimmt, daß Du zu Großem berufen bist. Ich werde immer mit großer Teilnahme Deinen Weg verfolgen!«

»Wirst Du auch meine Freundin bleiben, wenn ich Opernsängerin geworden bin, Margarete?« fragte Walpurga ernst.

Margarete küßte sie herzlich.

»Es wäre sehr schlecht um meine Freundschaft bestellt, wollte sie sich durch Aeußerlichkeiten beeinflussen lassen. Bleib' Du nur immer Du selbst, werde Dir selbst nicht untreu, dann werde ich es ganz gewiß auch nicht!«

Margarete lud Walpurga und Frau Doktor ein, sie in ihrer Wohnung zu besuchen.

Und am nächsten Sonntag schon folgten die beiden dieser Einladung.

Margarete zeigte ihnen mit reizender, hausfräulicher Würde ihre schöne, vornehm ausgestattete Wohnung, und bestand darauf, daß die beiden Damen zu Tisch blieben, damit sie dieselben mit ihrem jungen Gatten bekannt machen konnte.

Baron Wetzlaff, ein stattlicher, schlanker Herr von etwa dreißig Jahren, mit einem sympathischen Gesicht und lebhaftem, heiteren Wesen, kam dann auch kurz vor Tisch von einem Ausgang nach Hause zurück und begrüßte Frau Doktor sehr artig, Walpurga jedoch gleich mit einem lachenden Gesicht.

»Von Ihnen hat mir meine Frau schon soviel erzählt, mein gnädiges Fräulein, daß Sie mir gar nicht fremd sind. Und Ihre schöne Stimme hab' ich ja auch schon gehört – in der Kirche. Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen von Angesicht zu Angesicht!«

Walpurga sah ihm mit ihren klaren, blauen Augen froh ins Gesicht.

»Ich freue mich auch, Herr Baron!« antwortete sie schlicht, und sie freute sich, daß ihr der Mann ihrer besten Freundin einen so günstigen Eindruck machte.

Als sie sah, wie liebevoll er seine junge Frau ansah und wie er um sie besorgt war, da war sie ganz glücklich, denn sie wußte nun, daß Margaretes sonnenlose Kindheit im Glück ihrer Ehe bald vergessen sein würde.

Erst am späten Nachmittag ließ Margarete die beiden Damen wieder fort, und sie mußten versprechen, bald einmal wiederzukommen.

Als das junge Ehepaar allein war, sagte der Baron lächelnd zu seiner Frau:

»Deine Freundin Walpurga ist wirklich ein lieber, kleiner Schelm. Ich glaube Dir, daß sie Dir oft ein Trost gewesen ist, als Du so einsam im Institut hausen mußtest. Uebrigens merkt man ihr in keiner Weise an, daß sie ein schlichtes Kind aus dem Volke ist. Sie würde manche Aristokratin in den Schatten stellen!«

»Weil sie den Adel des Herzens besitzt; der ist wertvoller als der Geburtsadel und gibt immer dem Menschen ein edles Gepräge, gleichviel aus welchen Kreisen er stammt. Ich habe sie sehr lieb, meine kleine Walpurga, und möchte sie nie verlieren!«

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