Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
König Ludwig II. von Bayern hatte seine Verlobung mit der Herzogin Sophie Charlotte, seiner Cousine, wieder gelöst.
So schnell und unerwartet diese Verlobung geschlossen worden war, so unerwartet wurde sie, wenige Tage vor der bereits vorbereiteten Hochzeit, gelöst.
Warum der König diesen Schritt getan hat, ist niemals ganz aufgeklärt worden. Jedenfalls hatte er sich über irgend etwas sehr gekränkt und verletzt gefühlt.
Man sagt, er habe Charaktereigenschaften an seiner Braut entdeckt, die es ihm unmöglich machten, sie zu heiraten. Und so trennte er sich von ihr.
Diese trübe Erfahrung hatte seinen ohnehin schon sehr ernsten und schwermütigen Charakter noch mehr verdüstert.
Kurz vorher hatte er sich auch von seinem über alles geliebten und verehrten Freund, Richard Wagner, dessen begeisterter Förderer er war, trennen müssen.
Wagners zahlreiche Feinde und Neider hatten gegen ihn intrigiert und ihn aus der Nähe des Königs gedrängt, weil sie ihm die Liebe des Königs mißgönnten.
Nun fühlte sich der junge König doppelt vereinsamt und unglücklich, und zog sich voll Schwermut in die Einsamkeit der Berge zurück.
Aber auf keinem seiner Schlösser fand er lange Ruhe. Er zog von einem zum anderen, nur von wenigen erprobten Dienern umgeben, immer allein mit sich und der herrlichen Natur, die einzig einen erhebenden und befreienden Einfluß auf ihn auszuüben vermochte.
Trotzdem sich König Ludwig II. von seinem Volke geliebt und vergöttert wußte, befiel ihn eine große Menschenscheu.
Nur wenn er es gar nicht umgehen konnte, begab er sich auf kurze Zeit nach München zurück, um seine Regierungsgeschäfte zu erledigen und seinen Repräsentationspflichten zu genügen.
Soviel es anging, ließ er seine Minister auf seine Schlösser kommen und sich dort von ihnen Vorträge halten. Dort mußten sie auch seine Befehle und Anordnungen entgegennehmen.
Das Bayernvolk trauerte um die Weltflucht seines jungen Königs. Denn nie ist ein Fürst so schrankenlos geliebt und verehrt worden wie er. Seine Schönheit war berühmt wie sein hoher Geist und seine edlen Charaktereigenschaften.
Am liebsten verkehrte der König nur noch mit der schlichten Landbevölkerung. Die Söhne seiner Berge in ihrer treuherzigen, biederen Natürlichkeit, die ihm so ganz ohne Falsch und Heuchelei erschienen, dünkten ihm eine wertvollere Gesellschaft als seine Hofleute, von deren Unaufrichtigkeit er sich leider sehr oft hatte überzeugen müssen.
Ludwig II. war sehr jung zur Regierung gekommen.
Er war am 25. August 1845 geboren und am 10. März 1864 starb sein Vater, König Maximilian von Bayern.
König Ludwig war also erst neunzehn Jahre alt, als er den Thron bestieg.
Mit seinem Bruder, dem Prinzen Otto zusammen, war er sehr schlicht und einfach erzogen worden. Sein Vater hielt streng darauf, daß seine beiden Söhne bescheiden und im strengsten Gehorsam aufwuchsen.
So zum Beispiel bekam der König Ludwig als Kind selten einmal eine Näscherei, und es wird erzählt, daß sein Kindermädchen Liese, die ihn sehr liebte, heimlich von ihrem Gelde für ihn Zuckerstangerln kaufte. Es erschien ihr grausam, einem Kronprinzen zu verweigern, was jedes Arbeiterkind genießen durfte.
Der Kronprinz Ludwig und sein Bruder Otto waren immer sehr knapp bei Kasse.
Eines Tages las nun Prinz Otto in einer Zeitung, daß ein Zahnarzt für guterhaltene Zähne Geld zahlte. Sofort lief er zu diesem Zahnarzt und bot ihm seine eigenen Zähne zum Kauf an, um sich Taschengeld zu schaffen. Er wollte sie sich einfach ausziehen lassen.
Natürlich ging der Zahnarzt nicht darauf ein, sondern schickte den Prinzen lachend nach Hause.
Sehr betrübt, daß nichts aus diesem verlockenden Geschäft geworden war, entfernte sich Prinz Otto.
Das kam der Königin, seiner Mutter, zu Ohren, und sie dachte darüber nach, wie sie ihren Gemahl bestimmen könnte, das Taschengeld ihrer Söhne zu erhöhen.
Die beiden Prinzen bekamen jede Woche nur dreißig Kreuzer, ungefähr neunzig Pfennige nach unserem Gelde. Das war gewiß sehr wenig für königliche Prinzen.
Der König ging aber nicht davon ab, und erst an seinem achtzehnten Geburtstage erhielt Kronprinz Ludwig eine Börse, in der sich von jedem Geldstück, das im Bayernlande gültig war, ein Stück befand, vom Goldstück bis zum Kupferpfennig.
Da dünkte sich der Kronprinz reich wie ein Krösus und dachte:
»Was fange ich nun mit dem vielen, vielen Gelde an?«
Edel und gut, wie er war, wollte er nun zuerst einem anderen Menschen damit Freude machen. Und da ihm von allen Menschen seine Mutter am liebsten war, überlegte er sich, wie er ihr mit Hilfe seines Reichtums einen Wunsch erfüllen konnte.
Die Königin hatte nun kurz zuvor von einem Medaillon erzählt, das sie bei einem Juwelier gesehen und das ihr so gut gefallen habe. Sie wünschte es zu besitzen.
Daran dachte Kronprinz Ludwig nun, und eilends begab er sich zu dem Juwelier und verlangte das bezeichnete Medaillon zu kaufen, um es der geliebten Mutter zu schenken.
Der Juwelier brachte es herbei, und ohne nach dem Preise zu fragen, reichte der Kronprinz seine neue, gefüllte Börse hin und sagte, der Juwelier möge sich soviel Geld herausnehmen, als das Medaillon kostete.
Da stellte sich aber heraus, daß der Schatz des Kronprinzen, den er für unermeßlich hielt, bei weitem nicht ausreichte für diesen Kauf.
Darüber war er sehr betrübt und erstaunt.
Und ein einziges Jahr später war dieser einfache und in Geldsachen so unerfahrene junge Kronprinz bereits König von Bayern, besaß viele Schlösser und Burgen mit herrlichen Schätzen und konnte frei über Millionen verfügen!
Im Jahre 1867 verlobte sich Ludwig II. mit der Herzogin Sophie Charlotte.
Diese Verlobung löste er aber, wie wir im Anfang dieser Erzählung bereits bemerkten, vor der Hochzeit wieder auf. Und seit dieser Zeit lag auf seinen schönen, stolzen Zügen der Ausdruck einer hoffnungslosen Melancholie. –
Es war im Sommer 1868.
König Ludwig wohnte gerade auf seinem Schloß Hohenschwangau und trug sich bereits mit der Absicht, in der nächsten Nähe desselben das Schloß Neuschwanstein zu bauen, zu dem auch wirklich schon 1869 der Grundstein gelegt wurde.
Im Geiste sah der König dies Schloß schon fertig vor sich. Wie eine Märchenburg sollte es sich auf schroffen Felsen erheben.
Den zur Pöllatschlucht jäh abstürzenden Felsrücken des Berzenkopfes hatte er sich als Bauplatz erwählt.
Und so, wie es der König sich erdacht und ersonnen hatte, so erstand später auch wirklich das herrliche Schloß mit seinen prächtigen Sälen, in denen wundervolle Wandgemälde, Szenen aus allerlei Sagen und Wagner-Opern darstellend, angebracht wurden.
* * *
An einem wundervollen Sommertag durchstreifte König Ludwig, wie es ihm zur liebgewordenen Gewohnheit geworden war, ganz allein Berg und Tal und Wald und Feld.
Er umkreiste den Felsen, auf dem sich Neuschwanstein erheben sollte, und freute sich an der herrlichen Natur. Das würde eine wundervolle Szenerie für sein neues Schloß abgeben.
In Gedanken schon fleißig an diesem neuen Schloß bauend, achtete er nicht des Weges und ging immer tiefer in den Wald hinein.
Feierliche Stille herrschte ringsum. Nur die Vögel sangen emsig ihre Lieder, als wollten sie den sinnenden König auf sich aufmerksam machen.
Aber das gelang ihnen nicht. Wohl klangen die zarten Töne an sein Ohr, aber sie kamen ihm nicht zum Bewußtsein.
Endlich schreckte Ludwig aber doch aus seinen Gedanken auf.
Schon begann die Sonne hinter den Bergen zu versinken. Nun erst wurde der König gewahr, daß er sich verirrt hatte und nicht mehr wußte, wo er sich befand. Da ihn dichter Wald umfing, konnte er sich auch nirgends durch einen Ausblick orientieren.
Unschlüssig blickte er sich um und ging dann aufs Geratewohl weiter, hoffend, daß er auf den rechten Weg zurückkäme oder jemand begegnete, der ihm Auskunft geben konnte.
Nach einer Weile sah er denn auch erfreut ein kleines, schlichtes Häuschen mit grünen Fensterläden und hell und sauber blitzenden Fensterscheiben vor sich liegen. An dem Hirschkopf über der Tür erkannte er, daß es ein kleines Forsthaus war.
Da war der König sehr froh, denn er war nicht nur sehr müde, sondern auch hungrig und durstig geworden.
Als er sich nun zwischen den Bäumen dem Häuschen näherte, bemerkte er zwei Kinder, die vor dem Hause auf einer Bank saßen. Es war ein Mädchen von ungefähr acht und ein Knabe von zehn Jahren.
Die beiden Kinder plauderten gar lustig und lebhaft miteinander, und das kleine Mädchen schlenkerte, wie zur Begleitung ihrer Worte, mit den sonnengebräunten, nackten Füßen hin und her.
Vor den Kindern stand ein schlichter, grüngestrichener Holztisch, mit einer sauberen bunten Leinendecke belegt.
An den kleinen Fenstern hingen schneeweiße Gardinen, und auf allen Fenstersimsen blühten Blumen in duftiger Fülle.
Stehenbleibend, ließ der König das freundliche Bild auf sich einwirken. Wie einladend sah das alles aus, wie gastlich und ruheverheißend. Und er war so müde und sehnte sich nach Ruhe.
Der junge König war ein großer Kinderfreund. Das kleine Mädchen gefiel ihm besonders.
Lächelnd blieb er, von Bäumen und Sträuchern verdeckt, an einen Baum gelehnt stehen und beobachtete die Kinder noch ein Weilchen, wohl wissend, daß sie ihr fröhliches Plaudern einstellten, wenn er zu ihnen trat.
Das kleine Mädchen schien sehr lebhaft und impulsiv zu sein. Das rote Röckchen tanzte gar lustig über den braunen Beinchen auf und ab. Aus dem schwarzen Samtmiederchen kam ein blütenweißes Hemdchen zum Vorschein und bedeckte die Schultern und die Arme bis zum Ellbogen.
Die goldbraunen Zöpfe waren ganz fest geflochten und nach Defregger Art um das feine Köpfchen gelegt. Trotzdem stahlen sich überall lose Löckchen heraus und umgaben den Kopf wie ein Heiligenschein.
Burgerl wurde sie von dem Knaben genannt. Das war die landläufige Abkürzung von Walpurga.
Burgerl war ein hübsches, frisches Mädchen, mit lachenden, blanken Blauaugen und weißen, festen Zähnchen. Ihr rosiges Mündchen ging lebhaft wie ein Mühlrad.
Der Knabe schien bedächtiger zu sein. Die Hände in den Taschen seiner kurzen Lederhose vergraben, saß er schon ganz so fest und behäbig da wie ein Erwachsener. Er hatte sich behaglich zurückgelehnt und schaute Burgerl von der Seite an.
Der kleine Mann hieß Sepperl, eine Abkürzung von Joseph. Er schien ein echter Sohn seiner Heimat zu sein, schlicht, treuherzig, ein wenig bequem und bedachtsam in der Ruhe, aber rasch, ungebärdig und derb zufassend, wenn er erregt war.
Burgerl und Sepperl erzählten sich gerade allerlei vom König und seinen Schlössern. Da lauschte der König belustigt, was die Kinder über ihn zutage förderten.
Was Burgerl sprach, klang alles wie aus einem Märchen, überschwänglich und phantastisch. Aber aus ihren Reden erfuhr der König, daß er in diesem Häuschen, das Burgerls Eltern bewohnten, sehr geliebt und verehrt wurde.
Er vernahm auch aus diesem Gespräch, daß Sepperl ein Vetter von Burgerl war und im Hause von Burgerls Eltern lebte.
Sepperls Vater war Kutscher in königlichen Diensten und hatte seine Frau durch den Tod verloren. Deshalb hatte er seinen Sohn in das Haus seiner Schwester gebracht, die an den Förster Malwinger verheiratet war, damit er nicht ohne mütterliche Fürsorge aufwuchs.
Und nun war Sepperl anscheinend schon seit längerer Zeit im Forsthaus heimisch geworden und wuchs mit Burgerl und deren vierjährigem Schwesterchen Antonie, genannt Tonerl, auf.
Sepperl hatte seinen Vater schon oft im Schlosse Hohenschwangau besucht und wußte nun alles viel besser als Burgerl, die noch nie in einem Schlosse gewesen war. Der Sepperl war freilich auch nur bis in die Kutscherwohnung gekommen, aber die gehörte doch immerhin zum Schlosse.
Wenn sich nun Burgerl gar zu sehr in phantastische Betrachtungen verlor, dann warf Sepperl eine kurze, trockene Bemerkung dazwischen. Dabei kaute er auf einem Stück Holz herum, wie auf einer Pfeife, tat auch, als stieße er ab und zu gravitätisch den Rauch von sich, und bildete sich nach Kinderart ein, wirklich zu rauchen.
Der putzige Wicht kam sich vor wie ein Mann und machte ein gar bedächtiges und wichtiges Gesicht.
Burgerl behauptete eben unter anderem, der König trage immer eine goldene, mit Edelsteinen besetzte Krone auf dem Haupte und einen herrlichen, pelzverbrämten Purpurmantel um die Schultern, der in einer langen, schweren Schleppe hinter ihm herschleife. Auf der Straße müsse er daher immer in einer goldenen Kutsche fahren, oder es müßten überall, wo er schreiten wollte, rote Teppiche aufgelegt werden.
Sepperl lachte sie aus und sagte nüchtern und belehrend, das sei nicht wahr. Der König trage nur noble Kleider wie andere feine Stadtherren auch.
Da erboste sich das temperamentvolle Burgerl sehr.
»Ach, Du dummer Bub', willst Dich 'leicht gar aufspielen mit Deiner G'scheitheit, hm? Hast gar den König schon g'sehen, daß Du gar so g'scheit daherredst?« rief sie ärgerlich.
Sepperl rauchte heftig ein paar Züge aus seiner vermeintlichen Pfeife und sagte dann bedächtig:
»Na–a–a, g'sehen hab' ich den König no net. Aber weißt, Burgerl, mei' Vaterl, der hat's mir erzählt – und der kann doch den König alle Tag' anschau'n, soviel er mag!«
Burgerl stutzte einen Augenblick. Aber dann machte sie eine hastig abwehrende Bewegung.
»Du, Dein Vaterl hat Dir 'leicht was vorg'macht. Spasetterln hat er g'trieben mit Dir, da kannst Dich d'rauf verlassen. I' weiß das besser, verstehst? Schau' nur hinein in unser Wohnstüberl, da kannst ihn an der Wand hängen sehen, unseren lieben, guten, schönen Herrn König. Weißt, das Bild hat Vaterl dem Mutterl mit'bracht aus München, wie er dermalen dort g'wesen is. Ah – und wie schaut da der Herr König herrlich aus! Die Augen tun Dir übergehen, schon wenn Du das Bild anschaust!«
Sepperl stutzte nun auch.
»Hm? Ja – dös Bild – dös hab' i mir auch schon oft ang'schaut. Freili – dös is gar schön. Aber weißt, eine Krone hat er da auch net auf, Du dumme Burgerl. Nur den Mantel, freili, den hat er um, dös is schon wahr!«
Burgerl tippte mit einer nicht mißzuverstehenden Gebärde auf die Stirn.
»Je, bist Du g'scheit. Du dummer Sepperl!« sagte sie, erregt mit den Beinchen baumelnd. »Schau das Bild nur g'nau an. Die Krone liegt doch auf dem Tisch, gleich neben dem König seiner Hand. Grad' hat er sie a bisserl abg'legt, weil's ihm halt die Stirn druckt hat und weil er doch z' Haus in seinem Stüberl is. Du legst doch Dei' Mützen auch ab, wenn Du ins Stüberl trittst. Oder 'leicht net?«
Sepperl paffte eingebildete Rauchwolken.
»Hm, dös schon, no ja!« gab er endlich zu. »Aber i glaub's doch net, daß er so wie auf dem Bild herumspazieren tut, der Herr König. I werd' mei' Vaterl schon fragen, wenn i ihn wieder mal b'suchen darf im Schloß. Du, weißt was, da kannst eh gleich mitkommen!« schloß er seine Rede großmütig.
Burgerl klatschte in die Hände, und das rote Röckchen wirbelte mit den braunen Beinchen in der Luft herum.
»Herrgottel, Du mein! Ja, freili geh' i mit, wenn es mei liebes Mutterl derlauben tut, freili. Weißt – von weitem, da hab' i das Schloß schon oft ang'schaut. Wenn i im Wald Beeren g'sucht hab', oder Reisig, da bin i immer soweit g'laufen, daß i das Schloß hab' liegen sehen. Hm! Gar viel stolz und herrlich is dös anzuschauen!«
Sepperl nickte stolz, als ob das Schloß ihm gehöre.
»No, und wenn Du erst eini kommst in das Schloß, da wirst Du schaun, Burgerl, ja–a–a, ich hab' dermalen einischauen dürfen a wengerl, in die große Hallen. Uijegerl, blind kannst werden auf der Stell', so eine Pracht, rein zum närrisch werden!«
Burgerl zappelte mit allen Gliedern vor Erregung und stieß atemlos hervor:
»No – alsdann – alsdann mußt halt doch einsehen, daß der Herr König in einem so nobligen Schloß auch ein Prachtg'wanderl tragen muß. Sonst paßt er doch nimmer da hinein. O Herrgottel, mei liebes Herrgottel, i hab' einen Wunsch, gar einen großen, großen Wunsch. Gleich mei Sonntagsröckel geb i dafür hin und mei neues Miederl mit dem blanken G'schnür, wenn mir der Wunsch in Erfüllung ging!«
Sepperl machte große Augen. Er wußte, wieviel Burgerl auf ihren Sonntagsputz hielt. Neugierig fragte er:
»No, was möcht' denn dös nachher sein?«
Burgerl drückte die Hände ans Herz und sagte erregt:
»Unsern lieben König möcht i mal anschaun, halt nur ein Minuterl lang, nur ein einzigs Mal!«
Sepperl zog an seiner Holzpfeife. Dann erwiderte er:
»No, 'leicht derlaubt Dir mei Vaterl, daß Du ihn Dir anschaust, wenn wir ihn besuchen im Schloß!«
Dabei machte er eine Miene, als sei er der Schah von Persien, so stolz und gewichtig.
Burgerl starrte ihn ungläubig an und sagte zweifelnd:
»Dei Vaterl? Hat denn der dabei was zu verlauben, hm?«
»Du bist gut, Burgerl!« sagte er mitleidig, spöttisch. »Wo mei Vaterl den Herrn König alle Tag in der Kutschen spazieren fahrt! No, Du bist halt g'spaßig!«
»Meinst wirklich, daß Dein Vaterl dös machen kann?«
»Wenn er will, freili!« behauptete Sepperl stolz.
Burgerls Augen glänzten.
»Eia! Dös – wenn es sein könnt, dös tät mi g'freuen. Du, da schenk i Dir mei Hunderl, weißt, das Schnauzerl. Weil der Herr König gar so ein lieber, guter Herr is und so arg schön anzuschaun. Gleich hin bist auf der Stell', wenn Du zu ihm aufschaust!« –
So hörte der König die beiden Kinder reden, und immer von neuem huschte ein Lächeln über seine düsteren Züge.