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Rubens als Porträtmaler wird in der allgemeinen Meinung bekanntlich durch seinen großen Schüler van Dyck überschattet, und in neuerer Zeit hat es hier der geistvolle und tiefsinnige Fromentin an einer scharfen, allgemeinen wie speziellen Kritik nicht fehlen lassen. Hier mögen einige zerstreute Wahrnehmungen gestattet sein.
Diese Gattung ist die einzige, in der Rubens ein großes, unmittelbares niederländisches Erbe antrat, indem schon die dortigen Manieristen, Franz Floris nicht ausgenommen, vortreffliche Bildnisse hinterlassen hatten. Außerdem traf er in Italien auf die Werke Tizians und das übrige Venedig, und ihm selbst hätte es, wie oben gesagt, ganz nahegestanden, der große Bildnismaler von Genua und vielleicht der große Maler von Italien zu werden. Von der Heimkehr an gibt es dann nicht nur Porträts aus seiner ganzen übrigen Lebenszeit, sondern seine ganze sonstige Malerei, auch für ideale oder zeitlich entfernte Erzählung, setzt ein unermeßliches Studium nach dem Einzelleben voraus, ohne daß selbst der größte Meister und das glänzendste Gedächtnis mit der Zeit der äußerlichen Wiederholung verfallen. Sodann war ihm in gewissen historischen Malereien selbstverständlich die Porträtmäßigkeit wenigstens der Hauptgestalten vorgeschrieben. Daneben aber gehen in mächtiger Anzahl einher die Einzelbildnisse und Gruppenbildnisse der Fürsten und Großen, der Vornehmen und Berühmten, der Leute des vertrauten Umganges und endlich der Familie, der beiden Frauen und ihrer Kinder.
Das früheste dieser Familienbilder glauben wir dem Rubens allerdings absprechen zu müssen, so gewiß es auch ihn mit der ersten Gattin, der noch jungen Elisabeth Brant, unter einer Geißblattlaube sitzend, darstellt: es ist das höchst liebenswürdige Gemälde der Pinakothek von München. Wir glauben, Rubens habe sich einmal einen freien Tag gemacht und sich von einem befreundeten Kollegen, etwa Cornelis de Vos, malen lassen, die Gründe für diese Meinung aber mögen hier zurückbehalten bleiben.
Alle sonstige Attribution wird man der jetzt so hoch ausgebildeten Spezialforschung zu überlassen haben. Wer hätte einst geglaubt, daß die wunderliebliche »Junge Dame« der Galerie von Dresden, mit den Rosen in der Linken, nur ein Schulbild sei? Dasselbe hat noch ein kostümgeschichtliches Interesse: es war der Augenblick einer Änderung der Tracht, da die steife, vielfältige hohe Halskrause vor dem liegenden oder wenigstens offen um den Nacken gehenden Kragen wich, und nun ist zwar die Krause noch da, hat sich aber in der Mitte weit geöffnet, und der Hals mit dem Korallenbande wird sichtbar.
Mehreres ist in neuerer Zeit auch zwischen Rubens und van Dyck streitig geworden; wieder anderes ist jetzt fraglich in betreff der Benennung des dargestellten Wesens. Helena Fourment, die man doch schon in München allein aus mehreren Bildern so sicher kennenlernt, hat früher auch anderen Porträts, z. B. eben jener Dame mit den Rosen und (ebenfalls in Dresden) der reizenden Witwe mit dem Perlenhalsband, ihren Namen leihen müssen, den dieselben nunmehr verloren haben. Von dem Wunder der blonden Jugendanmut im leuchtendsten Helldunkel, dem sogenannten Chapeau de paille (eigentlich Chapeau de poil), in der National Gallery Leicht und rasch wie hingehaucht, im durchsichtigsten Ton, macht diese Halbfigur mit den dunkelblauen großen Augen und den lieblich übereinander gelegten Händen auf dem Grund von blauer Luft mit Gewölke einen unbeschreiblichen Eindruck. War es noch Rubens selbst, welcher nachträglich die schwarzen Pinselstriche in die Wimpern und Augenbrauen hineingesetzt hat? glaubt man wenigstens zu wissen, daß die Dargestellte ein Fräulein von Lunden sei; die vornehme Dame mit den mächtig großen Augen, im Louvre, ist aus der Familie Boonen. Eine ganze Anzahl sonstiger Damenbildnisse – abgesehen von den Fürstinnen – mit einem deutlichen Klang nicht bloß aus der Kunst des Rubens, sondern auch wohl aus seiner sozialen Nähe ist in den Galerien, selbst den italienischen, zerstreut. Auch die nicht mehr jugendlichen darunter haben wohl noch bedeutende Erinnerungen von Schönheit, dazu allerlei Ausdruck vom Spöttischen bis zum tief Seelenvollen, nur daß sich dieses ganz anders äußert als in den sehnsüchtigen Idealfiguren des Guido Reni. Über das Air de famille dieser Damen, das wesentlich doch von Rubens herstamme, hat Fromentin Les maîtres d'autrefois, p. 113 sq. sich umständlich vernehmen lassen und bei diesem Anlaß noch von dem Konventionellen in der Bildnisauffassung einer späteren Generation, nämlich der berühmten und vornehmen Französinnen des Hofes und der Zeit Ludwigs XIV., in geistvoller Weise gesprochen.
Für alle diese Bildnisse, namentlich die der Helena, bleibt die Frage offen, ob die nicht nur oft prachtvollen, sondern wunderschönen und unter sich höchst verschiedenen Trachten samt ihrer geheimnisvollen Anpassung an die einzelne Dame eine bloße Tat der Antwerpener Mode, ob sie Frucht des Geschmackes der dortigen Frauenwelt oder ob sie wesentlich von Rubens angegeben gewesen seien. Derselbe Zweifel drängt sich öfters auch bei van Dyck auf, z. B. in Gegenwart seiner Luisa de Tassis (Galerie Liechtenstein), einer Erscheinung von ähnlicher Herrlichkeit, nur daß hier die Stoffe gedämpfte Töne haben. – Den erstaunlichsten Zauber unter den Bildern Helenens soll, laut Augenzeugen, dasjenige der Ermitage, stehend in ganzer Figur, hervorbringen.
Von den Selbstporträts des Rubens wissen wir die jetzt als sicher eigenhändig geltenden der früheren Zeit nicht anzugeben; in Wiederholungen und Kopien ging natürlich dieser sprechend schöne und belebte Kopf weit herum. (Als Hauptexemplar gilt, wie man vernimmt, dasjenige von Windsor.) In den sicher zu datierenden späteren Bildern klafft ein starker Sprung zwischen dem Münchener »Spaziergang im Garten« (um 1630) und dem Porträt der Galerie von Wien (1635); dort ist Rubens noch in kräftiger Frische des Mannesalters, hier schon in physischer Abnahme und mit einem Zuge des Leidens, aber wundersam und anders sympathisch als früher dargestellt.
Die Gruppenbilder der Familie, sämtlich in schönen und unbefangenen Motiven, erreichen ihren anerkannten Höhepunkt in dem Bilde des ehemaligen Besitzers Marlborough (jetzt Rothschild in Paris): vor einer offenen Prachthalle wandelt Rubens mit Helena in stattlicher Robe und einem Kinde am Gängelband. Es ist nur zu wiederholen, daß diese Bilder, schon wenn sonst nichts von Rubens übrig wäre, einen vollen Malerruhm und ein volles Erdenglück feststellen würden.
Wenn aber der Maler und die Seinigen in kirchlichen, historischen und mythologischen Bildern vorkommen sollen, so glauben wir nur an unwillkürliche Ähnlichkeiten, wie sie sich auch bei anderen Malern gewiß von selbst ergaben und vollends sich ergeben mußten bei Rubens, der so stark mit der eigenen, so köstlich ausgestatteten Familie künstlerisch beschäftigt war. Daß sodann die Persönlichkeit eines Meisters selbst, Züge und Wuchs, in den geistlichen und weltlichen Historien öfter in die männlichen Gestalten des mittleren Lebensalters bis zu einem gewissen Grade übergeht, ist ein nicht seltenes Phänomen. Bei Rubens haben wir dasselbe sogar in seinem Christustypus konstatiert, müssen aber dessen Vorkommen in zahlreichen anderen Fällen ablehnen. So begreifen wir namentlich nicht, daß man den Rubens erkennen will in jedem St. Georg, ja in jedem römischen Hauptmann (z. B. in der Kreuztragung von Brüssel, in dem Coup de lance des Museums von Antwerpen usw.), während doch alle diese Köpfe unter sich auf das stärkste abweichen, und zwar in den entscheidenden Hauptzügen. Vollends wird nie zuzugeben sein, daß Rubens in solchen Bildern auf sich und die Seinigen zwar absichtlich, aber verstohlen durch eine entfernte Ähnlichkeit gleichsam hingewiesen oder angespielt habe; wohl aber haben spätere Zeiten durch solche Behauptungen einem Gemälde einen besonderen Wert zu geben vermeint Über die vermeintliche Darstellung des Rubens und seiner Frauen in mythischen Liebespaaren, vgl. S. 94.. Es lautet recht schön, vor dem Altarbilde über seinem Grabe in St. Jacques zu hören, Rubens habe hier alle seine Nächsten um sich versammeln wollen, allein es ist eben falsch.
Unter den übrigen Gruppenporträts ist das der Familie Arundel in der Pinakothek von München besonders darauf gerichtet, einer Hauptfigur, der Gräfin, die volle Höhe des Pompes zu sichern: zu ihr gehören als Gefolge zunächst der mächtige Jagdhund, dann der Narr, dann rechts der Gemahl und vor demselben der Page oder Zwerg mit dem Falken; das übrige ist ein Vorhang mit Wappen, eine Prachtarchitektur mit gewundenen Säulen und ein reichgemusterter Bodenteppich. Die Beschauer mögen darüber entscheiden, ob und wie weit Rubens in seinem Innern ironisch über seiner meisterlichen Darstellung (auch über den diesmal sich stark präsentierenden Händen) könne gestanden haben. – Mit welch einer ganz anderen Sympathie malte Rubens in London einen Antwerpener Landsmann und dessen zahlreiche Familie, die Gattin und neun blühende Kinder! (Windsor; vgl. die Abbildung im »Klassischen Bilderschatz«, Tafel 429.) Es war der bei Karl I. in hohem Vertrauen stehende Balthasar Gerbier, selber Maler und mit diplomatischen Geschäften betraut wie Rubens, und dieser letztere muß sich hier in jeder Beziehung »zu Hause« gefühlt haben. Umgebung und Tracht sind auch hier vornehm; was jedoch völlig überwiegt, ist die Unbefangenheit der Anordnung und die Schönheit dieses ganzen Geschlechtes. Der Besteller aber, der hier einen Niederländer durch den anderen verewigen ließ, war König Karl I. selbst.
Ein Gruppenbild von wesentlich anderem Charakter, schon frühe in Italien und vermutlich beim ersten Besuch in Rom gemalt, sind dann (Pal. Pitti) die sogenannten »Vier Philosophen«, um einen Tisch mit Büchern versammelt, oben in einer Nische rechts eine antike Marmorbüste desjenigen öfters vorkommenden Typus, den man für den des Seneca hielt (jetzt als Philetas von Kos geltend!); die Dargestellten sind Rubens und sein Bruder Philipp, dann als Hauptperson ein alter, vielleicht italienischer Gelehrter (irrig für Justus Lipsius gehalten) und noch ein guter Bekannter aus den Niederlanden (vollends irrig als Hugo Grotius erklärt); die Handbewegungen des Alten und des Philipp Rubens schneiden sich nicht gut, und man hat hierin eine Befangenheit des Anfängers erkennen wollen; allein das Bild scheint überhaupt nicht ganz freiwillig gemalt zu sein.
In betreff der männlichen Einzelporträts darf man, bei der sonstigen Arbeit, die Rubens auf sich nahm, wohl über deren beträchtliche Zahl staunen, und wenn nicht jeder tüchtige Niederländer selbstverständlich ein geborener Bildnismaler gewesen wäre – zum großen Unterschiede von den damaligen Italienern –, so würde sich dies nicht so verhalten. Immerhin mag es eine große Gunst gewesen sein, von Rubens gemalt zu werden, und man hat durchweg den Eindruck von bevorzugten, auserlesenen Menschen. Er gibt sie meist in völliger Ruhe, und sie sollen so normal gestimmt sein, wie er selber war; Momentanes, Aufdringliches findet sich hier nicht, aber Charakter und Geist sprechen mit voller Kraft. Sollten sie im Bilde interessanter geworden sein, als sie wirklich waren, so läge dies an der geheimnisvollen Überlegenheit hoher Kunst über die Natur und an der Schönheit der malerischen Mittel. Unnütz, sie hier einzeln aufzuführen: dem Beschauer prägen sie sich ohnehin ein, und Beschreibungen in Worten sind hier ganz besonders ohnmächtig. Man möge einfach in Verkehr treten mit dem Gevartius des Museums von Antwerpen, dem des Gordes des Museums von Brüssel, dem de Vicq des Louvre, dem herrlichen Dr. van Thulden der Münchener Pinakothek, dem Mann mit der aufwärts wallenden Stirnlocke in Dresden (neuerlich bei van Dyck eingereiht; man möge auch diese und jene Mönchshalbfigur nicht übersehen, wie sie in den Galerien als »Beichtvater des Rubens« betitelt wird; der Dominikanerpater Michael Ophovius (Galerie vom Haag) war eine bedeutende Persönlichkeit, und es konnte für Rubens wahrhaft erwünscht sein, denselben zu malen. – Im ganzen ist es eine völlig andere Gesellschaft als die holländische von Mierevelt an durch all seine zahlreichen Nachfolger. Stand, Besitz, Beschäftigung, Denkweise haben bereits Zeit gehabt, dem Holländer und auch der Holländerin einen verschiedenen Typus und Ausdruck zu geben.
Die fürstlichen Porträts beginnen bei Rubens schon sehr frühe. Wenn vom mantuanischen Hofe schwerlich mehr andere Bildnisse nachweisbar sind als die der Knienden im Altarbilde der Dreieinigkeit (Bibliothek von Mantua), so mag dies seinen Grund haben in der Zerstreuung der dortigen Kunstschätze schon durch die Verkäufe des ersten Herzogs der neuen Linie, Charles Gonzaga-Nevers (seit 1627), besonders aber durch die furchtbare Plünderung und Verwüstung der Stadt, den berüchtigten Sacco di Mantova (18. bis 21. Juli 1630). Von diesen Greueln, die ganz sicher auch Werke seiner Hand betrafen, muß Rubens genaue Kunde erhalten haben.
Vor allem aber das Haus Habsburg, das einst Tizian in seinem Dienst gehabt hatte und nun bald Velasquez zum Hausgenossen annehmen sollte, machte dazwischen von der Kunst des Rubens reichlichen Gebrauch. Am spanischen Hofe, wo man die Porträtkunst eines Alonso Coello und seines Schülers Pantoja mit ihrer treuen und fleißigen, aber trockenen Ähnlichkeit hoch gewürdigt hatte, mag Rubens während seines ersten Aufenthaltes 1603 durch seine freie malerische Darstellung bei Philipp III. und dem Herzog von Lerma schon einen entschiedenen Sieg davongetragen haben. Seit seiner Rückkehr nach Antwerpen (1609) würden dann »die Erzherzoge« Albert und Isabel sehr bald mit einer großen Bestellung den Anfang gemacht haben, dem Altar des hl. Ildefons, auf dessen Flügelbildern sie andächtig im Schutz ihrer Namenspatrone knien; allein die frühe Entstehung (oder wenigstens die frühe Vollendung) des Werkes unterliegt neuerlich einigen Zweifeln. Beim Erzherzog sind hier und anderswo die unbedeutenden und vermutlich etwas schlaffen Formen belebt, veredelt und mit durchaus fürstlicher Haltung verbunden. Die Infantin, Isabel Klara Eugenia, geboren 1566 (jene, die schon als Kind in Schillers »Don Carlos« vorkommt), ist auf dem Altar noch mit etwas scharfen, höchst lebendigen Zügen dargestellt, wie sie einem Alter von kaum über vierzig Jahren entsprechen, und dieser Flügel des Altars müßte daher schon zu den am frühesten vollendeten Partien gehören. Ein Jahrzehnt später, als sie schon Witwe war und sich meist als Klarissin trug, wurde sie öfters von van Dyck gemalt, und hier, nach außen gealtert und beruhigt, ist Isabel lauter Geist und Charakter. Endlich aber hat Rubens sie noch einmal, zwei Jahre nach ihrem Tode – post fata atque funera – gemalt, als er 1635 beim Introirus Ferdinandi über der Mittelpforte eines der Triumphbogen Albert und Isabel, hinter Balustraden stehend, darzustellen hatte, und jedes dieser Porträts soll in einem Tage vollendet worden sein. (Jetzt im Museum von Brüssel.) Er versetzte sie wie in eine frühere Zeit zurück, so glänzend, wie sie dieselbe nie gehabt hatten, und die Infantin, strahlend von Macht und Leben, ist hier die begeisterte Huldigung nicht bloß des großen Meisters, sondern des treuen und vertrauten Dieners. Heutigestags freilich wird ja nur die Treue »gegen Prinzipien«, nicht die gegen Menschen geschätzt. Rubens aber hatte hier vielleicht die besten Erinnerungen aus einem langen Verkehr zusammengenommen.
Bei den übrigen Porträts des Hauses (von denen wir weit entfernt sind, eine vollständige eigene Anschauung zu besitzen) herrscht in den Galeriebenennungen hie und da eine Unsicherheit, an der Rubens nicht schuld ist. Verwechselt werden z. B. Philipp IV. (geboren 1605) und sein Bruder der Kardinal-Infant Ferdinand (geboren 1609); ungewiß bleibt bisweilen die Taufe der ersten Gemahlin Philipps IV., Elisabeth von Frankreich, Tochter Heinrichs IV., die zwar wohl von ihrer Schwester Henriette von England, nicht immer, aber sicher von ihrer anderen Schwester Christine von Savoyen zu unterscheiden ist; in betreff der Maler aber wird etwa wiederum gestritten: ob Rubens oder van Dyck?
Ein Beispiel schwieriger und widersprechender Attributionen erscheint hier besonders lehrreich. Jeder Besucher der Uffizien in Florenz kennt das große Reiterbild Philipps IV., das dort längst den Namen des Velasquez getragen hat. Weiter hörte man Und noch neuerlich bei Lafenestre, Florence, p. 83., dasselbe sei eine Wiederholung (réplique) eines in Madrid befindlichen Velasquez. Wer nun diesen Meister nur außerhalb Spaniens kennengelernt hat, wird auf jedes Urteil über die Möglichkeiten in seiner malerischen Behandlung von vornherein gerne verzichten; in betreff der Erfindung aber konnten von jeher zu denken geben die Zutaten: der dem König nacheilende Helmträger und die Figuren in den Wolken, nämlich die zwei Putten mit dem Globus, die Friedensgöttin mit Kreuz und Lorbeerkranz und die Kriegsgöttin mit dem Blitzstrahl; hier mußte man sich in der Nähe der Allegorik des Rubens fühlen. – Nun wurde gerade dieser Name schon früh durch ein Mißverständnis des Baldinucci irrig in die Sache hineingemischt: von einem Reiterbild Philipp IV., das wirklich von Velasquez ist und sich noch in Madrid befinden soll, wurde eine Wiederholung nach Florenz übersandt für den berühmten Bildner Tacca, als dieser die eherne Reiterstatue des Königs modellieren sollte, und von diesem Exemplar (jetzt im Pal. Pitti) glaubte Baldinucci, dasselbe sei von der Hand des Rubens; allein hier fällt schon die chronologische Unwahrscheinlichkeit in die Augen, daß Rubens, dessen späteste mögliche Anwesenheit in Spanien auf 1630 zu setzen ist, dort sollte nach dem so viel jüngeren Velasquez kopiert haben, und abgesehen davon wird heute niemand in dem Bilde des Pal. Pitti Mit dem Bilde der Uffizien hat dasselbe vollends nichts mehr gemein, als zwei in vornehmer Rüstung dahinsprengende Reiter unvermeidlich haben müssen. Wenn das Bild der Uffizien ebenfalls nach einem Madrider Reiterbilde des Königs von Velasquez gearbeitet sein sollte, so müßte dieses von dem Original des Bildes im Pal. Pitti völlig verschieden gewesen sein. – Bei diesem Anlaß wollen wir die Vermutung wagen, daß Velasquez zum Malen von Reiterporträts gerade erst durch die in Spanien befindlichen Vorbilder von Rubens seit dem Lerma (1603) möchte angeregt und befähigt worden sein. Zwar muß er auch den Karl V. von Tizian gekannt haben (vgl. Woermann, Geschichte der Malerei, II, S. 760), der als Wundervolk aller Bildnismalerei gilt, allein sprengende Rosse des Rubens wirken doch noch ganz anders als das Pferd des Kaisers, dessen Bewegung dem Tizian noch große Mühe scheint gekostet zu haben. Müntz (La fin de la Renaissance, p. 142) findet, die mangelhafte Kunde vom Bau des Pferdes habe sogar dem Reiter geschadet: on dirait Don Quichotte sur Rossinante. seine Ausführung erkennen, vielmehr gilt dasselbe als vorzügliche Wiederholung der Werkstatt des Velasquez selbst. Und nun stellt es den König schon älter dar, als Rubens ihn gekannt und z. B. in dem Kniestück der Ermitage (laut Abbildung) und in dem der Pinakothek gemalt hat, da er 24- bis 25jährig war. – Unter den damaligen Porträts des Königs aber befand sich in der Tat auch ein berühmtes Reiterbild von Rubens (1629); dieses kann jedoch nicht dasjenige der Uffizien sein, indem es bei einem Brande untergegangen ist. – Nun mischt sich die Darstellung des Kardinal-Infanten im Harnisch zu Pferde ein: in dem Bilde der Münchener Pinakothek, aus der Werkstatt des Rubens, sieht man den Infanten in später Abendluft auf einem feurigen Braunen dahersprengend, rechts eine Baumgruppe, in der Ferne eine Schlacht und ein großer Horizont. Man könnte hier dieses Bild unerwähnt lassen, wenn es nicht einen Stich danach von Paulus Pontius gäbe, auf dem in der Luft die ganz deutliche Kriegsgöttin aus dem Philipp IV. der Uffizien wiederholt ist, diesmal von einem Adler begleitet. Stich und Bild mögen entweder unmittelbar nach dem Siege von Nördlingen 1634 oder beim Einmarsch in die Niederlande 1635 entstanden sein, und Pontius hat die Göttin in den Lüften gewiß nur mit Gutheißung des Rubens hinzugefügt; wer sich aber diese Entlehnung aus dem Bilde des königlichen Bruders gestattete, mußte doch wohl irgendein Anrecht auf das letztere haben? Inzwischen erkannte man immer deutlicher etwas Niederländisches in dem Bilde der Uffizien, und als Urheber wurde (wir können nicht sagen, durch wen zuerst) Gaspard de Craeyer vorgeschlagen. Von diesem gibt es außerdem zwar nicht ein Reiterbild des Königs, wohl aber des Kardinal-Infanten (Louvre), der barhaupt, im Harnisch, mit Schärpe und Kommandostab, nach links sprengt wie bei Rubens. Eine weitere Konsequenz hievon lag dann darin, daß man auch von dem Bilde der Uffizien annahm, es stelle nicht den König, sondern seinen Bruder, den Kardinal-Infanten, vor. – Allein auch diese Fährte wurde aufgegeben, und die neueste Ansicht geht dahin, daß das Bild der Uffizien die Kopie eines Spaniers, vielleicht des Juan Carenno, nach dem berühmten untergegangenen Reiterbilde des Rubens sei. Carenno (1614-1685), der den König erst in dessen späteren Jahren gekannt hatte, würde dann statt der jugendlichen Gesichtszüge, die Philipp noch bei Rubens gehabt haben muß, die der reiferen Lebenszeit substituiert haben? Auf diesem Umwege endlich käme Rubens zu seinem Rechte; vielleicht aber dürfen wir nun noch weiter schließen: wenn ein mediceischer Großherzog, vielleicht erst längere Zeit nach dem Tode des Rubens, eine Kopie nach diesem Don Philipp IV. sollte gewünscht und erbeten haben, so müßte das Original ein weitbekanntes und hochbewundertes Werk gewesen sein.