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XX.

Für die große religiöse Allegorie wurde Rubens in Anspruch genommen durch Don Philipp IV. während seines zweiten Aufenthaltes in Madrid (1628 bis 1629), und es entstand jener Zyklus von neun Kompositionen, von denen schon vorläufig die Rede gewesen ist. Als Allegorien galten schon seit dem Mittelalter auch erzählende biblische Momente, zumal alttestamentliche Geschichten, die als Vorbilder des im Neuen Bund Erfüllten zu verstehen waren, und so sind in dieser Reihe Abraham mit Melchisedek, die Mannalese und der in der Wüste wundersam gespeiste Elias ebenso gewiß Vorbilder oder Vorgeschichten des Sakramentes wie in zahlreichen älteren Kunstwerken; zwei weitere Bilder enthalten Zusammenstellungen großer Heiliger in besonderem theologischem Sinne; und so bleiben noch vier übrig, die Allegorien in engerer Bedeutung, Hergänge in abstrakten, symbolischen Gestalten, allgemein gefaßte Augenblicke der Kirche und der Menschheit darstellen.

Über die Auswahl der Szenen, durch den König allein oder unter dem Beirat spanischer Theologen, fehlt jede Nachricht; die heutigen Benennungen der vier letztgenannten Bilder sind in den Galerien schwankend, und über die beabsichtigte Reihenfolge weiß niemand Bescheid. Daß kein spanischer Maler mit der großen Aufgabe betraut wurde, kann daran gelegen haben, daß der königliche Kunstfreund schon im bloßen Verkehr den Übermächtigen erkannte; auch wußte ja Rubens über den Vortrag in Teppichen die vollkommenste Auskunft und konnte auch die Ausführung in der Wirkerei von Brüssel überwachen. Denn daß die Ausführung in Teppichen beabsichtigt war, ist schon durch die Einrahmungen wahrscheinlich, indem die Hergänge bereits wie auf reich bordierten Teppichen erzählt gegeben sind, auch spricht Palomino davon, und endlich hat es erweislich gewirkte Ausführungen nach einzelnen dieser Bilder gegeben. Skizzen, wie sie Rubens wohl unter den Augen des Königs, entwarf, glaubte man in England und namentlich in der Galerie von Madrid zu besitzen, aber auch bei den letzteren ist die Eigenhändigkeit nicht sicher, und wenn eine davon einer Wiederholung in Dresden entspricht, so entsteht ein neues Bedenken, denn diese offenbar ganz profane Dresdener Allegorie mit dem Zeitengott und der Wahrheit usw. kann überhaupt schwerlich in jene Reihe gehört haben. Die Ausführung auf großen Tuchflächen in Öl geschah dann in Antwerpen, offenbar rasch und nicht durch Schüler ersten Ranges, während Rubens zu Vorlagen für den Stich (woran ihm vielleicht am meisten gelegen war) sorgfältige Zeichnungen oder Grisaillen gefertigt haben wird. Inzwischen aber scheint man bei Hofe auf die Ausführung in Wirkerei vielleicht plötzlich verzichtet zu haben, und die gemalten Tuchflächen gingen nun statt dessen nach Madrid; der König aber schenkte dieselben jetzt an seinen allmächtigen Minister Olivarez zum Schmuck der Kirche eines von demselben gestifteten Karmeliterklosters in Loeches unweit der Hauptstadt. Hier befanden sie sich bis zur französischen Invasion unter Napoleon, da sie dem Raub seiner Generale unterlagen. Zwei finden sich noch, wie es heißt, an Ort und Stelle; ein Triumph der Kirche – und ein Sieg des Christentums über das Heidentum. – Von den sieben übrigen kamen mit der Zeit zwei (aus dem »Besitz« des Marschalls Sebastiani) in den Louvre; ein Triumph der christlichen Religion und der von Raben gespeiste Elias. – Drei gelangten in die Grosvenor Gallery zu London: Abraham und Melchisedek, die vier Evangelisten und die Mannalese. – Ein Bild war 1879 im South-Kensington-Museum ausgestellt; sechs große Kirchenlehrer mit der hl. Klara von Assisi. – Das neunte Bild, ein Triumph der Karitas, stark beschädigt, soll noch in unseren Zeiten in englischem Privatbesitz vorhanden gewesen sein.

Nun hat es das Mißgeschick gewollt, daß die beiden weit zugänglichsten Bilder der Reihe, die des Louvre, nicht nur zu den am schlechtesten erhaltenen gehören, sondern daß wenigstens der sogenannte »Triomphe de la Religion« (laut deutlicher Inschrift: Fides catholica) eine besonders derbe und unangenehme Komposition ist: zwei Engel nämlich, gewiß allegorisch auszudeuten, ziehen den Siegeswagen, auf dem Fides mit dem Kelche steht, Religio auf ein Kreuz gelehnt kniet; dazu hier besonders zahlreich Engel und Putten, deren zwei am Wagen stoßen helfen; mehrere allegorische Figuren und als Andeutung der Missionen ein Neger und ein rothäutiger Indianer. – Dagegen gehören die beiden noch in Loeches befindlichen, durch schöne Stiche des Bolswert weitbekannten Bilder zu den vorzüglichsten Schöpfungen des Rubens. Der »Sieg über das Heidentum« ist auf das genialste dargestellt in Gestalt eines Götzenopfers, das durch das hell leuchtende Niederschweben eines Engels mit dem Kelch in Verwirrung und Jammer gebracht wird. – Das andere, bereits bei Anlaß des Jordaens erwähnte Gemälde aber: »Ecclesia per sanctam Eucharistiam triumphans« ist beseelt von rauschender, wahrhaft triumphaler Pracht und von der schönsten Bewegung der ganzen Quadriga, sowohl der Rosse als der sie führenden und reitenden Tugenden; besonders der Genius mit den Insignien des Papsttums auf dem vordersten Rosse ist von ganz anderer Art als das »Contentement« auf jenem Bilde im Haag. Der über heulende Dämonen hinrollende, von einem herrlichen Putto gelenkte Prachtwagen, neben dem gefesselte Heiden dahergetrieben werden, trägt die siegesbewußte schöne Ecclesia mit der Monstranz, von der das Licht ausgeht, während ein Engel das Triregnum über ihrem Haupte schwebend hält. Ein gewaltiger Gesamtreichtum, und doch nicht überladen und von völlig freiem Atemzug. – Aus der »Mannalese« entsinnen wir uns des visionär aufjubelnden Moses als des Hauptmotivs. – »Abraham und Melchisedek« ist wohl zu unterscheiden von einer früheren Skizze in der Albertina (mitgeteilt bei Knackfuß), wo der weltliche und der geistliche Gebieter und ihr Gefolge einander noch wie gleichwertig begegnet waren, während hier Abraham wie huldigend und gebückt vor den Priester tritt. – Dann aber, in den beiden Bildern der vier Evangelisten und der sechs Kirchenlehrer mit der hl. Klara, wird ein ganz neuer Ton angeschlagen; es sind lauter mächtige Menschen, die als große Persönlichkeiten und wie als Zeugen des in den übrigen Bildern Erzählten nicht nur vor uns treten, sondern ganz nach Rubens' Art an uns vorüberzuwandeln scheinen. Die beiden betreffenden Stiche von Bolswert mögen als Erbauungsbilder in Klöstern und in andächtigen Bürgerhäusern von unschätzbarer Wirkung gewesen sein.

Oft und viel hat das Barock aller katholischen Länder an Kirchengewölben und auch an den Decken von Klosterbibliotheken die Herrlichkeit der Kirche in Verbindung mit Empyreen usw. allegorisch geschildert, und die Kräfte waren oft keine geringen. Was käme aber hiervon in dieser ganzen Periode an künstlerischer Macht dem einen Triumphbilde von Loeches gleich?


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