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VII.

Den religiösen Ausdruck auf einer weiteren Skala, so ergreifend er bei Rubens irgend vorkommen mag, wird man etwa in der »Letzten Kommunion des hl. Franziskus« (Museum von Antwerpen) finden. Die Lösung derselben Aufgabe in Gestalt der berühmten Letzten Kommunion des hl. Hieronymus von Domenichino (Pinakothek des Vatikans) hat Rubens in Italien nicht mehr kennen können, und sein Bild ist von Grund auf anders empfunden: Dieser geisterfüllte, noch jugendliche, nicht zurücksinkende, sondern sich vorwärts, dem Priester mit dem Sakrament zuneigende Heilige; diese nicht sorgsam ausgewählten und aufgestellten, sondern sehnsüchtig herbeidrängenden Anwesenden, gewiß Ordensbrüder des Barfüßerklosters von Antwerpen, für deren Kirche das Bild gestiftet wurde, alle voll tiefer innerer Bewegung; dazu außerordentliche malerische Eigenschaften – dies alles weist dem Werke in der berühmten Sammlung eine von allem sonstigen Rubens abgetrennte Stellung an, vermöge einer besonderen hohen Eingebung Der Hymnus bei Fromentin, Les maîtres d'autrefois, schließt S. 104 mit den Worten: il faut pour aujourd'hui quitter le Musée.. – Aber auch neben berühmten Werken der vergangenen italienischen Kunst, die Rubens unvermeidlich gekannt haben muß, spricht bisweilen aus ihm, wenn er dieselbe Aufgabe löst, ein viel mächtigeres religiöses Empfinden. Tizians Pfingstfest in der Salute zu Venedig ist mit allen tunlichen Zugeständnissen an die schöne reiche Erscheinung komponiert und gemalt, lieblichen Frauenköpfen in der Mitte, Sondergesprächen der Anwesenden, teilweisem Sitzenbleiben, während wir hier für Rubens auf ein bloßes Werkstattbild (Pinakothek von München) und auf den nicht genau entsprechenden Stich des Pontius angewiesen sind: wieviel ernster aber ist da die Einheit der Begeisterung zur Anschauung gebracht in den fünfzehn Gestalten, die um die heilige Jungfrau stehen und knien! Die Apostel des Rubens, in seinen Himmelfahrten dramatisch geschieden, sind hier zu einem gewaltigen Moment vereinigt.

Nicht immer vielleicht ist der gesteigerte Ausdruck des Gefühles eigentlich religiös gemeint. Hatte Rubens seine Helena Fourment wirklich in einem Moment ekstatischer Andacht belauscht, als er sie in Gestalt der hl. Cäcilia malte? (Berühmtes Bild des Museums von Berlin.) Oder sollten wesentlich – und lange vor Carlo Dolci – schöne Hände auf den Tasten der Orgel bewegt dargestellt werden? Vier begeisterte Putten, eine reiche Architektur und ein landschaftlicher Ausblick vollenden dieses pompöse Dasein. Auch um die Reue der Magdalena (Galerie von Wien, alte Kopie in Kassel) ist es eine fragliche Sache, und schon das edle Weinen hat dem Meister bei dieser reichen Blondine nicht so schön gelingen wollen als die gerungenen Hände. Beiläufig gesagt, erregt aber auch die vorherrschende Deutung des Bildes Bedenken: neben der vor einem roten Vorhang so wundervoll leuchtenden Hauptgestalt sitzt im Halbdunkel, sich abhebend von einer wolkigen Luft und einer Säule, ein Wesen mit schwarzem Schleier, das meist auf Martha, die Schwester der Maria Magdalena, bezogen wird; es könnte jedoch eher eine schöne Zofe sein, die darauf lauert, ob die Buße bald wieder vorbei sein möchte? Oder ob dieselbe dauern und dann sie, die Wartende, den Inhalt des umgestürzten Schmuckkästchens (und etwa gar auch die Liebhaber) erben werde? Es wäre dann ein ironisch zu nehmender Moment aus dem Lauf der Welt, wie z. B. das Bild von Simson und Delila, von dem anderswo die Rede sein wird.

Den zartfühlenden Rubens dagegen wird man an so manchen Stellen finden lernen, wo man dessen nicht gewärtig ist. Callisto mit Jupiter unter der Gestalt der Diana, in jenem Bilde der Galerie von Kassel, welch ein sympathisches Wesen in dem Zustande »zwischen Überredung und Mißtrauen«!

Endlich aber, in äußerstem Kontrast zu diesem allem, zeigt sich Rubens als einer der allergrößten Meister des Dämonischen im Menschenleben; und mit den Besessenen der beiden Altarbilder von den Wundern des heiligen Ignatius (Galerie von Wien und S. Ambrogio in Genua) hat er vielleicht diejenigen Grenzen erreicht, die einer hohen Kunst gestattet waren und damals von einer allgemeinen Überzeugung gefordert wurden. In seinen Bildern der »Letzten Dinge« sind es dann außerirdische Schreckenswesen, zu denen ihn sein kühner und gewaltiger Geist weit hinausgeführt hat auf ganz anderen Pfaden als die der gewöhnlichen niederländischen Phantasten in ihren Teufelsfratzen.


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