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In zehn Kompositionen, meist sehr großen Altarwerken, hat Rubens Marien Himmelfahrt dargestellt, und mit ihm erst (und dann auch mit italienisch geschulten deutschen Malern, besonders Freskanten) kam das große Thema in seiner neuesten Fassung nach dem Norden: die zwischen Engeln und Wolken Emporschwebende über den unten, meist am Sarkophag versammelten Aposteln. Bisher hatte man diesseits der Alpen als letzte Vollendungsszene des Marienlebens die Krönung der heiligen Jungfrau durch Christus oder durch die Dreieinigkeit betrachtet Doch kommt auch die Assunta zwischen Engeln in der kirchlichen Skulptur und Malerei des Nordens hie und da vor. Ein sehr eigentümliches altflandrisches Triptychon des Museums von Brüssel enthält im Mittelbilde unten die Apostel am offenen Sarkophag, in den Lüften zwischen Engeln die hl. Jungfrau, emporgetragen durch Christus und den Heiligen Geist (nicht durch zwei Heilige, wie der Katalog angibt), und ganz oben den segnenden Gottvater.. In Italien war sowohl dieser Moment – die Incoronata – als die Himmelfahrt – die Assunta – schon längst häufig auf Altäre und (in Fresko) an die Kirchenmauern gelangt, und allmählich hatte die Assunta das Übergewicht erreicht. Tizian hatte ihr schon 1518 auf dem Hochaltar der Frari zu Venedig die höchste Majestät abgewonnen. Nur zu häufig wurde dann dieser höchste Akzent der kirchlichen Kunst, der ein seltener hätte bleiben dürfen, auch durch minder Berufene wiederholt, und von der Assunta ging auch auf die bloßen Gnadenbilder die Gewohnheit über, die Madonna, von Engeln und Putten reichlich begleitet und mit dem Ausdruck der Verzückung, oben in die Wolken zu rücken, nachdem sie früher in der Mitte der Heiligen gethront hatte. Diese Lage der Dinge übernahm dann in Italien der neue kräftige Kunstgeist zu Ende des 16. Jahrhunderts, und diese ist es, die Rubens dort antraf. Im Gnadenbild hat er den Italienern nicht nachgegeben, sondern die Madonna in der Umgebung der Heiligen gelassen, und er behauptete damit, woran ihm so sehr gelegen war, die große, auch koloristische Einheit der Darstellung. Mariens Krönung durch die Trinität lebt in einem ganz ansprechenden, von ihm wenigstens übergangenen Bilde der Werkstatt (Museum von Brüssel); die Assunta dagegen wurde eine seiner ganz großen neuen Lebensaufgaben. – Hier hat man nun das Recht, nach den näheren Umständen zu forschen, die den Anlaß darboten. Das früheste dieser mächtigen Bilder, das bereits den wesentlichen Willensinhalt der späteren umfaßt (Museum von Brüssel), wurde für den Hochaltar der Karmeliter von Brüssel bestellt durch Albert und Isabel; der Erzherzog aber hatte lange Jahre seines Lebens in Rom und Italien zugebracht. Dieses herrliche Bild kann dann recht wohl das dringende Verlangen nach weiteren Darstellungen der Himmelfahrt erst erweckt haben, und große Stiche verbreiteten wahrscheinlich schon sehr bald verschiedene Kompositionen des Rubens, vielleicht auch schon die vorläufigen Entwürfe zu solchen, in alle Lande. Wenn aber das Thema jetzt in gewissem Sinn ein italienisches war, so trat doch hier eine ganz neue Auffassung ins Leben, ohne einen Zug von dem Wunderwerk des Tizian, das Rubens doch so genau gekannt haben muß Hat Rubens die Assunten des Andrea del Sarto gekannt? Hier wie bei anderen scheinbaren oder wirklichen Anklängen an diesen bleibt man im Ungewissen. Von der Assunta des Paolo Veronese (Akademie von Venedig) ist weniges auf ihn übergegangen., und auch unabhängig von den Carracci, die er hier so weit überflügelt; die Assunta des Agostino (Pinakothek von Bologna) braucht er nicht gekannt zu haben, und die des Annibale (Dresden) würde ihm eher zur Warnung gereicht haben, wie die Sache nicht zu behandeln sei; den großen schönen, aber stellenweise stark akademischen Guido in St. Ambrogio zu Genua hat er in Italien nicht mehr erlebt und ebensowenig dessen Münchener Assunta.
Vor diesem letzteren Bilde, das nur die Schwebegruppe ohne den Sarkophag mit den Aposteln darstellt, darf man einen Augenblick innehalten. Guido Reni, der wohl am höchsten Begabte unter den italienischen Zeitgenossen des Rubens, muß sonst nicht nur im Kolorit, sondern auch im Leben der Erzählung neben ihm zurückstehen, und manche seiner anziehendsten Figuren stellen sich im Bilde ein, nicht weil dieses, sondern weil der Maler es so verlangt hat, während bei Rubens alles einzelne dem lebendigen Ganzen Untertan zu sein pflegt. Allein in dieser Assunta des Guido lebt, bei nur mäßiger Durchführung (und mangelhafter Erhaltung), eine große italienische Idealität, und die Hauptgestalt hat in Moment, Haltung und Umriß das Gewaltigste voraus vor allen Assunten des Niederländers. (Das abschätzige Urteil des Herrn v. Schack macht uns hier nicht irre.)
Eine weitere Vorbemerkung bezieht sich auf die jugendlichen weiblichen Gestalten, die den Aposteln am Grabe beigegeben sind. Rubens wird sie um des malerischen Reichtums willen gerne hinzugefügt haben, und sie gehören meist zu seinen schönsten Köpfen In der sogleich zu erwähnenden Assunta der Pinakothek von München hat eine derselben vollständig den bekannten Magdalenentypus des Rubens. und wirken an ihrer Stelle wunderbar und jedesmal neu; doch hatte er nötigenfalls eine tausendjährige Sage für sich, wonach beim Sterben der Maria außer den Aposteln auch drei heilige Jungfrauen sich eingefunden hatten, denen es hernach oblag, die Leiche zu waschen und einzukleiden. Sonst erscheint in diesen Bildern jenes Phänomen wieder, das bei den Anbetungen der Hirten und der Könige vorkam: Wiederholungen eines sehr ähnlichen, stellenweise identischen Personals in jedesmal neuer Verwendung, und z. B. Johannes und Petrus gehen kenntlich als dieselben durch alle diese Kompositionen.
Als besonderes Problem, als die Assunta der wenigsten Figuren und der gedrängtesten Anordnung, erscheint dasjenige Bild, das in der Pinakothek in München befindlich, aber (laut dem neueren Katalog) nicht mehr aufgestellt ist, eine kleinere, unseres Erinnerns vortrefflich gemalte Wiederholung eines noch jetzt in Düsseldorf befindlichen großen Werkes. Hier ist nicht sowohl die schräg aus dem Bilde schwebende Jungfrau mit den lieblichen Putten die Hauptsache, als vielmehr das im Vordergrund ausgespannte linnene Grabtuch mit den darauf vorgefundenen Rosen und Lilien, und die nach beiden Seiten geteilte Verehrung der Apostel und der heiligen Frauen ist mit höchster Augenblicklichkeit zur Einheit verschmolzen. – Sonst beginnt mit der bereits erwähnten Assunta von Brüssel die Reihe der ungehemmten, aller Macht und Pracht dahingegebenen Großmalereien, die vor allem Triumphe jener Abtönung des Lichtes sind, vom Irdischen, räumlich Sicheren mit seinen tiefen leuchtenden Farben aufwärts bis in das ätherisch Helle. Außer der genannten sind uns noch fünf andere gegenwärtig: eine in der herrlichen Zeichnung der Uffizien – das Bild der Galerie Colonna in Rom, Kopie eines uns nicht bekannten Originals – das berühmte, ganz eigenhändige Werk der Galerie von Wien, aus der Jesuitenkirche von Antwerpen – das große Bild von unbekannter Herkunft in der Galerie Liechtenstein – und der Hochaltar des Domes von Antwerpen – und neben diesem allem kommen noch jene mehreren Stiche in Betracht, die einzelnen dieser Gemälde mehr oder weniger genau entsprechen.
Unzulänglich – nicht innerhalb seines einmal als gegeben angenommenen Stiles, doch im Verhältnis zu den inneren Voraussetzungen der Aufgabe und zur übrigen hohen Kunst – erscheint nun hier Rubens überall in der Madonna. Auf die Gefahr hin, höchst einseitig und unwissenschaftlich zu erscheinen und den Meister nach einem Rechte zu messen, das nicht das seinige war, müssen wir als Zeugen gegen ihn gelten lassen nicht nur die Verklärte des Tizian und die Sixtinische Madonna Raffaels, sondern auch Guido mit der Assunta von München und mit seinen Altarbildern der heiligen Empfängnis (in San Girolamo zu Forli und in der Bridgewater Gallery zu London). Und zwar ist es nicht die Idealität der Züge in diesen Bildern, was man bei Rubens zu vermissen das Recht hätte, wohl aber die des Ausdruckes. Einmal, nach der Zeichnung der Uffizien zu urteilen, hat er vielleicht ein Höchstes erstrebt: die Jungfrau, nicht mehr jugendlich, aber in tiefer ekstatischer Sehnsucht, kniet auf den Wolken. Überall sonst hat Rubens – in derselben Verblendung, die auch Italiener (und selbst Guido in der großen Himmelfahrt von San Ambrogio) teilten – die Madonna auf Wolken sitzen lassen, während doch der Augenblick die stehende oder schwebende Gestalt durchaus verlangt; um aber gleichwohl das »Aufwärts« anzudeuten, ist ihr mehr als einmal eine schräge Richtung gegeben. Ihr Kopf hat jene reiche, matronale weltliche Bildung anderer Madonnenköpfe des Rubens und erhebt sich nur in dem Bilde von Antwerpen zu größerer Süßigkeit. Auch in der Gebärde der erhobenen Arme ist der sonst ewig sichere Rubens eher befangen. Reich und schön dagegen und in jedem Bilde verschieden lautet der Reigen der umgebenden Putten, und in der Assunta von Wien bildet die himmlische Gesamterscheinung eine regelmäßige, wenn auch schön verhehlte Raute. Die große Puttenwelt des Rubens hatte gleichsam einen stets neuen Anlaß und Quelle des Lebens an diesen Himmelfahrtsbildern.
Die unteren Gruppen aber in ihrer so völlig verschiedenen Anordnung und Belebung der Apostel und heiligen Frauen könnten allein schon dem Rubens die Bewunderung aller Zeiten sichern, sobald man sich den Reichtum an dramatischen Ideen und malerischen Mitteln näher vorstellt. Die äußerlich gegebenen Motive sind der Sarkophag, wo er auch sich im Bilde befinde, dann mehrmals das Höherheben von dessen Deckplatte und das weiße Grabtuch mit den Rosen; die seelischen Motive sind die Rührung wegen dieser Blumen und der höchste, selbstvergessene Enthusiasmus für die Entschwebende, und dies alles in solcher Augenblicklichkeit, daß man die Gebärden sich ändern zu sehen glaubt, und mit solcher Notwendigkeit, daß keine Figur entbehrt werden könnte. Dazu der große, heimlich symmetrische Aufbau, der ganze Bilder umfaßt: in dem Altar der Galerie Liechtenstein, wo sich das Grab verkürzt in der Mitte befindet, bildet die Madonna mit drei unten knienden Hauptfiguren eine hohe Pyramide, und dann erst folgen rechts die stehenden Apostel und links einer, der den Grabstein hebt; um die Madonna oben sieht man die schönst bewegten Putten samt zwei herrlichen Engeln. Der Sarkophag hat die verschiedensten Stellungen: in dem Bilde von München ist nur eine Ecke davon sichtbar; anderswo zieht er sich in voller Horizontale durch das Bild (Brüssel), und in dem großen Hauptwerk der Galerie von Wien fehlt er ganz, und das Grab ist als Grotte links vorausgesetzt. In dieser Assunta, die Rubens selbst den übrigen vorzog, bilden sich zwei Chöre: links zwei Männer, die den Stein von der Grotte gewälzt haben, und die heiligen Frauen; rechts der Chor der Apostel, deren einer zu den Frauen hinüberredet, während die anderen emporschauen und deuten; zwischen beiden Chören aber reicht hier einige freie Luft tief herab, vielleicht eine Lehre, die Rubens aus Paolo Veronese gewonnen. – Aber schon das frühe Bild von Brüssel wirkt ganz wundervoll in der großen bewegten Apostelgruppe rechts im Halbdunkel, vor der Petrus in vollem Lichte kniet, während links die holdesten Frauenköpfe im Halblichte sichtbar werden. In der Zeichnung der Uffizien dagegen sind Apostel und Frauen um den Sarkophag zu einem einheitlichen Akkord gesammelt; und ebenso, obwohl wieder in anderer Anordnung, sind fast alle ekstatisch aufwärts gerichtet in derjenigen, offenbar etwas provisorischen Komposition, die in einem Stiche des Paul Pontius überliefert ist, und diese (kenntlich an dem vom Rücken gesehenen Johannes) würde wohl in der Ausführung noch wesentliche Veränderungen erfahren haben. – Das späteste dieser Bilder, der Hochaltar des Domes von Antwerpen, ist insbesondere dasjenige der schönen Frauen, die sämtlich das Licht für sich haben, und die kräftigste derselben, vor dem Grabtuche, sodann die allerschönste, hinter demselben, und endlich die heilige Jungfrau oben, liegen genau in der mittleren Vertikale des Ganzen; von den Aposteln nimmt nur Johannes links am vollen Lichte teil, indem er mit aufgehobenen Armen die fast alleinige Verbindung der unteren Gruppe mit der oberen ausmacht. Die Madonna ist zwar von süßer, aber sehr weltlicher Schönheit, und die Putten stürmen diesmal konvergent gegen sie aufwärts. (Der obere Teil des Bildes soll von Cornelius Schut ausgeführt sein.)
Bekanntlich wurde die große Wirkung einer Glorie, die einer Himmelfahrt nahekam, in dem pathetischen 17. Jahrhundert gerne auch auf einzelne Heilige übertragen, und das Gewölbe von S. Ignatio zu Rom, mit der Apotheose des großen Ordensstifters von Andrea Pozzo, faßte dann diesen Gestaltenkreis am glänzendsten zusammen. Schon in der Nähe des Rubens aber entstand wenigstens durch de Craeyer eine stattliche »Assomption de Ste. Catherine« (so der Katalog von Brüssel, wo sich das Bild befindet), unten mit einer gedrängten Schar verehrender Heiliger.
Diejenigen Darstellungen des Jüngsten Gerichtes, des Jenseits, auch großer Momente der Apokalypse, die man unter dem Namen der »Letzten Dinge« zusammenzufassen pflegt, konnten an Rubens unmöglich vorübergehen, schon weil das Verlangen darnach in der Zeit lag und weil er auch hier imstande war, eine ihm eigene Welt ins Leben treten zu lassen, und diese mag man dann bewundern oder verschmähen. Er hat sich nicht zu diesen Aufgaben gedrängt: aus weiter Ferne sind zunächst Bestellungen des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von Neuburg an ihn gelangt, und aus dieser und anderen Provenienzen hat sich endlich das Meiste und Wichtigste von dieser Welt des Rubens in der Pinakothek von München zusammengefunden.
Ausgedehnte, flüchtige, wenn auch lebendig gedachte Werkstattmalereien, wie der »Sturz der bösen Engel« durch (den etwas tänzerisch gegebenen) St. Michael, wie das »Weib der Apokalypse«, treten hier neben das berühmte »Große Jüngste Gericht« (1618). An dieses aber pflegt sich gerne eine Parallele mit Michelangelo zu knüpfen, wobei vor allem zu erwägen wäre, daß Rubens nicht das feierlichste, öffentlichste Fresko des ganzen Abendlandes an vornehmster Stätte zu malen hatte, sondern einen Altar für die Jesuitenkirche zu Neuburg an der Donau, und als großes Tuchbild in Öl. Wenn es sich aber um italienischen Einfluß handeln sollte, so wäre derselbe an ganz anderer Stelle zu erfragen als unmittelbar bei Michelangelo, dessen Jüngstes Gericht seine ganze verwirrende Wirkung längst zu Ende vollbracht hatte, als Rubens in Italien erschien. Tintoretto war es, der aus Michelangelos Verwertung des Nackten und venezianischem Naturalismus und Kolorismus ein Ganzes zu schaffen versucht hatte, und sein konfuses Kolossalbild in S. Maria dell' Orto zu Venedig, das sogenannte Finimondo (d. h. die letzten Ereignisse vor dem Jüngsten Tage), das Rubens wohl noch in voller Frische sah, mußte von ihm überwunden werden im Namen der ewigen Gesetze der Komposition und des gesunden Menschenverstandes. Auch Tintorettos großes Gemälde des Fegefeuers (jetzt in der Galerie von Parma) könnte er zu sehen bekommen haben, indem hier sowohl der mittlere Durchblick nach der Ferne als auch der Maßstab der oberen himmlischen Gruppe, ja sogar der Stil einigermaßen an das Jüngste Gericht von Neuburg erinnern. Dieses ist zwar größtenteils von Schülerhand, aber gewissenhaft ausgeführt, und die zu wenig beachtete himmlische Glorie von Seligen des Alten und Neuen Bundes ist rein und schön, und wenn der Christus-Jupiter, wie oben zugestanden wurde, etwas Theatralisches hat, so ist er doch nicht unbedeutend wie der Weltrichter des Michelangelo. Den auserwählten nackten Gestalten unter den Seligen wie unter den Verdammten bleibt, abgesehen von kirchlichen Bedenken, immer ihre originale Schönheit, und der Pan-Teufel, der sich (rechts) mit zwei Weibern davonmacht, ist ein nur bei Rubens denkbares Motiv.
Hierauf aber beginnt erst der völlig unabhängige Meister mit den zwei Bildern in kleineren Figuren: dem sogenannten »Kleinen Jüngsten Gericht« und, wie als Fortsetzung desselben, mit dem bereits erwähnten »Höllensturz der Verdammten« Das erstere Bild hat 1,82 m Höhe zu 1,20 m Breite, das letztere 2,86 m Höhe zu 2,24 m Breite. – Das erstere hat ? Tageslicht zu ? Höllenlicht und Nacht., beides von der eigenen Hand des Rubens und augenscheinlich für seine eigene Wonne der vollen Meisterschaft gemalt. Hier rechnet Rubens gründlich ab mit dem wirklichen Michelangelo und setzt sich, diesem gegenüber, in seinen vollen Vorteil schon durch das höchst abgestufte Licht und das vollständige Kolorit; er überbietet ihn durch Menge und Abwechslung der Motive und durch eine optisch weit furchtbarere Gesamtwirkung. Statt der im Fresko unvermeidlichen Einheit des Luftraumes umfaßt Rubens enorme Distanzen und Lichtwechsel vom hellsten Empyreum bis in die düster glühende Höllennacht und in die Fluten des Abgrundes. Und nun läßt er dem Geschehenden in einer gewaltigen Zahl von Figuren seinen vollen ungeheuren Lauf, ohne alles Bedenken, wie ihn der Geist führt; es ist die schrecklichste Momentanität in zahllosen Äußerungen. Es ist auch wieder eine jener verschiedenen Welten, in denen Rubens zu Hause war, wenn er sein mußte Die Stecher scheinen Episoden aus diesen Bildern oder Varianten davon stückweise verwertet zu haben, wie z. B. Soutman den Sturz der Verdammten in seinem »Lapsus Draconis«. – Einen St. Michael über einem gewaltig bewegten schwebenden Knäuel von gefallenen Engeln, in einem Stich des Vorsterman, hat Rubens dem König Philipp IV. dediziert (also nach 1621). – Ein Sturz der bösen Engel (etwa diese Komposition?) ging unter beim Brand der Jesuitenkirche zu Antwerpen. – Gemalte Skizzen an mehreren Orten. – Das »Aufsteigen der Seligen«, in der Pinakothek zu München, ohne Zweifel von der Erfindung des Rubens, steht ihm in der sehr schlanken Bildung der Gestalten und in der ganzen Behandlung eher ferne..