Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIV.

Gnadenbilder, große Altäre der Muttergottes mit Heiligen gibt es von Rubens nur wenige, die jedoch sämtlich zum Wichtigsten gehören, was von ihm vorhanden ist Im Chor eines Nonnenklosters zu Fosaldanna unweit Valladolid sah noch Palomino (Kap. 70) ein schönes und gewaltig großes Gemälde des Rubens, vielleicht das größte Bild von ganz Spanien. Er sagt nichts und man kann bloß darauf raten, daß es eine Madonna mit Heiligen sei, und das Werk wird hier nur erwähnt, um auf die Aussage aufmerksam zu machen. Da Rubens bei seiner ersten Reise nach Spanien 1603 jedenfalls nach Valladolid kam, möchte das Werk damals entstanden sein. Es sind unter den Gnadenbildern der damaligen Italiener eine Anzahl sehr vorzügliche, allein auch diese rücken tief in den Schatten neben dem großen Triptychon der Galerie von Wien: dem Altar des hl. Ildefons. In dem Mittelbilde ist dieser heilige Erzbischof von Toledo dargestellt, wie er kniend von Maria ein Meßgewand empfängt. Diese, ein gütiges königliches Wesen, auf prachtvollem Thron, ist begleitet von vier heiligen Frauen des mächtigsten Typus in völlig unbefangener Anordnung, ihre Blicke auf St. Ildefons gerichtet, und auch die drei oben schwebenden Putten sind von den großartigsten des Rubens Umsonst befrägt man den Katalog nach dem Namen der vier heiligen Frauen, die doch aus irgendwelchen Akten der betreffenden Bruderschaft noch sollten zu ermitteln sein. Auf den Flügelbildern ist der als Kardinal gegebene Schutzpatron des Erzherzogs weder St. Hieronymus noch St. Bonaventura, sondern derjenige Kardinal St. Albert vom Hause Brabant, der 1192 zu Reims ermordet wurde. Die Schutzpatronin der Infantin scheint die hl. Klara von Assisi zu sein, könnte jedoch auch auf die hl. Elisabeth (Isabel) von Ungarn, Landgräfin von Thüringen, gedeutet werden, die als Witwe im Gewande der Dominikanerinnen dargestellt wäre, und dann hätte man die Rosen über dem Buche in ihren Händen auf das bekannte Rosenwunder zu beziehen.. Dazu hat das Bild bei geschlossenem Licht eine visionäre goldene Dämmerung, wie sie sich selbst bei keinem der großen früheren Venezianer gerade in dieser Weise findet; höchst merkwürdig ist es aber, daß dann die Flügelbilder, wo Erzherzog Albert und Infantin Isabel, von ihren Namensheiligen empfohlen, an Betpulten kniend, nicht in jener Dämmerung, sondern wie draußen in abendlichem Tageslicht unter Säulenhallen mit roten Draperien dargestellt sind. Im ganzen einer der erstaunlichsten Anblicke der neueren Kunst, zugleich ein unvergleichliches Votivbild feierlicher Fürstenandacht. Früher hatte Rubens die in Verehrung der Dreieinigkeit kniende Familie Gonzaga noch andächtiger dargestellt (Bibliothek von Mantua, zwei Fragmente), allein seine Mittel der Belebung und seine Macht über Licht und Luft waren seither gewaltig gewachsen. – Endlich hat dann noch im Laufe des Jahrhunderts neben den St. Ildefons des Rubens derjenige des Murillo treten müssen (Museum von Madrid), weit mehr eine erzählende Szene, indem statt der heiligen Frauen vier erwachsene Engel anwesend und an dem Vorgang der Überreichung des Meßgewandes lebhaft beteiligt sind; dazu (nach der Photographie zu urteilen) Tageslicht, silberne Luft und ein Gewölk mit einer Schar von Putten und Cherubim. Und nun ist es höchst wohltuend zu sehen, wie die Heroen von Antwerpen und Sevilla einander ausschließen und sich in der Erinnerung des Beschauers doch kein Leid antun.

Sodann hat Rubens (1628) für St. Augustin in Antwerpen, und zwar wohl für einen Altar, der Reliquien vieler Heiligen enthielt, dasjenige ruhmvolle Bild gemalt, von dem bereits bei Anlaß der Anordnung des Raumes die Rede gewesen ist. Die Veraugenblicklichung des Gnadenbildes war einst schon ein großes Hauptziel des Correggio gewesen, und auch bei Raffael lebt sie als solches z. B. in der Madonna di Foligno; allein für den Altar von St. Augustin mußten nicht weniger als vierzehn Heilige mit einer in der Höhe befindlichen Heiligen Familie in Beziehung gebracht werden, und jedes sollte zu seinem Leben und zu seinem Rechte kommen und durfte den anderen nicht im Wege sein. In einem strengeren älteren Stil ließe sich nun wohl ein feierlicheres Ganzes postulieren, allein die mehreren Kleinwiederholungen und Stiche zeigen, wie völlig Rubens hier seiner Zeit und seiner Nation entsprochen hat. Eitel wäre es nun, in beschreibenden Worten der Lebensfülle und zugleich dem festen Gefüge dieses Bildes nahekommen zu wollen, das schon im ganzen einen fast regelmäßigen Kranz von Gestalten bildet, und auch im einzelnen die schönsten verhehlten Symmetrien enthält. Jetzt in stark verletztem Zustande vorhanden, war dasselbe einst durch sein Kolorit noch besonders berühmt. Da mehrere Heilige irrig benannt zu werden pflegen, mag hier die gesicherte Nomenklatur Aus Lafenestre, La Belgique, p. 289. folgen, von oben herab gerechnet: zu beiden Seiten der Heiligen Familie und der St. Katharina (im Moment der Verlobung mit dem Christuskinde) Johannes der Täufer und Petrus mit Paulus; weiter abwärts auf der einen Seite die zusammengedrängte Gruppe der hl. Magdalena, der St. Klara (mit der Waage), St. Agnes und St. Apollina; dann groß unten im Vordergrund Sankt Nikolaus von Tolentino (mit dem Brot), St. Laurentius und Sankt Augustin (mit dem flammenden Herzen in der Hand), und als Äquivalent jener (oben als theatralisch bezeichnete) prächtige St. Sebastian in eifrigem Gespräche mit dem auf seinem Drachen stehenden Sankt Georg; und mitten zwischen diesen Fünfen steigt, vom Rücken gesehen, die Stufen hinan der geharnischte St. Wilhelm von Aquitanien. Die Putten sind auch hier nur sparsam und in höchst geeigneter Funktion angebracht: der kleine Blumenspender bei der Verlobung des Christuskindes, die beiden mit dem Lamm des Täufers, der oben auf das Haupt der Maria herabschwebende mit dem Kranze. Bezeichnend für das Ganze solcher Bilder erscheint es, daß die Muttergottes nicht auf die so nahe kniende Katharina, sondern mitten in das Bild hinab und – darf man beifügen – auf die Andächtigen schaut. Wie schön aber mag einst das kräftige Licht der unteren Gruppe in das ätherische Licht der oberen, mit dem großen himmlischen Strahl, übergegangen sein, als das Gemälde noch völlig erhalten war.

Die weltberühmte Muttergottes mit Heiligen über dem Grabe des Rubens, in der Schloßkapelle von St. Jacques zu Antwerpen, will uns ganz offenbar etwas Besonderes anvertrauen und ist auch mit besonderer Liebe wahrscheinlich in der letzten Lebenszeit des Meisters gemalt – ob für sein Begräbnis, bleibt zweifelhaft. Ein glücklicher Erklärer wird vielleicht einst in den intimen Sinn eindringen; die erste Vorbedingung hierzu möchte jedoch darin bestehen, daß man aufhöre, in den Köpfen »Rubens und seine Familie« erkennen zu wollen. Isabella Brant und Helena Fourment sind in keiner dieser heiligen Frauen, auch nicht in der Madonna und in der Magdalena, dargestellt, und dem hl. Georg mit dem Banner, wie er hier gegeben ist, hat Rubens in gar keiner Epoche seines Lebens geglichen. Die Deutung, wenn sie möglich ist, müßte von der offenbaren Hauptperson ausgehen, jenem knienden Prälaten oder Kardinal in der Mitte des Bildes, dem das Christuskind das Händchen an die Lippen reicht zum Kusse und den man völlig willkürlich als Vater des Rubens zu benennen pflegt. Im Vordergrunde bildet St. Hieronymus mit seiner heftig hingeworfenen Stellung wohl nur das Äquivalent zu dem raschen Schritte des hl. Georg; was er hier sachlich bedeutet, wäre erst zu ermitteln.


 << zurück weiter >>