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XIX.

Außerdem hat Rubens einen besonderen Ruhm erreicht durch umfangreiche historische Malereien, wobei nicht nur allegorische Gestalten in großer Anzahl zu Hilfe genommen wurden, sondern auch öfter die ganze Komposition in ein gewisses ideales oder doch außerhalb der historischen Wirklichkeit liegendes Dasein umgesetzt erscheint. Es entstand 1621 bis 1625 die Galerie des Luxembourg, in 21 Bildern, die verklärte Lebensgeschichte der Königinwitwe von Frankreich, Maria Medici (Louvre).

Unser Jahrhundert würde zweifellos dem Meister von Antwerpen als Historienmaler ein anderes Programm aufgesetzt haben. Zunächst hätte er die ganze vergangene Geschichte von Brabant und sonstigem Niederland realistisch in genau ermitteltem Kostüm darstellen sollen, auch die alten Schlachten, Volkstumulte, Feste u. dgl. – Dies alles aber nicht um der malerischen Wünschbarkeit willen, sondern im Sinne des Patriotismus und sogar des Fortschrittes, indem es sich ja nicht um dasjenige zu handeln pflegt, was die wirkliche Vorwelt könnte empfunden haben, sondern um die heutige Vorstellung davon, die denn freilich ihre Quelle hat in denjenigen Büchern und anderen Schriften des Tages, die zufällig von den Leuten gelesen werden. Er hätte nicht sein Pathos, sondern dasjenige anderer darstellen sollen. Weiter hätte ihm obgelegen, wiederum kostümrichtig und ortsgenau, Tatsachen darzustellen, die erst in den daran geknüpften Folgen wichtig waren, obschon man die letzteren doch ganz unmöglich in das Bild hineinmalen kann: öffentliche Proklamationen von Urkunden, zumal Verfassungen, Vorweisungen aufgerollter Grundrisse zu wichtigen Gebäuden u. dgl. Ganz besonders aber hätte er einem sehr namhaften neueren belgischen Maler vorwegnehmen müssen den Verkehr seiner Vorgänger in Kunst mit den Großen und Vornehmen dieser Welt, anzufangen mit Jan van Eyck als Kammerherrn Philipps des Guten; vor allem aber hätte er Shakespeares Dramen illustrieren und endlich den Shakespeare selber malen sollen, etwa im Augenblick, da er den Monolog des Hamlet dichtete.

Man könnte noch weiter fortfahren mit lauter Diktaten solcher Art. Allein Rubens hat nun eben nicht den Zumutungen einer herrschenden neueren Meinung gehorcht, sondern ganz frei den Auftrag einer fremden Fürstin angenommen, den er ebensogut hätte abweisen können. Dieser Auftrag aber gefiel ihm, und weit die meisten der betreffenden Szenen offenbaren es sogleich und deutlich, daß und weshalb ihm derselbe gefiel, denn er hätte dieselben wesentlich angeben und erfinden können. Hierauf würden wir unter allen Umständen dafür dankbar sein, daß die Galerie des Luxembourg überhaupt vorhanden ist.

Es ist ja von der Kunst in den! verschiedensten Zeiten und Zivilisationen oft und mit Zwang verlangt worden, daß sie die Darstellerin von Geschehenem irgendwelcher Art sein müsse, weil dasselbe irgendwie (manchmal auch nur wieder durch seine Folgen) für die betreffende Macht wichtig war, und die letztere glaubte insbesondere, hiermit »verewigt« zu werden. Die Kunst pflegte sich zu fügen, schon weil die Macht bei solchen Anlässen meist sich wird freigebiger als sonst erwiesen haben; auch waren es wohl Zeiten und Zustände eines allgemeinen Gehorsams, dem sich auch der Künstler nicht entzog. Besonders bedenklich stehen die Dinge für die Kunst, wenn sie in großen erzählenden Bildern einer herrschenden Meinung dienen soll und deren Tendenz, sei es eine patriotische, politische oder konfessionelle, als Pathos in Köpfe und Züge der Hauptpersonen hineinträufeln muß; die betreffende Meinung aber ist ja ohnehin keine ewige, sondern dem Wandel der Zeiten unterworfen, und große, mit Gefühl ganz überladene Riesenbilder werden vielleicht in nicht langer Frist unverständlich. Von dieser Art Wandelbarkeit hat die Galerie des Luxembourg nichts mehr zu befürchten. Diejenige glänzende Zeitlichkeit, die hier geschildert wird, liegt, seelisch wie leiblich, auf das klarste in Moment und Einzelheiten jedes Bildes für sich abgeschlossen und wirkt durch ihre Gegenwart, ohne den Betrachtenden auf draußen wartende Lektüre und Gesinnung hinzuweisen. Welches auch das Verhältnis des heutigen Beschauers zum Sachinhalt des Zyklus sei, die Kunst ist auch in dieser Art von höfischer Dienstbarkeit noch Kunst geblieben und zeigt, daß sie unsterblichen Geschlechtes ist. Da nun die Königin und ihre Gegnerschaft ungefähr einander wert gewesen sind, letztere aber keinen Rubens für sich in Anspruch genommen hat, so bleibt Maria Medici vor unseren Augen in dem vollen und »ungerechten« Vorteil einer glänzenden mythischen Verherrlichung. Die demütigenden Ereignisse aus ihrem Leben – darunter Sturz und Ermordung ihrer nächsten Vertrauten – waren übergangen worden, und in dem, was von ihr erzählt wird, hat und behält sie immer recht. Und nun werden die Memoiren und Pasquille jener Zeit von wenigen (und nicht zum Vergnügen) gelesen, der große Gemäldezyklus aber prangt vor aller Augen.

Allerdings hat Rubens hie und da einer geheimtuenden Zeit und Bildung seinen Tribut bezahlt, insofern bei einzelnen Figuren schon damals die Deutung streitig blieb, die Verantwortung hierfür möchte aber auf den allegorischen Ratgeber fallen, der mitzureden hatte. Lehrreich ist, daß Rubens die Allegorien so mäßig anwendet als möglich, wie er denn z. B. in seinen sämtlichen Römergeschichten, die des Decius inbegriffen, gar keinen Gebrauch davon gemacht hat, weil das ganze Pathos derselben in all seinen Motiven schon völlig durch menschliche Gestalten und Hergänge darstellbar war. Maria Medici dagegen durfte ja nicht sichtbar handeln, nur beraten, entscheiden, Zeremonien über sich ergehen lassen, siegreich dahergeritten kommen und etwa einmal nächtlich entfliehen, und nun ist Antrieb und Entschluß zu dem, was geschieht, vorzugsweise in Allegorien und allegorisch gebrauchte römische Gottheiten verlegt. Gallia mahnt Heinrich IV. eifrig, das von Amor und Hymen dargebrachte Bildnis Mariens zu betrachten; auf der Landungsbrücke zu Marseille eilen Gallia und Massilia ihr entgegen; weiterhin wird der neugeborene Ludwig XIII. dem Genius der Gesundheit auf den Arm gelegt, bei der Huldigung nach Heinrichs Tode sieht man neben der Gallia auch die Gestalt der »Regentschaft«, die der Königin das Steuerruder des Staates überreicht, bei der Unterhandlung in den Streitigkeiten zwischen Mutter und Sohn schreitet Merkur ganz unbefangen zwischen zwei Kardinälen einher; der Friede als mächtige Frau löscht Fackeln aus, und endlich hebt die Zeit, als Saturn, die Wahrheit in die lichte Höhe. In den Gestalten des Bösen ist Rubens so reich wie in denjenigen des Löblichen: wir lernen meist in heftiger Bewegung kennen Zwietracht, Neid, Haß, Betrug, Wut, Unwissenheit, Übelrede usw., und als Rebellion figuriert eine mehrköpfige Hydra. Dies alles aber geht merkwürdig einträchtig zusammen mit Herren und Damen vom Hof und vom hohen Adel, mit Würdenträgern verschiedenen Grades in der malerischen Tracht jener Zeit, mit Soldaten, Dienerschaft usw., und nachdenklich darf man fragen, wie sich die nämlichen Allegorien wohl mit heutigen Uniformen und Kostümen, besonders mit den schwarzen Fräcken vertragen würden. Bei Rubens aber – seine und der Königin Denkweise einmal zugegeben – sind sie meist untrüglich richtig angewandt. Wohl meldet sich ja auch einmal ein sehr langweiliges Motiv, die sogenannte »Mehrjährigkeit Ludwigs XIII.«, wo Mutter und Sohn auf dem reichgeschmückten Ende eines Schiffes stehen und der letztere den Griff des Steuerruders in der Hand hat, während mehrere Tugenden rudern müssen oder sich mit den Segeln beschäftigen und am Mast Gallia mit Globus und Flammenschwert drohend aufragt, was sich andere Länder zu Herzen nehmen mochten; auch blasen oben auf den Wolken bereits zwei Ruhmesgöttinnen in Posaune und Trompete. Wie wundervoll aber ist in lauter Allegorie die »Erziehung der Königin« gedacht! Die Ausführung ist unseres Erinnerns nur eine mittlere, von Schülerhand, und was die Erhaltung aller dieser Bilder betrifft, so sind nur schon zu unseren Zeiten zwei große Restaurierungen darüber ergangen; dieses Bild aber rettet der Gedanke. In eine kühle Schlucht strömt von oben das sonnige Licht und ein Wasserfall – der kastalische Quell – hernieder; im Schatten und Halbdunkel sitzt Minerva und lehrt die junge Prinzessin schreiben, und die Gebärde des rasch niederschwebenden Merkur mit dem Stabe soll die Mitteilung der Beredsamkeit bedeuten; vorn spielt Apoll auf der Baßgeige. Diesen allen gegenüber stehen an der Lichtseite der Schlucht in voller Helle die drei Grazien, deren mittlere einen Kranz darreicht, und von ihnen aus geht erst das Licht als Reflex auf alles Wissen und Lernen über, und dieser schönen und gewiß bewußten Symbolik wird man anderswo nicht wieder begegnen. – Sonst werden noch solche Momente mit Allegorien besonders reichlich bedacht sein, da ein herrschender allgemeiner Zustand versinnlicht werden sollte, und hier darf man vermuten, daß die leidenschaftliche Königin dem Maler die einseitigsten Beteuerungen aussprach, alle Welt, mit Ausnahme der Schlimmen, sei um selbige Zeit zufrieden und glücklich gewesen. In diesem Sinne ist der prächtige »Olymp« aufzufassen, der ja in der Reihe der Bilder den Titel führt: »Effets du gouvernement de la Reine«, und ebenso unter den späteren Bildern die sogenannte »Félicité de la Régence«, wo man, mit Ausnahme der als Justitia thronenden Königin selbst, ausschließlich Abstrakta dargestellt findet. Hier erhält, beiläufig gesagt, auch das Mäzenat der Königin sein Lob: »Überfluß« und »Gedeihen« (Prospérité), reife, freundliche Frauen verteilen Medaillen, Lorbeerkränze usw. an die Genien der schönen Künste – nämlich drei Putten an der Basis des Thrones –, zu deren Füßen Unwissenheit, Übelrede und Neid am Boden kauern. Das ganze leicht ausgeführte, aber prachtvoll wirkende Gemälde, in seiner verhehlt symmetrischen Anlage, ist der profane Wiederklang eines Gnadenbildes mit Musikputten am Fuß eines Madonnenthrones. – Bisweilen mag es an Wenigem gehangen haben, ob einzelne Gestalten zum Hofgefolge oder zur Welt der Ideale gehören sollten: die Königin, in dem wichtigen Bilde, wo ihr der Gemahl den blauen Lilienglobus als Sinnbild der Regentschaft überreicht, ist begleitet von zwei schönen weiblichen Wesen, die jetzt deutlich Tugenden sind und doch wohl ursprünglich als Hofdamen gedacht waren, denn die Begleiter des Königs auf der anderen Seite sind Militärs. Bei kirchlichen Funktionen beschränken sich die Allegorien auf ein Minimum: Maria Medici wird mit ihrem Oheim Großherzog Ferdinand I. noch in Florenz per procura feierlich getraut, und nur ihr Schleppträger (Hymen) ist ein Götterknabe; dafür hat aber das Bild noch eine weitere sinnbildliche Zutat: auf dem Altar hinter dem offiziierenden Kardinallegaten erhebt sich eine Marmorgruppe des sitzenden Gottvaters mit der Christusleiche auf den Knien; in Florenz aber gibt es mehrere solche große Gruppen, z. B. von der Hand des Baccio Bandinelli, und für Rubens war damit höchstwahrscheinlich genügend die Stadt angedeutet, wo die Feier vollzogen worden war; es ist ein Symbol des Ortes, wie z. B. in einem anderen Bilde der Flußgott Arno. – Über der »Krönung der Königin« begnügte er sich mit zwei schwebenden Genien des Überflusses und ließ dafür in diesem Zeremonienbilde, einem der herrlichsten der Welt, das ganze individuelle Leben der Teilnehmer walten in ihren unbefangenen Bewegungen und in den freien Wendungen schöner und ausdrucksvoller Köpfe. – Viel stärker ist dann die Einmischung der allegorischen Wesen bei der Huldigung an die thronende Witwe nach Heinrichs Tode, und die ganze linke Hälfte des Bildes, die diesem Element (unter anderem dem sehr unschön durch Jupiter und Saturn in die Lüfte getragenen König) überlassen ist, könnte man preisgeben; aber von größter Schönheit und Wirkung ist wiederum die Gruppe von Hofleuten, die, am Throne niedergeworfen, Treue schwören. – Sollte es sich jedoch im allgemeinen darum handeln, die mögliche Überlegenheit einer allegorisierenden Darstellung über die wirklichkeitsmäßige darzutun, so frage man, wie die Landung einer jungen Herrscherin am Ufer ihrer nunmehrigen Heimat innerhalb der Bedingungen und Umgebungen der Wirklichkeit noch irgendwie ergreifender könnte gemalt werden, seitdem Rubens das leuchtend schöne Bild vom Empfang der Maria Medici in Marseille geschaffen hat. Wäre Maria, woran so vieles fehlte, die größte Fürstin aller Zeit gewesen, so würde jetzt vielleicht auch die strengste Ästhetik vor diesem Werke in Entzücken sein und nur die Allegorik solcher Wunder für fähig und würdig erklären.

Das zweite mächtige Unternehmen, das offenbar derselben historisch-allegorischen Art würde angehört haben, das Leben König Heinrichs IV., unterblieb, wie oben gesagt wurde, durch den Sturz der Königinwitwe. Die beiden Riesenskizzen der Uffizien mit der Schlacht von Ivry und dem Einzug in Paris In diesen erstaunlichen Malereien erscheint Rubens, von sicher gewonnenen Hauptmotiven aus, doch wieder bereit zum Umwerfen und Umgestalten des übrigen; man lernt ihn mitten im Feuer des Kampfes mit einer eigenen Schöpfung kennen; einstweilen ist alles noch eigenhändig, und man sieht nicht ab, wie jemals ausführende Schüler hätten herbeigezogen werden sollen. Über einen abweichenden Entwurf zum »Einzug in Paris« sowie über Skizzen, die auf andere Bilder des Zyklus bezogen werden, sind neuere Forschungen und Angaben zu vergleichen. gewähren die allerhöchste Ahnung von derjenigen Machtfülle, die Rubens in diesem Zyklus würde geoffenbart haben, und die Klage darüber, daß dies nicht geschehen, ist nicht bloß Sache der Kunstgeschichte, sondern auch der französischen Nation. Statt ihrer hat dann England das malerisch idealisierte Leben eines Königs erhalten, an dem dem Rubens gewiß viel weniger gelegen war, während er für Heinrich IV. eine so große Sympathie empfunden haben muß.

Die großen allegorischen Malereien zum Preise König Jakob I. von England an der Decke des Festsaales von Whitehall in London, bestellt durch König Karl I. und in Skizzen entworfen 1629, vollendet abgeliefert 1635, sind uns weder im Original noch in Abbildungen bekannt, und wir müssen durchaus auf die Angaben anderer verweisen. Die Ausführung wird, wie bei den Deckenbildern des Dogenpalastes von Venedig, in Öl auf großen Tuchflächen erfolgt sein, die dann an Ort und Stelle irgendwie befestigt wurden.

Es ist uns überhaupt nicht vergönnt gewesen, ausgeführte Gemälde des Rubens an Decken oder Gewölben und damit seine vollständige Art von Darstellung in Untensicht kennenzulernen. Auch wird es uns schwer zu glauben, daß er, dessen Komposition für die senkrechte Fläche eine so höchst vollkommene und angemessene war, sich gerne auf diese stark und durchweg verkürzte Gestaltenwelt eingelassen habe. Allein von allen Seiten her muß dennoch solches von ihm verlangt worden sein, weil man Gedanken, Komposition und Stil des großen Meisters allem anderen wird vorgezogen haben, und die große Anzahl von erhaltenen Farbenskizzen des verschiedensten Inhaltes und Ausführungsgrades für Untensicht beweisen, daß er viele Aufträge dieser Art wirklich übernommen hat, wenn er auch die Ausführung den Schülern überließ und schwerlich je ein Gerüst selber bestieg. Die Präzedentien, wie er sie in Italien kennengelernt hatte, waren von der unbedenklichsten Art, denn dort hatte man an Gewölbe und Soffitti längst alles mögliche gemalt, und für das Malen auf große Distanz war dort niemand zu gut, und Paolos »vom Ruhm gekrönte Venetia« an der Decke der Sala del maggior consiglio wird auch dem Rubens sehr zu denken gegeben haben. Bei der weiten Zerstreuung der Rubens-Skizzen überhaupt sind wir hier auf einige Wahrnehmungen beschränkt Von den ehemaligen Gewölbemalereien der Jesuitenkirche in Antwerpen ist oben das Nötigste gesagt worden und ebenso von der Geschichte der Psyche an der Decke eines Schlafgemaches im Palaste von Greenwich.. Im Louvre, Sammlung Lacaze, sieht man Isaaks Opferung, Abraham und Melchisedek, Marienkrönung, die Kreuzaufrichtung, wahrscheinlich Entwürfe für ein Kirchengewölbe. In Wien besitzt die Galerie der Akademie eine Anzahl von Skizzen für Soffitten und höchst Ausgezeichnetes die Galerie Liechtenstein: hier der meisterliche Entwurf eines Merkur, der Psyche vor Jupiter bringt; dann für einen länglichen Soffitto: Apoll und Diana, die über den mit anderen bewegten Gestalten erfüllten Himmel sausend dahinfahren; ferner als Rund einen Olymp in Untensicht. In der Ermitage werden Skizzen zur Decke von Whitehall höchlich gerühmt, und in der National Gallery findet sich, feurig und meisterhaft gemalt, eine rundliche Skizze der Apotheose Jakobs I., oder, wie andere glauben, Wilhelms des Schweigsamen von Oranien, die indes nicht der entsprechenden Szene an der Decke von Whitehall, sondern einem Gemälde in englischem Privatbesitz gleichen soll; der Betreffende wird von zwei allegorischen Figuren in die Luft emporgehoben. Für das Gewölbe einer Kirche des Ordens der Minimen war ohne Zweifel bestimmt die Glorie des S. Francesco di Paolo (Dresden; Variante in München): der Heilige schwebt frei in der Luft; zu den Seiten an reicher Architektur und Stufenwerk sind Anbetende, Genesende, Kranke, auch Besessene gruppiert; im Exemplar von Dresden ist das Ganze gegeben in einem gelblichen Hauptton mit Andeutung einiger künftiger Hauptfarben; auch das Münchener Exemplar ist eine »teilweise in Farben gesetzte Grisaillenskizze«.

Indem wir nochmals zu den geschichtlichen Darstellungen mit Hilfe von Allegorien zurückkehren, muß beiläufig von einer damals nicht seltenen Gattung von Porträts die Rede sein, deren Rahmen im pathetischen Geschmack der Zeit mit persönlich gegebenen Tugenden, Zuständen und Örtlichkeiten sowie auch mit Emblemen rings umgeben wurden. Der Holzschnitt hatte diese Art schon längst, auch bei Einfassungen von Wappen und Büchertiteln, mannigfach gepflegt; Rubens aber, mit seiner Halbfigur des Siegers am Weißen Berge Bucquoy, im Lorbeerrahmen und der reichlichen und prächtigen Umgebung von mythologischen und allegorischen Gestalten, erreichte wohl eine höhere Wirkung als alle seine Vorgänger und Nachfolger; als Vorlage für den Stecher Vorsterman malte er das sorgfältige Bild in Grisaille, das in der Ermitage noch vorhanden ist Wir verdanken die Kunde und den Eindruck davon der trefflichen, reich illustrierten Biographie des Rubens in den »Künstlermonographien« von Knackfuß, die uns in manchen Beziehungen förderlich gewesen ist..

Ein später, aber ganz großer Anlaß für historisch-allegorische Ausdrucksweise waren dann jene prächtigen Dekorationen, Triumphbogen, Wandarchitekturen usw., die für den Empfang des Kardinal-Infanten, für den Introitus Ferdinandi (16. April 1635), auf Plätzen und Straßen von Antwerpen errichtet wurden. Für den Sachinhalt sorgte der gelehrte Freund Gevartius; künstlerisch war alles von Rubens angegeben; auch hat er noch an der Ausführung mitgewirkt, und zu mehreren Stücken bewahren das Museum von Antwerpen und die Ermitage seine und van Thuldens Ölskizzen. Von den großen Gemäldeflächen, die dazugehörten und außer der Verherrlichung auch gute patriotische Wünsche versinnlichten, sind noch mehrere in anderen Galerien erhalten. So in Wien die Zusammenkunft der beiden Ferdinande (von Spanien und von Österreich) vor der Schlacht von Nördlingen in Gegenwart des Danubius, der im Vordergrunde ganz ruhig gelagert zwei symbolischen Frauen (deren eine, wahrscheinlich Germania, Helenens Züge hat) den nahen Ausgang voraussagt; ebendort zwei große heroische Einzelfiguren aus dem Hause Habsburg. In Brüssel, und zwar eigenhändig, die Porträts von Albert und Isabel; in Dresden das bereits erwähnte Quos ego!, die Bedräuung der Windgötter durch Neptun, womit die Tatsache versinnbildlicht ist, daß während der Seefahrt des Kardinal-Infanten auf dem Mittelmeer ein Sturm sich gelegt hatte. Ein schönes Hauptbild dagegen, der Infant zu Pferde, begleitet von Viktoria, die die vor ihm flehend kniende Gestalt von »Niederland« tröstet, ist unseres Wissens nur noch aus einer Skizze und aus dem Stiche bekannt. Alle diese Herrlichkeiten aber waren längere Zeit vor allem Volk ausgestellt geblieben, und die Kunde von ihrer Erzählungsweise beschränkte sich diesmal nicht auf die, die in Palästen wie des Luxembourg und wie Whitehall Zutritt hatten.

Kein Wunder, wenn die Mächtigen der übrigen Welt für diese Art von Verherrlichung ihrer Personen, Familien und Länder eine ewige Verfügbarkeit des Rubens gewünscht haben sollten, wenn sie auch nach dem Tode des Meisters in den Werkstätten von Antwerpen noch eine vererbte Kraft dieser Richtung anzutreffen hofften und wenn in einer dieser Werkstätten in der Tat ein Maler sich fand, der sich einbildete, er könne solchen Wünschen genügen.

Es war Jakob Jordaens; zwölf Jahre nach dem Tode Rubens' (1652) unternahm er es, in dem achtseitigen mittleren Saal des oranischen Palastes im Bosch bei Haag die Glorie des fünf Jahre zuvor verstorbenen Stadhouder Friedrich Heinrich in einer großen allegorischen Prachtdarstellung zu schildern, während andere, und zwar holländische Maler, die übrigen Flächen des Saales übernahmen Auch Theodor van Thulden malte hier mehrere Szenen, und dieser, geboren im holländischen Herzogenbosch, war einer der wichtigsten jüngeren Schüler des Rubens und Hauptgehilfe beim Introitus Ferdinandi gewesen. Wir vermuten, seine Kompositionsweise möchte sich vorteilhaft von derjenigen des Jordaens unterscheiden. und mit der Darstellung des ganzen übrigen Lebens des Fürsten seit dessen Geburt anfüllten. Man weiß, daß die starken Seiten von Holland überhaupt nicht in der idealen Komposition lagen, und nun kam noch schwerfällige holländische Gelehrsamkeit angezogen; wieweit auch die Witwe Friedrich Heinrichs, Amalia von Solms, an der Auswahl der Szenen teilnahm, bleibt ungewiß. Der berühmte Antwerpener aber konnte vielleicht alles übrige durch sein großes Hauptbild aufwiegen. Noch heute in sehr gutem Stande erhalten, soll dasselbe (bei 24 Fuß Breite und 27 Fuß Höhe) sowohl in manchen Einzelheiten als auch in der Kraft der Farben und Töne von großer Wirkung sein. Wir müssen dasselbe teils nach einer berühmten Farbenskizze im Museum von Brüssel, teils nach einem großen neueren Stich beurteilen.

Hier sollte es sich nun zeigen, daß die Palette allein nicht hinreicht, selbst wenn sie der des Rubens wenig nachsteht, und, von diesem Bilde ausgehend, würde man vielleicht am sichersten die hohen Eigenschaften gerade der Rubens-Allegorien erkennen lernen. Der enorm gehäufte Pomp ist der größte Feind des künstlerischen Eindruckes, und nun hatte sich Jordaens noch zwischen der Skizze und der großen Ausführung offenbar erstaunlich dreinreden lassen und die Überfüllung erst bis auf das höchste getrieben. Das Hauptmotiv ist das dem Beschauer entgegenkommende Viergespann, das den Triumphwagen des Oraniers zieht, diesen aber übertönt und in den Schatten stellt. Und doch hatte Rubens in einer seiner Allegorien vom Sieg der Kirche (wovon unten), die Jordaens mindestens im Stiche gekannt haben muß, so gut gewußt, weshalb er eine von Idealfiguren geführte und gerittene Quadriga in der Seitenansicht durch sein Bild gehen ließ, indem er damit der auf dem Wagen thronenden Ecclesia den vollen majestätischen Hauptanblick sicherte. Ferner können sich bei Rubens, dem Meister alles Bewegten, die Figuren wirklich überall im Räume bewegen, während bei Jordaens Menschen und Tiere einander tottreten müßten. Und nun drängen sich noch, außer Kriegern und Frauen, zu beiden Seiten Mitglieder der oranischen Familie herbei, Wilhelm II. (der bereits ebenfalls verstorbene Sohn und Nachfolger des Friedrich Heinrich) sogar zu Pferde; klüglich aber taten diejenigen, die sich – zwischen Skizze und Ausführung – auf die Postamente der ehernen Ahnenstatuen rechts und links geflüchtet hatten. Wir fügen noch bei, daß die äußeren Rosse des Gespanns geführt werden von Mars und Herkules, die mittleren aber – auf der Skizze – geritten werden von Merkur und vom Gott der Zeit, während in der Ausführung auf dem einen derselben eine wohlgenährte jugendliche Figur, das Contentement, Platz genommen hat; unter den Hufen aber liegen »Neid« und »Haß«, im großen Bilde sogar nur der »Neid«. Zwei Löwen vorn bedeuten, laut dem gedruckten Führer, »Hochherzigkeit« und »Kraft«, zwei Hunde »Wachsamkeit« und »Treue«; die (im Bilde) vorn beigegebenen Putten personifizieren »die Freude aller Lebensalter« (?). Der obere Teil des ausgeführten Bildes wirkt dann schon anarchisch: über dem Triumphator schwebt ein Skelett mit einem Spieß, dem ein männlicher Ruhmesgenius mit Trompete entgegensaust, und ganz oben, in kurios schwankender Stellung, sieht man eine Friedensgöttin. Ein Fruchtkranz mit Schwebeputten schließt das Ganze.


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