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Dosso Dossi (st. 1560) ließ sich weniger von Raffael desorientieren, dessen persönlichen Einfluß er nicht mehr erfuhr. Er blieb ein Romantiker auf eigene Gefahr und behielt (die späteste Zeit ausgenommen) seine Glutfarben und seine eigenen, bisweilen ungeschickten und bizarren, oft aber höchst bedeutenden Gedanken; in den Charakteren steht er nicht selten den größten Venezianern gleich, am ehesten dem Giorgione.
Frühere kleine Bilder sind ganz ferraresisch (Uffizien: Kindermord; Pal. Pitti: Ruhe auf der Flucht, mit herrlicher Landschaft). – Von den Altarbildern ist das große aus einer Madonna mit Heiligen und fünf Nebenabteilungen bestehende im Ateneo zu Ferrara (aus S. Andrea, wo man jetzt Candis Kopie findet) einer der größten Kunstschätze Oberitaliens; streng architektonische Anordnung, Adel und Fülle der Charaktere, gewaltige Kraft der Farbe. – Ebenda: eine große Verkündigung, und ein Johannes auf Patmos, von mißlungenem pathetischem Ausdruck. – In der Brera zu Mailand: ein heiliger Bischof mit zwei Engeln (1536). – Im Dom von Modena, vierter Altar links, Madonna in Wolken, unten S. Sebastian, S. Hieronymus und Johannes d. T., Hauptbild. – In der Galerie zu Modena: große Anbetung der Könige mit phantastisch beleuchteter Landschaft; großes Karthäuservotivbild mit der auf Wolken schwebenden Jungfrau. – Ebenda al Carmine, dritter Altar rechts: ein heiliger Dominikaner, ein schönes dämonisches Weib mit Füßen tretend. – Ebenda in S. Pietro, dritter Altar rechts: Mariä Himmelfahrt, die Apostel (drei rechts, drei links und sechs hinten) treten ganz feierlich mit ihren Attributen heran; – andre Bilder dieser Kirche werden teils seiner Schule, teils seinem Bruder Gian Battista zugeschrieben, so die artige Predella des fünften Altars rechts, – die naiv schöne auf Wolken schwebende Madonna mit zwei heiligen Bischöfen auf dem siebenten Altar links, – die Madonna in Wolken mit S. Gregor und S. Georg, wozu eine landschaftlich köstliche Predella, sicher von Gian Battista, gehört, zweiter Altar links. Als Genremaler ist Dosso Dossi besonders in der Galerie von Modena vertreten, hauptsächlich allerdings nur durch jene zu halbdekorativem Zweck gemalten Ovalbilder mit Essenden, Trinkenden und Musizierenden, in welchen man doch Giorgiones Vorbild ahnen kann; ebenda eine Anzahl Porträts, mit welchen die Phantasie den Hof von Ferrara, wie er in den spätern Zeiten war, bevölkern mag. – Im Kastell von Ferrara hat Dosso mit Hilfe seiner Schule mehrere Räume verziert; es sind meist Arbeiten seiner ganz späten, schon manierierten Zeit, selbst die berühmte Aurora in dem Saal der vier Tageszeiten; auch die drei kleinen Bacchanale (in einem kleinen Korridor) haben nicht mehr die Frische und Schönheit, die solche Gegenstände verlangen. Nicht das Mythologische, sondern das frei Fabelhafte wäre Dossos Fach gewesen. Man sieht im Pal. Borghese zu Rom ein Bild seiner besten Zeit: Circe (?) im Walde, magische Künste übend. Es ist die lebendig gewordene Zaubernovelle; so dachte Ariost seine Gestalten.
Ein Zeitgenosse des Garofalo und Dosso, der Ortolano, hat zu S. Francesco in Ferrara die Orgelflügel (linkes Querschiff) ganz tüchtig in der Art des erstern mit großen Heiligenfiguren geschmückt. (Die Halbfiguren an der Brustwehr teils von Garofalo selbst, teils von Bonone.)
Die Unzulänglichkeit und Erstorbenheit der alten sienesischen Schule muß gegen Ende des 15. Jahrhunderts sehr unverhohlen als Tatsache anerkannt gewesen sein, indem man sonst nicht Pinturicchio von Perugia berufen hätte, um die Libreria und die Kapelle San Giovanni im Dom auszumalen. Es scheint sogar, daß einzelne Sienesen nach Perugia in die Schule gingen, wie die frühern Bilder des Domenico Beccafumi (s. unten) beweisen. Sehr eigentümlich äußert sich dieser peruginische Einfluß ferner bei dem edeln, männlichen Bernardino Fungai, der die schöne Inspiration davon annahm ohne die äußerlichen Manieren; seine Bilder in der Akademie (dritter Raum und großer Saal) sind noch sienesisch befangen; die Krönung Mariä mit vier Heiligen in der Kirche Fontegiusta (rechts) nähert sich schon mehr den Umbriern und den Florentinern; die Lünette über dem Hochaltar ebenda, Mariä Himmelfahrt, hat bereits in den musizierenden Engeln einzelnes von hoher Schönheit; endlich lebt der Meister weiter in einem Bilde seines Schülers Pacchiarotto (S. Spirito, dritte Kapelle links); wiederum eine Krönung Mariä, unten drei kniende Heilige, schön und andächtig, ernst und gemessen wie die Heiligen Spagnas. – (Das große Bild Fungais im Carmine, Madonna mit Heiligen, vom Jahre 1512, hat der Verfasser nicht gesehen.)
Allein die dauernde Hilfe konnte der Schule nicht durch Meister des passiven Ausdruckes kommen, wie die meisten Peruginer waren, sondern nur durch Teilnahme an der großen Historienmalerei, die damals durch ganz Italien ihre Triumphe feierte. Und zwar sollte es ein Lombarde sein, Antonio Bazzi von Vercelli, genannt il Sodoma (1479 bis 1554), welche dem Geiste der sienesischen Schule für lange, ja auf mehr als ein Jahrhundert hin eine neue, fruchtbringende Richtung gab.
Sodoma hatte sich bei den mailändischen Schülern Leonardos gebildet (wie denn noch sein frühestes Bild in Siena, die Kreuzabnahme in S. Francesco, rechts, vom Jahre 1513, durch Auffassung und Farbenglanz einigermaßen an Gaudenzio Ferrari erinnert); später bei mehrmaligem Aufenthalt in Rom nahm er, wie es scheint, den Eindruck Raffaels nachhaltiger in sich auf als die meisten von dessen Schülern und bewahrte denselben, als diese ihn schon längst vergessen hatten.
Sein Genius hatte allerdings bestimmte Schranken, über welche er nie hinauskam. Ganz erfüllt von der Schönheit der menschlichen Gestalt, die er in raffaelisch anmutigen Kinderfiguren (Putten) wie in Personen jedes Alters nackt oder bekleidet auf das großartigste darzustellen wußte, besaß er kein Auge für das Maß der historischen Komposition. Er füllte seine Räume dergestalt mit Motiven jedes Grades an, daß immer eines das andre verdrängt oder aufhebt. So ist von den beiden großen Fresken im zweiten obern Saal der Farnesina zu Rom, Alexander mit Roxane, und die Familie des Darius, das erstere durch Überreichtum an Schönheiten, das letztere zudem durch Verwirrung nicht nach Verdienst genießbar. In S. Domenico zu Siena malte Sodoma (1526) die Kapelle der heil. Katharina (rechts) mit Szenen aus deren Leben aus, von welchen wenigstens die figurenreichste vor lauter Fülle ganz unklar wird, während so viel einzelnes in Charakteren und Bewegungen unvergleichlich bleibt; die Verzierungen der Pilaster und die Putten darüber gehören ganz der goldenen Zeit anBestes Licht: Gegen Mittag. . – Es ergibt sich aus dem Gesagten von selbst, daß Sodoma am besten wirkt in isolierten Figuren, deren denn auch einige keinen Vergleich in der Welt zu scheuen haben. – Am besten wird man dessen gewahr in S. Bernardino (oberes Oratorium), wo die vier einzelnen Heiligen S. Ludwig von Toulouse, S. Bernardin, S. Antonius von Padua und S. Franz als vollkommen, die historischen Kompositionen dagegen, Mariä Darstellung, Heimsuchung, Himmelfahrt und Krönung, nur als bedingte Lösungen dieser Aufgaben erscheinenBestes Licht: Nachmittags. . Im Pal. pubblico sind die drei fast nur von Putten begleiteten Heiligen S. Ansano, S. Vittorio und S. Bernardo Tolomei (in der Sala del Consiglio) so rein und groß als irgend etwas Ähnliches aus dieser Zeit, die Auferstehung dagegen (Stanza del Gonfaloniere) nur im Detail trefflich. In S. Spirito (erste Kapelle rechts) malte Sodoma (1530) um eine Altarnische herum oben S. Jacob zu Pferde als Sarazenensieger, unten rechts und links S. Antonius den Abt und S. Sebastian; wiederum von seinen herrlichsten Arbeiten. Von den in die Akademie gebrachten Kirchenfresken wird (vierter Raum) das grandiose Eccehomo, der leidende Normalmensch in einem Augenblick der Ruhe, immer den Vorzug behalten vor dem Christus am Ölberg und in der Vorhölle (großer Saal), obwohl gerade das letztere Bild große Einzelschönheiten hat. (Die Geburt Christi an der Porta Pispini hat der Verfasser übersehen; leider war ihm auch der Besuch des Klosters Monte Oliveto unweit Buonconvento nicht vergönnt, wo sich Sodoma in einem großen Zyklus historischer Fresken von höchstem Werte verewigt hat. Sind dieselben wirklich aus seiner Jugend, vom Jahre 1502, so müssen sie seinem frühern lombardischen Stil entsprechen.)
Mit voller Freude hat Sodoma, wie die Größten seiner Zeit überhaupt, nur in Fresko gearbeitet. Da erging sich seine Hand im freiesten und sichersten Schwung; mit hohem Genuß wird man diese gleichmäßigen, leichten Pinselstriche verfolgen, mit welchen er die Schönheit festzauberte. In Staffeleibildern war er insgemein befangener, und brauchte Farben, die einem ungleichen Nachdunkeln unterworfen sind, so daß z. B. ein ohnehin überfülltes Bild wie seine Anbetung der Könige in S. Agostino zu Siena (Nebenkapelle rechts) ungünstig wirkt. In andern Fällen jedoch, wo sich z. B. die Hauptfiguren mehr isolieren, siegt er durch die sehr gewissenhafte Durchführung der schönen Form. Auferstehung Christi, im Museum von Neapel (Hauptsaal); das Opfer Abrahams, im Dom von Pisa (Chor); derselbe Gegenstand in der Brera zu Mailand; der S. Sebastian in den Uffizien (toskanische Schule), vielleicht der schönste, den es gibt, zumal mit den absichtlichen Schaustellungen der spätern Schulen verglichen; hier ist wahres edles Leiden in der wunderbarsten Form ausgedrückt.
Seine Madonna ist in der Regel ernst und nicht mehr ganz jugendlich, sein Christuskind den frei spielenden Putten seiner Fresken selten an Unbefangenheit und an Werte gleich. (Pal. Borghese u. a. a. O.) Ebenso sein Eccehomo (Pal. Pitti und Uffizien) nicht demjenigen in Fresko. Sein eigenes treffliches Porträt in den Uffizien.
Die Ornamente und kleinen Zwischenbilder an der Decke der Camera della Segnatura im Vatikan bekenne ich nie genau angesehen zu haben. – Von den Fresken des Konservatorenpalastes auf dem Kapitol werden dem Sodoma neuerlich die sehr kindlichen Szenen aus dem punischen Kriege im siebenten Zimmer zugeschrieben; nach meiner Ansicht gehören ihm eher einige Figuren im vierten Zimmer (wenn ich nicht irre, dem der Fasti).
Zunächst schlossen sich seinem Stil einige Schüler früherer Sieneser an; so Andrea del Brescianino (schöne Taufe Christi auf dem Altar von S. Giovanni, der Unterkirche des Domes von Siena; Madonna mit Heiligen, Akademie, großer Saal) und vorzüglich Jacopo Pacchiarotto. Die frühern Bilder des letztern (S. 893, f) verbinden wie die besten des Fungai den peruginischen Ausdruck mit einer ernst gemeinten, tiefen Charakteristik; dieser Art soll außer dem genannten in S. Spirito auch eine Madonna mit Heiligen in S. Cristoforo sein. Später wurde er unter der offenbaren Einwirkung Sodomas (auch wohl des Fra Bartolommeo und Andrea del Sarto) einer der wenigen Historienmaler, welche in den nächsten Jahrzehnten nach Raffaels Tode die Ehre der historischen Kunst im höhern Sinn vertraten. Ohne den Sodoma in der schwungvollen Schönheit der einzelnen Gestalten zu erreichen, war er ihm als Komponist beträchtlich überlegen; man wird in S. Bernardino (oberes Oratorium) die Geburt Mariä und den englischen Gruß, ganz besonders aber in S. Catarina (unteres Oratorium) die Geschichten der Heiligen (die beiden Bilder rechts und das zweite links) dem Andrea del Sarto nicht weit nachsetzen können. Der Mordanfall auf die Mönche ist als Szene vortrefflich entwickelt, die Heilige an der Leiche der heil. Agnese ein Bild voll des schönsten Ausdruckes. Von Pacchiarottos Bildern in der Akademie ist eine Himmelfahrt Christi (großer Saal) noch etwas befangen; ein großer »englischer Gruß«, mit der Heimsuchung im Hintergrunde, oben Putten, welche die Vorhänge beiseiteziehen, wird einem Girolamo del Pacchia zugeschrieben, welcher vielleicht mit Pacchiarotto identisch ist; ein herrliches Bild, welches den Geist der sienesischen und der florentinischen Schule in reinster Verbindung zeigt.
Domenico Beccafumi machte in seinem langen Leben die Stile mit, die in seiner Umgebung herrschten. Seine Jugendbilder sehen bisweilen denjenigen der peruginischen Schule und Peruginos selbst zum Verwechseln ähnlich. In seiner zweiten und besten Periode steht er dem Sodoma kaum minder würdig zur Seite als Pacchiarotto; dahin gehört das schöne Bild in der Akademie (Saal der Scuole diverse), welches mehrere Heilige in architektonischer Umgebung und oben eine Erscheinung der Madonna darstellt; ebenso die grandiosen Kompositionen in S. Bernardino, Vermählung und Tod der Maria nebst dem Altarbilde. In seiner spätern Zeit kam die Ausartung und falsche Virtuosität der römischen Schule über ihn. (Sturz der bösen Engel, Akademie, großer Saal; Fresken der Sala del concistoro im Pal. pubblico usw.) Der Charakter war vielleicht dem Talent nicht gewachsen. – Von dem figurierten Marmorboden des Domes werden die besten Zeichnungen (im Chor) ihm zugeschrieben, große figurenreiche Kompositionen, schon ziemlich römisch. – In den Uffizien das Rundbild einer heil. Familie.
Der große Baumeister Baldassare Peruzzi ist als Maler entweder vorzugsweise Dekorator (S. 165, e) oder in den Manieren des 15. Jahrhunderts befangen (Deckenbilder des Saales der Galatea in der Farnesina zu Rom, wo freilich neben Raffael alles unfrei aussieht). Auf den wenigen Malereien seiner spätern Zeit ruht jedoch Raffaels und Sodomas Geist. Das Fresko der ersten Kapelle links in S. Maria della Pace zu Rom, eine Madonna mit Heiligen und Donator, hält diesmal gegenüber von Raffaels Sibyllen wenigstens soweit die Probe aus, daß man in den schönen und klar gegebenen Charakteren und in der freien Behandlung den Künstler der goldenen Zeit auf den ersten Blick erkennt. In der Kirche Fontegiusta zu Siena (links) ist das einfach grandiose Freskobild des Augustus und der tiburtinischen Sibylle trotz seiner übeln Beschaffenheit ebenso ein ergreifender Klang aus jener großen Epoche. (Die Malereien im Chor von S. Onofrio zu Rom, die Mosaiken in der unterirdischen Kapelle von S. Croce in Gerusalemme ebenda, und die wenigen Staffeleibilder Peruzzis gehören vorwiegend zu seinen manierierten Sachen.)
Von dem Untergang der Republik an (1557) verdunkelt sich auch der künstlerische Glanz Sienas, doch nur für einige Zeit. Die Nachblüte der italienischen Malerei, welche gegen Ende des 16. Jahrhunderts beginnt, hat gerade hier einige ihrer tüchtigsten Repräsentanten.
In Verona repräsentieren vorzüglich zwei Maler die goldene Zeit: Gianfrancesco Caroto, Schüler Mantegnas, und Paolo Cavazzola, Schüler des Franc. Morone, welchen man noch den Giolfino beigesellen kann.
Durch die Verhüllung der Altarblätter wegen der Fasten sah sich der Verfasser mit seinem Urteil beinahe ganz auf die Gemälde derselben in der Pinacoteca zu Verona beschränkt. Carotos graue Untermalung einer Anbetung der Hirten ist eine unscheinbare und doch herrliche Schöpfung; der Geist Lionardos berührt die Schule des Mantegna; – ebenda eine andre Anbetung des Kindes, eine thronende Madonna mit Heiligen auf Wolken, u. a. m. Weit das Wichtigste in S. Eufemia. – Von Cavazzola enthält die Pinacoteca das große Hauptwerk (1517) einer Passion in drei Bildern; wiederum ein wunderbarer Übergang aus dem Realismus des 15. Jahrhunderts in die edle, freie Charakteristik des sechzehnten, nicht in leere Idealität; – außerdem frühe kleinere Passionsbilder, grandiose Halbfiguren von Aposteln und Heiligen; Christus und Thomas; endlich eine herrliche große Madonna mit Heiligen (1522), welche in der ganzen Behandlung, auch in der trefflichen Landschaft, an die Ferraresen erinnert. (Von ihm und Brusasorci sind auch die kleinen Landschaften in S. M. in organo, S. 257, a, mit hohen und schönen Horizonten, im Ton eher kalt als venezianisch oder flandrisch, mit biblischen Szenen staffiert.) Einige schöne Bilder in der Sakristei von S. Anastasia (Paulus mit andern Heiligen und Andächtigen; die von Engeln emporgetragene Magdalena) und in einer Nebenkapelle links an SS. Nazaro e Celso (große Taufe Christi). – Giolfinos Sachen in der Pinacoteca sind minder bedeutend als der vierte Altar links in S. Anastasia, wenigstens dessen Nebenmalereien. Fresken in S. M. in organo. – Die zum Teil ganz besonders schönen Fassadenmalereien dieser Meister sind verzeichnet S. 280 und 281.
Mitten im höchsten allgemeinen Aufblühen erhebt sich ein Maler, welcher die Grundlagen und Ziele seiner Kunst ganz anders auffaßt als alle übrigen: Antonio Allegri da Correggio (1494–1534), Schüler des Francesco Mantegna und des Bianchi Ferrari (S. 776). Es gibt Gemüter, welche er absolut zurückstößt und welche das Recht haben, ihn zu hassen. Immerhin möge man die Stätte seiner Wirksamkeit, Parma, besuchen, womöglich bei hellem Wetter, wäre es auch nur um der sonstigen Kunstschätze und um der freundlichen und zuvorkommenden Einwohner willen, die das schlechteste Straßenpflaster von Italien wohl vergessen zu machen imstande sind.
Innerlich so frei von allen kirchlichen Prämissen, wie Michelangelo, hat Correggio in seiner Kunst nie etwas andres als das Mittel gesehen, das Leben so sinnlich reizend und so sinnlich überzeugend als möglich darzustellen. Er war hierfür gewaltig begabt; in allem, was zur Wirklichmachung dient, ist er Begründer und Entdecker selbst im Vergleich mit Lionardo und Tizian.
Allein in der höhern Malerei verlangen wir nicht das Wirkliche, sondern das Wahre. Wir kommen ihr mit einem offenen Herzen entgegen und wollen nur an das Beste in uns erinnert sein, dessen belebte Gestalt wir von ihr erwarten. Correggio gewährt dies nicht; das Anschauen seiner Werke wird darob wohl zu einem unaufhörlichen Protestieren; man ist versucht sich zu sagen: »als Künstler hättest du dieses alles höher zu fassen vermocht.« Vollständig fehlt das sittlich Erhebende; wenn diese Gestalten lebendig würden, was hätte man an ihnen? welches ist diejenige Gattung von Lebensäußerungen, welche man ihnen vorzugsweise zutrauen würde?
Aber das Wirkliche hat in der Kunst eine große Gewalt. Selbst wo sie das Geringe und Zufällige, ja das Gemeine mit allen Mitteln der Realität darstellt, übt dasselbe einen zwingenden Zauber, wenn auch von widriger Art. Handelt es sich aber um das sinnlich Reizende, so erhöht sich dieser Zauber unendlich und berührt uns dämonisch. Wir brauchten dieses Wort bei Michelangelos Postulat einer physisch erhöhten Menschenwelt; mit ganz entgegengesetzten Mitteln bringt Correggio eine Wirkung hervor, die wiederum nicht anders zu bezeichnen ist. Er zuerst stellt in seinen Szenen den Naturmoment vollständig und vollkommen dar. Das Zwingende liegt nicht in dieser oder jener schönen und buhlerischen Form, sondern darin, daß für die Existenz dieser Form eine unbedingte Überzeugung in dem Beschauer hervorgebracht wird vermöge der vollkommen wirklichen (und durch versteckte Reizmittel erhöhten) Mitdarstellung von Raum und Licht.
Unter seinen Darstellungsmitteln ist das Helldunkel sprichwörtlich berühmt. Das ganze 15. Jahrhundert zeigt eine Menge einzelner Versuche dieser Art, allein bloß mit dem Zweck, das einzelne möglichst vollständig zu modellieren. Bei Correggio zuerst ist das Helldunkel wesentlich für den Mitausdruck des malerisch geschlossenen Ganzen; in diesem Strom von Lichtern und Reflexen liegt gerade der Naturmoment ausgedrückt. Abgesehen davon wußte Correggio zuerst, daß die Oberfläche des menschlichen Körpers im Halblicht und im Reflex den reizendsten Anblick gewährt.
Seine Farbe ist in der Karnation vollendet und auf eine Weise aufgetragen, die ein ganz unendliches Studium der Erscheinung in Luft und Licht voraussetzt. In der Bezeichnung andrer Stoffe raffiniert er nicht; die Harmonie des Ganzen, der Wohllaut der Übergänge liegt ihm mehr am Herzen.
Das Hauptmerkmal seines Stiles aber ist die durchgängige Beweglichkeit seiner Gestalten, ohne welche es für ihn kein Leben und keine vollständige Räumlichkeit gibt, deren wesentlicher Maßstab ja die bewegte, und zwar mit dem vollkommenen Schein der Wirklichkeit bewegte, also je nach Umständen rücksichtslos verkürzte Menschengestalt istEs ist kaum anders möglich, als daß Correggio das Hauptwerk seines einzigen Vorgängers in dieser Richtung, die Halbkuppel des Chores von SS. Apostoli zu Rom von Melozzo da Forli gekannt habe. (Ansicht Mündlers, von Waagen, Kunstblatt 1851, S. 158 gebilligt.) Sonach hätte er Rom überhaupt gekannt . Er zuerst gibt auch den Glorien des Jenseits einen kubisch meßbaren Raum, den er mit gewaltig wogenden Gestalten füllt. – Diese Beweglichkeit ist aber keine bloß äußerliche, sondern sie durchdringt die Gestalten von innen heraus. Correggio errät, kennt und malt die feinsten Regungen des Nervenlebens.
Von großen Linien, von strenger architektonischer Komposition ist bei ihm nicht die Rede, auch von der großen, befreienden Schönheit nicht. Sinnlich Reizendes gibt er in Fülle. Hier und da verrät sich auch eine tief empfindende Seele, welche vom Wirklichen ausgehend große geistige Geheimnisse offenbart; es gibt Bilder des Leidens von ihm, welche zwar nicht großartig, aber durchaus edel, rührend und mit unendlichem Geist durchgeführt sind. (Von seinem Christus am Ölberg eine gute alte Kopie in den Uffizien.) Allein es sind Ausnahmen.
Ein frühes Bild ist die Ruhe auf der Flucht, in der Tribuna der Uffizien, mit S. Bernhard; die Vorstufe der unten zu nennenden Madonna della Scodella. Hier zum erstenmal wird die Szene zum lieblichen Genrebild, was sie bei den Realisten des 15. Jahrhunderts trotz aller Züge aus der Wirklichkeit noch nicht ist. Einige Befangenheit zeigt sich in dem gleichgültigen Kopf der Mutter und in der Unschlüssigkeit des Kindes, die von Joseph gepflückten Datteln anzunehmen. Die Farbe ist noch ungleich, teilweise merkwürdig vollendet.
Ebenda, vielleicht ebenfalls noch früh: Madonna im Freien vor dem auf Heu liegenden Kinde kniend – nicht mehr um es anzubeten, sondern um ihm lachend mit den Händen etwas vorzumachen; wunderbar gemalt, das Kind auf die anmutigste Weise verkürzt; die Mutter schon von derjenigen kleinlichen Hübschheit, welche ihr bei Correggio eigen bleibt. – (Der Kopf Johannes d. T. auf einer Schüssel, ebenda, ist keiner von den großartig Duldenden, nicht der enthauptete Prophet, sondern ein schon bei Lebzeiten kränklicher Frömmler – übrigens zweifelhaft. So auch der über die nackte Schulter sehende jugendliche Kopf derselben Sammlung, vielleicht Kopie aus der Schule der Caracci. – Im Pal. Pitti ein unbedeutendes Kindesköpfchen.)
Entschieden sehr früh die große Kreuztragung in der Galerie von Parma; schon mit unbedingtem Streben nach Affekt (bis zur Brutalität) und mit Nichtachtung der Linien zugunsten der Formen komponiert; der Ausdruck der beiden Hauptgestalten wahr und ergreifend.
Von 1518 an, seit welchem Jahre Correggio in Parma seßhaft war, entstand jene Reihe von Meisterwerken, deren vorzüglichste nach Dresden und Berlin geraten sind. (Von der Dresdner Magdalena eine schöne alte Kopie bei Camuccini in Rom.) Doch besitzt auch Italien noch mehrere von höchster Bedeutung.
Im Museum von Neapel: das kleine Bildchen der Vermählung der heil. Katharina, leicht und kühn gemalt: daß das Kind ob der befremdlichen Zeremonie fragend die Mutter ansieht, ist ganz ein Zug in der Art Correggios, der die Kinder nicht anders als naiv kennen wollte. (Der Christus auf dem Regenbogen, vatikanische Galerie, kann doch nur als caracceskes Bild gelten.)
Ebenda: la Zingarella, d. h. Madonna über das Kind gebeugt auf der Erde sitzend, oben im Palmendunkel schweben reizende Engel. Correggio hebt in der Maria das Mütterliche hier und auch sonst nicht selten mit einer wahren Heftigkeit hervor, als fühlte er, daß er seinem Typus keine höhere Bedeutung verleihen könne. Die Ausführung vielleicht etwas früher, übrigens von größter Schönheit.
Auch die große Freskomadonna in der Galerie von Parma zeigt Mutter und Kind innig verschlungen; eines der schönsten Linienmotive Correggios; Köpfe und Hände wunderbar zusammengeordnet (dergleichen sonst seine starke Seite nicht ist); Hauptbeispiel seines weiblichen Idealkopfes mit den kolossalen Augenlidern und dem Näschen und Mündchen.
Ebenda: die berühmte Madonna della Scodella, eine Szene der Flucht nach Ägypten. Das zauberhafte Licht in dem heimlichen Waldraum, die liebenswürdigen Köpfe und die unbeschreibliche Herrlichkeit der ganzen Behandlung lassen es vergessen, daß das Bild wesentlich nach den Farben komponiert und in den Motiven überwiegend unklar ist. Was will das Kind, ja die Mutter selbst? was fangen die heftig bewegten Engel oben mit der Wolke an? wie hat man sich den Engel, welcher das Lasttier bindet, und denjenigen mit dem Rebenzweig vollständig entwickelt zu denken? Man scheue sich nur nicht, Fragen, die man an jeden Maler stellt, auch an Correggio zu stellen. Wer solche Wirklichkeit malt, ist zur Deutlichkeit doppelt verpflichtet.
Auch die Madonna di S. Girolamo (ebenda) wiegt durch eine fast (doch nicht ganz) ebenso erstaunliche Behandlung die großen sachlichen Mängel nicht auf. Hieronymus steht affektiert und unsicher, wie denn Correggio im Großartigen nirgends glücklich ist; das Kind, welches dem im Buche blätternden Engel winkt und mit den Haaren der Magdalena spielt, ist von einer unbegreiflichen Häßlichkeit, ebenso der Putto, welcher am Salbengefäß der Magdalena riechtSo daß man sich des Gedankens an eine ganz bestimmte Absicht kaum erwehren kann. Es ist hier Pflichtsache zu bekennen, daß in Toschis Stichen die Köpfe nicht selten versüßt sind – dies unbeschadet der hohen Achtung vor dem Meister, welchen ich noch wenige Monate vor seinem Ende in seinem Studio zu begrüßen das Glück gehabt habe. Es wäre sehr zu wünschen, daß die Aquarellkopien der Fresken Correggios, teils von Toschis, teils von seiner Schüler Händen, öffentliches Eigentum würden. Wer sie noch jetzt zu sehen Gelegenheit hat, versäume dies nicht. . Nur letztere ist ganz außerordentlich schön und zeigt in der Art, wie sie sich hinschmiegt, die höchste Empfindung für eine bestimmte Art weiblicher Anmut.
Die Kreuzabnahme, ebenda, vor allem ein Wunderwerk der äußern Harmonie. Der Kopf des liegenden Christus von höchst edelm Schmerzensausdruck, die übrigen aber beinah kleinlich und selbst grimassierend. Die Ohnmacht ist in der Maria sehr wirklich dargestellt, so daß man z. B. inne wird, wie sie die Herrschaft über den linken Arm verliert.
Das Gegenstück (wie obiges auf damaszierte Leinwand gemalt): Die Marter des heil. Placidus und der heil. Flavia; in der malerischen Behandlung nicht minder ausgezeichnet. Ein verhängnisvolles Bild, dessen übelste Eigenschaften bei den Malern des 17. Jahrhunderts nur zu vielen Anklang gefunden haben. Verlangte man von Correggio diese Szene oder ist er hier freiwillig der erste Henkermaler, wie er anderwärts der erste ganz verbuhlte Maler ist? Höchst seelenruhig und kunstgerecht zieht der eine Henker der süßlichen Flavia die Flechte mit der Linken herunter und stößt sie mit dem Schwert unter die Brust; der andre zielt auf den ganz devot vor ihm knienden Placidus; rechts sieht man zwei Rümpfe von Enthaupteten, ja aus dem Rahmen schaut noch der Arm eines Henkers hervor, der einen blutigen Kopf trägt. Auf den ersten Blick erscheint das Ganze erstaunlich modern.
Von den Fresken Correggios in Parma sind diejenigen in einem Gemach des aufgehobenen Nonnenklosters S. Paolo die frühesten. Über dem Kamin sieht man Diana in ihrem Wagen auf Wolken fahrend; am Gewölbe, welches über 16 trefflichen einfarbig gemalten Lünetten mythologischen Inhaltes emporsteigt, ist eine Weinlaube gemalt und in den runden Öffnungen derselben die berühmten Putten, zu zweien oder dreien in allerlei Verrichtungen gruppiert. Sie sind nicht schön im Raum, auch nicht in den Linien, überhaupt fehlte dem Maler das architektonische Element, das solchen Dekorationen zugrunde liegen muß; allein es sind Bilder der heitersten Jugend, Improvisationen voll von Leben und von Schönheit. (Gutes Reflexlicht bei Sonnenschein 10–12 Uhr.)
Bald darauf, 1520–1524, malte Correggio in S. Giovanni, und zwar wohl zuerst die schöne und strenge Gestalt des begeisterten Evangelisten in einer Türlünette des linken Querschiffes. – Dann die Kuppel. (Im Februar war um 12 Uhr und gegen 4 Uhr die Beleuchtung am leidlichsten. S. 195, oben.) Es ist die erste einer großen Gesamtkomposition gewidmete Kuppel; Christus in der Glorie, von den auf Wolken sitzenden Aposteln umgeben, und zwar alles als Vision des unten am Rand angebrachten Johannes. Die Apostel sind echte Lombarden des nobeln Typus, von einer grandiosen Körperlichkeit; der greise, ekstatische Johannes (absichtlich?) unedler. Die völlig durchgeführte Untensicht, von welcher dieses Beispiel das früheste erhaltene und jedenfalls das früheste so ganz durchgeführte ist (vgl. S. 900, Anm. [3]), erschien den Zeitgenossen und Nachfolgern als ein Triumph aller Malerei. Man vergaß, welche Teile des menschlichen Körpers bei der Untensicht den Vorrang erhalten, während doch der Gegenstand dieses und der meisten spätern Kuppelgemälde – die Glorie des Himmels – nur das geistig Belebteste vertragen würde. Man empfand nicht mehr, daß für diesen Gegenstand die Raumwirklichkeit eine Entwürdigung ist und daß überhaupt nur die ideale, architektonische Komposition ein Gefühl erwecken kann, welches demselben irgendwie gemäß ist. Nun ist schon hier gerade die Hauptgestalt, Christus, wahrhaft froschartig verkürzt; auch bei einzelnen Aposteln rücken die Knie bis gegen den Hals. Als Raumverdeutlichung, Stütze und Sitz, malerisch auch als Mittel der Abstufung und Unterbrechung dienen die Wolken, welche Correggio als konsistent geballte Körper von bestimmten Volumen behandelt. – Auch an den Pendentifs (Zwickeln) der Kuppel sitzen die an sich sehr schönen, nur übermäßig verkürzten Gestalten – je ein Evangelist und ein Kirchenvater – auf Wolken, während noch Michelangelo seinen Propheten und Sibyllen an ähnlicher Stelle feste Throne gegeben hatte.
Die Halbkugel des Chores derselben Kirche, mit der großen Krönung der Maria, wurde 1584 abgebrochen. Doch wurde die Hauptgruppe (Christus und Maria) gerettet und ist gegenwärtig in einem Gange der herzoglichen Bibliothek angebracht; außerdem hatten Annibale und Agostino Caracci fast das Ganze stückweise kopiert (sechs Stücke in der Galerie von Parma, mehrere im Museum von Neapel), und Cesare Aretusi wiederholte hernach an der neuen Halbkugel die ganze Komposition, so gut er konnte. – Ein leidenschaftlicher Jubel durchströmt den ganzen Himmel in dem geweihten Augenblick; die schönsten Engel drängen sich zu dem Heere zusammen. Aber die Madonna selbst ist weder naiv noch schön, Christus eine mittelmäßige Bildung. (Beide in den Kopien versüßt und so ohne Zweifel auch Johannes d. T.)
Endlich malte Correggio 1526–1530 die Kuppel des Domes aus und gab sich dabei seiner Art von Auffassung des Übersinnlichen in ganz unbedingten Maße hin. Er veräußerlicht und entweiht alles. Im Zentrum (jetzt sehr verdorben) stürzt sich Christus der inmitten einer gewaltigen Engel- und Wolkenmasse heraufrauschenden Maria entgegen. Das Momentane ist allerdings überwältigend; der Knäuel zahlloser Engel, welche hier mit höchster Leidenschaft einander entgegenstürzen und sich umschlingen, ist ohne Beispiel in der Kunst; ob dies die würdigste Feier des dargestellten Ereignisses sein kann, ist eine andre Frage. Wenn ja, so war auch das mit einem bekannten Witzwort bezeichnete Durcheinander von Armen und Beinen nicht zu vermeiden, denn wäre die Szene wirklich, so müßte sie sich allerdings etwa so ausnehmen. – Weiter unten, zwischen den Fenstern, stehen die Apostel der Maria nachschauend; hinter ihnen auf einer Brustwehr sind Genien mit Kandelabern und Rauchfässern beschäftigt. In den Aposteln ist Correggio inkonsequent; wer so aufgeregt ist wie sie, bleibt nicht in seiner Ecke stehen; auch ihre vermeintliche Großartigkeit hat etwas merkwürdig Unwahres. Aber ganz wunderschön sind einige von den Genien, auch manche von den Engeln im Kuppelgemälde selbst, und vollends diejenigen, welche in den Pendentifs die vier Schutzheiligen von Parma umschweben. Es ist schwer, sich genau zu sagen, welcher Art die Berauschung ist, womit diese Gestalten den Sinn erfüllen. Ich glaube, daß hier Göttliches und sehr Irdisches durcheinander rinnen. Vielleicht faßt sie ein jüngeres Gemüt unschuldiger auf. (Bestes Licht auch für die Besteigung der Kuppel: gegen Mittag.)
Außerdem sind noch in der Annunziata Reste einer Freskolunette der Verkündigung erhalten; eine der einflußreichsten Kompositionen.
Von monumentalen Malereien mythologischen Inhaltes kenne ich in Italien außer den Fresken von S. Paolo nur den vom Adler emporgetragenen Ganymed, jetzt an der Decke eines Saales in der Galerie zu Modena. Eine von dem Bild in Wien ganz verschiedene Komposition, höchst meisterhaft in Wenigem.
Von Staffeleibildern ist die Danae im Pal. Borghese zu nennen. Vielleicht Correggios gemeinste Gestalt dieser Art, weil sie nicht einmal recht sinnlich ist; aber naiv und herrlich gemalt sind die beiden Putten, welche auf einem Probierstein einen goldenen Pfeil prüfen: der beredte Amor ist vollends der Genien im Dom von Parma würdig. – (Die Allegorie der Tugend im Pal. Doria zu Rom gilt als echte Skizze, wenn ich nicht irre, für eines der Temperabilder Correggios in der Sammlung der Handzeichnungen im Louvre.)
Wenn jemand die Gewandtheit bewundert, mit welcher Correggio unter allen möglichen Vorwänden nur immer das gegeben habe, was ihm am Herzen lag, nämlich bewegtes Leben in sinnlich reizender Form, so ist zu antworten, daß ein solcher Zwiespalt zwischen Inhalt und Darstellung, wenn er in Correggio existiert hat, die Kunst immer und unfehlbar entsittlicht. Der Gegenstand ist keine beliebige Hülle für bloße künstlerische Gedanken.
Bei keinem Meister sind die Schüler übler daran gewesen. Er nahm ihnen das, was die Meister zweiten und dritten Ranges in jener Zeit schätzenswert macht: den architektonischen Ernst der Komposition, die einfachen Linien, die Würde der Charaktere. Was aber ihm eigen war, dazu reichten wieder ihre Talente nicht aus, oder die Zeit war dafür noch nicht gekommen. In der Tat steht sein allbewunderter Stil über ein halbes Jahrhundert isoliert da; indem seine sämtlichen Schüler mit einer Art von Verzweiflung sich der römischen Schule in die Arme werfen.
Inzwischen erwuchsen aber seine wahren Erben: die Schule der Caracci, deren Auffassung dem tiefsten Kerne nach von der seinigen abhängig ist. Deshalb, weil die Modernen ihn ganz in sich aufnahmen, erscheinen uns seine eigenen Werke so oft als modern. Selbst was dem 18. Jahrhundert spezifisch eigen scheint, ist in ihm stellenweise vorgebildet.
Die ganze Schule ist in der Galerie und den Kirchen von Parma stark repräsentiert. Man wird weniges Lobenswerte von Pomponio Allegri (Correggios Sohn), Lelio Orsi, Bernardino Gatti, Gutes und sehr Fleißiges von Franc. Rondani (Dom, Fresken der fünften Kapelle, rechts), mehreres noch ganz Angenehme von Michelangelo Anselmi, auch wohl von Giorgio Gandini vorfinden, das meiste an Zahl jedenfalls von der Malerfamilie der Mazzola oder Mazzuoli, welche sich in diesem Jahrhundert ganz an Correggio anschloß. Girolamo Mazzola verschmelzt bisweilen einen Zug älterer Naivität mit der Art Correggios und der römischen Schule zu einem wunderlichen Rokoko. Im ganzen ist er weniger widerwärtig als sein berühmterer Vetter.
Francesco Mazzola, genannt Parmegianino (1503–1540). Seine »Madonna mit dem langen Halse« im Pal. Pitti zeigt mit ihrer unleidlichen Affektation, wie falsch die Schüler den Meister verstanden hatten, indem sie glaubten, sein Zauber liege in einer gewissen aparten Zierlichkeit und Präsentationsweise der Formen, während doch das momentane Leben der reizenden Form die Hauptsache ist. Anderswo ist Parmegianino ergötzlich durch die Manieren der großen Welt, welche er in die heiligen Szenen hineinbringt. Seine heil. Katharina (Pal. Borghese in Rom) lehnt die Komplimente der Engel mit einem unbeschreiblichen bon genre ab; bei der pomphaften Heiligencour im Walde (Pinacoteca von Bologna) gibt die Madonna nur mit vornehmster Zurückhaltung das Kind der heil. Katharina zum Karessieren her.
Allein im Porträt, wo das vermeintlich Ideale wegfiel, ist Parmegianino einer der trefflichsten seiner Zeit. Im Museum von Neapel gehören seine Bildnisse des »Columbus«, des »Vespucci« (beide willkürlich so benannt), dasjenige des De Vincentiis und das der eigenen Tochter des Meisters zu den Perlen der Galerie, während die Kolosse des Pythagoras und Archimedes abscheulich, die Lucretia und die Madonna mindestens ungenießbar sind. Ebenso ist sein eignes Porträt in den Uffizien – der wahre bell' uomo von Stande – eines der besten der ganzen Malersammlung, während die heil. Familie (Tribuna) nur durch die phantastisch beleuchtete Landschaft erträglich wird. In einem andern Saal eine ganz kleine Madonna von ihm, eines der besten Linienmotive der Schule.