Jacob Burckhardt
Der Cicerone
Jacob Burckhardt

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Wenn die großen Bildhauer des 16. Jahrhunderts bei weitem nicht die großen Maler dieser Zeit aufwiegen, wenn sie nicht zu halten scheinen, was das 14. und 15. Jahrhundert in der Skulptur versprach, so lag die Schuld lange nicht bloß an ihnen.

Die unsichtbaren Schranken, welche zunächst die kirchliche Skulptur umgeben und ihr nie gestatten, das zu werden, was die griechische Tempelskulptur war, sind schon oben mehrfach angedeutet worden. An ihre Seite trat jetzt allerdings eine profane und eine nur halbkirchliche allegorische Skulptur, allein dieser fehlte die innere Notwendigkeit, sie war und blieb ein ästhetisches Belieben der Gebildeten jener Zeit, nicht eine notwendige Äußerung eines allverbreiteten mythologischen Bewußtseins.

Dafür wird die Skulptur im 16. Jahrhundert eine freiere Kunst, als sie je gewesen war. Nehmen wir z. B. die Grabmäler als Maßstab des Verhaltens der beiden Künste an, so herrscht in der gotischen Zeit die Architektur völlig vor; das Bildwerk scheint um des Baugerüstes willen da zu sein. Zur Zeit der frühern Renaissance ist es statt der Architektur schon eher nur die Dekoration, welche als Nische, als Triumphbogen die Skulpturen einfaßt; wohl ist sie um der letztern willen vorhanden und dennoch gehört die Gesamtwirkung noch wesentlich dem dekorativen, nicht dem plastischen Gebiet an. Dieser bisher immer noch mehr oder weniger bindende Zusammenhang mit der Architektur nimmt jetzt einen ganz andern Charakter an; die beiden Künste brauchen einander fortwährend, allein die Skulptur ist nicht mehr das Kind vom Hause, sondern sie scheint bei der Architektur zur Miete zu wohnen; man überläßt ihr Nischen und Balustraden, damit mag sie anfangen, was sie will, wenn sie nur die Baulinien nicht auffallend stört. Wo sie kann, richtet sie sogar das Gebäude nach ihren Bedingungen ein. Ganz bisher mehr architektonische Partien, Altäre, Grabmäler usw. werden ihr jetzt oft ausschließlich überlassen.

Sie ist ferner freier in ihren Mitteln; die Lebensgröße ihrer Gestalten, im 15. Jahrhundert eher Ausnahme als Regel, genügt jetzt nicht mehr; das Halbkolossale wird das Normale und das ganz Riesenhafte kommt nicht selten vor.

Sie ist endlich freier im Typus. Die biblischen Personen werden noch einmal nach plastischen Bedürfnissen umstilisiert, und auch die mythologischen nichts weniger als genau den entsprechenden antiken Bildungen nachgeahmt. Die Allegorie geht vollends geradezu in das Unbedingte und Schrankenlose.

Diese viele Freiheit mußte nun aufgewogen werden durch die freiwillige Beschränkung, welche der hohe plastische Stil sich selber auferlegt, durch Größe innerhalb der Gesetzlichkeit. Der Geist des 15. Jahrhunderts in der Skulptur war vor allem auf das Wirkliche und Lebendige gerichtet gewesen, das er bald liebenswürdig, bald ungestüm, oft mit hoher Ahnung der obersten Stilgesetze, oft roh und fessellos zur Darstellung brachte. Dieses Wirkliche und Lebendige sollte nun in ein Hohes und Schönes verklärt werden.

Hier trat das Altertum noch einmal begeisternd und befreiend ein. Ganz anders als zur Zeit Donatellos und der alten Paduaner, welche der Antike ihren dekorativen Schein als Hülle für ihre eigenen Gedanken abnahmen, erforschten jetzt einige Meister das Gesetzmäßige der alten Plastik. Es war vielleicht ein kurzer Augenblick; nur sehr wenige taten es ernstlich; bald überwog äußerliche manierierte Nachahmung nach den Werken dieser Meister selbst, wobei sowohl das Altertum, als das bisher eifrig gepflegte Studium des Nackten halb vergessen wurden; – nichtsdestoweniger blieben von der empfangenen Anregung einige kenntliche Züge zurück: die Absicht auf großartige Behandlung des Nackten und die Vereinfachung der Zutaten, hauptsächlich der Gewandung. (Innerhalb der einfachen Draperie hielten sich freilich die vielen und überflüssigen Faltenmotive mit Hartnäckigkeit.) Sodann beginnt mit Andrea Sansovino, wie wir sehen werden, die ebenfalls dem Altertum entnommene bewußte Handhabung des Gegensatzes der einzelnen Teile der Gestalt, das Hervortreten der linken gegen die rechten, der obern gegen die untern und umgekehrt für die entgegengesetzten Seiten. Dieser sog. Contraposto wird allerdings bei manchen nur zu bald der einzige Gehalt des Werkes. Endlich bleiben zahlreiche vereinzelte Aneignungen aus antiken Werken nicht aus. Was uns in den manierierten Werken anstößig erscheint, ist nicht das Antikisieren an sich, womit man noch immer ein Thorwaldsen sein kann, sondern die unechte Verquickung desselben mit fremden Intentionen.

Am übelsten ging es dabei dem Relief. Die große Masse der vorliegenden antiken Reliefs, nämlich die spätrömischen Sarkophage, schienen jede Überladung zu rechtfertigen; schon das 15. Jahrhundert hatte die Sache so verstanden, war aber noch bedeutend weiter gegangen als die spätesten Römer und hatte, wie wir sahen, Gemälde mit reichem und tiefem Hintergrund in Marmor und Erz übersetzt. Diesen ganzen Mißbrauch behielt die Skulptur jetzt mit wenigen Ausnahmen bei, nur ohne die Naivität des 15. Jahrhunderts, in anspruchsvollern und bald ganz öden Formen. Wie das Relief erzählen muß, welches seine notwendigen Schranken sind, davon hatte schon etwa von 1530 an niemand mehr auch nur das leiseste Gefühl. Eine Masse von Talent und von äußern Mitteln geht von da an für mehr als volle 200 Jahre an einer ganz falschen Richtung verloren.

Der erste und wohl der edelste der Bildhauer, welche das 16. Jahrhundert vertreten, ist Andrea (Contucci da Monte) Sansovino, geb. 1460 (?), st. 1529. Mit einer milden, schönen Empfindungsweise begabt, die sich in ihrer Äußerung etwas an Lionardo da Vinci anlehntAußerdem ist auch der Einfluß des Matteo Civitali wahrscheinlich. , wächst er halb unbewußt in die Freiheit des 16. Jahrhunderts hinein, so daß man zweifelhaft bleibt, ob die hohe Schönheit der Form und der bei ihm zuerst streng durchgeführte Gegensatz der Teile mehr seiner eigenen innern Ausbildung oder mehr dem Studium der Antiken angehören.

Die beiden Prälatengräber (Basso und Sforza Visconti) im Chor von S. Maria del popolo, (1505 ff.) die herrlichsten, welche Rom überhaupt enthält, folgen in der Anordnung noch dem Einrahmungssystem des 15. Jahrhunderts. (Das bald darauf verlassen wurde, um jenen großen Freigruppen Platz zu machen, mit welchen dann so Wenige etwas anzufangen wußten.) Die allegorischen Figuren stehen noch halblebensgroß in ihren Nischen; ihre Schönheit ist aber der genausten Betrachtung wert. (Die Gewänder nicht im Verhältnis zum Maßstab und deshalb scheinbar schwer drapiert.) Ganz wunderbar edel sind dann die beiden schlummernd liegenden Prälaten gebildet; das auf den Arm gestützte Haupt motiviert die köstlichste Belebung der ganzen Gestalt; dieser Schlaf ist gegenüber den frühern symmetrisch ausgestreckten Grabstatuen vielleicht Naturalismus gegenüber dem strengen Stil; allein er ist so gegeben, daß das Urteil verstummt. Auch die Madonnenreliefs in den Lünetten und vorzüglich die Engel mit Leuchtern oben sind bewundernswert.

In der Sakramentsnische von S. Spirito in Florenz (linkes Querschiff) sind von Andrea wohl nur die Statuetten der beiden Apostel, die Engel mit den Kandelabern, das Christuskind oben im gebrochenen Giebel und möglicherweise die Reliefs der Predella. Diese Figuren sind in Schönheit und Stil den eben genannten verwandt. Der Rest (die Lünette mit der Krönung Mariä, die Rundreliefs mit der Verkündigung, der Altarvorsatz mit einer Pietà) scheinen von irgendeinem Florentiner aus der Schule des Mino oder Rosellino zu seinVasari behandelt das Ganze als ein durchaus von Andrea gearbeitetes Jugendwerk. Allein wenn wirklich alles daran von ihm ist, so müssen doch die erstgenannten vollkommeneren Teile aus einer spätem Epoche des Meisters herrühren. .

In S. Agostino zu Rom (zweite Kapelle links) steht, leider im schlechtesten Licht, die Gruppe der heil. Anna mit der Jungfrau Maria und dem Kinde, Stiftung eines deutschen Protonotars, Johann Coricius, vom Jahr 1512. Alles erwogen, ist es das anmutigste Skulpturwerk des Jahrhunderts, schön und frei in den Linien und Formen und vom holdesten Ausdruck der Mütterlichkeit auf zweierlei Stufen.

Das Höchste aber möchte Andrea erreicht haben in der Gruppe der Taufe Christi über dem Ostportal des Baptisteriums von Florenz. (Den Engel, von Spinazzi, möge man ja wegdenken.) Welcher Adel in dieser Gestalt des Christus! Und welche Weihe in Ausdruck und Bewegung! In dem Täufer wird man das grandiose Motiv der stärksten innern Erregung aus einem Relief von Ghibertis Nordtür in erhöhter Darstellung wiederfinden. (Nach 1500 gearbeitet.)

Über den Marmorumbau des heiligen Hauses in der Kirche von Loretto kann der Verfasser nicht aus Anschauung berichten. Bramante gilt als Erfinder der baulichen Anordnung; Andrea Sansovino leitete den plastischen Schmuck und arbeitete selbst einen Teil der Reliefs; die übrigen sind ausgeführt von Tribolo, Bandinelli, Rafael da Montelupo, Franc. da Sangallo, Lancia, Girol. Lombardo und Mosca. Nach zuverlässigen Urteilen sollen die Skulpturen dieser Künstler im ganzen mehr ihrem anderweitig bekannten, zum Teil schon beträchtlich manierierten Stil folgen als dem Vorbilde Andreas.

In der Johanneskapelle des Domes von Genua (links) sind die Statuen des Täufers und der Madonna (wahrscheinlich frühe) Arbeiten von ihm; erstere noch etwas herb, letztere aber ungemein schön in Stellung und Motiv, das Kind naiv bewegt und wiederum mit einem kenntlichen lionardesken Anklang. – Von kleinern Sachen möchte ich dem Andrea einen Salvator zuschreiben, welcher in Araceli zu Rom auf der Spitze eines Grabmals (Lud. Gratus, † 1531) links vom Hauptportal angebracht worden istDas Grabmal des Petrus de Vincentia (1504), im Durchgang der Südtür an der Kirche Araceli, ist mir immer wie eine Vorarbeit Andreas zu den obengenannten Prälatengräbern vorgekommen; die Grabstatue sowohl als das Rundrelief der Madonna und die Allegorien zu dessen Seiten scheinen sehr schöne Versuche eines noch nicht ganz geläuterten Strebens, welches erst in jenen Meisterwerken seine Erfüllung fand. Dagegen kann das Grabmal Armellini, 1524, im rechten Querschiff von S. M. in Trastevere, höchstens als tüchtiges Schulwerk gelten. .

Diese an Zahl geringen Arbeiten repräsentieren uns in der Skulptur fast einzig denjenigen Geist maßvoller Schönheit, welchen in der Malerei vorzüglich Raffael vertritt. Auch gleichen ihnen am meisten diejenigen Skulpturwerke, welche Raffael selbst schuf oder unter seiner Aufsicht hauptsächlich durch Lorenzetto ausführen ließ. Als eigenhändige (und jetzt wohl einzig vorhandene) Arbeit Raffaels gilt gegenwärtig die nackte Statue des Jonas in S. Maria del Popolo (Cap. Chigi) zu Rom; eine keineswegs vollkommene körperliche Bildung, aber in der Gebärde von wunderbarem Ausdruck des wiedergewonnenen jugendlichen Lebens, das wie vom Schlaf erwacht. (Der Fischrachen ist geschickt und bescheiden angegeben. Im Kopf des Jonas eine Annäherung an die Züge des Antinous.) – Der Prophet Elias gegenüber zeigt Lorenzettos stumpfere Ausführung; – ebenso die sehr schön gedachte Madonnenstatue auf demjenigen Altar im Pantheon, welcher Raffaels Grab hinter sich birgt. – Lorenzettos eigene Erfindung möchte der S. Petrus am Eingang der Engelsbrücke sein. – (In der Art Lorenzettos scheint auch die sitzende Madonna über dem Grabmal des Guidiccioni in S. Francesco zu Lucca gearbeitet, deren Urheber ich nicht anzugeben weiß. Die schöne Intention in dem Kopf der Madonna, in Bewegung und Gestalt des Kindes, das sie am Schleier faßt, übertrifft die Ausführung.)

Der Zeit nach müßte schon hier Michelangelo genannt werden, allein bei der historischen Stellung, die er gegenüber der ganzen spätern Skulptur einnimmt, ist es notwendig, zuerst diejenige Anzahl von Künstlern zu besprechen, welche, obwohl meist jünger als er, noch nicht oder noch wenig von seinem Stil berührt wurden. Sie haben teils die Richtungen des 15. Jahrhunderts, dessen Realismus und bunten Reichtum aufgebraucht, teils auch sich der freien und hohen Schönheit stellen weise genähert, meist aber sich der von der römischen Malerschule ausgehenden Entartung nicht entziehen können.

Zunächst ein paar Florentiner. (Den Bandinelli versparen wir auf die Michelangelisten, zu welchen er wider Willen gehört.) – Tribolo (eigentlich Niccolò Pericoli, 1500 bis 1565) war anfänglich Schüler des unten zu nennenden Jacopo Sansovino, allein in einer Zeit, da dieser noch seinem Lehrer Andrea im Stil näherstand als seiner eigenen spätern Manier; zudem muß Tribolo von Anfang an auch Andreas Werke gekannt haben und später, durch die Mitarbeit an der Santa casa von Loretto nach dessen Entwürfen, von dem Stil Andreas durchdrungen worden sein. Der Verfasser hat es besonders an dieser Stelle zu beklagen, daß ihm die Untersuchung der dortigen Skulpturen nicht vergönnt war. Welch ein Meister Andrea Sansovino auch im Relief gewesen sein muß und welchen Einfluß er auf die Seinigen ausübte, lassen die Arbeiten dieses seines Schülers wenigstens ahnen. Tribolo bekam noch in jungen Jahren (um 1525) die Seitentüren der Fassade von S. Petronio in Bologna zu verzieren. Von ihm sind an beiden die Propheten, Sibyllen und Engel in der Schrägung der Pforte und des Bogens, sodann die sämtlichen Pilasterreliefs an der Tür rechts (Geschichten Josephs), und von denjenigen der Tür links das erste, dritte und vierte des linken Pilasters (Geschichten des Moses). In dem kleinen Maßstab dieser zahlreichen Gegenstände ist ein reiner und maßvoller Stil entwickelt, wie er sonst sehr wenigen Reliefs der damaligen Zeit innewohnt. Die Propheten und Sibyllen verhehlen zwar schon in der Tracht und Körperbildung den Einfluß der Sistina nicht; auch im Motiv selber macht er sich hier und da kenntlich; aber sie sind von den reinsten und reizendsten Einzelfiguren der goldenen Zeit. Die erzählenden Reliefs, zwar etwas überfüllt, doch weniger als das meiste Gleichzeitige, geben fast allein einen Begriff von den Liniengesetzen dieser Gattung und sind reich an geistvoll prägnanten einzelnen Zügen. (Joseph in den Brunnen gesenkt; an den Midianiter verkauft; die Tötung des Böckleins; das mit dessen Blut gefärbte Kleid wird dem Jacob vorgewiesen usw.) An diesen in Form und Gedanken trefflichen Arbeiten machte auch der etwas ältere Genosse, Alfonso Lombardi, eine neue Schule durchVon der Lünettengruppe der Tür rechts gehört nur die Madonna dem Tribolo an, der Christusleichnam in den Armen des Nicodemus ist eine ungeschickte Arbeit des Malers Amico Aspertini, und der Johannes von Seccadenari, dem die ganze Arbeit der beiden Seitentüren im großen verdungen war. Die obern Pilaster neben den Giebeln sind von geringern lombardischen Meistern reliefiert. .

Aus Tribolos späterer Zeit möchte das große Relief von Mariä Himmelfahrt (S. Petronio, elfte Kapelle rechts), wenigstens dessen untere Hälfte herrühren. Es zeigt, daß er den falschen Ansprüchen und Manieren der Nachahmer Michelangelos auch später fernblieb.

Von einem trefflichen ungenannten Meister, der aber dem Tribolo offenbar sehr nahestand, ist das 1526 errichtete Grab der Familie Cereoli in S. Petronio (innen links vom Hauptportal), und vielleicht auch die Madonna in der sechsten Kapelle rechts (daselbst) gearbeitet. – Von Alf. Lombardi wird weiter die Rede sein.

Als Tribolos Hauptwerk zu Rom gilt das Grabmal Papst Hadrians VI. (st. 1523) im Chor von S. Maria dell' anima (rechts), im ganzen nicht von glücklicher Anordnung (diese von Peruzzi), und auch im einzelnen unplastisch überfüllt. Übrigens ist Tribolos Anteil vielleicht auf die allegorischen Figuren zu beschränken; die liegende Statue ist bestimmt und das meiste übrige vielleicht von Michelangelo Sanese.

Die spätere Tätigkeit Tribolos betraf zum Teil Dekorationen des Augenblickes, für welche er ein besonderes Talent besaß; auch wurde er eines der baulichen Faktotum Cosimos I. (S. 379, a). Was von seinen (auch plastischen) Arbeiten in der Villa Castello unweit Florenz noch erhalten ist, weiß ich nicht anzugeben.

In diese Reihe gehört auch Benvenuto Cellini (1500–1572), der durch seine eigene Lebensbeschreibung eine größere Bedeutung gewonnen hat als durch seine Werke. Von seinem dekorativen Verdienst ist oben (S. 257) die Rede gewesen; hier handelt es sich um seine Bildwerke. Von größerm Umfang und selbständiger Bedeutung ist bloß der eherne Perseus unter der Loggia de' Lanzi in Florenz. Benvenuto erscheint hier noch wesentlich als der Naturalist des 15. Jahrhunderts, als der geistige Sohn Donatellos, allein das Motiv ist bei aller Wunderlichkeit (man sehe die Verschränkung der Medusenleiche) doch nicht nur energisch, sondern auch in den Linien bedeutend, so daß man die Mängel der an sich sehr fleißigen Einzelbehandlung, z. B. die Dürftigkeit des Rumpfes im Verhältnis zu den Extremitäten, darob übersehen mag. Die Statuetten an der Basis sind dagegen idealistisch manieriert in der schlechtesten Art der römischen Schule, das Relief ebenso und dabei möglichst unplastisch. – In den Uffizien (erstes Zimmer der Br.) findet man außer zwei unter sich verschiedenen Modellen zum Perseus, von welchem das wächserne den Vorzug haben möchte, die kolossale Bronzebüste Cosimos I., etwas gesucht in Schmuck und Haltung, aber von vortrefflicher Arbeit. – Seine Restaurationen antiker Werke, wie z. B. an dem Ganymed in den Uffizien (Saal d. Hermaphr.), sehen freilich sehr geziert ausUnter den Elfenbeinsachen im Pal. vecchio, Sala dell' Udienza, welche nebst den dort aufgestellten Gegenständen von Bernstein durchschnittlich von geringem Werte sind, könnte ein S. Sebastian wirklich von ihm herrühren, ein trefflicher Pokal mit mythologischen Figuren dagegen, den man ihm zuschreibt, möchte eine deutsche Arbeit des 17. Jahrhunderts sein. .

Als Werk eines Ungenannten schließen wir am besten hier den Bacchus an, welcher jenseits Ponte vecchio in Florenz in einer Brunnennische steht. Mit Schale und Traube in den Händen vorwärtsstürmend und überhaupt energisch belebt, ist er doch nur für den Anblick von links berechnet und stößt ab durch vulgäre, gesucht herkulische Bildung. Man vergleiche ihn z. B. mit dem Bacchus Jac. Sansovinos, der ein ähnliches Motiv viel schöner gibt.

Francesco da Sangallo (1498–1570), Sohn des Architekten Giuliano, ist einer der weniger bedeutenden Nachfolger A. Sansovinos. Seine Altargruppe in Orsanmicchele zu Florenz, derselbe Gegenstand wie die seines Meisters in S. Agostino zu Rom, zeigt seine ganze Inferiorität; die beiden sitzenden Frauen stoßen das Kind auf ihren Knien hervor. – Porträtstatue des Paolo Giovio im Klosterhof von S. Lorenzo. – Grabmal des Prälaten Angelo Marzi-Medici in der Annunziata, am Eingang der Rotunde. – Teilnahme an den Skulpturen in Loretto.

Vincenzo Danti (1530–1567) erscheint in der Bronzegruppe der Enthauptung des Täufers über der Südtür des Baptisteriums stilistisch halbiert. Einer schönen Inspiration aus den Werken Sansovinos gehört der kniende Johannes an; der Henker dagegen und das zuschauende Weib sehen den Gedanken und Formen der römischen Malerschule nur zu ähnlich. – Die Statue Papst Julius III. beim Dom von Perugia gehört ebenfalls der letzten Art an.

In Oberitalien hält ein Künstler den meisten bisher genannten, mit Ausnahme Andrea Sansovinos, das Gleichgewicht: Antonio Begarelli von Modena (st. 1555). Sein Vorgänger ist jener wunderliche Guido Mazzoni (S. 600), welcher durch seine großen grimassierenden Tongruppen weniger eine neue Gattung geschaffen, als eine mißachtete Gattung gewissermaßen zu Ehren gebracht hatte, so daß sie für Modena eine anerkannte Spezialität ausmachte. Den Begarelli hob nicht eine Bekanntschaft mit dem Altertum, sondern eine nahe und unverkennbare Kunstbeziehung zu Correggio, wobei man nicht einmal genau sagen kann, welcher Teil der gebende war; sodann die allgemeine Kunsthöhe der Zeit. Seine Einzelformen sind so schön, frei und reich, als diejenigen A. Sansovinos, denen sie nicht gleichen. Allein dies ganze Vermögen steht im Dienste eines Geistes, der gerade die höchsten Gesetze der Plastik so wenig anerkennt als Correggio die der Malerei.

Allerdings muß man ihm sein Prinzip zugeben; er arbeitete seine lebensgroßen Tongruppen nicht für freie Aufstellung, sondern für ganz bestimmte Nischen und Kapellen, d. h. als Bilder. An die Stelle des streng geschlossenen Baues der Gruppe tritt eine rein malerische Anordnung für einen Gesichtspunkt. Allein innerhalb dieser Schranken hätte er wenigstens so streng bleiben müssen, als die strengere Malerei es muß; statt dessen überließ er sich bei einem großen Schönheitssinn doch sehr dem naturalistischen Schick und Wurf, dem bloßen Streben nach Lebendigkeit und Wirklichkeit. Sein Gefühl selbst für bloß malerische Linien ist so wenig entwickelt als dasjenige Correggios. Seine Körperbildungen sind meist gering, die Haltung, sobald sie nicht in einem bestimmten Moment aufgeht, unentschieden und unsicher, so daß er in den zur freien, isolierten Aufstellung bestimmten Statuen weniger genügt als manche, die sonst tief unter ihm stehen.

Sein vielleicht frühstes Werk in Modena ist die Gruppe der um den toten Christus Weinenden in S. Maria pomposa (Piazza S. Agostino, erster Altar rechts). Hier ist er noch am meisten von Mazzonis Gruppe in S. Giovanni (S. 600, b) abhängig, sowohl in der Anordnung als in dem grimassierenden Ausdruck. – Vielleicht folgt zunächst das große Hauptwerk in S. Francesco (Kapelle links vom Chor): die Kreuzabnahme. Vier Personen, symmetrisch auf zwei Leitern geordnet, senken den Leichnam nieder; unten die ohnmächtige Maria, von drei Frauen gehalten und umgeben; ein kniender und ein stehender Heiliger zu beiden Seiten. (Johannes d. T., Hieronymus, Franciscus und Antonius von Padua.) Daß gerade der Moment der physischen Anstrengung symmetrisch dargestellt ist, wirkt nicht glücklich; dafür ist die Gruppe der Frauen malerisch vortrefflich und im Ausdruck des Jammers edel und ergreifend zugleich, die Köpfe grandios, wie sie nur in der Zeit der hohen Blüte vorkommen. Die Frau zur Linken der Madonna hat z. B. am ehesten in Raffaels Kreuztragung ihresgleichen. Der Künstler ist aber auch aller andern Mittel des Ausdruckes völlig Herr; die Hände sind mit der größten Leichtigkeit schön und sprechend angeordnetWas bei Correggio durchaus nicht immer der Fall ist. , das Liegen der Maria, das Knien des Franciscus, das Überbeugen der hinten stehenden Frau zeigen eine vollendete Meisterschaft. In der Gewandung aber verrät sich das selbst malerisch Ungenügende dieses Naturalismus, der nicht erkennt, daß die Gewandung in der Kunst etwas anderes ist als im Leben, nämlich ein wertvolles Verdeutlichungsmittel der Gestalt und Bewegung, das zudem in der Plastik sehr bestimmten Gesetzen unterliegt. So drängt sich an dieser Stelle viel Müßiges und Unnützes vor; schon beginnen Mantelenden und Schleier zu flattern, als wehte von Neapel her bereits der berninische Scirocco hinein.

Doch ein ganz reifes und herrliches Werk kann diese Schattenseiten vergessen machen. In S. Pietro (Kapelle rechts vom Chor) ist wieder eine »Klage um den toten Christus« nur von vier Figuren. Nicodemus hebt den liegenden Leichnam etwas empor, Johannes hält die davor kniende Mutter. Als Bild vollkommen, in der Behandlung des Details einfach und großartig, erreicht diese Gruppe jene reine Höhe der vollendeten Meisterwerke des 16. Jahrhunderts. – In derselben Kirche ist die Altargruppe des rechten Querschiffes (vier Heilige, oben in Wolken Madonna mit Engeln) von Begarelli angefangen, von seinem Neffen Lodovico vollendet; einzelnes, wie die Ekstase des Petrus, die Schönheit des Kopfes der Maria und des Kindes ist auch hier von großem Werte. – Dagegen zeigen die sechs lebensgroßen Statuen, welche frei im Hauptschiff stehen, die ganze Unfähigkeit des Künstlers, eine ruhige Gestalt plastisch zu stellen. – Ebenso verhält es sich mit den vier Statuen im obern Klostergang zu S. Giovanni in Parma, welche im Detail diese sechs übertreffen und zu den Werken der besten Epoche gehören. Wie unentschieden ist Leib und Haltung dieses Ev. Johannes, dieser Madonna! Wie vergnüglich charakterisiert Begarelli die weiten hängenden Ärmel des heil. Benedikt! Wie läßt er den Schleier der Madonna flattern! Aber auch welche Schönheit in den Köpfen und in der Kindergestalt des Täufers Johannes, der seine Mutter begleitet!

Die späteste Zeit Begarellis glaube ich (abgesehen von jenem Altar des Querbaues in S. Pietro) zu erkennen in der großen Gruppe von S. Domenico zu Modena (Durchgang aus der Kirche in die untere Halle des Akademiegebäudes). Es ist die Szene von Marta und Maria, letztere vor Christus kniend, erstere samt zwei Mägden rechts, zwei Jünger links. Unverkennbar wirkt hier der Geist der römischen Malerschule auf den Künstler ein, wie schon die Draperien beweisen; auch macht sich (z. B. in der Martha, die auch als Einzelstatue gut ist) der Gegensatz der entsprechenden Teile des Körpers auf bewußtere Weise geltend. Die Köpfe sind noch meist von naiver Schönheit.

(Ein kleines Presepio Begarellis im Dom, unter dem vierten Altar links, in der Regel verschlossen, hat der Verfasser nicht gesehen.)

Wahrscheinlich hat Begarelli seine Gruppen nicht bemalt. Auch wo die jetzige Beweißung abspringt, kommt keine Farbe zum VorscheinSchon Vasari sagt, er habe ihnen bloß Marmorfarbe gegeben. Er spricht davon unter anderm bei Anlaß eines Besuches des Michelangelo in Modena und berichtet dessen begeistertes Wort: »Wenn dieser Ton Marmor würde, dann wehe den antiken Statuen!« .

Die meisten oberitalienischen Skulptoren der Zeit suchen, im Gegensatz zu diesem entschlossenen Realisten, ihre heimische Befangenheit durch den von Florenz und Rom ausgehenden Idealismus aufzubessern. Welche von ihnen die Werke A. Sansovinos und die ebenfalls sehr einflußreichen Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle gekannt haben, ist im einzelnen nicht immer leicht anzugeben; bei mehrern sind diese Einwirkungen ganz deutlich nachweisbar; Michelangelo wirkte schon lange als Maler auf die Skulptur, ehe seine plastischen Hauptwerke zustande kamen. – Von den 1520er Jahren an muß dann namentlich die Anwesenheit des Tribolo in Bologna der römisch-toskanischen Richtung den Sieg verschafft haben.

Vielleicht der bedeutendste dieser Reihe nächst Begarelli war der FerrareseEr stammte eigentlich von Lucca und hieß Citadella. Als Künstler gehört er aber durchaus nach Oberitalien. Alfonso Lombardi (1487–1536), der hauptsächlich in Bologna arbeitete. Auch er beginnt realistisch, sogar mit ähnlichen Aufgaben wie Begarelli. Ein frühes Werk, worin er demselben sehr nahesteht, sind die bemalten (und jetzt neu bemalten) Halbfiguren Christi und der Apostel in den beiden Querarmen des Domes von Ferrara. Der Künstler erscheint hier noch mehr naturalistisch gebunden durch die Präzedentien seiner Schule; er verrät sich z. B. als Schulgenossen eines Lorenzo Costa schon durch die großen Hände, und als tüchtigen Anfänger durch die zierliche und exakte Arbeit. Allein die große lebendige Schönheit mehrerer Köpfe, wie z. B. des Johannes, die bedeutende Gebärde z. B. des Thomas, der sich in seinen Mantel hüllt, zeigen, welches Aufschwunges Alfonso bereits fähig war. – Ähnliches gilt von der bemalten Tongruppe des von seinen Angehörigen beweinten Christusleichnams, in der Krypta von S. Pietro zu Bologna, mit vorzüglichen KöpfenAus derselben Zeit enthält der von Touristen wenig besuchte Wallfahrtsort Varallo (westlich vom Lago maggiore) in der Capella del sacro monte und (wie man annimmt) auch in einigen der Stationskapellen lebensgroße farbige Freigruppen, angegeben oder auch ausgeführt von dem berühmten Maler Gaudenzio Ferrari; die darin dargestellten Vorgänge der Passion sind gleichsam fortgesetzt und erklärt durch Fresken an den Wänden. Wie sie sich zum Stil des Mazzoni oder des Alfonso verhalten, weiß ich nicht anzugeben. . – Später, und zwar zuletzt unter dem Einfluß Tribolos, nähert er sich demjenigen Maß idealer Bildung, welches Andrea Sansovino dieser ganzen Schule vorgezeichnet hatte. Er wagte sich an Aufgaben wie z. B. der kolossale sitzende Herkules (von Ton) im obern Vorsaal des Palazzo apostolico, der in den Verhältnissen immer beträchtlich besser, in der Stellung ungesuchter ist als alles, was Bandinelli und Ammanati hinterlassen haben. (Stark restauriert.) – Die größte Zahl seiner Arbeiten finden sich an S. Petronio: anscheinend noch lombardisch befangen: die Statuen (englischer Gruß mit Gottvater, und Sündenfall) an der Innenseite des rechten und linken Seitenportals der Fassade; – freier und sehr tüchtig: die Lünettengruppe der Auferstehung Christi, außen am linken Seitenportal (wenn Christus sich auf einen sitzenden Wächter zu stützen scheint, so hat der Künstler dies wohl nur getan, um sich in einem reichern Linienproblem zu versuchen); – ferner drei von den Reliefs der Geschichte Mosis am rechten Pilaster desselben Portals, in offenbarem und glücklichem Wetteifer mit Tribolo (S. 608) entworfen sowohl als ausgeführt. – Mehr malerisch als plastisch, aber köstlich wie die besten jener Miniaturgeschichten der ferraresischen Malerschule erscheinen die drei Reliefs am Untersatz der berühmten Arca in S. Domenico, eine der geistvollsten und delikatesten Arbeiten dieser Gattung.

Eine ungleiche, zum Teil sehr tüchtige Arbeit sind die Medaillonköpfe an Pal. Bolognini, N. 77. – Das Grabmal Ramazotti in S. Micchele in Bosco (rechts vom Hauptportal) ist eines der besten jener oberitalischen Soldatengräber, welche den Geharnischten schlummernd und über ihm die Madonna darstellen.

In Alfonsos spätester Zeit entstand dann wahrscheinlich die über lebensgroße, figurenreiche Tongruppe im Oratorium bei S. Maria della Vita (zugänglich auf Nachfrage in den links an die Kirche stoßenden Bureaux, eine Treppe hoch). Nicht ohne Mühe erkennt man darin eine Darstellung des Todes Mariä; ringsum die Apostel, vorn am Boden die nackte Figur eines Widersachers; ein eifriger Apostel will eben ein schweres Buch auf ihn werfen, wird aber von dem in der Mitte erscheinenden Christus zurückgehaltenVasari sagt: »ein rühmliches Werk, worin unter anderm ein Jude auffällt, der die Hände an die Totenbahre der Madonna legt«. – Wozu der deutsche Herausgeber bemerkt: dieses Ereignis werde erzählt in der Schrift »de transitu virginis«, welche dem Bischof Melito (2. Jahrhundert) zugeschrieben wurde, jetzt aber für beträchtlich neuer gilt. Ich will die oben im Text gegebene Deutung nicht weiter verteidigen, da meine Erinnerung an die Gruppe nicht mehr frisch und die genannte Schrift mir nicht zur Hand ist. . Mit diesem wunderlichen Zug, der uns sonst bei keiner Darstellung dieser Szene vorgekommen ist, bezahlt Alfonso seinen Tribut an die altoberitalische Manier des heftigen, grellen Ausdruckes. Sonst ist die Gruppe merkwürdig durch ihren Gegensatz zu denjenigen des Begarelli; sie macht Anspruch auf plastische, nicht bloß malerische Anordnung, und ihre Einzelformen sind durchaus mehr ideal und allgemein (sowohl Köpfe als Gewandung).

Nun stehen aber noch 14 Büsten von Aposteln und Heiligen im Chor von S. Giovanni in Monte über dem Stuhlwerk; ungleich schönere, innigere, lebensvollere Köpfe, die man der Vermutung nach ohne weiteres dem Begarelli zuschreiben würde, wenn nicht »Alfonso und Niccolò (?) von Ferrara« als Urheber bezeugt wären. Nach der momentanen Lebendigkeit zu schließen, möchten sie zu einer Gruppe (Mariä Himmelfahrt? oder etwas Ähnlichem) aus Alfonsos bester mittlerer Zeit gehört habenDie Gruppe in S. Maria della Rosa zu Ferrara, die man dem Alfonso zuschreibt, haben wir oben S. 601, a dem Mazzoni zugewiesen. Sonst gilt in Ferrara die Reliefhalbfigur einer Madonna in S. Giov. Battista (die ich nicht kenne) als sein Werk, ebenso die Büste des heil. Hyacinth in S. Domenico, fünfte Kapelle links, ohne Zweifel das naturalistische Porträt irgendeines ausdrucksvollen Mönchskopfes. .

Eine Mitstrebende des A. Lombardi, ohne Zweifel zuletzt ebenfalls unter Tribolos Einfluß, war Properzia de' Rossi (st. 1530). Von ihr sind unter anderm die beiden Engel neben Tribolos Relief der Himmelfahrt Maria in S. Petronio (elfte Kapelle rechts).

Unter den übrigen Bildhauern Oberitaliens ist der schon als Dekorator genannte Gio. Franc. da Grado wegen der einfach guten Feldherrngräber in der Steccata zu Parma rühmlich anzuführen. (Eckkapellen: hinten rechts: Grab des Guido da Correggio; hinten links: Grab des Sforzino Sforza 1526; vielleicht auch, vorn rechts, das des Beltrando Rossi 1527.) Die Helden mögen auf ihren Sarkophagen stehen, schlafen, oder wachend lehnen, immer sind sie schlicht und in schöner Stellung gegeben; das Detail genügend, wenn auch nicht vorzüglich belebt. Es ist die Art, in welcher auch wohl dem Giovanni da Nola ein vorzüglicher Wurf gelangVon demselben da Grado könnte wohl auch die Statue des h. Agapitus über dem Altar rechts in der Krypta des Domes herrühren. . – Von sonstigen Parmesanern nennen sich drei Brüder Gonzata mit der Jahrzahl 1508 an den vier Bronzestatuen von Aposteln über der hintern Balustrade des Domchors; magere, unsicher gestellte, aber im Detail sehr sorgfältige Figuren. (Der dahinter aufgestellte Marmortabernakel ist eine geringe Arbeit des 15. Jahrhunderts.) Mit Begarelli haben weder da Grado noch die Gonzaten etwas gemein.

Ob der Marcus a Grate, welcher den geschundenen S. Bartholomäus im Chorumgang des Domes von Mailand fertigte, ein Sohn des Giov. Francesco war, lassen wir dahingestellt. Der Kunstgeist der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kehrt uns in dieser steifen Bravourarbeit seine widerlichste Seite zu.

Von einem der trefflichsten Lombarden der goldenen Zeit, Agostino Busti, genannt Bambaja, weiß ich nur soviel zu sagen, daß Fragmente seiner Hauptarbeit, des Denkmals des Feldherrn Gaston de Foix, in der Ambrosiana und in der Brera zu Mailand aufbewahrt sein sollen.

Doch es ist Zeit, auf den bedeutendsten Schüler des Andrea Sansovino zu kommen, auf Jacopo Tatti aus Florenz (1479–1570), der von seiner nahen und vertrauten Beziehung zu dem großen Meister insgemein Jacopo Sansovino genannt wird. Allerdings lernen wir ihn fast nur durch Werke aus der zweiten Hälfte seines langen Lebens kennen, da er als eine der ersten künstlerischen Großmächte Venedigs (S. 306) eine große Anzahl baulicher und plastischer Werke schuf und eine beträchtliche Schule um sich hatte. Doch ist aus seiner frühern römischen Zeit die sitzende Statue der Madonna mit dem Kinde in S. Agostino zu Rom vorhanden (neben dem Hauptportal), eine Arbeit, in welcher er sich dem Andrea etwa auf die Weise Lorenzettos nähert, mit regem Schönheitsgefühl noch ohne volles Lebensgefühl, wie der Vergleich mit der nahen Gruppe Andreas zeigen mag. – Vollkommen lebendig und von sehr schöner Bildung, aber gesucht in der Stellung erscheint dann seine Statue des Apostels Jacobus d. Ä. im Dom von Florenz (Nische am Pfeiler links gegen die Kuppel) . – Zu diesen frühern Werken mag auch der heil. Antonius von Padua in S. Petronio zu Bologna (neunte Kapelle rechts) zu rechnen sein, – endlich der köstliche Bacchus in den Uffizien (Ende des zweiten Ganges). – Jubelnd schreitet er aus, die Schale hoch aufhebend und anlachend, in der andern Hand eine Traube, an welcher ein kleiner Panisk nascht. Der Bacchus des Michelangelo steht zur Vergleichung in der Nähe; an lebendiger Durchbildung der Einzelform ist er dem Jacopos weit überlegen; wer möchte aber nicht viel lieber die Arbeit Jacopos erdacht haben als die Michelangelos? – ich spreche von Unbeteiligten, denn die Künstler würden für letztern stimmen, weil sie mit seinen Mitteln etwas andres anzufangen gedächten. (Der dritte dortige Bacchus, eine kleinere Figur auf einem Fäßchen stehend, ist aus derselben Zeit, aber von keinem der Sansovino.)

In seinen venezianischen Arbeiten erscheint Jacopo sehr ungleich; einzelnes ist unbegreiflich schwach, anderes dagegen verrät eine tüchtige selbständige Weiterbildung des vom Lehrer Überkommenen. Zwar neigt sich Jacopo bisweilen ebenso in das Allgemeine, wie die meisten Nachfolger Andreas, der seine schöne subjektive Wärme auf niemanden vererben konnte; allein Jacopo ist nur wenig befangen von den Manieren der römischen Malerschule, auch nicht wesentlich von der Einwirkung Michelangelos, die erst bei seinen Schülern hier und da hervortritt; er war deshalb imstande, nebst seiner Schule in Venedig eine Art Nachblüte der großen Kunstzeit aufrechtzuhalten, die mit der Nachblüte der Malerei (durch Paolo Veronese, Tintoretto usw.) parallel geht und Jahrzehnte über seinen Tod hinaus dauert.

Bei ihm wie bei den Schülern sind nicht die Linien, überhaupt nicht das Bewußtsein der höhern plastischen Gesetze die starke Seite; ihre Größe liegt, wie bei den Malern, in einer gewissen freien Lebensfülle, welche über den Naturalismus des Details hinaus ist; sie liegt in der Darstellung einer ruhigen, in sich selbst (ohne erzwungen interessante Motive) bedeutenden Existenz. Ihre Arbeiten können von sehr unstatuarischer Anlage und doch im Stil ergreifend sein; von allen Zeitgenossen sind diese Venezianer am wenigsten konventionell in der Ausführung und am wenigsten affektiert in der Anlage. Hierin liegt wenigstens ein großes negatives Verdienst Sansovinos; er ist der unbefangenste unter den Meistern der Zeit von 1530–70.

Für sein schönstes Werk in Venedig glaube ich die Statue der Hoffnung am Dogengrab Venier († 1550) zu S. Salvatore halten zu müssen (nach dem zweiten Altar rechts). Die plastisch vortreffliche, leichte Haltung, die nicht ideale, aber venezianische Schönheit des Kopfes, der ruhig gefaßte Ausdruck läßt gewisse Spielereien in Haarputz und Gewandung wohl vergessen. (Thorwaldsen ist bei einer der allegorischen Statuen am Grabmal Pius VII. auf ein ganz ähnliches Motiv geraten.) – Aber wie viel geringer ist das Gegenstück, die Caritas, mit ihren hart manierierten Putten! (Das Lünettenrelief von anderer Hand.)

Von mythologischen Gegenständen enthält die Loggia am Fuß des Campanile di S. Marco das Beste (um 1540). Die Bronzestatuen des Friedens, des Apoll, Merkur und der Pallas sind zwar, die erstgenannte ausgenommen, im Motiv etwas gesucht, aber von schöner Bildung, namentlich was die Köpfe (zumal des Merkur und der Pax) betrifft. Ganz vorzüglich sind dann einzelne der kleinen Reliefdarstellungen am Sockel, die zu den so seltenen wahrhaft naiven Kunstwerken mythologischen Inhalts gehören. (Die obern Reliefs und die Figuren in den Bogenfüllungen gelten als Schülerarbeit.)

Übrigens ist Jacopo auch sonst im Relief am glücklichsten, wenn es sich um einzeln eingerahmte Figuren handelt. Man findet hinten im Chor von S. Marco die berühmte kleine Bronzetür, welche in die Sakristei führt, und welche den Meister zwanzig Jahre lang beschäftigt haben soll; ihre beiden größern Reliefs (Christi Tod und Auferstehung) können bei vielem Geist doch im Stil z. B. nicht neben Tribolo aufkommen, während die Einzelfiguren der Propheten in den horizontalen und senkrechten Einfassungen völlig genügen und zum Teil von hoher Vortrefflichkeit sind. (Was von der Bildnisähnlichkeit der vortretenden Köpfe in den Ecken mit Tizian, Pietro Aretino und Sansovino selber gesagt wird, ist nicht ganz zuverlässig.) – Ebenso fehlt es den sechs bronzenen Reliefs mit den Wundern des heil. Markus (rechts und links vom Eingang des Chores an der Brustwehr zweier Balustraden) zwar nicht an geistvollem und energischem Ausdruck der Tatsachen, wohl aber an dem wahren Maß, welches diese Gattung beherrschen muß. – An dem Altar im Hintergrunde des Chores ist das kleine Sakramentstürmchen mit dem von Engeln umschwebten Erlöser wiederum eine nicht alltägliche Komposition; man wird aber vielleicht die beiden einzelnen marmornen Engel auf den Seiten vorziehen.

Derselbe Chor enthält auch noch die einzige Arbeit, in welcher Sansovino dem übermächtigen Einfluß Michelangelos einen kenntlichen Tribut bezahlt hat, nämlich die sitzenden Bronzestatuetten der vier Evangelisten auf dem Geländer zunächst vor dem Hochaltar. (Die vier Kirchenlehrer sind von einem Spätern hinzugearbeitet.) Man wird ohne Schwierigkeit den »Moses« Michelangelos als ihr Vorbild erkennen, aber auch gestehen, daß sie von allen Nachahmungen die freieste und eigentümlichste sind.

Im Dogenpalast empfängt uns Sansovin mit den beiden Kolossalstatuen des Mars und Neptun, von welchen die Riesentreppe ihren Namen hat. Ihre unschöne Stellung, zumal beim Anblick von vorn, fällt schneller in die Augen als ihre guten Eigenschaften, welche erst demjenigen ganz klar werden, welcher sie in Gedanken mit den gleichzeitigen Trivialitäten eines Bandinelli vergleicht. Sie sind vor allem noch anspruchslos und mit Überzeugung geschaffen, ohne gewaltsame Motive und erborgte Muskulatur; es sind noch echte, unmittelbare Werke der Renaissance, eigene, wenn auch nicht vollkommene Idealtypen eines schöpfungsfähigen Künstlers, der selbst mangelhafte Motive durch großartige Behandlung zu heben wußte.

Ein andres bedeutendes Werk ist die tönerne vergoldete Madonna im Innern der Loggia des Markusturmes; sie ermutigt den unten hingeschmiegten kleinen Johannes durch Streicheln seines Haares, sich dem segnenden Christuskinde zu nähern. Verkleistert, bestäubt, verstümmelt und von jeher etwas manieriert in den Formen, ist die Gruppe doch immer von einem liebenswürdigen Gedanken belebt.(Durchaus schlecht: die Madonna in der Kapelle des Dogenpalastes.)

Als tüchtiges monumental aufgefaßtes Porträt ist die eherne sitzende Statue des Gelehrten Thomas von Ravenna über dem Portal von S. Giulian etwa mit Tintoretto in Parallele zu setzen.

In welche Periode endlich gehört der Johannes über dem Taufbecken in den Frari (Cap. S. Pietro, links)? Unplastisch komponiert, aber fleißig, naiv und vom zartesten Gemütsausdruck sieht das Werk aus, als hätte Sansovin es noch von Rom her mitgebracht.


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