Jacob Burckhardt
Der Cicerone
Jacob Burckhardt

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Wie in der Architektur und Skulptur, so beginnt auch in der Malerei mit dem zweiten Jahrtausend eine neue Lebensregung, die sich nach einiger Zeit zu einem Stil gestaltet, welchen wir auch hier den romanischen nennen können. (Vgl. S. 96, 529.) Auch hier findet eine Umbildung des längst mißverständlich wiederholten Spätantiken im Geist der neuen Zeit statt.

Neben dem in Italien herrschend gewordenen Byzantinismus hatte immer eine verwilderte alteinheimische Kunstübung fortexistiert, hauptsächlich wohl für die Ausschmückung geringerer Kirchen, welche weder Mosaiken noch griechische Künstler bezahlen konnten. Von dieser Kunstübung, welche man im Gegensatz gegen die byzantinische etwa als eine altlangobardische benennen mag, geht nun die Neuerung aus. Das früheste namhafte Denkmal sind die Wandmalereien meist legendarischen Inhaltes in dem vermeintlichen Bacchustempel (S. Urbano, vgl. S. 30, a) bei Rom, angeblich vom Jahr 1011. Das Hauptkennzeichen des neuen Stiles, die lebhafte Bewegung und die gleichsam mit Anstrengung sprechende Gebärde, ist hier schon deutlich vorhanden. Trotz aller Ärmlichkeit der Ausführung erwacht doch die Teilnahme des Beschauers; die Kunst improvisiert wieder einmal nach den langen Jahrhunderten des Wiederholens und Kombinierens. Natürlich mischt sich angelerntes Byzantinisches auch in diese harmlos erzählende Wandmalerei, und ein paar spätere Arbeiten (die Fresken der Vorhalle von S. Lorenzo fuori, – und diejenigen der Kapelle S. Silvestro am Vorhof von SS. Quattro coronati, beide vom Anfang des 13. Jahrhunderts) unterliegen sogar wieder einer mehr byzantisierenden Manier. Allein der neue Antrieb war inzwischen schon genug erstarkt, um auch in die monumentale Mosaikmalerei einzudringen. In S. Maria in Trastevere enthält die Halbkuppel der Tribuna und die umgebende Wand das erste Hauptwerk des romanischen Stiles in Italien (1139–1153); bei aller Roheit der Formen begrüßt man doch gern die neuen Motive, ja das beginnende individuelle Leben; Christus und Maria zusammen thronend, sein Arm auf ihrer Schulter – dies ist auch im Gedanken unbyzantinisch. (Aus derselben Zeit: oben an der Fassade die Jungfrau mit acht Märtyrerinnen und zwei andern heil. Frauen; – aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts, und zwar von Pietro Cavallini: die Einzelbilder aus der Geschichte Christi im untern Teil der Tribuna.) – Auch das Chormosaik von S. Clemente (vor 1150) ist im Figürlichen schon ganz romanisch; das Rankenwerk in der Halbkugel ahmt jenes prächtige lateranensische Ornament (S. 86, a), nur in andern Farben und mit Zutat vieler kleiner Figuren nach.

Allein aus geschichtlichen Ursachen oder weil der rechte Künstler noch nicht gekommen war, blieb diese neue römische Richtung einstweilen ohne bedeutende Folgen. Den einzigen Kunstaufschwung, welcher einigermaßen für die Zeit Innozenz III. und seiner nächsten Nachfolger in Anspruch genommen werden kann, haben wir oben (S. 93, 94) in den bessern Cosmatenbauten erkannt. Die Malerei schreitet durchaus nicht vorwärts. Rückfälle in den Byzantinismus zeigen sich z. B. in der Detailausführung des großen Nischenmosaiks in S. Paul (seit 1216), welches als eine neue Redaktion des im 5. Jahrhundert dort angebrachten erscheintDie Mosaiken über der Nische und gegenüber an der Querschiffseite des Triumphbogens sind (oder waren vor 1823) Arbeiten des 14. Jahrhunderts. ; – ebenso in jenen soeben S. 701, a, b, genannten Wandmalereien. – Die Mosaiken zweier kleinen Nischen in S. Costanza (1254–1261) sind so roh und geringfügig, daß auf ihren Stil nicht viel ankommt. – An dem Mosaik der Fassade des Domes von Spoleto, welches 1207 von einem Maler Solsernus verfertigt wurde, verbindet sich wenigstens der byzantinische Stil mit einer gewissen Freiheit und Würde, zumal in den Gebärden der Maria und des Johannes; Christus hat die jugendliche Bildung wieder erlangt, welche bei den Byzantinern einer Greisenfigur hatte weichen müssen.

Je nach den Gegenden hatte der Kampf der beiden Stile einen ganz verschiedenen Verlauf. In Venedig tritt der romanische, wie wir sahen, glänzend auf in den Mosaiken der Vorhalle der Markuskirche, doch nur um ebenfalls byzantinischen Rückfällen Platz zu machen. In Parma enthält das Baptisterium in seinen sämtlichen Fresken (mit Ausnahme der untern, welche unbedeutend giottesk sind) eine der wichtigsten Urkunden des romanischen Stiles; von verschiedenen Händen der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ausgeführt, zeigen sie besonders in den erzählenden Teilen, am Rand der Kuppel, das Eilige und Bewegte, die leidenschaftliche Gebärde, welche jenem noch keines physiognomischen Ausdruckes fähigen Stil damals eigen ist. – Einzelne meist ruhige Heiligenfiguren in Fresko, verschieden gemischt aus beiden Stilen, findet man an der Fassade des Domes von Reggio (12. oder 13. Jahrhundert), – an den Wänden von S. Zeno in Verona (12. Jahrhundert, hinter halb abgefallenen Malereien des 14. Jahrhunderts hervorschauend), – in der Vorhalle von S. Ambrogio zu Mailand (aus verschiedenen Zeiten), u. a. a. O.

Bevor von Toskana die Rede ist, fassen wir noch einmal diese Kunstzustände ins Auge, wie sie vermutlich sich entwickelten. Ein jugendlicher Stil, der vieles zu erzählen hätte, des Ausdruckes aber nur in beschränktester Weise mächtig ist, taucht neben dem rituell geheiligten Stil auf. Er ist noch nicht auf das Schöne und Holdselige gerichtet, aber er empfindet auch keine Verpflichtung auf das Morose und Asketische; fast absichtslos gestaltet er seine Figuren jugendlich. Ebensowenig ist für ihn ein Grund vorhanden, in der bekannten Aufeinanderfolge byzantinischer Stellungen und Gewandmotive, in den bestimmten Typen heiliger Geschichten usw. eine absonderliche Heiligkeit anzuerkennen; er gibt alles nach seinen eigenen Antrieben und schafft dabei von sich aus naturgemäßere Stellungen, rundfließende Gewandung, neue hastige Züge des Lebens. Man läßt ihn an dieser und jener Kirchenwand mit seinen paar Leimfarben gewähren. Aber die Mosaizisten, welche ihre Technik und den byzantinischen Stil für unzertrennlich halten mochten, müssen es eines Tages erleben, daß der neue Stil sich einer der römischen Patriarchalkirchen bemächtigt und ebenfalls in Mosaik zu arbeiten anfängt. Von da an scheint ein wahrer Kampf begonnen zu haben; die byzantinisch Gesinnten behaupten teils mit aller Macht ihren Schlendrian, teils nehmen sie den neuen Stil in die Lehre, vermischen ihn mit dem ihrigen, suchen ihm seine wahre kecke Physiognomie zu nehmen. In den genannten Werken von Parma und Venedig taucht er ungebändigt wieder empor, allein daneben behauptet sich auch der Byzantinismus, sowohl in seiner schroffen Gestalt als auch mit einzelnen Konzessionen; sein völliger Sturz tritt erst durch die Schule Giottos ein. Was ihn so lange aufrecht hielt, war wesentlich seine Verbindung mit der vornehmsten, heiligsten Gattung der Malerei, mit dem Mosaik. Erst als dieses selber zwar nicht seine Fortdauer, aber doch seine Herrschaft unwiederbringlich einbüßte, als ganz Italien sich an Fresken zu begeistern imstande war, – da erstarb auch der byzantinische Stil.

In Toskana besaß er gerade zu Anfang des 13. Jahrhunderts, als die höhere Blüte des Landes (Pisa ausgenommen) erst begann, das unleugbare Übergewicht. Das Verdienst der toskanischen Maler der nächstfolgenden Zeit, mit welchen man einst nach Vasaris Vorgang die Kunstgeschichten zu beginnen pflegte, bestand auch nicht sowohl in einem sofortigen Umsturz dieses Stiles, als in einer neuen Belebung desselben; innerhalb der byzantinischen Gesamtauffassung wird das einzelne freier; lebendiger und schöner, bis endlich die Hülle völlig gesprengt ist. Dies gilt zunächst von Guido da Siena. Auch in seiner Vaterstadt herrschte noch der Byzantinismus, wie die ältesten Werke der dortigen Akademie beweisen. (Mit Ausnahme etwa des oben S. 527, des erwähnten Altarvorsatzes vom Jahr 1215, welcher eine rohe romanische Arbeit ist.) Allein Guidos große Madonna vom Jahr 1221 in S. Domenico (zweite Kapelle links vom Chor) zeigt innerhalb der rituellen byzantinischen Anlage nicht nur einen Anfang von Lieblichkeit, sondern auch, namentlich in der Stellung des Kindes, ein Gefühl für Linien und eine lebendige Zeichnung. Die Madonna des Diotisalvi in der Concezione (oder ai Servi, rechts), volle 60 Jahre jünger, ist nicht nur von derjenigen Guidos abhängig, sondern ein Rückschritt ins Rohe und Starre.

Von einem Zeitgenossen Guidos, von Giunta Pisano, ist beinahe unnütz zu sprechen, da die ihm zugeschriebenen Fresken in der Oberkirche von Assisi leider so viel als erloschen sind. Es war darunter jene phantastische Szene des Simon Magus, der von den Dämonen in der Luft herumgezerrt wird; einzelne byzantinische Miniaturen enthalten ähnliches, hier aber war, alten Abbildungen zufolge, den Dämonen zum erstenmal Leidenschaft und rechte momentane Gewalt gegeben. (1848 sah ich von diesem Fresko nur noch einen matten Schimmer.) Die fünf Halbfiguren von Heiligen in der Akademie zu Pisa tragen Giuntas Namen kaum mit Recht; der Crucifixus in S. Ranieri ebenda ist kaum sichtbar. Eine kenntliche Parallele zu dem Streben des großen Bildhauers Niccolò Pisano (S. 533) bieten die erhaltenen pisanischen Malereien nicht dar.

In Florenz war die Ausschmückung des Baptisteriums die Hauptaufgabe für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts und noch für Jahrzehnte weiter. Die Chornische, seit 1225 von einem Mönch Jacobus mosaiziert, enthält eine vorzüglich bedeutende Neuerung: kniende Figuren auf korinthischen Kapitellen sind als Träger des Mittelbildes angewandt, einer der frühesten rein künstlerischen Gedanken, denn wenn diese Träger auch einen symbolischen Sinn haben mögen, so funktionieren sie doch hauptsächlich der bessern Raumverteilung zuliebe, von der die byzantinische Kunst, im ausschließlichen Dienst der Tendenz, gar keine Notiz genommen hatte; sie sind die Urväter der Trag- und Füllfiguren der Sistina. Im Kuppelraum selbst ist der große Christus von dem Florentiner Andrea Tafi (1213 bis 1294) innerhalb der byzantinischen Umrisse eine sehr bedeutende, neu und würdig belebte Gestalt. Die konzentrischen Streifen mit biblischen Geschichten und Engelchören, welche den Rest der Kuppel einnehmen, verraten vier bis fünf verschiedene Hände; einiges ist rein byzantinisch und darf wohl am ehesten dem Griechen Apollinus zugeschrieben werden, welcher aus Venedig herübergekommen war; andres ist rein romanisch und erinnert an das Baptisterium von Parma; wieder andres ist von gemischtem Stil. Außerdem lernt hier die Mosaikmalerei der Architektur dienen an Friesen, Balustraden und andern Bauteilen.

In die Zeit der Krisis, welche sich an diesem Denkmal verewigt, fiel nun die Jugend des Florentiners Cimabue (1240? bis nach 1300). Von einem durchgehenden Gegensatz gegen die Byzantiner ist gerade bei ihm am wenigsten die Rede; noch in seinem letzten großen Werk, dem Christus zwischen Maria und Johannes d. T. in der Halbkuppel des Domchores von Pisa, fügte er sich fast ganz der gewohnten Auffassung. Allein innerhalb dieser Schranken fängt Schönheit und Leben sich zu regen an. Seine zwei großen Madonnenbilder machten Epoche in der christlichen Kunst. Das eine, jetzt in der Akademie zu Florenz, erreicht zwar in der freien und geschickten Schiebung der Hauptfiguren nicht einmal den Guido von Siena, aber es zeigt hauptsächlich in den Köpfen der Engel, daß der Meister von den Ursachen und Elementen menschlicher Anmut schon ein klares Bewußtsein hatte. Das andre, in S. Maria novella (Kapelle Rucellai, am rechten Querschiff) ist ungleich vorzüglicher und unbefangener; hier erwacht bereits ein eigentlicher Natursinn, der sich mit konventioneller Bezeichnung eines abgeschlossenen Kreises von Dingen nie mehr zufrieden geben wird. – Aber sein ganzes Können offenbarte Cimabue erst in den Fresken der Oberkirche S. Francesco zu Assisi. Leider sind dieselben sehr zerstört, so daß jedes einzelne Bild eine besondere Anstrengung der Phantasie verlangt. Der erste und letzte genauere Berichterstatter (Carl Witte, im Kunstblatt 1821, Nr. 40–46) muß sie noch in besserm Zustande gesehen haben. Er unterscheidet: 1. Anonyme Malereien byzantinischen Stiles (welchem sie indes nach seiner Schilderung schwerlich entsprechen) über der Galerie in beiden Armen des Querschiffes. 2. Die oben erwähnten Arbeiten des Giunta Pisano, Geschichten der Jungfrau und der Apostel im Chor und Querschiff, nebst einer Kreuzigung im südlichen Arme des letztern. (Alles kenntlich an dem durchgängig schwarz gewordenen Bleiweiß.) 3. Eine ebenfalls sonst dem Giunta beigelegte, aber eher dem Cimabue gehörende Kreuzigung im nördlichen Arme. 4. Von den Kreuzgewölben des Langhauses enthält das dritte vom Portal an gerechnet noch die oben (S. 124, b) erwähnte Malerei Cimabues, deren dekorative Anordnung (Rundbilder Christi, der Maria und zweier Heiligen, auf Engel vom Viktorientypus gestützt, mit Festons eingefaßt, die aus Gefäßen hervorwachsen, welche von nackten Genien getragen werden) bereits weit über jenen ersten Versuch des Jacobus (S. 704, g) hinausgeht. Das erste Kreuzgewölbe vom Portal an, mit den vier Kirchenvätern, die ihren Schreibern diktieren, schien mir (1848) so erneut, daß ich keinen alten Maler hätte dafür verantwortlich machen mögen; doch kam dem Obengenannten auch 1821 die Farbe hier »vorzüglich frisch erhalten« vor; der Tradition nach ebenfalls von Cimabue. Im mittlern Kreuzgewölbe über dem Altar sind von demselben die vier Evangelisten gemalt, jeder sitzend schreibend, gegen eine turmreiche Stadt geneigt, noch ziemlich ungeschickt byzantinisierend. (So lauten meine allerdings nicht an Ort und Stelle gemachten Notizen von 1848; der Obengenannte will diese Figuren schon 1821 nicht mehr vorgefunden haben.) 5. Die obern Wandbilder des ganzen Langhauses mit sechzehn Geschichten des alten und sechzehn des neuen Testamentes, ehemals die Hauptleistung Cimabues. Aus dem jetzt fast vollendeten Ruin derselben schaut noch hier und da ein energisches, selbst großartiges Motiv hervor, das uns ahnen läßt, wie der Meister hier sich von den byzantinischen Kompositionstypen fast völlig frei gemacht, wie er die Momente neu und lebendig entwickelt, die Gruppierung zur bedeutungsvollen Mitwirkung herbeigezogen habe; das Detail als solches ist noch nicht individuell belebt, die Köpfe noch ohne den Ausdruck des Augenblickes. 6. Die untern Wandbilder des Langhauses mit den Geschichten des heil. Franz, Werke verschiedener Giottesken des 14. Jahrhunderts, mit einem byzantinischen Nachklang; wahrscheinlich unter dem Einfluß von Giottos Kompositionen desselben Inhaltes (an den Sakristeischränken von S. Croce in Florenz, jetzt in der dortigen Akademie) entstanden; von Rumohr dem Parri Spinello zugeschrieben.

Die Umgebung Cimabues war in der Anerkennung des Neuen, welches er repräsentierte, geteilter Ansicht. Der unbekannte Verfertiger des Tribünenmosaiks von S. Miniato bei Florenz (1297?) zeigt sich als verstockten Byzantiner; das Erwachen des Natursinns beschränkt sich auf die Tierfiguren welche den grünen Wiesenboden seines Bildes bevölkern. – Dagegen verrät Gaddo Gaddis Lünette mit Mariä Krönung innen über dem Hauptportal des Domes trotz der vollen byzantinischen Prachttechnik den tiefen Eindruck, welchen Cimabues Madonnen hervorgebracht hatten. – Schon mehr gegen Giottos Art neigen die Mosaiken der Querschifftribünen im Dom von Pisa. (Verkündigung und Madonna mit Engeln.)

Um dieselbe Zeit offenbart auch die Schule von Siena ihre künftige Richtung.

Gleichzeitig mit Diotisalvi trat hier Duccio auf, von welchem das große Altarwerk (1310–1311) herrührt, das jetzt getrennt im Dom (an beiden Enden des Querschiffes) aufgestellt ist; links die Madonna mit Engeln und Heiligen, rechts die Geschichten Christi auf vielen kleinern FeldernEine Anzahl kleiner Täfelchen in der Akademie gelten als Teile der Predella des Bildes. . Wenn die Hervorbringung des Einzelschönen das höchste Ziel der Malerei wäre, so hätte Duccio das 13. und das 14. Jahrhundert, selbst Orcagna nicht ausgenommen, überholt. Es muß ihn sehr beglückt haben, als er vor seinen erstaunten Zeitgenossen die Schönheit des menschlichen Angesichtes und die abgewogene Anmut holder Bewegungen und Stellungen aus eigenen Mitteln (nicht nach antiken Vorbildern wie Niccolò Pisano) wiederzugeben vermochte. Seine Technik aber ist noch die der Byzantiner und in den geschichtlichen Kompositionen hat er, genau betrachtet, mehr die üblichen Motive derselben mit seinem Stil vom Tode auferweckt als neue geschaffen. – Wie viel oder wenig er außer diesem Altarwerk schuf, immerhin hat er für ein Jahrhundert der Schule seiner Vaterstadt den Ton angegeben.

In Rom zeigt sich um diese Zeit ein ganz bedeutender und eigentümlicher Aufschwung, der uns ahnen läßt, daß die Kunstgeschichte eine wesentlich andere Wendung würde genommen haben ohne die Katastrophe, welche den päpstlichen Stuhl für 70 Jahre an die Rhône versetzte. Zwischen 1287 und 1292 fertigte der Mönch Jacobus Toriti die großen Mosaiken der Altartribünen im Lateran und in S. Maria maggiore. Das erstere ist noch einförmig und zerstreut in der Anordnung, aber im Ausdruck der begeisterten Anbetung schon ganz bedeutend. Das letztere ist eine der größten vorgiottesken Leistungen, vorzüglich was die Gruppe im blauen, goldgestirnten Mittelrund betrifft; während Christus die Maria krönt, hebt sie, anbetend und zugleich bescheiden abwehrend, die Hände auf. Zu der schönen, schwungvollen Formenbildung kommt dann noch, hauptsächlich in den an Cimabue erinnernden Engeln, ein wahrhaft holder Ausdruck, und in der Anordnung des Ganzen jene seit Cimabue wieder völlig erweckte hohe dekorative Fülle und Freiheit. – Auch an den oben (S. 158, g und h) genannten beiden Grabmälern von dem Cosmaten Johannes sind die bescheidenen Mosaiken ebenfalls würdig und anmutig in gleichem Grade. – Die erzählenden Mosaiken der alten Fassade von S. Maria maggiore (bequem sichtbar in der obern Loggia der neuern), gegen 1300 von Philippus Rusuti verfertigt, sind zwar nicht sehr geistreich erfunden, aber wiederum merkwürdig durch die freie, hier an Pompejanisches erinnernde Verteilung in eine bauliche Dekoration.

Während in diesen römischen Arbeiten der Byzantinismus schon nahezu überwunden erscheint, herrscht er aber in Neapel noch weiter. Das schöne Mosaik einer Madonna mit zwei Heiligen in S. Restituta (eine der Kapellen links) zeigt diesen Stil (um 1300) in einer ähnlichen edeln Weise belebt wie etwa bei Cimabue. – Von einem Zeitgenossen des letztern, Tommaso degli Stefani (1230–1310), war eine Kapelle des Domes (Kapelle Minutoli, am rechten Querschiff) ausgemalt; alte und neue Übermalungen haben jedoch dem Werke seinen Charakter völlig genommen.


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