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13.
Der große Tag

Im Laboratorium wurde jetzt gearbeitet wie nie zuvor. Bis spät in die Nacht hinein brannte der Schmelzofen und manche Nacht verlosch er gar nicht, denn mit aller Kraft und allem Glauben, die in ihm wohnten, war Fritz jetzt entschlossen, hinter das Geheimnis des Porzellans zu kommen. Tschirnhaus, der gleichfalls mit ganzer Seele bei den Versuchen war, staunte oft im stillen über die zähe Verbissenheit, mit der Fritz das vorgesteckte Ziel nicht eine Stunde lang aus den Augen verlor, nicht entmutigt wurde, wenn auch hundert und aberhundert Hoffnungen enttäuscht wurden, Hunger und Schlaf vergaß, wenn es galt, eine neue Mischung zu schmelzen, die vielleicht Erfolg versprach. In ihm wohnte jetzt jener Wille, der alle Hindernisse überwindet, der entschlossen ist, erst mit dem letzten Herzschlag von dem zu lassen, was er sich vorgesetzt hat.

Doch kein Gelingen wollte die harte Mühe lohnen und seine Arbeiter schüttelten oft insgeheim die Köpfe und meinten, das Schaffen hier sei noch nutzloser als auf dem Königstein. Fritz ließ sich ihre Zweifel nicht anfechten. Unverdrossen schaffte er weiter, hob den sinkenden Mut der Verzagenden, feuerte sie durch sein Beispiel an, vertrieb durch lustige Reden und Geschichten die Zeit, wenn lange Nachtarbeit nötig wurde, fragte nicht danach, daß die übergroße Anstrengung, die Ausströmungen des Schmelzofens und der Mangel an Bewegung und frischer Luft allmählich seine Gesundheit zu benagen begannen. Nichts dachte er als die Arbeit und den Lohn der Arbeit, – die Freiheit. Keine erlistete und erjagte Freiheit mehr, sondern eine erarbeitete, wohlverdiente. Nur Angst preßte sich zuweilen noch zwischen diese beiden Begriffe, Angst, daß der König bei seinem Begehr nach Gold beharren könnte … Dann tauchte wohl für Augenblicke das Phantom der schrecklichen »Jungfrau« wieder vor ihm auf, aber allzulange duldete er es nicht. Verjagte es mit dem gebieterischen Drang nach seinem Werke und sagte ihm stolz: »Ich werde mich von dir loskaufen!«

Immer hielten freilich der Stolz und die Zuversicht nicht vor, und dann erschrak er bei jedem unvermuteten Geräusch, meinte immer, der König käme abermals, um ihn an sein leichtfertiges Versprechen zu mahnen und sein gräßliches »Oder« zur Tat werden zu lassen … Doch keine Botschaft von August kam. Vielleicht war er so beschäftigt mit politischen Dingen, daß ihm im Augenblick sogar Gold nebensächlich vorkam, vielleicht wollte er dem betrügerischen Goldkoch noch eine Frist gewähren, um ihn dann desto härter zu strafen.

So kam das Jahr 1707.

Eines Tages brachte Tschirnhaus eine besondere Art Ton, der in Okrilla, dicht bei Meißen, gefunden wurde.

»Wir wollen einmal versuchen, was sich mit ihm machen läßt! Die Masse ist härter als Ton sonst zu sein pflegt, und mir scheint, es verlohnt die Mühe, ihr Benehmen im Schmelztiegel zu beobachten …«

»Das wollen wir wohl! Irgend etwas wird schon herauskommen, wenn auch nicht just das, was wir erwarten, denn dieser Ton ist rot …«

Tschirnhaus lächelte.

»Ja, wenn wir erst einmal weißen fänden, der Härte und Durchsichtigkeit gibt, wie die Fabrikate der Gelbgesichter, dann – – Aber so weit sind wir noch lange nicht! Wer weiß überhaupt, ob wir es je erreichen! Man könnte beinahe meinen, die Gelbgesichter seien mit dem Teufel im Bunde …«

Fritz setzte indessen den roten Ton aufs Feuer, in einem der neuen Tiegel, die Tschirnhaus erst kürzlich erfunden hatte, und die einen außerordentlichen Hitzegrad ertrugen. Gespannt warteten sie, was aus dem roten Ton wohl werden würde. Stundenlang war die Wartezeit und als sie den Tiegel zurückzogen, mußten sie ihn zerschlagen, um die harte rote Masse herausnehmen zu können, die sich in ihm zusammengeballt hatte.

Fritz warf einen Blick darauf und begann vor Erregung zu zittern. Sein Auge fragte Tschirnhaus, ob es möglich sei, ob nicht ein Spuk ihn narre … Tschirnhaus hielt die roten Stücke in der Hand. Sein Gesicht war blaß geworden. Als er jetzt zu sprechen begann, klang seine Stimme belegt. »Fritz .. Junge – .. weißt du, was das ist?!«

Fritz antwortete nicht. Noch wagte er das Wort nicht auszusprechen. Eine ungeheure Aufregung bemächtigte sich seiner, und alles um ihn her drehte sich im Kreise. Auch die Arbeiter standen stumm. Jeder fühlte, daß dies eine große Stunde war, – die feierliche Geburtsstunde einer weithin wirkenden Tat …

Endlich sprach Tschirnhaus: »Es ist Porzellan. Wahrhaftiges Porzellan.«

»Aber seine Farbe –«, wandte Fritz ein.

»Die läßt allerdings zu wünschen übrig! Aber haben wir das eine gefunden –, warum sollten wir nicht auch das andere finden?! Warum solltest nicht du es finden?!«

Fritz sah ihn fragend an.

»Der Baumeister, der den Grundstein gelegt hat, darf nicht immer den Bau vollenden. Und fast jedes große Werk hat seinen Propheten und seinen Erfüller. Ich war wohl nur ein Vorläufer, – der Meister wirst du sein! Mir bleibt nicht viel Zeit mehr zu suchen und zu proben, sei still, ich fühle es und weiß, daß meine Uhr bald abläuft! Die deinige aber wird weitergehen und du selber wirst weitergehen …«

Dann kam der Tag, der fast ebenso feierlich war, wie jene Geburtsstunde, – der Tag, an dem, geleitet von Tschirnhaus, der König erschien, um sich das neue Wundergebilde anzusehn. Er war hochbefriedigt, sagte aber doch zu Fritz in strengem Ton: »Wo bleiben die versprochenen dreihunderttausend Taler? Ich bestehe auf ihnen!« Da fand Fritz den Mut, einen Entschluß auszuführen, der schon lange in ihm gekeimt hatte: er kniete vor dem König nieder und legte eine offene Beichte ab. Mit unbeweglichem Gesicht hörte der König ihn an, ließ ihn zu Ende reden, ohne mit der leisesten Bewegung zu verraten, ob er strafen oder begnadigen würde. Als Fritz mit den Worten geschlossen hatte: »Ich weiß, daß ich Strafe verdient habe, aber mögen Majestät bedenken, daß meine Gefangenschaft wohl auch eine ist«, – da neigte sich der König zu ihm, winkte ihm aufzustehn und sprach: »Ich wußte längst, daß du nicht in der Lage bist, auch nur einen einzigen Goldtaler herzuzaubern, – Tschirnhaus hat mir alles verraten! Ich hätte dir deinen Betrug auch früher verziehen, wie ich ihn heute verzeihe, aber ich wollte dein freiwilliges Geständnis hören. Sprich, war die erste Lüge, waren all die andern, die ihr folgten, die Schrecken und Tränen wert, die du erlebt und vergossen hast? Sicherlich nicht! Diene mir in Treue, Böttger, das wird dein Schaden nicht sein! Und der meine auch nicht –« setzte der König lächelnd hinzu.

Nun fertigten sie die ersten Kannen und Tassen aus dem roten mit schwarzen Verzierungen belegten Ton, die man noch heute unter dem Namen »Böttger-Porzellan« in Dresden und ganz selten auch in anderen Sammlungen sehen kann. Auf der folgenden Leipziger Messe wurden sie ausgestellt, und obwohl die Holländer, durch deren Hände der ganze überseeische Porzellanhandel ging, verächtlich taten, so machten sie doch lange Gesichter, denn sie begriffen wohl, daß ihnen hier eine Konkurrenz erwuchs, die sehr gefährlich werden konnte, wenngleich jetzt noch das sächsische Porzellan keinen Vergleich mit dem orientalischen aushalten konnte. Nicht nur mangelte ihm die schneeige Farbe, sondern auch die wundervolle Durchsichtigkeit und die edle Härte, die eben mit der unbekannten Porzellanerde zusammenhingen, der Europa schon lange erfolglos nachforschte. Doch als tüchtige Geschäftsleute dachten sie: »Was nicht ist, kann noch werden!« und fuhren sehr schlecht gelaunt von der Messe heim.

Noch ein anderer Messebesucher machte ebenfalls ein langes Gesicht, obwohl er sogar vom König ein wunderhübsches Kaffeeservice aus Böttger-Porzellan geschenkt bekam. Das war der König von Preußen, der zu Besuch seines königlichen Vetters gekommen war und selbstverständlich lieber zu Hause geblieben wäre, wenn er hätte ahnen können, was ihm hier zu seinem Mißvergnügen dargeboten wurde, und wofür er sich auch noch bedanken mußte. August aber strahlte vor Stolz und Freude, und es war wohl auch ein wenig Schadenfreude dabei, die man ihm nicht sonderlich übelnehmen kann.

Fritz aber saß bald wieder in tiefer Trauer. Herr von Tschirnhaus war gestorben. Gestorben an einem inneren Leiden, das er seit Jahren den Seinen sorgfältig verborgen hatte und dessen Verlauf er mit der Klarheit und Ruhe eines Arztes und Philosophen beobachtete. Fast auf die Minute sagte er seine Todesstunde voraus und schied gefaßt, und ohne eine Spur von Furcht, wie große Seelen zu scheiden pflegen … Fritz war untröstlich. Lange Zeit war es ihm gar nicht möglich, das Laboratorium zu betreten, denn er konnte sich die Arbeit ohne den väterlichen Freund nicht denken. Aber der König drängte zu weiterer Vervollkommnung der Erfindung, und ihn selber drängte es schließlich auch, denn er begriff wohl, daß das rote Porzellan nur ein Anfang sei, sein durfte, und daß weitergeschafft werden müsse, bis eine Masse hergestellt werden konnte, die holländische Gesichter mindestens eine Elle länger machen würde.

Der Wille dazu war bei ihm unverrückbar fest, – aber mit dem Willen allein kann man kein Porzellan machen, und doch mußte es gelingen, denn erst wenn weißes Porzellan dastand, war das Geheimnis des Orients gelüftet und die Aussicht vorhanden, die östliche Einfuhr brachzulegen.

Zwei Jahre waren vergangen.

Da geschah etwas Seltsames und Unvermutetes. Allmorgendlich kam ein Diener, der Fritz barbierte, seine Puderperücke in Ordnung hielt und sie ihm kunstgerecht aussetzte, wie Mode und Sitte es vorschrieben. Niemals hatte Fritz an seiner Perücke etwas bemerkt, was sie von anderen Perücken unterschieden hätte, höchstens hatte er ab und zu gebrummt, daß der Diener sie nicht sorgfältig genug strählte und den Puder nicht vorsichtig verstäubte. Der Diener entschuldigte sich dann immer umständlich und bat »Exzellenz«, doch nicht ungnädig zu sein. Immer nannte er Fritz »Exzellenz«, denn er hätte es für unschicklich gehalten, einen Herrn, der vom Statthalter und sogar vom König besucht wurde, mit einem geringeren Titel anzureden. Eines Morgens aber, als er Fritz wiederum die Perücke reichte, fiel es diesem auf, daß sie merkwürdig schwer war. Er dachte bei sich: »Was mag der Gauner wieder getrieben haben?« und fragte: »Höre, Bursche, was ist heute mit meiner Perücke los? Was hast du mit ihr angefangen?«

Der Bursche wurde rot, denn sein Gewissen war durchaus nicht rein. Er stammelte: »Ich .. ich .. Exzellenz werden verzeihen und wahrscheinlich den neuen Puder meinen …«

»Was für einen neuen Puder?«

Der Bursche stäubte mit gewandter Barbierbewegung mittels der Puderquaste ein neues weißes Wölkchen auf die Perücke.

»Überzeugen sich Exzellenz nur selbst, wie fein er ist! Erst gestern eingetroffen und heute schon sind alle Herrschaften entzückt und ziehen ihn dem Bleipuder vor …«

Fritz nahm sich nicht die Zeit zu fragen, wieso schon heute alle Herrschaften von etwas entzückt sein konnten, das gestern erst eingetroffen war, denn seine Augen hingen wie gebannt an den feinen, weißen Puderwölkchen, die ganz anders aussahen als der Bleipuder. Viel weißer waren sie und schienen schmiegsam, sahen nicht kalt aus, sondern es ging wie Wesenswärme von ihnen aus. Fritz befühlte sie und war betroffen.

»Hast du viel von diesem Puder gekauft?«

»Ja, Exzellenz, eine ganze Kiste voll!«

»Wo hast du ihn her?«

Von niemand anderem hatte er ihn her, als von Peter Schnorr. Und dieser wiederum war auf ganz absonderliche Art zu ihm gekommen.

Sehr mißvergnügt, wie der strebsame Peter jetzt fast immer war, hatte er vor etlichen Tagen sein Pferd satteln lassen, um im Auftrag des eifersüchtigen Onkels etliche Geschäfte zu erledigen. Natürlich ritt er keinen verwegenen Berberhengst, sondern ein braves, zahmes Rößlein, das seinen Reiter achtete, ihn niemals in einen Graben warf, und seinen Weg fast allein fand. So ließ Peter es traben und hing seinen Gedanken nach, die immer die gleiche Frage taten: »Wie überzeuge ich den alten Onkel davon, daß ich von Geschäften mehr verstehe als er?«

Soweit Peters phantasiearmer Kopf zu träumen vermochte, träumte er von dem einen großen Schlag, der ihn plötzlich und dauernd aus seiner untergeordneten Stellung reißen und ihm dem Onkel gegenüber das Übergewicht geben sollte. Aber wo war der eine große Schlag zu finden oder zu führen? Peter sah grämlich drein, ließ die Zügel hängen und sein Rößlein traben und merkte nicht, daß sie weitab von der Straße gekommen waren, auf einen Weg, der durch einen dem Onkel gehörigen Wald führte. Als Peter es endlich merkte, verschlug es ihm nichts. Er dachte: »Es ist ein kleiner Umweg, aber das schadet nichts! Im Gegenteil, ich kann bei dieser Gelegenheit gleich nachsehen, ob die Holzarbeiter auch fleißig bei der Arbeit sind! Hü, Brauner, hü!«

Der Braune bedurfte dieser Mahnung, denn sein Schritt war immer langsamer geworden. Er schritt ordentlich mühsam, so, als ob ihm bei jedem Schritt ein Hindernis entgegenkäme.

»Hü, Brauner, hü!«

Er mochte »hü« rufen, so lange er wollte, der Braune rührte sich nicht, konnte sich nicht rühren, denn er steckte mit den Vorderhufen in Erdreich, das so weich war, daß das Tier bei der Anstrengung herauszukommen, immer tiefer einsank, wie in Moor. Betroffen sprang Peter ab und half dem Roß, hob sozusagen dessen Hufe aus dem weichen Erdreich heraus. Er betrachtete die Hufe. Schüttelte den Kopf. So etwas hatte er noch nie gesehen! Ganz weiß bestäubt waren diese Hufe, genau so weiß, wie wenige Tage später Fritzens Perücke aussah!

Peter machte sich alsbald daran, die Beschaffenheit dieses seltsamen Erdreichs zu untersuchen, die bislang niemanden aufgefallen war. Findig und strebsam wie er nun einmal war, schoß es ihm gleich durch den Sinn: »Hallo, dies weiße kreidige Zeug könnte doch sehr gut den teueren Bleipuder ersetzen. Da läßt sich ein Geschäft machen! Ich setze mich sofort mit allen Barbieren und Kammerdienern in Verbindung, verspreche ihnen Prozente, wenn sie meinen neuen Puder (ich nenne ihn gleich ›Puder‹) statt des Bleipuders verwenden und bin vielleicht schon in wenigen Wochen ein gemachter Mann! Denn wenn der Onkel sieht, was so lange brach lag, bis ich es entdeckte, wird er nicht länger zögern, mir endlich die Stellung einzuräumen, die mir gehört!«

Alles ging, wie er geplant hatte. Die Prozentanteile lockten Barbiere wie Kammerdiener, und bald war kein Kopf mehr in Dresden, der noch Bleipuder getragen hätte. Von der viel größeren Wirkung dieses Puders aber ließ sich Peter nichts träumen …

Fritz befühlte indessen immer wieder die weißen Wölkchen. Befahl dem Burschen: »Bringe mir die ganze Puderkiste sofort in mein Laboratorium!«

Der Bursche sah ihn an und meinte nicht anders, als daß »Exzellenz« den Verstand verloren hätte.

Fritzens Verstand war jedoch nie klarer gewesen als an diesem Morgen. Wenn dieser Kopf trotzdem brannte und der ganze junge Mensch wie im Fieber flog, so war es, weil er spürte, daß er endlich, endlich dem Orient sein Geheimnis entreißen konnte. Diese weiße, schmiegsame, wesenswarme Masse war ja nichts anderes als die langgesuchte Porzellanerde, das Kaolin, das auf Armlänge zu erreichen war, während man es vergeblich in allen Weiten gesucht hatte …

Und wiederum verloschen die Feuer des Laboratoriums nicht, und die Geburtsstunde des roten Porzellans erschien Fritz heute klein und unfeierlich neben der ungeheuren Erregung, mit der er den Brand betrachtete. Qualvolle Erwartung und höllische Zweifel, daß es am Ende auch dieses Mal nur Täuschung und Blendwerk sei, – dann eine Minute atemraubender Stille und ein junger Mensch, der besinnungslos zu Boden stürzt … Besinnungslos vor Glück … –

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Nun hat der Orient sein großes Geheimnis, Holland seinen großen Markt verloren, Sachsen aber hat sein weißes Wunder erlebt, das seinen Ruhm in die ganze Welt hinaustragen wird. Nun war alle Not zu Ende, denn wenn Fritz auch verpflichtet wurde, in Sachsen zu bleiben, so war er doch kein Gefangener mehr, und der König beschloß alsbald die Gründung einer Porzellanfabrik – der ersten in Europa – auf der Albrechtsburg in Meißen und machte Fritz Böttger zu ihrem Direktor. Und um weithin kund zu tun, welches Wunder in seinem Lande vollbracht worden, ließ er die Urkunde der Gründung ins Lateinische, Französische und Holländische übersetzen und durch seine Gesandten in fremden Zeitungen verbreiten. Ob die Holländer von dieser Übersetzung eine große Freude gehabt haben, ist nicht bekannt geworden.

So endete die an Zufällen reiche Geschichte zu allgemeiner Zufriedenheit. Der König bekam zwar kein bares Gold, dafür aber eine Industrie, die ihm und dem Lande mehr eintragen sollte, als ein Goldkoch hätte tingieren können. Peter Schnorr wurde Teilhaber seines Onkels, denn die sächsische Regierung verpflichtete den Alten, den ganzen Ertrag an Kaolin ausschließlich an sie abzuliefern, und da Peter die Abschlüsse machte und die Verträge aufsetzte, so wurde ein schöner Batzen daran verdient, obwohl Peter schwor, daß er und sein Oheim, nur von idealen Gesichtspunkten geleitet, bei dieser Sache Geld zusetzten … Am glücklichsten von allen aber war Fritz. An ihm hatte sich alles erfüllt, was ihm verheißen worden war. Er hatte vollenden dürfen, was Tschirnhaus als Stückwerk begonnen und liegen lassen hatte müssen, er war reicher geworden als Könige, denn aus seiner Hand floß einem Lande, das von Feindeshand verwüstet lag, neuer Wohlstand, neue Kraft zu. Mit einer leichtfertigen Lüge war er in sein Schicksal hineingesprungen, hatte schwer gebüßt, war aber endlich doch zur innern Klarheit und Läuterung gekommen, nachdem er Eitelkeit und Selbstsucht von sich geworfen und sich einem großen Gedanken hingegeben hatte … Wenn die Sonne sank, wenn Feierabend langsam geschritten kam, dann hielt er wohl einen Augenblick mit der Arbeit inne und dachte in stiller Trauer des toten Vaters und des toten Freundes … Das reine Herz und der Glaube an die Arbeit statt des Aberglaubens an das Gold, – das hatten die beiden Vortrefflichen ihn gelehrt, das konnte er ihnen nie genug danken …

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Einige Marken der Porzellanmanufaktur Meißen.

Hunderte von fleißigen Händen regten sich nun in der neuen Fabrik, deren Ruf schnell durch ganz Europa drang. Aus aller Herren Länder strömten Besucher herbei, und scheinbar willig zeigte man ihnen alles, in Wahrheit aber nur Nebensächlichkeiten, denn August hielt auf strenge Wahrung des Porzellangeheimnisses. Da wimmelte es denn bald von geschickten Spionen, die Sachsen um sein Wunder prellen wollten, und Fritz mußte oft lachen, wenn er, dem auch die Würde eines Fabrikdirektors seine Schlauheit nicht unterbunden hatte, immer wieder einen als Arbeiter verkleideten Ausländer erkannte und hinauskomplimentierte. Nach jahrelanger Trennung sah nun auch Fritz seine Mutter wieder. Über das einst so schöne, blühende Gesicht Frau Mariens hatten die Jahre der Sorge und des steten Grams um den geliebten Sohn einen leisen Schleier gebreitet, aber da Fritz an ihrem Halse hing und lachte und weinte vor Glück, da brach es durch den Schleier wie Sonnenstrahlen, und sie erschien ihrem Kinde ganz wie damals, da sie in dem kleinen Hause in Schleiz gewohnt hatten und so glücklich waren. Sie aber mit dem zärtlich-sorgenden Auge der Mutter sah, wie die Jahre der Gefangenschaft und des Leides an ihrem Kinde gearbeitet hatten, und Fritz merkte wohl, was in ihr vorging.

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Kindergruppe aus Altmeißener Porzellan.

Still lächelte er in sich hinein. Er wußte, daß ihm kein langes Leben beschieden sein würde, – aber fragt einer nach Jahren, wenn ihm vergönnt war, sein Werk zu vollenden?! In demütiger Erkenntnis hatte er über den Eingang der Fabrik die Worte setzen lassen:

»Es machte Gott, der große Schöpfer,
Aus einem Goldmacher einen Töpfer,«

und die Fremden, die kamen, um die Fabrik zu besehen, wunderten sich oft über die Bescheidenheit, die aus diesen Zeilen sprach. Sie verstanden nicht, daß neben der Bescheidenheit sich auch ein großer, berechtigter Stolz barg: der Stolz des Mannes, der sich kraftvoll aus Irrtum zur Höhe emporgearbeitet hatte.

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