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Lieber Clemens.
Eins habe ich ganz vergessen Dir zu sagen, daß Marianne ihr Gedicht von mir empfangen hat! Ich war so sehr betäubt, als ich Dir das letztemal schrieb, wie es immer geht, wenn ein tiefer Traum durch nichts sich abwälzen läßt, wenn alles, was das äußere Leben hinzubringt, von ihm ergriffen wird, um sich tiefer hineinzuträumen, wenn jedes zufällige Ereignis neue Traumverflechtungen bildet. – So war mir's, und so ist mir's noch hier in dem alten Stadtleben! Diese Empfindungen, diese Erinnerungen meines Traumlebens müssen erst ganz abgestorben sein, ehe ich offen und frei mit Euch sprechen kann über das Wie und Warum. Denk Dir eine Schäferhütte mit einer Wiese umher mit duftendem Grün, ein Muster einfachen Glückes, die Lämmer hatten da ihre poetische Trift – die niederregnenden Blüten versprachen Früchte! – Und nein! Du hast geirrt, es war da keine Wiese, es war nur ein Traum hinter einem grünen Bettvorhang! – ich reib die Augen, ich frag, ist's möglich? – es war doch alles so wahr in jener Heimat, daß ich mich in dies Erwachen nicht finden kann, und nun weiß ich nicht, ob ich nicht jetzt eben erst in die Traumpforte trete und entschieden ist, ob ich jetzt träume oder früher geträumt hab, bis dahin werd ich an Deine Sophie nicht schreiben. – Ach Clemens! das deucht Dich wunderlich, eigensinnig vielleicht und widersprechend Deiner Bitte, Deiner Sehnsucht! – Aber Dein letzter Brief führt ja da schon wieder ein Mienchen R-bach auf, die Du einst liebtest, von der ich nichts weiß! – Und war das kein Traum von Dir? – Und nun führst Du den Traum fort, sowie Du sie kommen siehst, gehest Du wieder auf Deinen Traum ein; Du gehst an ihr vorbei, tust im Traum, als ob Du sie nicht kennst, schleichst Dich dann an sie heran, um ihr Vorwürfe ins Herz zu schleudern, die sie verdient, wie Du meinst, und zuletzt wachst Du auf mit der Satisfaktion, Deiner früheren Geliebten eine Röte und dann eine Totenblässe abgejagt zu haben. Du erzählst mir Deinen Traum, wie Du eben im Begriff stehst, mich in einen neuen Traum mit hineinzureißen; – was soll ich mich willkürlich brauchen lassen, da ich wirklich bin, in Geschichten, die unwirklich sind? – Wollte ich mich da gleich bereitfinden lassen, Du könntest nach geraumer Zeit, aus diesem Traumleben erwachend, mir Vorwürfe machen, Illusionen in Dir genährt zu haben, die dann zu nichts zerfallen! – Du sagst jetzt schon, Du liebtest sie nicht mehr wie sonst! – Du sagst, daß sie selbst Dich einmal verworfen habe. Ach, was kann mich denn abhalten, Dir zu dienen, als die Gefahr, die Du dabei läufst! war ich nicht manchmal schon die kleine Rettungsinsel, wenn alles rund um Dich her überschwemmt war? – soll ich mich nun auch überschwemmen lassen? daß Du nicht weißt, wohin Du den Fuß setzen sollst, wenn die Flut über dich gestürzt kommt. Wenn Ihr beide Euch wirklich wach glaubt, so entschuldigt mich, daß ich so traumversunken bin und mich nicht zu Euch hinüberträumen kann! – und entschuldigt es, daß dies alles eine Sorge ist um Dich, die mich im Traum gepackt hat.
Weiter weiß ich Dir nichts zu sagen, als daß ich müde und schläfrig bin. Gestern waren wir auf der Gerbermühle, die Günderode mit mir, welch himmlischer Aufenthalt; warum kann man's versäumen, wenn man die Sonne so untergehen sah, daß man sich wieder auf dem Platz einfindet, um sie am Morgen wieder zu empfangen! – Adieu doch! –
Bettine.