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Liebe Seele!
Schon viele Tage war ich sehr betrübt, gar keinen Brief von Dir zu haben, ich war oft recht ängstlich, Du mögest mich nicht mehr recht lieben, und ich wäre doch so recht unglücklich ohne Dich. Heute wollte ich Dir nun mein Leid über Dich recht kläglich beschreiben, und da erhielt ich denn Deinen einzig lieben Brief, der mich wieder ein bißchen traurig macht auf eine andere Weise. Daß Du Sophien nicht recht leiden magst oder vielmehr Dich gegen sie verschließt, betrübt mich, wie sehr! – Deine Liebe ihr übertragen? – O mein Kind, das ist auch wunderbar – wem auf Erden könnten wir unsre Liebe zueinander übertragen? – Ich schwöre Dir, liebe Bettine, ich würde nie ein Weib nehmen können, bei dem ich Dich entbehren könnte. Ich werde glücklich sein mit ihr, wenn Du mit glücklich sein willst; sie wird mit mir in meine Einsamkeit nach Marburg ziehen – den Winter schon wird sie mein Weib sein, st – st – kein Wort davon geredet. – Wir wagen keine Freiheit, wir sind beide gut und vernünftig, unsre bürgerliche Verhältnisse werden sich nicht verwickeln und uns strangulieren! – wir sind vergnügt und leicht. Das ganze Blatt hat sich überhaupt gewendet, sie liebt mich jetzt leidenschaftlich, wie ich sie sonst liebte, und ich bin ruhig. Ich werde nicht an ihr handeln, wie sie einst an mir, sie würde sterben – sie ist sehr gut und resigniert auf alles um meinetwillen. Doch lerne sie kennen, und dann liebe sie, dann hasse sie, Du wirst überhaupt entscheiden über uns. Schreibe mir noch immer hierher, aber um Gottes und des Himmels willen schreibe mehr das Unmittelbare, was mich und Sophie angeht; wenn Du es nicht tust, das kränkt mich unendlich. Nochmals aber bitte ich Dich, der Mereau selbst zu schreiben!
O Kind, Du willst mit Blumen und Kräutern Dich einlassen, und glaubst schon sie zu verstehen. Warum willst Du den Kreis des Vertrauens nicht auch ihr aufschließen? – Sie auch wirst Du erlösen aus einem bezauberten Kreis der peinlichsten Gefühle! – Mich liebt sie mehr wie ihr eigenes Leben, und Du, die ich so liebe, Du stehst starr und stumm vor ihr, als gehöre sie nicht zu Deiner Welt. – Du stoßest sie aus? – was hat sie Dir getan? schreib es ihr, sie wird sich dann verteidigen, denn sie liebt Dich innig und liest immer in Deinen Briefen und lernt lieben daraus! – Sonst kenne ich mehrere vortreffliche Familien, so was ich und Du vortrefflich achten, Leute, die mich leiden mögen! – Und besonders lege ich mit meiner Gitarre und Deinen Kompositionen viel Ehre ein.
Alle Abend sitze ich mit irgendeiner Gesellschaft bis spät in die Nacht und singe und spiele, daß mich alles liebhat und hintendrein doch wieder auf mich schimpft, das gehört sich aber so auf dem Weimarer Plundermarkt. Ich bleibe wohl noch ein paar Wochen hier, drum schreibe immer hierher; sehr erfreuen könntest Du mich, wenn Du mir, was Hoffmann komponierte, wenn auch bloß mit Klavierbegleitung, abschreiben ließest, aber bald, und es mir schicktest.
Vor einigen Tagen war ich in Lauchstädt, sechs Meilen von hier; ein Badeort, wo während der Kurzeit die hiesigen Schauspieler spielen, dort sah ich das neue Stück von Goethe, die »Eugenie«; es wurde schlecht gegeben, aber es ist, nu, es ist halt von Goethe. – Als ich in die Promenade dort trat, wer kam mir zuerst unter die Augen? – Minna R-bach, das Mädchen von Altenburg, das ich einst liebte, Perigot, der Pariser (läßt Dich grüßen) führte sie. Perigot begrüßte mich, sie erblaßte; sie hat einen dummen reichen Mann geheiratet, sie ist sehr unglücklich. Bei Tisch saßen wir öfters nebeneinander, sie war sehr verlegen, ich redete kein Wort mit ihr; am Abend vor ihrer Abreise machte ich durch Perigot die Bekanntschaft ihres miserablen Mannes, den ich bat, mich seiner Frau zu präsentieren, er tat es; ich setzte mich neben sie und sagte ihr leise: »Nicht wahr, Minchen, ich hatte recht, es geht dir recht schlecht, wie ich dir gesagt habe.« – Da weinte sie beinah und mußte tanzen gehen; ich aber entfernte mich und setzte mich allein in die Allee, wo ich recht vergnügt an Dich gedachte, wie doch die andern Weiber alle nichts gegen Dich sind! – Du sollst bald eine große Freude haben; ein Geschenk erhältst Du in einigen Wochen von mir, so köstlich, so lieb, so hast Du in Deinem Leben nichts gehabt; ich möchte es gar zu gern sagen, was es ist, aber ich denke durch mein Stillschweigen Dir einige Briefe abzusagen. Übermorgen wird es angefangen, nun, Du wirst ein freudig Wunder daran erleben, aber höre, sei mir auch gut und halte auch mehr auf Sophien. Lebe, wohl, für Puppe, Chemisettchen und Rock danke ich.
Dein Clemens.
Ich schreibe Dir morgen einige Gedichte ab, die ich gemacht.