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An Bettine. | Mainz. |
Liebe Schwester, Du wirst mir's verzeihen, daß ich nicht Abschied von Dir nehme, aber ich gebe Dir nicht etwas, ich bin Dir gegeben. Du weißt nicht, wie glücklich ich bin, daß ich Dir dies durch die liebenswürdigste Frau sagen kann, die durch ihr Geschick schon über den gewöhnlichen Kreis der Menschen hinausragt, noch mehr aber durch ihre Selbständigkeit, durch den festen ernsten Willen, mit dem sie dies Geschick bekämpfte und heldenmäßig ertrug, indem sie ruhig und allein zwischen den Schrecken der Blutgerichte hindurchwandelte. Mit solchen Naturen sich berühren zu dürfen ist eine Auszeichnung für den, dessen Seele und Geist vielleicht darauf angewiesen ist, durch solche Naturen sich selbst zu bilden und durch sie zum Erhabenen gelenkt zu werden. Wie sehr ich für Dich immer Sorge trage, das Edle und Schöne, was ich auffinde, was mir seine Macht fühlen lässet, mit Dir zu teilen, davon mag Dir hierin der Beweis gegeben sein, daß ich ihr, die ein so großes Herz hat, die mit diesem Herzen ausreichte, wo so viele verzagt sein würden, auch Dich und meine Liebe zu Dir empfohlen habe. Ja ich hab ihr alles mitgeteilt, daß ich nämlich die besten Kräfte meines Lebens dranwenden möchte, um Dir eine würdige Zukunft zu bereiten. – Sie hat mir in diesen Stunden, so einfach, als sei es nur ganz gewöhnlich, von sich erzählt. Durch die Vendée ist sie oft auf wilden Pferden, die kaum den geübten Reiter trugen, auf Kreuz- und Querwegen geritten, um mit den großen Helden dort sich zu treffen, denen sie oft auf nächtlichen gefahrvollen Wegen voraneilte, manchen jener armen Landleute (Chouans) hat sie gerettet mit Gefahr ihres Lebens, ihre ganze Familie aber hat die Guillotine gefressen. Nur sie, geleitet durch ihren guten Stern, der ja auch von ihrer Stirne glänzt, ist glücklich nach Deutschland gekommen. In Jena hat sie eine geraume Zeit geweilt und war in einer wissenschaftlichen Verbindung mit meinem Freund, dem großen Physiker Ritter, von dem Goethe sagt: Wir alle sind nur Knappen gegen ihn. – Durch einen Brief von ihm hab ich sie hier in Mainz getroffen, wo ich seit gestern bin und von hier nach Jena zurückgehe. Was kann ich Dir je sagen, was an dieses Weib hinanreicht, da ich nie einen bessern Gedanken hatte, als sie zu begreifen. Du sollst sie lieben wie mich, und mehr wie mich. Du sollst ihr vertrauen und sie mit allen Deinen Armen umschlingen mit Wurzeln und Gezweig, denn sie ist Himmel und Erde, sie ist ein Weib, an dem die Vortrefflichkeit und Barbarei du jour (das heißt, wie es heutzutage hergeht) gescheitert ist, sie allein kann Deine Ideen über Revolution und Volksglück aufklären, o sie kann Unendliches für Dich, sie ist ein Geschöpf aus Gotteshand, ein gewöhnliches Weib wie Eva und wie sie aus dem Herzen jedes Mannes heraussteigen soll. Wundre Dich nicht, daß ich so über sie disponiere, da ich sie nur eine Stunde gesprochen habe, aber das organisch Vortreffliche spricht sich in der Sekunde aus, und verhüllst Du die Venus in die dichtesten Schleier, und der unschuldige Mensch merkt nur die Bewegung ihres Atems, so wird er mit seiner Seele dafür haften, daß dieser Mantel die Schönheit und die Liebe verberge. Schenk ihr die Geheimnisse Deiner Seele, alle Deine Phantasien ergieße ihr, sie muß sie aufnehmen und würdigen und muß Dich beglücken, denn es ist in ihrem Wesen wie das Empfangen des Weines im Kelch. Sprich von allem dem gegen niemand. Es ist ein glückversprechender Lebensmoment für Dich, denn der großen Seelen sind nur wenige, sich aber mit ihnen in so voller Unschuld geistig zu berühren, ist auch nur wenigen geworden.
Schreibe mir bei Friedrich Schlegel in Jena.
Dein Clemens.