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Liebe Bettine!
Ich bin sehr betrübt, daß Du mir gar nicht schreibst, ich bin immer in Ängsten, Du mögest krank oder unwillig auf mich sein, auch Sophie ist betrübt darüber, denn sie liebt Dich gar sehr; ich habe mir alle Deine Briefe von Marburg schicken lassen und sie ihr vorgelesen, Du glaubst nicht, Liebe, wie sie das rührt, und täglich, wenn ich vertraulich mit ihr zusammensitze und uns recht wohl wird, spricht sie: Ach wenn doch Bettine bei uns wäre! Sie wird durch Deine Freundschaft recht glücklich werden, bis jetzt hat sie auf Erden noch keine Seele gehabt, die sie so recht lieben konnte, sie ist ihr ganzes Leben durch wohl grausamer getäuscht und mißhandelt worden als irgendein anderes gütiges und schuldloses Wesen, und allen hat sie vergeben, alles hat sie vergessen, ist nicht menschenfeindlich gesinnt, ist immer freundlich, mild und unendlich anmutig; ich habe eine ruhige herzliche Empfindung für sie, die ich vorher nie gehabt, und auch sie liebt mich täglich mehr und inniger, und wir vertrauen unserm Geschick, das uns voneinandergerissen, um uns einander besser wiederzugeben. Liebe Bettine, ich habe Dich so unendlich lieb, so lieb, als ich Dich je liebte, ich fühle immer mehr, daß Du mein Herz genährt und erhalten hast, Du hast mich zu dem Menschen erzogen, den meine Geliebte achten und lieben muß, ohne Dich wäre ich verzweifelt am Leben und an dem Heil. Ich wollte, Du könntest mich verstehen, ich wollte, Du könntest recht deutlich fühlen, wie Dir nichts durch meine Liebe zu Sophien entzogen wird, nein ich fühle tief im Herzen, wie ich mich durch sie in Deiner Liebe verherrlichen kann, ich werde, durch sie zur Ruhe gebracht, alle die Kräfte meines Geistes und meines Herzens im Tüchtigen glücklicher entwicklen, ich werde ohne Sehnsucht, ohne Begierde die Augen auf mein Tagewerk wenden können und es zur Ehre meines Lebens vollenden, Du bleibst ewig meine Richterin, Du bleibst das Maß meiner Empfindung und mein vertrauter Gott auf Erden. Wie Du liebst, Bettine, solcher Liebe wird auf Erden nicht genug getan, und wen Du an Dein Herz schließest, der betet, Deine Arme aber überreichen ihn, sie reichen in den Himmel und holen den Segen herab, für den Frommen, den Du liebst. – Liebes Kind, wir werden noch einstens sehr glücklich sein auf Erden, denke Dir, wenn Du die Gattin eines einfachen, vortrefflichen Mannes wärst, der mich liebt, und ich und Sophie, wir alle viere leben in inniger Verbindung und teilen alles und ehren uns gegenseitig und lernen uns einander das Vortreffliche ab. Ich habe das feste Vorgefühl, daß es uns bald so werden wird, und ich bete darum zum Himmel; Du kannst meinem Himmel nur recht vertrauen, denn er liebt Dich, und gewährt er Dir meine Bitte nicht um meinetwillen, so ist es doch um eines gewissen lieben Kindes willen, um die geliebteste Bettine. Ich bin jetzt täglich bei dem vortrefflichen Bildhauer Tieck, der mich sehr liebhat, es ist etwas Entzückendes, ihn arbeiten zu sehen, wie er Götter und Menschen mit einem kleinen hölzernen Spatel aus Ton herauszaubert. Ich wünschte Dich oft zu mir her, daß Du das auch sehen könntest. Ich hoffe, Dir bald etwas von seiner Arbeit schenken zu können, um es auf Deinen Tisch zu stellen, er hat mir es versprochen. – Ich bitte Dich nochmals herzlich, mir ja gleich und viel zu schreiben, und wenn Du Sophien auch schreiben wolltest, so recht wie es Dir ums Herz ist, ich glaube, es würde sie sehr freuen. – Ich bat Dich in einem Briefe um eine Puppe für der Mereau ihr Kind, ich bitte Dich nochmals herzlich darum, die Kleine plagt mich alle Tag, und hier kann man keine leidliche haben. Schreibe mir doch ja, so glücklich bin ich doch nicht auf Erden, daß einige Worte von Dir mich nicht unendlich glücklicher machen könnten; sei mir tausendmal geküßt; grüße Gundel von Herzen.
Dein Clemens. bei Doktor Fr. Maier |