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An Bettine. | Weimar, bei Friedrich Maier |
Ich ging so hastig von Frankfurt; mein eiliges Entlaufen, mein gehemmtes Gehen und Wiederkehren, das mußte Dir, geliebtes Kind, wie das Tun eines Nachtwandlers vorkommen, und so war's auch, ich war wie ein Schlafender, der sich gern seines Traumes erledigte, wenn er nur könnte; nun hab ich bei diesem Abschied von Dir gefühlt, daß ich träume, daß ich wohl erwachen werde, wenn ich im Traumwahn von Deiner Seite weiche, daß ich dann in nichts Ersatz finden werde für die Heimat bei Dir. – Aber der Traum gibt einem andre Hoffnungen, die allergrößten vom Erdenleben! – und führt einen durch die allerunbesonnensten, feurigsten Lebensepochen; ist man erwacht, so sitzt man tief in der leeren Erdenschererei, und alle prophetischen Klänge der hohlen Baßgeige Erfahrung begrüßen einen mit dem fatalen: hab ich dir's nicht gesagt? Bis jetzt bin ich dahin noch nicht gekommen, meine Hoffnung im Steigen, meine Erwartung vom Zusammenleben mit viel bedeutenden, wunderlichen, liebenswürdigen Menschen hier aufs höchste gespannt! – Der Park steht in seinem edelsten Grün. Du hast solchen üppigen Rasen, so belaubte Kronen noch nicht gesehen wie hier, wo ein rascher kühler Fluß mit unendlicher Geschäftigkeit alles Leben nährt und in seinem Verband hält, er gibt der irdischen Lust allhier einen himmlischen Anstrich von Kraft, von Poesie, von Lebensfülle. Einbrüche, Wortbrüche und noch speziellere Brüche stürzen alle die Verhältnisse ein, die nicht unter des Wonnemonats heiligen Gerichtsbarkeit stehen. Er teilt Hirtenbriefe aus zu Schäferidyllen; Ablaßbriefe, Beichtzettel, Schmutztitel von Erbau- und Predigtbüchern, im Wonnemonat gehalten, findest Du an den heimlichen Ufern der Ilm hingestreut, alles vom Wonnemonatheiligen unterschrieben. Du findest aber auch in diesem Park die schönsten Altargeländer zum Anbeten der Heiligen! – Gerichtsschranken zum Verurteilen, Ketten und Fußblöcke zum Fesseln. Und da liegt mancher, der sich nicht kann helfen, da sind Prüfstände des tentamen und examen rigorosum des Lebens, Krieg, großer Kampf, kleine Hinrichtungen, Missetäter, die ihr Leben lang an einer Kette schleppen, Gaudiebe und Gaudiebinnen, die leicht von Hand zu Hand gehen lassen, was sie ewig zu bewahren geschworen hatten. Aber auch mitten unter diesem Gewühl findet sich der Schlüssel zu dem stilleren Garten des Eden, in dem zuerst das stille milde Erfreuen über das Sein einem anwehet – wo man zuerst es sich sagt, welch beglückend Gefühl dieses Sein ist, das die Entzückung unterbricht, um aufs neue wieder den Segnungen der Ruhe sich hinzugeben. Der Morgen geht auf; – unter dem Baumschatten auf der Haustürbank ruhig hingelagert, sich und die Welt anschauen, das deucht einem das perennierende Vergißmeinnicht des Genusses. –
Ich könnte so fortträumen, um Dir zu beweisen, daß ich träume! – Es ist ein wahrer Tauschimmer von Lebensblüten, und alle meine Empfindungen sind ein blumiges Spielgärtchen, in der die erfrischte Welt in der Morgenröte liegt! – Und die Vergangenheit? –
Ich wohnte unter vielen, vielen Leuten Und manchem habe ich die Hand gedrücket, Rund um mich war die Landschaft wild und öde, Nur in mir selbst die Tiefe zu ergründen, Ich sah sie nicht, die großen Süßigkeiten, |
Eben erhalte ich Briefe von Arnim mit seinen Reiseplänen schon unter Segel, er geht übers Meer; unsre guten Wünsche, mögen sie ihm guter Engel der Begleitung sein; lese selbst, die Briefe schicke hierher zurück. – Deine kleine Freundin Löwenstern wirst Du nun bald wiedersehen, sie ist gestern abgereist, ich hab sie aus meinem Fenster bei ihrer Freundin Fümelle einen zärtlichen, mädchenhaften Abschied nehmen sehen; wenn Du sie siehst, so empfiehl mich ihr als Deinen treuen Bruder, den ihre Freundschaft zu ihrer Gespielin sehr gerührt hat; das Fräulein Fümelle wohnt mir gegenüber und wird, wie ich höre, auch bald nach Offenbach gehen; ich sehe oft mit Vergnügen, wie sie ihre kleine zierliche Figur von Fenster zu Fenster trägt und keine Ruhe in den Füßchen hat, und wie ihr Herr Papa sein Barbierbecken am Fenster stehen hat, und wie das Barbierbecken den Herrn Papa abwartet, bis er seinen Bart hineinschaben läßt von dem kunstreichen Messer eines Weimarer Barbierheros! – Alles ist nämlich hier von einer Muse des Übermutes genährt, keiner geht über die Straße ohne persönliches Gefühl des Mitwirkens in die tolle Alltäglichkeit, selbst bis auf den Friseur, der einer der wichtigsten Kavaliere ist. Das ganze Windmühlenwerk der Künste ist fortwährend im Gang, die Hand des Tonkünstlers und der Fuß des Tänzers klappen ineinander, die Kunstreihe körperlich geistiger Fertigkeiten wird durch einen Aufwand geistiger Regierung aufs höchste gesteigert. Fragen, Suchen und Finden sind drei verschiedene Ichs, die überall sich beisammen finden, sie bilden wie, eine Ölschlagmühle eine Witzschlagmühle. Nun schlagen auch noch die Nachtigallen dazu. Zwischen den blühenden Büschen wandlen Deutschlands größte Geister, eingehüllt in den Nimbus ihres Namens; – es ist für einen Anekdotenjäger das beste Revier; wärst Du hier, wir würden die Zeit aufs beste genießen, und Du würdest auf dem Schmetterlingsflügel der Welt wie auf einem Teppich Dich tummeln, denn so möchte ich Weimar nennen statt deutsches Athen, mit welchem absurden Namen es sich prahlt. –
Ich bleibe auf jeden Fall einige Zeit hier, wo Du mich gern wissen sollst, denn ich bin sehr gern und glücklich hier und streife meinen Mißmut ab wie eine alte Schlangenhaut. Das einzige ist, das Salbadern mit Herders Tod langweilt mich; aber auch hierüber ist ein Scherz nicht unwillkommen:
Herder ist von uns gegangen, Goethe sieht ihm traurig nach; Wieland trocknet seine Wangen Und Amaliens Herze brach. – |
Diese empfindsam Gesellschaft hab ich, wie sie im Vers beschrieben ist, mit schwarzer Kohle an die weiße Gartenwand vor Goethes Garten, der in den Park führt, abgemalt; alles ist hingegangen, es zu betrachten. Der abgehende Herder und der weinende Wieland sind unwiderstehlich gelungen! –
Lebe wohl! schreibe mir, schreibe doch der Mereau ein paar Worte und liebe sie, wie ich es um Dich verdiene, daß Du die liebst, die mich versteht. – Von allem diesen haben wir unter uns gesprochen, und Du wirst mit andern nicht davon reden.
Du kannst mir einen Gefallen tun, wenn Du mir sechs kleine Chemisettchen gestickt und mit Kragen von feiner Leinwand machen läßt; ich wünsche sie aber sehr bald, deswegen laß sie recht artig, aber nicht zeitspielig machen. Ich konnte diesen kleinen Toilettenbetrug sonst nicht leiden, aber ich will hier ein bißchen unter die Leute gehen und weiß ja noch nicht, ob sie verdienen, mich in meinem wahren Hemde zu sehen; die Dinger müssen nur ein Herzfleckchen und bißchen Hals sein. Herz und Hals wage ich nur in der Liebe.
Dein Clemens. bei Friedrich Maier. |
Ich habe nicht Zeit, das Lied an Marianne abzuschreiben, schreibe Du es ab. –
Es stehet im Abendglanze Sie wechslen mit Weinen und Lachen, Dort hab ich mein Liebchen gesehen, Und die in dem Hause dort wohnen, Sie sind gleich den Göttern und handlen O Liebchen, wo bist du geblieben? Ich will dein pflegen und warten So kauf ich mir Harke und Spaten, Tu auf, o Reicher, den Garten, So sei mir, o Gärtner, willkommen, Zieh höher und dicht mir die Laube, Da klinget so herzlich und süße Da seh ich mein Liebchen so weinen, So hast du dann es verlassen O Liebchen, o sei nicht so munter, Ans Meer will ich und stehen Im Niedersehen da rollen Dies Lied hab ich ersonnen Als Jugend um Liebe brennte |