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Der Blumenknabe.

1809.

Ich ging hinaus im grünen Mai,
Ein Kränzlein wollt' ich mir pflücken,
Und Blümlein bunt und mancherlei,
Sie lockten und winkten Entzücken;
Und wie ich die süßen besah und besann,
Da fingen die Köpfchen zu rühren sich an
Und redten mit freundlichem Nicken.

Zuerst die Rose neigt' ihr Haupt,
Hub an also mir zu sprechen:
»Halt, rascher Knabe! Ist's erlaubt
So sorglos das Schöne zu brechen?
Vernimm erst geduldig der Wörtchen zwei, drei,
Sonst möchte im Herzen die bittere Reu
Mit Tränen die Sterbende rächen.

Ich heiße Blumenkönigin,
Die Erstlingstochter der Liebe,
Trage stolzen Mut und hohen Sinn,
Vereint mit zärtlichem Triebe;
Und hegest du Hoheit und Treu' in der Brust,
So pflücke den Liebling der Sonne mit Lust,
So pflücke die Blume der Liebe.«

Die Lilie sprach: »Der Unschuld Preis
Schmückt baß denn Perlen und Seiden,
Bist innen du und außen weiß,
Wie Kindlein fromm und bescheiden,
So pflücke nur immer in Freuden mich ab,
So werde dein Busen das züchtige Grab
Der weißesten Blume der Heiden.«

Das holde Veilchen auch herfür
Das Köpfchen regte zur Sonne,
Stand da in stiller Demut Zier
Und hauchte lenzige Wonne.
Doch was es geflüstert, vergessen ist's mir,
Die Augen mir flossen, wie Brünnelein schier
Entfließen der berstenden Tonne.

Mit ihr kam auch das Schwesterherz,
Das Sinnbild heiliger Frommen,
Die Nachtviole grau, und Schmerz
Die Brust mir machte beklommen.
Was da mir geschehen, verstehe ich nicht:
Mich deuchte, ich sähe ein Engelgesicht
Mit liebenden Augen mir kommen.

Es sprach: »Du siehst dein Lebensbild
In süßen, lieblichen Farben:
Denn was dem Frühling schön entquillt,
Das sammelt der Sommer zu Garben;
Stets gehet und kehret der sonnige Strahl,
Doch Menschen verwelken wie Blumen im Tal
Und wie ihre lenzigen Farben.«

Schau', Liebestreu' und Liebeshuld,
Wie fliegt sie hin mit der Rose!
Das Kind der Demut und Geduld,
Was ziehet das Veilchen für Lose?
Die Lilie, die weiße Narzisse zugleich,
Sie liegen verwelket, noch bleicher als bleich:
So schwindet das Schöne und Große.«

Und weinend mußt' ich abwärts gehn,
Durft' keine Blume mir brechen;
Doch standen alle fromm und schön
Und schienen so freundlich zu sprechen.
Wann wird es im Herzen mir wieder gesund?
Wann wird mir der Maimond mit schmeichelndem Mund
Treulieb' und Blumen versprechen?



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