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Der Knabe am Meer.

1804.

Stand ein Knab' am tiefen Meer
Schöpfend mit der hohlen Hand,
Wollt' es schöpfen wasserleer:
Kindisch will des Kinds Verstand.
Emsig schöpft' er, die Wasser liefen
Alle wieder zurück zur Tiefen.

Still ich sah des Kindes Tun,
Kindisch all' doch himmelwärts:
Nimmer rasten, nimmer ruhn
Will das arme Menschenherz.
Lustig könnt' es am Bache spielen
Muß in Arbeit sein Mütchen kühlen.

»Knabe,« sprach ich, »Knabe laß
Ab von deiner eitlen Pein!
Eher wird das Sieb zum Faß,
Worin sicher ruht der Wein,
Eher fängst du den Wind mit Netzen,
Als sich trocken die Tiefen setzen.«

Und der Knabe sprach zu mir:
»Weiche, böser Feind, hinweg!
Laß mein süßes Spielen mir;
Über Bächen liegt ein Steg,
Quellen kann ich im Grunde schauen,
Auf die Tiefe nur will ich bauen.«

Und er schöpfte lustig fort,
Aber ich ging weinend weg –
Heil'ge Brunst, wo ist dein Ort?
Süßer Abgrund, wo dein Steg?
Emsig schöpft' er, die Wasser liefen
Alle wieder zurück zur Tiefen.



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