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Die nähere Umgebung Hamburgs ist so reich an landschaftlichen Schönheiten aller Art, dass der Fremde viele Wochen hindurch lohnende Ausflüge in dieselbe mit täglich wechselndem Programm unternehmen kann. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind die günstigen Verbindungen nach allen Richtungen hin; man kann entweder Eisenbahn, Dampfschiff oder Strassenbahn benutzen oder meist sogar sich nach Belieben abwechselnd des einen oder anderen Verkehrsmittels bedienen und dieselben durch angenehme Fusstouren unterbrechen. Vier Sehenswürdigkeiten sind es vor allen Dingen, welche der Fremde auch bei beschränkter Zeit zu besuchen nicht verfehlen wird, nämlich die Elbchaussee mit Blankenese, das Nordseeeiland Helgoland, den Centralfriedhof Ohlsdorf und Friedrichsruh im Sachsenwalde. Erst hierdurch wird sich der Aufenthalt in Hamburg zu einem harmonischen Bilde ausgestalten, das unauslöschlich in seinen tausend Einzelheiten der Erinnerung eingegraben bleibt.
Für einen eingehenderen Besuch der weiteren Umgebung Hamburgs sei empfohlen: »Richters Hundert Ausflüge in Hamburgs Umgegend«, mit Wegekarten Preis 1,50 ℳ.
Altona, die Schwesterstadt Hamburgs und mit diesem eng zusammengebaut und in jeder Weise eng verbunden, ist mit seinen 160 885 Einwohnern die grösste Stadt Schleswig-Holsteins. Die schönste Strasse der Stadt ist die von uralten Bäumen beschattete Palmaille mit dem Denkmal des Oberpräsidenten Graf Blücher. Am Ende der Allee steht das Siegesdenkmal des 9. Armeecorps. Nach Rechts erstreckt sich das Neue Rathhaus mit dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal, etwas weiter das Neue Museum, der Stuhlmann-Brunnen u. der Hauptbahnhof Altona.
An der Fortsetzung der Palmaille, der Klopstockstrasse, liegt der Ottenser Kirchhof (im Stadttheil Ottensen); hier ruht unter einer prächtigen Linde Deutschlands Odendichter Klopstock mit seinen beiden Frauen.
Vom Siegesdenkmal geniesst man plötzlich einen herrlichen Ausblick auf die Unterelbe, die sich am Fusse des hohen Geestrückens majestätisch dahinwälzt. Tief unten, dicht am Strande, liegen Neumühlen, ein beliebter Sommeraufenthalt der Hamburger, und das freundliche Lootsendorf Oevelgönne.
Aus der Klopstockstrasse gelangen wir auf die Elbchaussee, die schönste Strasse Deutschlands, welche sich hoch über der Elbe 1½ Meilen lang zwischen einer Fülle der herrlichsten Parkanlagen hinzieht, wie solche in gleicher Pracht und Grösse keine Stadt Europas wohl noch einmal aufzuweisen hat – es ist das Gebiet der Handelsaristokratie Hamburgs. Viele dieser herrlichen Parks mit ihren grossen Landhäusern inmitten uralter Baumriesen und gartenkünstlerischer Meisterwerke gleichen alten Fürstensitzen und erzählen uns von strotzender Kraft, von Macht und Besitz, von Freud und Leid stolzer Geschlechter der Handelsempore.
Zur Linken zieht sich am Abhänge zunächst der Stadtpark hin, es folgen Neu-Rainville mit herrlicher Aussicht auf die Elbe, die Villa Donner (mit vielen Kunstschätzen), und so reiht sich hier zu beiden Seiten der Chaussee Villa an Landsitz in fast ununterbrochener Folge, darunter auch das Geburtshaus des Reichskanzlers Grafen Bülow. Ein geradezu bezauberndes Panorama eröffnet sich unseren Blicken von dem hochgelegenen Park-Hôtel aus. Gegenüber liegt Klein-Flottbek mit Jenisch Park, dem Sommeraufenthaltsort des Reichskanzlers; weiter folgen das altberühmte Caférestaurant » Zum Bäcker« (Soltau), der Ausschank der Exportbrauerei Teufelsbrücke (Schabbel) und der »Elb-Pavillon« (Treu). Ein Aufenthalt an diesen Stellen ist um so empfehlenswerther, als die grossen Seeschiffe hier in unmittelbarer Nähe des Ufers fahren, und in aller Beschaulichkeit das rastlose Leben auf dem majestätischen Strome beobachtet werden kann. Nienstedten (mit der Elbschlossbrauerei, einer der grössten Brauereien Norddeutschlands, und Jacob's Speiserestaurant) und weiterhin Godeffroy's, Thierry's und Baur's Park folgen, und endlich thut sich vor unsern erstaunten Blicken ein wundervolles Märchenland auf, das buntdurchwirkte und terrassenförmig aufgebaute, entzückende Blankenese mit dem 73 m hohen Süllberge (mit Restaurant), von welchem man nicht nur eine herrliche Aussicht über den malerischen Ort selbst, sondern weit und breit über die ganze Umgebung und die untere Elbe geniesst.
Wer Hamburg gesehen hat, muss unbedingt auch Blankenese gesehen haben. Man gelangt dorthin entweder mit der Eisenbahn von jeder Station der Verbindungsbahn oder mit dem Schiff von den St. Pauli-Landungsbrücken aus oder auch per Wagen (5–6 ℳ.) oder zu Fuss auf der Elbchaussee. Fussgängern ist letzteres unbedingt anzuempfehlen – eine Tagestour bei Besichtigung verschiedener Parks, zu denen der Zutritt – falls sie überhaupt geschlossen sind – auf Ansuchen gern gestattet wird. Die Rückfahrt nach Hamburg (St. Pauli-Landungsbrücken) ist auf jeden Fall mit dem Schiff zu empfehlen. Wer nicht über Zeit verfügt, kann die Tour nach Blankenese auch im Anschluss an Bangert's Hafenrundfahrt (S. 41 machen. Bei längerem Aufenthalt in Blankenese ist zu empfehlen:
Johs. Krögers Führer durch die Elbgegend, Pr. 1 ℳ.
Man muss von Blankenese einmal mit dem Tage Abschied nehmen, wenn Berge, Ferne und Wasser in einer Feuergluth auflohen und die Sonne ihre letzten Strahlen in die Elbe versenkt – ein Bild, wie es kein Maler auf die Leinwand hinwerfen dürfte, um dem Vorwurf des Unwahren und Unnatürlichen seiner Darstellung zu entgehen. Abend wird's auf dem Strom, die Laternen an den vor Anker liegenden Schiffen werden aufgezogen, die Blinkfeuer und festen Lichter beginnen ihr Spiel, Seefischer kommen und gehen, rothe, grüne und weisse Lichter schiessen bunt durcheinander – auf der Elbe gebietet auch die Nacht keine Ruhe –, und über dem Fischereiland Finkenwärder steigt zögernd der Mond herauf. Unser Schiff fährt stromauf; die Ferne versinkt in Nacht und Nebel, die Ufer tauchen in dunklere Farben, und wie Nixenleiber spielen die Schaumwellen um unser Schiff. Der Blick auf das bezaubernde Ufer mit dem raschen Wechsel von Schluchten, steilen Abhängen, Schlössern und Parkanlagen hält uns traumbefangen. Plötzlich versetzt uns dröhnendes »Tuten« in die nackte Wirklichkeit zurück: Ein Schiffskoloss wälzt sich uns entgegen, ein Ungethüm von Gestalt, hellerleuchtet wie ein Palast im Wunderlande, und vom haushohen Oberdecke ertönen frohe und ernste Weisen.
Von Hamburg nach Helgoland. Wer einmal in Hamburg ist, wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, auch Helgoland einen Besuch abzustatten. Für den Binnenländer hat die Fahrt nach Helgoland noch den besonderen Reiz, einmal das ganz eigenartige Gefühl zu geniessen, dem Festlande gänzlich entrückt zu sein, wenn sich der Horizont nach allen Richtungen in die unabsehbare See senkt. Zur Beruhigung der Furchtsamen sei bemerkt, dass nur bei schlechtem Wetter Fälle von Seekrankheit vorkommen, dass aber die Wenigsten davon befallen werden. Ist man nicht ganz seefest, so halte man sich mittschiffs auf, blicke nicht in die rauschenden Wellen, sondern in den fernen Horizont, verbanne jede Aengstlichkeit und trinke nicht über das gewohnte Maass.
Friedrichsruh und der Sachsenwald. Wie der Teutoburgerwald mit dem Namen des Cheruskerhelden Hermann, ebenso unverlöschlich ist der Name des Fürsten Bismarck für alle Zeit mit dem Sachsenwalde verwoben, der durch ihn zum vornehmsten Nationalheiligthum der Deutschen geworden ist. Hier unter den Wipfeln der alten Eichen ruht Deutschlands erster Kanzler von seinem weltumgestaltenden Leben aus, hier schläft einer der gewaltigsten Geister, die je die Menschheit bewegt haben, und die schlichte Grabstätte des Schöpfers des Deutschen Reiches und der deutschen Einheit und des getreuen Eckehardt seines Volkes wird, so lange man deutsch fühlt und denkt, ein Wallfahrtsort sein in guten und bösen Tagen. Und nach Jahrhunderten wird sich hier an der Ruhestätte des grössten deutschen Sohnes die Sage niederlassen, gleichwie sich an den Kyffhäuser die nationale Sage angeschlossen hatte: Die Sehnsucht nach des Reiches Herrlichkeit – der Jahrhunderte lange Traum des deutschen Volkes, dem Held Bismarck die langersehnte Erfüllung gegeben hat.
Man erreicht Friedrichsruh mit der Eisenbahn vom Berliner Bahnhof aus in ca. ½ Stunde. Für gute Fussgänger empfiehlt sich, schon in Bergedorf auszusteigen; in ¾ Stunde gelangt man auf abwechslungsreichem, schönem Wege nach Reinbeck, einer der beliebtesten Sommerfrischen in der Umgegend Hamburgs. Ein prächtiger Waldpfad führt in ½ Stunde von hier bergauf bergab, an forellenreichen Bächen nach Aumühle, und von da in ¼ Stunde auf dem Schlangenpfade nach Friedrichsruh.
Das Tabakrauchen ist während der Sommerzeit im Sachsenwalde streng verboten.
Der Sachsenwald ist 1½ Meilen lang und 1 Meile breit, seine Holzbestände nehmen einen Flächenraum von 7000 ha ein, das fürstliche Gut umfasst 200 ha. Bewässert von der schwarzen Aue und Bille, ist das ganze Terrain vollständig eben, und der hohe Baumwuchs gestattet keinen Umblick. Die höchste Kuppe ist der Klingenberg (auf dem Wege von Aumühle nach Ohe), welcher einen herrlichen Rundblick gewährt von den Grenzen des Sachsenwaldes bis zu den Thürmen Hamburgs, mit dem Bismarck stets in »guter Nachbarschaft« gestanden hat. – Fichten und Buchen sind die vorwiegenden Bestände des Sachsenwaldes. Anfang der 70er Jahre begann man mit der Einführung fremder Nadelhölzer, welche so vortrefflich wachsen, dass sie Aussicht haben, die heimischen Nadelhölzer zu verdrängen. Der Wildbestand ist befriedigend und mannigfaltig.
Friedrichsruh umfasst wenige Villen und Häuser und zählt nur 200 Einwohner. Das fürstliche Schloss ist von hoher Mauer umgeben und nicht zugänglich, doch lässt sich dasselbe vom Wege der Bille entlang übersehen.
Das Mausoleum des Fürsten und der Fürstin Bismarck liegt jenseits der Bahn auf einer Anhöhe (Schneckenberg). Es ist im romanischen Stile gehalten und 27 m hoch. In ihrer festen, auf Jahrhunderte berechneten Bauart, wie ihrem ganzen Aeussern entspricht die Gruftkapelle so ganz dem Geiste des grossen Todten, und ihre Lage ist so schön, wie sie in der Umgebung des Friedrichsruher Herrenhauses überhaupt zu finden war, und uns dünkt, es gäbe im ganzen Deutschen Reiche keine herrlichere und der Eigenart des Heimgegangenen mehr entsprechende Stelle, als die er sich selbst auserwählt hat.
Hier liegt der grosse Kanzler gebettet, der im Leben allem Schmuck für seine Person so abhold gewesen war. Draussen hat die Natur einen herrlichen grünen Teppich rings um die Kapelle gebreitet; Tannen, Linden, Eichen von zum Theil ehrwürdigem Alter umsäumen ihn, die echten Kinder des Sachsenwaldes. Unten die eiserne Völkerstrasse, auf der die Züge hin- und her jagen – hier oben der fast überweltliche Friede der grünen Waldeinsamkeit.
Nimm mich grünes Waldeszelt,
Freundlich auf in deine Stille,
Nichts vom Wirrsal dieser Welt
Mehr zu hören ist mein Wille.
Ihr habt in Fürstengrüften bestatten mich gewollt,
Hier in den frischen Düften Ihr ruh'n mich lassen sollt!