Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Altes Rathhaus (1842 durch den grossen Brand zerstört).

V. Kurze Geschichte Hamburgs.

Libertatem quam peperere majores
Digne studeat servare posteritas.
(Die Freiheit, die schwer errungen die Alten,
Möge die Nachwelt würdig erhalten.)

Ziemlich weit von der Elbe entfernt lagen an ihrem kleinen Zuflusse Alster, an einer Furth derselben und an dem Knotenpunkte der grossen Handelsstrassen nach dem Wendenlande und ins Land der Normannen, grössere Ansiedelungen, wo sich Slaven und Sachsen zu friedlichem Marktverkehr zu vereinigen pflegten. Karl der Grosse wählte in zielbewusster Absicht diesen Ort als Stützpunkt für die weitere Ausbreitung des Christenthums nach Norden, und errichtete hier die Hammaburg (d. i. Waldburg), indem er ohne Zweifel schon damals die Kaufleute als die geeignetsten Culturträger erkannt hatte und sich so deren friedlicher Mitarbeit versicherte. Ludwig der Fromme erhob Hamburg zum Erzbisthum, das 831 in Ansgar den ersten Erzbischof erhielt. In den folgenden Jahrhunderten hatte die junge Stadt unter den wiederholten Angriffen und Zerstörungen durch die Normannen und Obotriten zu leiden, sodass die Erzbischöfe ihren Sitz nach Bremen verlegten. Im 12. Jahrhundert gelangten die in Holstein belehnten Schauenburgischen Grafen in Hamburg zu grossem Ansehen und zu um so höherer Bedeutung, als sie für die Entwicklung der Stadt immer das wärmste Interesse bekundeten, insbesondere Adolph III. und Adolph IV. Ersterer erwirkte von Barbarossa am 7. Mai 1189 die Ausstellung eines Freibriefs (Zollfreiheit) für Handel und Schifffahrt Hamburgs und legte damit den Grund für die spätere Selbständigkeit und Blüthe der Stadt. Verträge mit Dithmarschen, ein Handelsbündniss mit Lübeck, der Beitritt zur Hansa, die fortwährenden siegreichen Kämpfe gegen die Dänen und Seeräuber und eine kluge Handelspolitik trugen zur inneren wie äusseren Erstarkung und Hebung des Handels bei, und schon 1510 wurde Hamburg von Kaiser Maximilian I. zur freien Reichsstadt erklärt. 1529 wurde die Reformation eingeführt und 1618 erkannte das Reichskammergericht die Reichsunmittelbarkeit an. Der dreissigjährige Krieg liess Hamburg gänzlich unberührt, allein die Pest, viele Kämpfe mit den Dänen und ein Jahrhunderte fortgesetzter Zwist zwischen Senat und Bürgern hemmte doch die freudige Entwicklung der Stadt. Erst der Hauptrecess von 1712 setzte den inneren Unruhen ein Ende und liess die Zufriedenheit der Bürger wiederkehren, und 1768 endlich erfolgte durch den Gottorper Vergleich auch die Anerkennung Hamburgs als freie Reichsstadt seitens Dänemarks.

Schon im Anfange des 16. Jahrhunderts reichten die Handelsbeziehungen Hamburgs nach Norwegen, England, Holland, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien und bis nach dem Orient, es war aber mehr Stapelhandel in Reis, Holz, Getreide und Lebensmitteln, und erst im Laufe des 17. Jahrhunderts vollzog sich der Uebergang zum Commissionshandel und zur Spedition, die sich im 18. Jahrhundert zum Welthandel ausbildeten. 1778 lief das erste Schiff – unmittelbar aus Amerika kommend – im Hamburger Hafen ein, und der Handel Hamburgs mit den Vereinigten Staaten nahm bald einen unerwarteten Aufschwung. Unsägliches Unglück brach über Hamburg herein unter der Napoleonischen Gewaltherrschaft: Die Seelenzahl sank von 110 000 auf 50 000, und die Gesammtverluste der Stadt werden auf 300 Millionen Mark geschätzt. Trotzdem erstarkte die Stadt sehr bald wieder, ebenso wie nach den grossen Handelskrisen und dem grossen Brande von 1842. Während der politischen Umgestaltung Deutschlands im laufenden Jahrhundert hat sich Hamburg mit Geschick seine Selbständigkeit und seine Zollfreiheit zu bewahren gewusst. Die Macht der Verhältnisse erforderte jedoch eine Preisgabe dieses letzteren Sonderrechts; die politische Einheit Deutschlands musste naturnothwendig auch die Einheit des Wirthschaftsgebietes im Gefolge haben, und so trat Hamburg am 15. October 1888 auch dem Reichszollgebiet bei (vergl. Freihafengebiet S. 42).

Der kaufmännische und seemännische Wagemuth, gepaart mit kluger Besonnenheit, und die Fähigkeit, in der Fremde leicht festen Fuss zu fassen, das ist echt hanseatische Art, das treue Festhalten an der heimischen Art und die Liebe zur Heimath und zum weiteren deutschen Vaterlande, das ist echt hanseatische Tradition. Und hat sich Hamburgs Flagge Jahrhunderte hindurch in allen Meeren der Erde Achtung und Ansehen zu verschaffen gewusst, und galt Hamburgs Flagge immer und überall als Deutschlands Flagge, so erfreut sich Hamburgs Welthandel und Weltverkehr heute des Jahrhunderte hindurch entbehrten köstlichen Gutes, des nie versagenden Schutzes von Kaiser und Reich.

Navigare necesse est,
vivere non est necesse.

Ein Senatssaal im neuen Rathhause.

Hamburg (Stadt und Staatsgebiet) umfasst ein Gebiet von 41 400 Hectar (7½ Quadratmeilen, davon 2800 Hectar Wasser). Die Häfen allein sind 1400 Hectar gross, die Aussenalster misst 180, die Binnenalster 20 Hectar.

Die Einwohnerzahl im Hamburgischen Staate beläuft sich auf 768 349; es entspricht das gegenüber der Volkszählung von 1895 einer Bevölkerungszunahme von 12,72 %. Im Einzelnen stellen sich die Bevölkerungsverhältnisse nach der Zählung vom 1. December 1900 wie folgt:

.

Die Bewohnerzahl des einzelnen Hauses stellt sich für Hamburg sehr günstig; während hier im Durchschnitt auf ein Wohnhaus 32 Einwohner kommen, kommen in Dresden und Leipzig durchschnittlich 35, in Breslau 38, Posen 39, Charlottenburg 40, Rixdorf 44, Schöneberg 52 und Berlin 58 Bewohner auf ein Wohnhaus.

Die Freie und Hansestadt Hamburg ist ein selbständiger deutscher Einzelstaat, im Bundesrath durch einen Bevollmächtigten vertreten und sendet 3 Abgeordnete in den Reichstag. Gemeinsam ist den drei Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck die diplomatische Vertretung in Berlin durch den Hanseatischen Ministerresidenten, das Hanseatische Oberlandesgericht, die Anwaltskammer und die Alters- und Invaliden-Versicherungsanstalt. Drei Infanterie-Regimenter, zum Wesentlichen aus Söhnen dieser Städte gebildet, tragen ihren Namen: das 1. 2. und 3. Hanseatische Infanterie-Regiment No. 75, No. 76 und No. 162.

Verfassung und Verwaltung Hamburgs. Die höchste Staatsgewalt sowie die gesetzgebende Gewalt werden von Senat und Bürgerschaft gemeinschaftlich ausgeübt. Die oberste Verwaltungsbehörde ist der Senat. Für die einzelnen Zweige der Staatsverwaltung bestehen besondere Behörden (Deputationen, Collegien), die in der Regel aus 2 Mitgliedern des Senats und mehreren ehrenamtlich thätigen Bürgern zusammengesetzt sind. Eine von der Staatsbehörde getrennte Stadtverwaltung von Hamburg giebt es nicht.

Der Senat besteht aus 18 auf Lebenszeit gewählten Mitgliedern: 9 Juristen und 9 anderen Mitgliedern, von denen 7 Kaufleute sein müssen. Die Wahl der Senatoren erfolgt auf Grund eines von Vertrauensmännern des Senats und der Bürgerschaft aufgestellten Wahlaufsatzes durch die Bürgerschaft. Der Senat vertritt den Staat in seinem Verhältnisse zum Reich und zum Auslande und übt die vollziehende Gewalt aus. Aus seiner Mitte wählt der Senat alljährlich einen ersten und zweiten Bürgermeister als Vorsitzende.

Die Bürgerschaft besteht aus 160 je auf 6 Jahre gewählten Mitgliedern, von denen 80 durch allgemeine directe Wahlen, 40 von den Grundeigentümern und 40 von den activen und früheren Mitgliedern der Gerichte und Verwaltungs-Collegien (den sogen. »Notabeln«) gewählt werden.

Das Wappen Hamburgs ist eine dreithürmige silberne Burg mit geschlossenen Pforten auf rothem Grunde, über dem mittleren höheren Thurme das Hanseaten-Kreuz.

Die Landesfarben sind weiss-roth.

Die Hamburgische Flagge zeigt das weisse Wappen (Thürme) auf rothem Grunde.

Die von Hamburg geprägten Reichsmünzen mit dem Münzzeichen J tragen auf der einen Seite den Reichsadler auf der andern das Hamburgische Wappen.

Die Matricularbeiträge Hamburgs zum Reichsetat pro 1901 betragen M. 7 815 204 (gegen M 3 004 730 pro 1890 bei der damaligen Einwohnerzahl von 583 964, haben sich also mehr als verdoppelt).

Die Staatsschulden betrugen M. 352,8 Mill. im Jahre 1898, sind aber zum grössten Theil auf productive Bauten verwandt und bilden daher keine drückende Last.

Das Staats-Budget ist pro 1901 veranschlagt auf M. 95 Mill. in ordentlichen und 22 Mill. im ausserordentlichen Etat, steht also hinsichtlich seiner Höhe unter den deutschen Bundesstaaten an vierter Stelle (nach Preussen, Bayern, Sachsen).

Das versteuerte Gesammteinkommen betrug 1898 M. 516 864 000 und vertheilte sich auf 169 000 Steuerzahler mit einem Steuerertrag von rund M. 18 Mill. – 357 Steuerzahler hatten ein jährliches Einkommen von mehr als M. 100 000. Die beststeuernden Classen (13 000 Steuerzahler mit einem jährlichen Einkommen von über M. 5000) zahlten 88,41 % des gesammten Steuerertrages.

Die Erbschaftsteuer ergab im Jahre 1900 den Betrag von M. 3 726 128.

Die Zolleinnahme Hamburgs belief sich im Jahre 1900 auf M. 40 956 754.

An indirecten Steuern und Abgaben wurden 1900 in Hamburg erhoben M. 4 668 843, nämlich für 394 160 Declarationen über von See eingegangene Waaren und für 736 830 Declarationen über nach See ausgegangene Waaren, insgesammt für 1 130 990 Declarationen M. 449 677, an Tonnengeld M. 2 224 276 und an Hamburgischen Stempelabgaben M. 1 994 890.

An Reichswechselstempelsteuer wurden 1900 in Hamburg entrichtet M. 1 298 994, an sonstigen Reichsstempelabgaben M. 2 478 951, insgesammt M. 3 777 945.

.


 << zurück weiter >>