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Stadt Hamburg an der Elbe Auen,
Wie bist du herrlich anzuschauen,
Mit deiner Thürme Hochgestalt
Und deiner Schiffe Mastenwald!
Mit diesen Worten des Dichters ist das Stadtbild Hamburgs gezeichnet seit der Zeit, als die Fischerei und Ackerbau betreibenden Niedersachsen, welche sich an den Ufern der Alster niedergelassen hatten, im Jahre 1189 von Friedrich Barbarossa den Freibrief erhielten – »Mit Schiffen und Waaren und Leute vom Meere bis an die Stadt und zurück frei von alle Zoll und jede Umgeldforderung verkehren zu dürfen« –, und nur das Colorit des Stadtbildes hat sich mit der Zeit verändert. Insbesondere hat es Hamburg verstanden, sich die Elbe immer näher zu bringen und in Jahrhunderte langer Arbeit dieselbe in den heutigen stolzen Hafen umzubilden.
Die kleine Alster sank damit immermehr zu einem bedeutungslosen Flüsschen herab und bildet heute – vor ihrem Eintritt in die eigentliche Stadt durch Schleusen seeartig aufgestaut – das weltbekannte mächtige Alsterbecken, den Schmuck und die Zierde Hamburgs. Durch einen mit schönen Anlagen besetzten Wall wird die Alster in die von prächtigen Gärten und Landhäusern umgebene Aussenalster und ein kleineres, viereckiges Becken, die Binnenalster geschieden, den Glanzpunkt Hamburgs. Es liegt eine stimmungsvolle Poesie über diesem, mitten in der Stadt gelegenen Wasserbecken, auf welchem unaufhörlich die zierlichen Dampfboote, Ruderboote und Segler dahingleiten, während Hunderte von stolzen Schwänen auf den leicht gekräuselten, oft aber auch sturmgepeitschten Wellen zwischen ihnen unbehindert einhertreiben – ein Jedem unvergesslich schöner Anblick, diese glitzernde, blinkende und »belebte Wasserfläche, die auf drei Seiten umrahmt ist von den vornehmsten Strassen der Stadt: den langen Häuserreihen des Alsterdammes, des Neuen und des neuerdings auf 47 m verbreiterten Alten Jungfernstieges mit dem neuen Alster-Pavillon, während die vierte Seite ihren Abschluss erhält durch die zwischen hohen Anlagen verlaufende weltbekannte und architektonisch berühmte Lombardsbrücke, welche die Verbindung mit der Aussenalster herstellt. Jeder Fremde, der sich an Hamburg zurückerinnert, gedenkt zuerst dieses malerisch schönen Alsterbildes und des Jungfernstieges, hochberühmt und viel gefeiert in aller Welt.
Das alte Hamburg, die Wohnstadt, erstreckt sich in einem Halbkreise am rechten Elbufer und wird eingetheilt in den niedriggelegenen östlichen ältesten Theil: die Altstadt, und die höher gelegene westliche und jüngere Neustadt, beide innerhalb der noch heute in den herrlichen Wallanlagen deutlich erkennbaren früheren Befestigungswerke. Daran schliessen sich östlich die ehemalige Vorstadt St. Georg und westlich bis nach Altona das weltberühmte St. Pauli. Dazu kommt eine ganze Reihe äusserer Stadttheile und Vororte: Rotherbaum, Eimsbüttel, Hoheluft, Harvestehude (Pöseldorf), Eppendorf, Winterhude, Uhlenhorst, Barmbeck, Eilbeck, Hohenfelde, Borgfelde, Hamm, Horn, Billwärder-Ausschlag und endlich die Elbinseln: Steinwärder, Kl. Grasbrook und Veddel.
Das Landgebiet umfasst die Landherrenschaften 1) der Geestlande (das Gebiet an der oberen Alster mit den Ortschaften Klein- und Gross-Borstel, Fuhlsbüttel, Alsterdorf, Ohlsdorf und Langenhorn, sowie die sogenannten Walddörfer), 2) der Marschlande (Allermöhe, Billwärder a. d. Bille, Moorfleth, Moorwärder, Ochsenwärder, Reitbrook, Spadenland, Tatenberg, Moorburg und die Elbinseln Tradenau und Hamburgisch Finkenwärder), 3) Bergedorf und die Vierlande(Neuengamme, Kirchwärder, Altengamme und Curslack) mit Geesthacht, 4) Cuxhaven-Ritzebüttel.
Die schönste Aussicht über Hamburg und die ganze Umgebung hat man vom Thurme des neuen Rathhauses und vom Thurme der grossen Michaeliskirche, von wo bei schönem Wetter der Blick fast an die Gestade der Nordsee reicht. (Vergl. S. 58.)
Ueber den Hafen geniesst man die beste Aussicht von der Volkskaffeehalle am Amerikaquai (vergl. S. 45) und von der Höhe der Seewarte oder Wiezels Hôtel (vergl. S. 46), noch besser vom Thurm der Seewarte (vergl. S. 78).
Das bewegte Bild des Lebens und Treibens auf der Binnenalster und dem Jungfernstieg, welch letzteres sich vielleicht noch am besten mit dem wogenden Verkehr von »Unter den Linden« oder der Boulevards in Paris vergleichen lässt, beobachtet man am besten in aller Musse in dem durch seine unvergleichlich herrliche Lage und Aussicht ausgezeichneten Alster-Pavillon, einem Etablissement der Eleganz und des feinen Stils, das in seiner Bauart und Einrichtung in sehr geschickter Weise die günstige Lage zu verwerthen gewusst hat.
Einen herrlichen Rundblick hat man auch von der Lombardsbrücke: Auf der einen Seite die grosse Aussenalster, umsäumt von herrlichen Anlagen, nach der andern Seite über die Binnenalster hinweg das Bild der Stadt mit ihren vielen Thürmen. Namentlich der Abend gewährt hier einen fast feenhaften Blick, wenn sich hinter den taghell erleuchteten Uferstrassen der Binnenalster die dunkle Stadt mit ihren hohen Baulichkeiten abhebt, und die Ufer der Aussenalster bis in unabsehbarer Ferne in einem ununterbrochenen strahlenden Lichterkranze erscheinen.
Dem Alster-Pavillon der Binnenalster entspricht als Seitenstück in der Aussenalster die Alsterlust, ein in der Nähe der Lombardsbrücke in der Aussenalster auf Pfählen erbautes schönes Restaurations- und Cafélocal mit Badeanstalt – von ganz hervorragend schöner Lage und Aussicht.
Den schönsten Blick auf die Aussenalster und ihre herrliche Umgebung gewährt ein Spaziergang auf dem linken Ufer derselben. Man hält sich an die schattige Uferstrasse und gelangt – vorbei an der kleinen Alsterinsel, der Hohenfelder Bucht, der öffentlichen Alster-Badeanstalt und dem entzückenden Feenteich – schliesslich nach dem Uhlenhorster Fährhaus, bekannt und berühmt als einer der schönsten Punkte Deutschlands. Entzückt gleitet hier der Blick über die dem Auge endlose Fläche der Alster hin, deren Spiegel von Hunderten von Booten aller Art belebt ist. Auf dem gegenüberliegenden Ufer aber erstrecken sich nach Hamburg hin tausendjährige Eichen, Rüstern und andere Baumriesen, welche die dahinterliegenden herrlichen Villen und Gärten unseren spähenden Blicken entziehen. Die Rückfahrt auf der Alster zu später Abendstunde wird einen genussreichen Tag würdig beschliessen. Hier verspürt man nichts von dem hastigen Leben und Treiben der Stadt, nichts von dem riesenhaften Verkehr der Elbe und des Hafens – es ist eine entzückende Märchenlandschaft inmitten der Handelsmetropole unseres Erdtheils.