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Die freie und Hansestadt Hamburg, das Elbemporium Deutschlands, der grösste Handelsplatz des europäischen Festlandes und einer der bedeutendsten Welthandelsplätze überhaupt, bietet dem Fremden eine solche Fülle von Sehenswürdigkeiten und Bemerkenswerthem, dass ein flüchtiger Besuch auch nicht entfernt hinreicht, um ein umfassendes Bild von der Eigenart und Bedeutung der zweitgrössten Stadt Deutschlands zu gewinnen.
Andererseits sind hier auch alle die Factoren gegeben, welche nur irgendwie als Grundbedingung für einen längeren Aufenthalt verlangt werden können:
1. Hamburg zählt zu den gesundesten Städten Deutschlands, wie sich aus den regelmässigen statistischen Uebersichten des Kaiserlichen Gesundheitsamtes ergiebt. Die Sauberkeit der Stadt ist von Alters her bekannt, und seit 1893 erfreut sich Hamburg einer tadellosen Wasserversorgung, die unter einer täglichen, sorgfältigen, bacteriologischen und chemischen Controlle steht.
2. Das Klima Hamburgs ist ein gleichmässig sehr mildes; die Nähe des Meeres gleicht im Sommer wie Winter die Temperaturextreme aus, und daher weisen Sommer und Winter nicht die schroffen Gegensätze auf, wie im Binnenlande. Die Niederschläge sind im Vergleich zum Durchschnitt der Niederschläge in ganz Deutschland nur minimale, und Schnee fällt äusserst wenig; bis Weihnachten ist in der Regel frostfreie Zeit, und auch hernach hält der Frost nie lange an. Besonders der Frühling ist in Hamburg unvergleichlich schön, der Sommer zeichnet sich durch die regelmässig abgekühlten Abende aus. Nach Ansicht der alten Hamburger ist die herrlichste Jahreszeit der Herbst; thatsächlich gestaltet sich das Wetter im September und October in der Regel dauernd schön und trocken mit freundlichem Sonnenschein. Bis tief in den November hinein behalten die Bäume das Laub und blühen noch Blumen im Garten.
3. In Folge der Nähe der Nordsee und der täglich zweimaligen Ebbe und Fluth der Elbe hat die Luft einen mässigen Feuchtigkeitsgehalt – eine angenehme, milde Seeluft, welche für alle diejenigen den Aufenthalt in Hamburg rathsam und vortheilhaft erscheinen lässt, welche die directe Seeluft und das Seeklima nicht vertragen, oder denen aus irgend welchen Gründen das Leben in einem Seebade nicht behagt. An den reizenden Ufern der Elbe, in Oevelgönne und Neumühlen haben sich auch schon förmliche Badekolonien gebildet.
4. Hamburg als Stadt, sowie die entzückende Alster und die riesigen Hafenanlagen und endlich auch die nach allen Seiten bequem zu erreichende herrliche Umgebung bieten dem Fremden und namentlich auch Familien selbst für einen längeren Aufenthalt eine unerschöpfliche Abwechslung des Sehenswerthen und Genussreichen. Dem Character als Verkehrsstadt entsprechend, sind die Verkehrsverhältnisse durchweg sehr billig.
5. Die Lebensverhältnisse Hamburgs sind vorzügliche und preiswürdige, und wenn sich das Leben auch hier etwas theurer stellt, als in der Provinz, so sind die Preise doch jedenfalls lange nicht so hoch, wie in den meisten Badeorten und an den ausgetretenen und überlaufenen Touristenstrassen, und – was vor allen Dingen zu betonen ist – die Preisverhältnisse sind der Güte des Dargebotenen wirklich entsprechend. Der Hamburger ist Kaufmann und übervortheilt nicht und will auch nicht übervortheilt sein.
6. Auf gutes Essen und Trinken legt der Hamburger sehr grosses Gewicht. Dementsprechend erfreut sich die Hamburger Küche, die Wohlgeschmack und Kraft harmonisch zu vereinigen weiss, mit vollem Recht eines hervorragenden Weltrufs. Die Eigenthümlichkeiten der süddeutschen und Wiener Küche wird man in Hamburg vergeblich suchen, der Hamburger liebt substantiellere Speisen; die Fertigkeit in der vorzüglichen Bereitung von Roastbeefs, Beefsteaks, Filetbraten u. s. w. hat dementsprechend in Hamburg ihren auch nicht von England übertroffenen Höhepunkt erreicht. Dazu gesellt sich die Mannigfaltigkeit der Gerichte von Seefischen; Schollen, Elbbutt, Steinbutt, Kleiss, Seezungen, Schellfisch, Lachs, Aal, Hummer u. s. w. findet man in jeder Form und Gestalt das ganze Jahr hindurch auf der Tafel. (Austern isst man nur in den Wintermonaten.) Beliebte Gerichte sind Oxtail-, Krebs-, Mocturtle- und Schildkrötensuppe, im Sommer auch rothe Grütze (ein Fruchtpudding in Milch) und endlich die noch aus alter Zeit hervorragendste Eigenthümlichkeit der Hamburger Küche: die Aalsuppe, die aus einigen 30 Ingredienzien, darunter über ein Dutzend verschiedener Kräuter, hergestellt wird. Ein sehr beliebter, kurzer Imbiss ist auch das »Rundstück warm«, eine Semmel mit warmem Braten und Sauce.
7. Die Tageseintheilung in Hamburg ist von der des übrigen Deutschland verschieden und nähert sich der englischen. Die eigentliche Geschäftszeit beginnt Sommer und Winter 9 Uhr Vormittags, theilweise auch die Schulen. In den Kontoren wird gewöhnlich » durchgearbeitet«, d. h. ohne Mittagspause bis 6 oder 7 Uhr Abends und bisweilen auch länger, wenn's Noth thut. Da im Allgemeinen erst zwischen 5½ und 7 Uhr die Hauptmahlzeit eingenommen wird, so ergiebt sich die Nothwendigkeit eines consistenteren Frühstücks, das vor der Börse (zwischen 12 und 1½ Uhr) eingenommen wird.
Der wohlhabende Hamburger bewohnt ein ganzes Haus; an der Alster oder deren Umgebung oder in der Umgegend liegen die schön und comfortabel eingerichteten Villen der Hamburger Patrizier und Handelsfürsten inmitten herrlichster Gärten und Parks. Hier wird nach arbeitsreichem Tage der Rest des Nachmittags oder der Abend in häuslicher Ruhe und Behaglichkeit verbracht, im Winter allerdings oft auch durch Theaterbesuch ausgefüllt.
8. Das Leben in Hamburg ist ein kosmopolitisches im besten Sinne. Die Bevölkerung in fast allen ihren Schichten steht mit der ganzen Welt in directen und persönlichen Beziehungen; man ist entweder selbst zur See gefahren oder Übersee gewesen, oder der Sohn Bruder, Vetter war Übersee oder ist noch dort oder fährt zur See. Durch diese Jahrhunderte alte Tradition und Gewohnheit hat die ganze Lebensanschauung und Lebensführung einen Zug in's Grosse erhalten, der allem Kleinlichen abhold ist. Jeder lebt nach seinem Geschmack, ordnet sich aber der geschäftlichen und geselligen Lebensweise gern unter, weil er schnell erkennt, dass sie praktisch und zweckentsprechend ist; dazu kommt, dass das eigentliche Leben in Hamburg seine grosse Anziehungskraft ausübt, und so stehen wir vor der tagtäglich zu beobachtenden Thatsache, dass jeder Zuziehende, der sich Neuansiedelnde in ganz merkwürdig kurzer Zeit nicht nur Hamburger, sondern auch ein begeisterter Hamburger, Hamburger mit Leib und Seele wird. Dazu mag allerdings auch der republikanische Zug beitragen, der Hamburgs Luft und Leben durchweht, und die Beobachtung, dass in Hamburg ebenso gut verwaltet, aber weniger regiert wird, als anderswo. Das ist aber ein sehr angenehmes Bewusstsein, und es trägt nicht wenig dazu bei, den Aufenthalt in Hamburg so erfreulich zu gestalten. Auch die Thatsache, dass es in Hamburg keine eigentlichen Standesunterschiede giebt, fällt bei der schnellen Eingewöhnung erheblich in's Gewicht. Unterschiede sind freilich vorhanden und machen sich auch im socialen Leben geltend, aber sie beruhen nicht auf Geburt und Rang, sondern auf ererbtem und mehr noch auf dem durch eigene Arbeit und Tüchtigkeit erworbenen Besitze und auf Bildung. Nirgendwo in Europa steht daher auch die persönliche Tüchtigkeit und eigene Arbeit in grösserem Ansehen, als in Hamburg.