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Liebesklage.

Von Chatterton.

»O stimmt in meine Klage ein,
O laßt die bittern Thränen fließen,
Tanzt nie mehr Festtags frohen Reihn,
In Nacht mag unsre Lust sich schließen.
Mein Lieb' ist todt:
Liegt frei von Noth
Dort unter dem Weidenbaum.

Schwarz war sein Haar wie Winternacht,
Weiß sein Gesicht wie Schnee im Lenze
Und rosig wie des Morgens Pracht. –
Das Grab nahm seiner Anmuth Kränze.
Mein Lieb ist todt!
Liegt frei von Noth
Dort unter dem Weidenbaum.

Süß war sein Mund wie Drosselsang,
Sein Tanz so flüchtig wie Gedanken,
Zierlich sein Tamburin erklang. –
Nun halten ihn des Grabes Schranken.
Mein Lieb ist todt!
Liegt frei von Noth
Dort unter dem Weidenbaum.

Horch! Wie des Raben Fittig schwirrt
Dort unten in des Thales Krümme,
Der Nachtmahr still durchs Dunkel irrt
Und schrillend heult des Uhu's Stimme.
Mein Lieb ist todt!
Liegt frei von Noth
Dort unter dem Weidenbaum.

O sieh, wie weiß des Monds Gesicht!
Doch so wie Treuliebs Grabtuch nimmer;
Das weißer als des Morgens Licht
Und weißer als des Abends Schimmer.
Mein Lieb ist todt!
Liegt frei von Noth
Dort unter dem Weidenbaum.

Am Grabe meines stillen Lieb
Soll fruchtbar keine Blume blühn;
Umsonst der Heil'gen Trost verblieb,
Nie wird mein kaltes Herz erglühn.
Mein Lieb ist todt!
Liegt frei von Noth
Dort unter dem Weidenbaum.

Rund um des Todten heiligen Leib
Soll meine Hand Dornrosen pflanzen;
Hier weil' ich unglücksel'ges Weib –
Kommt, Elfen, nächtlich hier zu tanzen.
Mein Lieb ist todt!
Liegt frei von Noth
Dort unter dem Weidenbaum.

Und lockt, gereizt von spitzem Dorn,
Mein Blut hervor aus krankem Herzen:
Des Lebens Lust ist mir verlor'n,
Des Abends Tanz, des Tages Scherzen.
Mein Lieb ist todt!
Liegt frei von Noth
Dort unter dem Weidenbaum.

Ihr schilfbekränzten Wasser fein
Nehmt mich in euer Flutengrab!
Ich komme, Treulieb, ich bin dein!« –
So sprach die Maid und sank hinab.

H. Püttmann.

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