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Kleinbürger und Proletarier.

Hierzu auch Bilder der Kapitel »Kinder«, »Fräuleins«, »Milljöh«.

Ich muß hier einiges zur Ehrenrettung des Kleinbürgers sagen. Denn bisher wird das Wort Kleinbürger immer nur als eine verächtliche Bezeichnung gebraucht. Und doch ist die Kleinbürgerschicht der reiche Wurzelboden für kulturelle Entwicklungsstufen, für Höchstleistungen, für Persönlichkeiten, die unser Kulturleben, unsere Kunst, unsere Wirtschaft, unsere Wissenschaft ganz bedeutend gefördert haben. Waren nicht die Väter und Großväter fast aller wichtigen Persönlichkeiten Schmiede, Schuster, Bäcker, Maurer, Kleinkaufmann oder irgendwas Ähnliches?

Mag das Kleinbürgertum manche komische Seite an sich haben: Gerade, weil es Kleinbürgertum ist, bietet es so ausgezeichneten gesunden Nährboden für Entwicklung und Aufwärtsstreben. Manches von seinem Spießertum ist doch im stillen auch ein Ideal recht vieler Intellektueller. Die Stille im Heim nach hastiger Lebensfahrt in der Großstadt gibt recht gute Kräfte zum Weiterkämpfen. Und derartiges ließe sich noch vieles sagen. Zum mindesten ist in vielen Kleinbürgerfamilien auch Interesse für kulturelle und künstlerische Fragen vorhanden. Und wenn diese Mittelschicht nicht soviel Ideale für Ordnung und Reinlichkeit, Lernen und Wissen hätte: die Oberschicht allein würde es nicht schaffen, und die Unterschichten hätten nicht die Vorbilder, nach denen sie sich doch in Wirklichkeit richten.

Was ich sonst vom Kleinbürgertum und von dem ihm benachbarten Proletariat zu sagen habe, schrieb ich in meiner Kultur- und Sittengeschichte Berlins.

 

147. Holzfuhre zwischen dem Grunewald und dem Westen Berlins. Heute stehen auf diesem Fleck große Häuserblocks.

Nach dem Original, März 1895

 

 

148. »Komm, rasch, sonst fährt dir das Auto über!«

Bewegungsstudie.
Nach dem Original zum 1. Mal veröffentlicht.

 

Die Frau des kleinen Beamten und der Kleinbürgerkreise, die Handwerksmeister-, Vorarbeiter- und kleine Händlersgattin ist selten engherzig egoistisch. Sie sieht viel zu viel Auf und Nieder um sich herum, als daß sie verhärten könnte. Sie bringt allen Unglücklichen jenes mütterliche Gefühl entgegen, das auch die einfachste Frau mit einem verklärenden Schein umgibt. Die kleinbürgerliche Berlinerin hat stets ungezählte Wohltaten geübt, ihrer Nachbarin in schweren Stunden beigestanden, Hungernden den knurrenden Magen gestillt, alten Bettlern irgendein Kleidungsstück aus dem Schrank des Mannes hervorgesucht, armen Kindern der Verwandtschaft einen Weihnachtstisch bereitet und so im stillen in ihrer beschiedenen Art nicht weniger Wohltaten verrichtet, wie manche öffentlich gelobte Vereinsdame und Wohltätigkeitshyäne. Und dabei sieht es meist in ihrer Häuslichkeit sauber aus, auch hält sie die Wäsche und die ganze Wirtschaft allein in Ordnung. Ihr haftet allerdings oft was Spießbürgerliches an; sie ist fast nie interessant und pikant – denn sie hat reichlich genug mit ihrer Wirtschaft, ihren Kindern und ihrem Mann zu tun.

Die Frau des kleinen Handwerkers und des Arbeiters ist immer dem schwersten Lose des Weibes verfallen gewesen. Sie mußte, wenn sie nach jahrelangem Arbeiten für andere endlich dazu kam, für sich zu wirtschaften, alles in Ordnung halten, mit bescheidenen Groschen die Mahlzeiten bereiten, die Kinder besorgen, den Mann betreuen und nur zu oft noch selbst mit hinzuverdienen. Jede Frau wird wissen, was es heißt, mit zwei Armen Geld schaffen und zugleich kochen, scheuern, nähen, waschen, Kinder nähren und warten und sich die gute Laune behalten. Denn die hat die Berlinerin sich meist nie nehmen lassen. Wenn es ihr zu arg wird, schimpft sie sich mit den Nachbarinnen oder mit ihrem Mann herum – und sie ist wieder obenauf. Wie viele solcher Frauen haben schon stets unermüdlich für andere gearbeitet, gewaschen, geplättet, aufgewartet und gescheuert! Sie sparten sich womöglich dabei das Essen vom Mund ab, um es ihren Kindern heimlich mitbringen zu können. Chamisso hat das Motiv zu seiner »Waschfrau« ja nur in Berlin gefunden. Und es muß wohl ein häufiges gewesen sein. –

Für Bildung hatten diese Arbeitsbienen nie viel Zeit. Aber irgendein Monatsblatt wurde doch manchmal in solchen Familien gehalten – allerdings auch oft Kolportageromane. Aber mit den vordringenden radikalen Anschauungen, die seit

 

149. Mittagspause.
Studie aus dem Südosten Berlins, wo die Fabrikarbeiter mittags »frische Luft schnappen«.

Nach dem Original 1904 zum 1. Mal veröffentlicht.

 

den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts überall hinfanden, verloren diese Schunderzeugnisse ihren Boden in vielen Familien – leider nicht in allen. Und ein Gegengewicht gegen die Verwüstungen, die von den sozialen Zuständen in manchen Familien herbeigeführt wurden, fand sich nur selten. Die Töchter der Fabrikarbeiter besuchten zwar die Volksschule, aber wie oft mußten sie zeitig mitverdienen und so früh wie möglich in die Fabrik gehen. Da hieß es früh aufstehen und fast den ganzen Tag in eintöniger Arbeit an einer Maschine verbringen. So fand sie die Ehe, die oft frühzeitig geschlossen wurde, als eine Frau,, die von der Hauswirtschaft nur wenig verstand, die mit Ach und Krach die kleine Wohnung von Stube und Küche sauber hielt, die Kinder in Ordnung brachte und nur zu oft die ganze Wirtschaft gehen ließ wie sie wollte, weil sie selbst noch arbeiten mußte und sich nur abends um die Familie kümmern konnte.

Trotzdem – es gab auch hier immer zahllose Frauen, die sich keine Minute Ruhe gönnten und Heber sich abrackerten, als ihre kleine Wohnung oder gar ihre Kinder in Schmutz verkommen zu lassen. Allerdings: die Wirtschaftskunst mußte bei solchen Verhältnissen leiden. Und so mag es kommen, daß die Berlinerin der unteren Kreise nur zu oft nicht fähig ist, das Heim so recht gemütlich zu machen. Diese schweren drückenden Verhältnisse brachten es auch mit sich, daß die Lebensart des niederen Volkes sich nicht verfeinern konnte. Wo Frauen in Masse bei schwerer Arbeit zusammen sind, werden gewöhnlich keine bildenden Gespräche geführt. Mehrere haben immer frühzeitig intime Beziehungen zu den Männern – und ihre zynische Offenheit nimmt den andern die Reinheit und reizt ihre Neugier und Eitelkeit. Der Lohn wird bald nicht mehr ganz zu Hause abgegeben, sondern zu Putz verwendet und das Tanzlokal vollendet die Erziehung zu jener üblen Großstadttochter, die manchmal durch einen braven fleißigen Mann oder durch eine Mutterschaft zu einer verehrenswürdigen Frau wird, die aber auch oft der Prostitution anheimfällt.

Die schlechten Wohnungsverhältnisse haben auch stets beigetragen, den Mädchen jede Unbefangenheit zu nehmen. Oft mußten von den Eltern Schlafburschen gehalten werden. Das enge Beieinanderleben, das Reinigen der Männer und Mädchen zu gleicher Zeit am Morgen in einer Küche, die jedem Ohre zugänglichen Gespräche nicht allzu keuscher Art und vieles andere mußte manches Mädchen rauh und leicht machen. Andere blieben weiblich trotz aller Anfechtungen bis an ihr Lebensende, ließen sich von dem später geheirateten Mann geduldig mißhandeln und sorgten wohl gar noch für ihn. Sie schlugen sich durchs Leben und meinten humorvoll:

 

150. Im Regen: »Mutter, ick werde nich naß.«

Nach dem handkolorierten Originalstich.

 

»Herrjott, sind wir verjnügt und haben't jarnich nötig!«

Sie ließen sich als echte Berlinerinnen nicht unterkriegen und meisterten in ihrer Weise ihre Lebensverhältnisse. Sie mußten, um sich erhalten zu können, praktisch und derb werden. An Pflichtgefühl, Nüchternheit und einem gewissen gesunden, sparsamen und anstelligen Ordnungssinn fehlt es ihnen nicht. Aber manche Frauen aus dem Volke, besonders aus dem ein wenig bemittelten Kleinbürgertum, können widerwärtig engherzig, neidisch und kleinlich sein; andere wieder sind gastlich und durchaus frei von jener Eitelkeit, die kleine eigene Taten für das Bedeutendste hält und darüber die großen der andern vergißt ...

Auch Zille hat in seiner alles begreifenden und aufzeichnenden Art manche Sympathie für das Kleinbürgertum – vor allem aber für das Proletariat. Da sich aber zweifellos Kleinbürgertum und Proletariat vielfach ineinander verflechten, da heute ein Mensch Kleinbürger, morgen aber schon Proletarier sein kann, da aber auch viele Proletarier durchaus kleinbürgerlich leben und andere wieder bald sprunghaft, bald mit schweren Kämpfen vom Proletariat ins Kleinbürgertum hinüber wechseln, ist hier Kleinbürgertum und Proletariat zusammengefaßt. Die Lebenshaltung beider Schichten ist durchaus gleichartig. Nur bei jenen, denen das Glück ganz unhold ist, die sich gar nicht behaupten können und die schließlich zum fünften Stand abrutschen, ist das Dasein ein wesentlich anderes. Doch davon in einem anderen Kapitel.

Heinrich Zille nimmt sich vor allem das Familienleben vor und enthüllt mit seinem derben Stift und seiner witzigen Rede so mancherlei. Zuerst einmal: »Glück im Winkel« (Bild 152).

Eine andere Seite dieses Glückes bespöttelt er in folgenden Scherzen:

 

151. Blumenfrau.

Nach der farbigen Originalstudie 1903 zum 1. Mal veröffentlicht.

 

Ahnungen.

»Nu halt' man de Luft an, Olja – det kannste doch nich bestreit'n, det ick nich immer een juter Jatte un Vata war!«

– »Hab' ick ooch jarnischt jejen – aba et is nu mal mein Traum, deste mir ooch mal nichtern vahaust!« –

*

Familienleben.

»Zu ville derf man ooch nich saufen, Willem, sonst kann
man zu Hause die Olle nich vahaun!«

*

»Nee, Frau Maier, det olle Schnarchen hab' ick mein Mann schon als Bräutijam abjewöhnt!«

*

Auf den Landpartien und Ausflügen zeigen sich auch manche sonderbaren Seiten des Familienlebens. Eine Frau sagt zur andern:

»Mein Mann is ooch mächtig fors Jrüne, aber er hat nichts von – er is immer jleich blau!«

*

Und wenn Steppke, der unterwegs zuviel gegessen hat, jammert:

»Vata mir is iebel!«

Dann antwortet der Papa liebevoll:

»Dann stell' dir nich so bei mir, – geh bei Muttern!«

*

Auch sonst weiß Zille aus solchen Familien Erbauliches zu berichten:

Zartes Geständnis.

Welch friedlich sonntägliches Bild! Herr Fritze Schulze lächelt mild, denn seine Gattin Karoline verriet ihm mit verschämter Miene: »Herr Jesses, Fritze, denk dir man, ick jlobe, bei mir, da kommt wat an!«

 

152. Glück im Winkel.

Nach dem bunten Original um 1912, zum 1.Mal veröffentlicht

 

 

153. Kremserfahrt nach dem Grunewald.

Eine der letzten Zeichnungen von Heinrich Zille, die ihn durchaus auf der Höhe seiner Kunst zeigt.
Nach dem Original.

 

 

154. »Mein Mann ist sehr für sexuelle Aufklärung.
Er kann et die Kinder bloß nich so beibringen. Er wird immer jleich zu jemein!«

Aus »Mein Milljöh«, Verlag Dr. Selle-Eysler, A.-G.

 

Selbst moderne Bewegungen spiegeln sich manchmal eigenartig in solchen Familien:

»Mein Mann ist ja auch für sexuelle Aufklärung, er kann et die Kinder bloß nich so beibringen, er wird immer jleich zu jemein!« (Bild i54.)

*

Und Zille neckt auch auf diesem Gebiet wieder die Frauen, die in der Abwesenheit des Mannes ihren Freund bei sich haben und denen das böse Gewissen schlägt:

»Mein Jott, wer schließt denn da!? Det is woll der Wirt, der de Miete holt ... oder mein Mann ...« (Bild 155.)

*

Zimperlich ist man ja überhaupt nicht in diesen Kreisen.

Der Segler sagt zu seiner Frau:

»Mutter! – – –«

»Na wat denn?«

»Heb' mal det Hemde hoch, ick will seh'n wo der Wind herkommt!«

*

Das führt denn dazu, daß getreue Nachbarn und dergleichen plappern:

»Die Schulzen hat'n Jung'n jekriecht – der sieht aba sein Vata ähnlich.« –

»Nanu – kenn' Se denn den?«

»Wat, Schulzen soll ick nich kenn'? Ick meen doch Schulzen von uns'e Etasche.«

»Und ick meen doch den Vata von de Schulzen ihr'n Jung'n.«

*

Die Frauen und Mädchen dieser Kreise neckt Zille besonders gern. Siehe auch das Kapitel »Fräuleins« und das Bild »Sonntagsfreuden«, Nr. 144. Die Sparsamkeit dieser Frauen hat es Zille besonders angetan:

»Sind Sie eene Spreewälder Amme?« wird eine Kinderfrau im Tiergarten gefragt.

»Ach nee, ick bin Frau, 'ne Berlinerin, det is mein Kostüm vom Maskenball, ick hab' nischt anders mehr anzuziehn. Sind Sie Spreewälderin?«

 

155. Das böse Gewissen.
»Mein Jott, wer schließt denn da? Det is woll der Wirt, der de Miete holt – oder mein Mann.....«

Nach einer Originalzeichnung.

 

»Nich in de Tüte; ick bin Berlinerin, verheirat nich, aber als Amme bei 'ner Spreewäldern. Ick muß ihre Kluft anziehn, sie handelt angroo Boll'n un Jurken. Se jeht ganz modern, vor zwee Jahr' war se noch Amme.«

*

Solche Erfahrungen veranlassen manche Mädchen zu dieser Äußerung:

 

156. Sparsam.
Frau: »Manne, schnell hol den Doktor Fronzig, der Hans hat nen Fünfpfenniger verschluckt. ...«

Nach dem Original.

 

– »Ich könnte janz jut als Amme jehn, für Berlin W, es is ja alles da – aber erst saugen se ein aus und dann be – – betrügen se ein! Da jeh ick lieber zum Film und brauch's bloß so zu markiern!«

*

Aber auch die Männer sind tüchtig und strebsam. Von ihnen verkündet Zille:

Kunstgewerbe.

»Wo habt Ihr denn die feine Einrichtung her?« –

 

157. Raumkunst.

Nach dem Original, 1. Fassung, zum 1. Mal veröffentlicht.

 

»Det hat mein Mann alles selbst jebaut; er war doch mal Hausdiener in det Jeschäft für Raumkunst und Innendekoration.«

So sagt die Frau stolz von den Möbeln, die ihr Mann aus Kisten gezimmert hat. (Bild 157.)

*

Neues vom Baumarkt.

»Det Jahr bau ick noch ne Jarage for'n Kinderwagen an, un nächstet Jahr will ick uffstocken!«

So sagt der kleine Laubenbesitzer, der nur wenige Quadratmeter besitzt.

*

Am Rande der Stadt.

»Siehste Aujust, so krabbelt man sich hoch! Det sin de letzten Kartoffeln, die ick uff det Land kultiviere. Det nächste Jahr wohn' ick hier in Keller und habe die Portjestelle.« (Bild 179.)

*

Das sind dieselben Männer, die um Weihnachten herum einen kleinen Handel mit Weihnachtsbäumen eröffnen. Sie verstehn das kahlste Bäumchen anzupreisen:

»Det is doch een janz scheener Boom! So'n finden Se in janzen Jrunewald nich mehr! Da brauchen Se nischt ran zu häng'n, ooch macht er die Stube nich duster!«

*

Weihnachtsbaumhandel ist gewöhnlich ihre erste Spekulation. Allerdings fangen viele auch schon auf dem Weihnachtsmarkt mit ganz geringen Mitteln an, verkaufen rasch, stecken möglichst viel vom Gewinn wieder ins Geschäft. Und so kommen sie oft in den vierzehn Tagen bis zum Fest zu einem kleinen Kapital, mit dem sie einen andern Handel weiter treiben. Denn nicht alle unter diesen Weihnachtshändlern sind so arm an Geld und Begabung, daß sie immer im Elend stecken bleiben ...

 

158. Weihnachten.

»Alle Menschen sin vaeint, keener is det andern Feind –
Reich läßt Arm' 'n Süpp'ken essen, det der ooch mal kann wat fressen,
iebahaupt, da sind se wieda allens Schwestern, alles Brieda.
Ach, wie wär'n wa alle froh, wenn et doch man imma so!
Lieba guter Weihnachtsmann, streng dir mal n' bißken an:
Keenen Haß nich, keene Hiebe, Frieden woll'n wa,
                  Christboomliebe!

Aus dem Gedicht von Berthold Wolfsohn an H. Zille 1924.

Nach einer Originalzeichnung.

 

 

159. Arbeiterfrau trägt Mittag.

Nach der Originalstudie, 1897, zeigt schon ganz die große Kraft und Art von H. Zille.

Zum 1. Mal veröffentlicht.

 

 

160. Arbeiterfrau geht heimwärts vom Mittagtragen.

Nach der Originalstudie, 1897, Gegenstück zu Bild 159.

Zum 1. Mal veröffentlicht.

 

Manche treiben es aber so kräftig wie jener Kneipwirt:

»Mensch, Budiker, deine Eisbeene sind ja lauter Knochen!«

»Det is jetzt so 'ne Sorte Schweine, die hab'n doppelte Knochen!«

*

Oder wie ein anderer, von dem Zille meldet:

Meine Wurscht is jut –
Wo keen Fleesch is – da is Blut –
Wo keen Blut is – da sind Schrippen –
An meine Wurscht is nich zu tippen!

*

Schlimmer noch ist jener Schlächter, aus dessen Wurstfleischtonnen die Maden in großen Zügen aufsteigen – die dann der Meister alle mit der Wurstmasse verarbeitet:

»Wat man mit det Viehzeug for eene Arbeet hat, det et bloß nich zu die Kunden alleene hinlooft!«

*

In diesen Kreisen gedeiht dann auch die echte Spießermoral.

Ein Vielseitiger sagt.

»Bei mir jiebt's det janze Jahr bloß zwee Feiertage! Det is Kaisersjeburtstag und der erste Mai!«

*

Mudike macht Bilanz:

»Ick habe meine Seelige übastanden –
Ick habe Kaiser Wilhelm übastanden –
Ick wer' ooch die Republik übastehn!«

*

In solchen Händlerfamilien gedeiht auch Protzerei und komische Selbstgefälligkeit:

 

161. Familie Panke, Berlin O.

(Schlächter und Hauswirt), zeigt sich ihren Mietern, die keine Ahnung vom Freibad haben, in ihrem Badekostüm: »Und so jehn wir ans Ufer spazier'n, un denken uns jarnischt dabei!«

Nach dem Original 1909.

 

»Wat habt ihr denn nu so die janze Zeit ins Seebad jemacht?«

»Wir hab'n uns immer abjeseeft! Erst seefte er mir ab – und dann seefte ick ihn ab!«

*

Das sind die Männer, deren Witwe erschreckt sagt:

»Ein Kilo! und im Leben hat er zweiundachtzig Kilo gewogen!«

*

Und die auf ihrem Krankenbett antworten, wenn ihre Frau sie besorgt fragt:

»Emil, brauchst du ne Wärmflasche?«

»Ja, aber eene mit drei Sterne!«

*

Das sind die Männer, die betrunken nachts auf der Straße sitzen und die der Schutzmann fragt:

»Wissen Sie denn überhaupt, wo Sie wohnen?«

Betrunkener: »Lassen Se mich nur, Herr Wächter, noch vier Laternenpfähle – dann bin ick zu Hause!«

*

Selbst brave Zeitgenossen, die in der alkoholgegnerischen Laubenkolonie zum »Blauen Kreuz« ihre Wohnlaube haben, liegen manchmal berauscht auf der Erde und werden angerufen:

»Sie – Mann! Gehen Sie doch in Ihre Laube, Sie werden erfrieren!«

 

162. Die Witwe. »Ein Kilo! Und im Leben hat er 82 Kilo gewogen!«

Ulk, August 1907.

 

»Wat heeßt Weihnachtsboom: Ick hab' den Schlüssel in de Kneipe verlor'n!«

*

Aber dieselben Männer mühen und quälen sich auch wiederum für ihre Familie, schleifen mühsam Holz heran aus der Heide, schaffen in den Mußestunden in ihren »Rittergütern« in den Laubenkolonien und wissen auch sonst gut für ihre Familie zu sorgen. Schließlich behalten die Frauen sie doch lieb trotz allem, was sie mit ihnen durchmachen müssen, und sagen im Alter humorvoll:

 

163. »So, ick setze mir'n bißken. Det mein Oller ooch mal wat uff die Bank hat!«

Nach der Originalzeichnung.

 


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