Ernst von Wildenbruch
Schwester-Seele
Ernst von Wildenbruch

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Erstes Buch

Erstes Kapitel

War das heute wieder einmal reizend bei Benneckes! Hübsch war es ja immer bei ihnen; natürlich. In einem Hause, wo eine Wirtin war wie Frau Majorin Bennecke! Die Tante Löckchen, wie sie in der ganzen Stadt hieß, die gute Tante Löckchen.

Wenn man sie so sah, mit dem runden, freundlichen Gesicht, wie sie durch die Straßen der Stadt zog und über die große Brücke, die zu ihrem Hause jenseit des Flusses führte – den Kopf in beständig nickender Bewegung: »Guten Tag, Kindchen – liebes Kindchen, guten Tag« – und die altmodischen grauen Löckchen, die zu beiden Seiten des Gesichts wie Traubenbüschel niederhingen, nach vorn fliegend und wieder zurück – wahrhaftig, man blieb geradezu stehen und horchte, ob nicht die Löckchen, aneinanderschlagend, einen leise klingenden Ton geben würden, so ein ganz zartes Geläute, wie man es aus Rokokouhren vernimmt, die auf Rokokokaminen stehen, leise und fein wie die Stimme der alten Zeit, als die Damen noch ausgeschnittene Schuhe mit kreuzweise gelegten Bändern trugen, sich nachmittags beim Kaffee Gedichte vorlasen, und als es noch keine pfeifenden Lokomotiven gab.

Manchmal ging sie allein, manchmal auch am Arme ihres Gatten, des alten Herrn Majors a. D. Bennecke, und dann schritt hinter ihnen noch ein drittes, die braune Hühnerhündin Diana, die uralte, mit dem langen seidenweichen Fell und dem sanftmütigen Augenaufschlag. Außer der Diana hatten sie keine Kinder, hatten nie welche gehabt. »Hat eben nicht sein sollen«, meinte Tante Löckchen.

Aber wenn man keine Kinder hat und doch gern welche haben möchte, na – so adoptiert man sie sich.

Alles was fröhlich war, alles was lachen und, wenn's sein mußte, sich verlieben konnte, alle jungen Männer und Mädchen der Stadt waren Adoptivkinder vom Hause Bennecke.

Und sie vergalten es ihnen, dem guten alten Onkel und dem Tantchen, vergalten es ihnen mit feurigem Danke, mit der ganzen holden Überschwenglichkeit der Jugend.

Onkel Bennecke hatte zwei Eigenschaften, die man bei alten verabschiedeten Majors selten trifft: allzeit gute Laune und etwas Geld.

Darum konnte er »ein Haus« machen. Und über dem Hause stand der Wahlspruch: »Semper fidel!«

Immer lustig.

Darum, wenn zum Abend Einladungen nach dem Hause jenseit des Wassers ergangen waren, gab's ein freudiges Rumoren unter dem jungen Geschlecht: »Heute abend bei Tante Löckchen! Heute abend wird ›gesempert!‹«

Und wenn nun der Abend gekommen war und die großen behaglichen Räume sich mit den geladenen Gästen füllten und ein Kranz von Jugend, Schönheit und blühendem Menschentum sich um die alten Leute schlang – nun, wer hätte sagen können: hier ist der Gebende, hier der Empfangende – es war eben eine gegenseitige allgemeine Glückseligkeit.

Heute abend aber, wie gesagt, war es ganz besonders reizend.

Abend war es eigentlich noch nicht ganz, sondern erst Nachmittag, dämmernder Winternachmittag, denn heute war man früher zusammengekommen als gewöhnlich.

Tante Löckchen hatte große Dinge vor: es sollte bei ihr Theater gespielt werden.

Jetzt war man bei den Proben, und die Proben sind ja eigentlich das Schönste bei solchen Haustheatern. Da erhält die gesellige Zusammenkunft einen höheren Zweck: man dient der Kunst. Mögen auch die »Kunstwerke«, in deren Schatten man sich versammelt, fragwürdiger Art sein – das schadet nichts. Der narkotische Duft, den die Theaterkulissen ausströmen und der die menschlichen Gemüter gefangennimmt, macht sich auch in solchen Dilettantenvereinigungen geltend, und wenn dann zwei Stühle mitten ins Zimmer gerückt werden – »hier ist die Bühne« – ja, wer kann es leugnen, daß das altbekannte prosaische Zimmer dann etwas Geheimnisvolles, beinahe Weihevolles erhält.

»Hier ist die Bühne – und dort, vor den Stühlen, sitzen die Zuschauer« – da ist also mit einemmal in dem Zimmer, durch das man bisher frei hin- und hergehen durfte, ein Raum entstanden, den nur noch einige Auserwählte betreten dürfen, solche, die mit Rollen bedacht sind, die mitspielen werden. Die andern haben sich jenseit der Stühle zu halten, dürfen nicht hinein.

Jene sind die Bevorzugten. Und dadurch kommt nun ein netter Reiz zu dem bisherigen, einer, der das Blut prickeln und gären macht: die Eifersucht.

All die Leidenschaften, die auf der großen wirklichen Bühne ihr Wesen treiben und sich dort manchmal dämonisch auswachsen, Ehrgeiz, Eitelkeit, Rollenneid und wie sie heißen, kehren in solcher Dilettanten-Theatergesellschaft in verkleinertem Maßstabe, aber mit photographischer Treue wieder.

»Was Auguste kann, die die Rolle bekommen hat, das hätte Emilie, die die Rolle nicht erhalten hat, wahrhaftig auch gekonnt« – und es steht dahin, ob Auguste und Emilie, die bis heute Busenfreundinnen gewesen waren, vom heutigen Tage an in ihren Empfindungen zueinander nicht erkalten werden.

Im Hause von Tante Löckchen aber kam es zu solcher Heftigkeit der Leidenschaften nicht.

In erster Linie trug dazu die liebenswürdige Persönlichkeit der Wirtin bei, die selbst die Rollen verteilt hatte und deren Kommando sich alles ohne Widerrede beugte; dann aber kam noch etwas hinzu. Man hatte ein kleines, einaktiges Lustspiel zur Aufführung gewählt, in dem nur vier Personen auftraten: ein junger Mann, ein junges Mädchen, Liebhaber und Liebhaberin, dann eine ältliche Tante und ein älterer Herr.

Die Tante konnte natürlich niemand anders spielen als »Fräulein Nanettchen«, die Klavierlehrerin, deren Popularität in der Stadt beinahe der von Tante Löckchen gleichkam. »Fräulein Nanettchen« spielte immer und unter allen Umständen die Tantenrollen. Ebenso rasch war der ältere Herr untergebracht. Für den war selbstverständlich niemand anders möglich als Rechtsanwalt Feßler, der joviale, grauköpfige Herr, von dem man behauptete, daß, wenn er des Vormittags mit seinen Handakten aufs Gericht zog, er zwischen den gerichtlichen Schriftstücken immer ganz außergerichtliche verbarg, entweder Rollen, die er zu memorieren, oder Gelegenheitsgedichte, die er zu irgendeinem Familienfeste zu verfassen hatte.

Blieb also nur noch das Liebhaberpaar zu besetzen und damit freilich die schlimmste Klippe. Auch diese aber wurde rasch und glücklich umschifft.

»Den jungen Mann übernimmst doch natürlich du, Percy«, hatte Tante Löckchen zu dem Regierungsreferendar Percival Nöhring gesagt, und natürlich hatte dieser bejaht.

Percival Nöhring war der Liebling Tante Löckchens. Und wenn man den bildhübschen Jungen ansah, dessen schlank aufgeschossene Gestalt einen kleinen, braunumlockten Kopf trug, so begriff man das. Sein Gesicht hatte feingeschnittene Züge, denen der leise Anflug eines ersten Bärtchens eine gewisse Keckheit verlieh; diese Keckheit aber wurde durch den freundlichen Ausdruck der etwas kleinen, aber hellen Augen zur Anmut gedämpft.

»Ich weiß ja doch, daß alle Welt mich gern mag«, sagten die Augen, und sie hatten recht; er war der Liebling der Gesellschaft, beinahe ihr Verzug. »Der Edelknecht, sanft und keck«, so hatte ihn Onkel Bennecke, der, wie seine Gattin, wohlbewandert in Schiller und Goethe war, getauft, und die Bezeichnung traf zu.

Das Bewußtsein von seiner Sieghaftigkeit verlieh seinem Auftreten in der Gesellschaft elegante Sicherheit; er war ein guter Tänzer, des Klaviers so weit mächtig, daß er zur Not einen Tanz aufspielen konnte, ein wenig Maler, leidlich belesen in der Literatur – kurz, mit all den Sachen und Sächelchen wohlausgestattet, die die Natur dem Menschen in die Taschen schiebt, wenn sie zu ihm sagt: »Geh in die Gesellschaft und werde ihr Löwe.«

Was Wunder also, daß Tante Löckchen ihn zum Liebhaber in dem Stücke ausersehen hatte, das bei ihr gespielt werden sollte. Alle fanden es ganz natürlich und Percival Nöhring erst recht. Mit beiden Händen hatte er darum zugegriffen, als die Rolle ihm angeboten wurde, denn er spielte gern Theater.

Theater war Dramatik – Dramatik war Poesie – und für Poesie hatte Percival Nöhring eine heimliche Neigung. Heimlich, aber stark.

Das sah man eigentlich schon seiner äußeren Erscheinung an. Seine Kleidung war zwar nach der Mode, aber keineswegs stutzerhaft, viel eher mit einem Stich ins Romantische.

Nie anders ging er aus als mit breitkrempigem, künstlerischem Schlapphut – dazu trug er mit Vorliebe breitbandige, flatternde Krawatten. Ganz modern waren diese eigentlich nicht, aber sie standen ihm, standen ihm sehr gut.

»Der reine Byron«, flüsterten die jungen Mädchen hinter ihm auf der Straße, wenn sie mit bewundernd sehnsüchtigen Blicken seiner elastischen Gestalt nachblickten. Und er hörte es nicht ungern, wenn man ihn mit Byron verglich.

Daß ein so poetischer Mensch mit einem so romantischen Namen selbst Dichter sein und Gedichte machen müßte, war für das junge Volk eine ausgemachte Sache.

»Gedichte von Percival Nöhring« – wie sich das als Titel auf einem Buche hätte ausnehmen müssen! Und wenn es dann, in zierlichem Miniaturformat, mit Goldschnitt und in seidenem Einbande auf den Tischen der jungen Damen gelegen hätte, entzückend!

Es war denn auch ein allgemeines Gemunkel, daß Percival Nöhring in der Tat Gedichte machte – wunderschöne natürlich. Aber er hielt damit zurück; sie waren ihm noch nicht gut genug. Das erhöhte die Bewunderung.

Die einzigen, denen er sie vorlas, waren seine Schwester und Tante Löckchen. Ob er sie Tante Löckchen vorlas, wußte man nicht genau, man glaubte es, man nahm es an. Aber seiner Schwester teilte er sie mit, das war gewiß, seiner Schwester, der Freda – Freda Nöhring.

Und nun hieß es weiter, daß diese eigentlich die Ursache sei, daß Percivals Gedichte noch nicht in die Welt kämen. Einige behaupteten, weil sie zu kritisch, andere wieder, weil sie ganz einfach zu eifersüchtig sei. Sie war nicht so beliebt wie ihr Bruder Percival, die Freda Nöhring, lange nicht. Man hätte sie beinahe unbeliebt nennen können.

Daß sie klug, sehr klug sei, wurde allseitig zugestanden. Dafür sprach ja auch schon der Respekt, den ihr Bruder ihr, wie alle Welt wußte, entgegenbrachte. Denn daher allein, daß Freda zwei Jahre älter war als er, kam sein Respekt sicherlich nicht; er beugte sich vor ihrer kritischen Überlegenheit.

Aber, kritische Überlegenheit, geistige Bedeutung – mein Gott ja – alles ganz schön und gut, aber wenn es nun einmal in einem Frauenleibe wohnte, so gehörte doch auch Liebenswürdigkeit dazu, damit es einem gefiele, und liebenswürdig war Freda Nöhring nicht, das sagten nicht die jungen Mädchen nur, das sagten die jungen Männer auch.

Freda – der Name war eigentlich auch so schön, beinahe so schön wie Percival – Freda und Percival, wie romantisch das zusammenklang! Man wunderte sich, wo eigentlich die beiden schönen Namen hergekommen sein mochten, und es hatte damit auch seine besondere Bewandtnis. Der alte Herr Nöhring, der Vater der beiden, der früher an der Regierung am Orte Regierungsrat gewesen war und jetzt, nachdem er in Ruhestand getreten, in einem eigenen kleinen Hause in den reizenden Anlagen der Stadt mit seinen Kindern wohnte, der alte Herr Nöhring war nämlich in seiner Jugend auch poetisch angehaucht gewesen. Wahrscheinlich hatte Percival die dichterische Ader von ihm geerbt.

Sehr stark war der Anhauch bei dem alten Herrn Nöhring nicht gerade gewesen, nur eine dünne Silberhaut, unter der das eigentliche Metall seiner Natur, mochte es nun Kupfer oder Eisen sein, bald wieder zum Vorschein kam.

Darum hatte es ihn keine allzu schweren Kämpfe gekostet, über die Leichen seiner Jugenddichtungen hinwegzuschreiten und die Landstraße des Lebens zu gewinnen, die ihn zu Amt und Rang und vernünftigem Auskommen führte.

Aber die Sehnsucht war ihm geblieben, nicht eben leidenschaftlich, aber nachhaltig, gewissermaßen chronisch, und das Bedürfnis, sich in seinem Berufsleben ein Guckloch offenzuhalten, aus dem er in das Land der Träume hinausschauen könnte. Dazu hätte es ihm ja nun füglich genügen können, wenn er die Werke der Dichter las und genoß – aber das war ihm doch nicht genug. Etwas Selbsttätigkeit sollte dabei sein. Und weil die eigene Kraft dazu nicht ausreichte, so wartete er, ob ihm Natur und Schicksal vielleicht einmal behilflich sein, ob er vielleicht einmal Kinder haben würde, in denen seine Sehnsucht wieder auferstehen und sich mit Kräften paaren würde, die zu reicheren Erfolgen führten, als sie ihm beschieden gewesen waren.

Vom Tage an, da er sich mit seiner, jetzt schon vor Jahren verstorbenen Frau vermählt, hatte er deshalb beinahe mit Neugier darauf gewartet, welcherart denn nun wohl diese Kinder, diese jungen Nöhrings, diese verbesserten Auflagen seiner selbst sein würden. Denn daß sie verbessert sein würden, daran zweifelte er im stillen keinen Augenblick, wenn er auf die kluge, schöne Lebensgefährtin an seiner Seite blickte, aus deren Schoß sie ihm hervorgehen sollten.

Immerhin – wie die Kinder nun einmal ausfallen würden an Leib und Geist, das mußte in Geduld abgewartet werden; eines aber konnte er selbst tun, und zwar jetzt schon, jetzt gleich, und das besorgte er denn auch vom ersten Tage an: Namen für sie ausdenken, schöne, poetische Namen. Nicht solche gewöhnliche, triviale, aus denen die Küchen- und Kellerluft des Alltagslebens herausduftet, wie etwa »Auguste«, »Emilie«, »Ottilie«, oder »Gustav«, »Julius« oder »Anton« – nein – schöne Namen, phantastische, stimmungsvolle Namen, die er ihnen wie ein Geschmeide in die Wiege legen, wie ein goldenes Krönchen auf das junggeborene Haupt setzen konnte; Namen, bei deren Klang, wenn man sie laut durchs Haus rief, das ganze Haus sich mit romantischem Duft erfüllte, so ungefähr, wie wenn man eine Räucheressenz entzündet, und deren Gewölk die Räume durchdringt.

Und so war er denn, nach langem Erwägen und oftmaligem Verwerfen, zu dem Entschlusse gelangt, daß wenn ihm das Schicksal einen Knaben schenken sollte, dieser nicht anders heißen dürfte als »Percival« und das etwaige Mädchen »Freda«.

Percival – ihm war so in der Erinnerung, als ob einer der Ritter von König Artus' Tafelrunde so geheißen hätte. Wenn er den Namen vor sich hin sprach, war ihm zumute, als täten sich weite, dunkle, grüne Wälder vor ihm auf, vom Hifthorn durchhallt, durch welche der weiße Hirsch dahinschlüpfte, von Rüden und Jägern verfolgt. Und das alles würde ihm nun dauernd gehören, wenn der liebe famose Junge erst gekommen sein würde, der Percival, in dessen Augen er schon jetzt, obgleich sie noch gar nicht da waren, eine ganze Märchenwelt von Sage und Romantik erschaute.

Und dann wieder »Freda« – welche Reinheit, welche Weihe und Majestät in dem Klange des Wortes! Wenn er den Namen dachte, verwandelte sich ihm sein Haus in eine mittelalterliche Burg mit spitzen gotischen Türmen, mit Zinnen gekrönt, mit Söllern und Altanen, und durch die Gänge der Burg sah er eine Jungfrau dahinwandeln, schlank wie die Lilie, weiß wie ein Schwan, in fließenden Gewändern, mit goldenem Haar und blauen, strahlenden Augen – und das würde sein Kind sein, seine Freda, seine! Er war doch ein reicher, ein glücklicher Mann, der Regierungsrat Nöhring! Und wenn er dann am Nachmittag von den langen Spaziergängen, die er einsam in der Umgegend zu machen pflegte, zur Stadt zurückkam, dann strahlte ihm das Gesicht so von innerer Glückseligkeit, daß die Leute stehenblieben und sich fragten: »Was mag denn dem Regierungsrat Nöhring wieder Gutes passiert sein? Der sieht ja aus, als hätte er das große Los gezogen?« Es war ihm aber gar nichts passiert, sondern er war nur im Geiste mit dem »Percival« und der »Freda«, die beide noch kommen sollten, spazierengegangen, er war eine Stunde lang wieder Dichter gewesen, der Regierungsrat Nöhring.

Als dann endlich die große Stunde schlug und das kleine Mädchen zuerst ans Tageslicht gekrabbelt kam – klapp – saß ihr der Name auf dem Köpfchen, und als »Freda« lief sie in die Welt. Und als zwei Jahre später das gehorsame Schicksal, um Herrn Regierungsrat Nöhrings Wünsche zu erfüllen, ihm ein Jüngelchen schickte – klapp – hatte ihn sein Name weg, und Papa Nöhring, die kleine Freda auf dem Arm, tanzte um die Wiege herum: »Da guck hin, Fredchen, da guck hin, da liegt Brüderchen Percival!«, und die kleine Freda tat ihre großen Augen auf und streckte beide Ärmchen aus, strampelte auf dem Arm des Vaters und lallte: »Brüderchen – Brüderchen.«

»Merkwürdig,« pflegte Papa Nöhring in späteren Jahren zu sagen, wenn er seinem Busenfreunde, dem Major a. D. Bennecke, den Vorgang erzählte, und das geschah in jedem Jahre etwa drei- bis viermal, »merkwürdig, wie sich das Mädchen damals schon über den Bruder gefreut hat. War doch noch ein ganz kleines Ding dazumal, war aber schon wie toll mit dem Jungen und hat ihn gehätschelt und getätschelt und für nichts Augen und Ohren gehabt als nur für den Percival und ist so geblieben bis auf den heutigen Tag. Merkwürdig.«

»Ist aber auch danach, der Percy,« pflegte dann ebenso regelmäßig der Major a. D. Bennecke hinzuzusetzen, der die Geschichte geduldig jedes Jahr drei- bis viermal anhörte, weil er wußte, daß er seinem alten Freunde keinen größeren Gefallen tun konnte, »ist ja auch wirklich ein ganz famoser, allerliebster Junge, ein lieber Kerl.«

Und so war die Zeit hingegangen. Papa Nöhring war ein alter Mann, und Freda und Percival waren junge erwachsene Leute geworden von vierundzwanzig und zweiundzwanzig Jahren, und heute nachmittag also waren sie zusammen bei Tante Löckchen, um dort Theater zu proben.


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